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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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Vtidelbrrgtr Ztilung.

Kreisverkündigungsblatt sür ben Kreis Heidelberg und amtliches Lerkündigungsblatt für die Aints- unü Amts-
GerichtOezirke Heidclberg und Wiesloch und den Amtsgcrichtsbezirk Neckargemünü.

M 2«S


Mittwoch, «i September 18KL

Auf die „Heidelberger
I? Zeitung" kann man sich

noch für den Monat
September mit 21 Kreuzern abonniren bei allen
Postanstalten, den Boten uud Zeitungsträgern,
sowie der Expedition (Schistgasse Nr. 4).

^ Der Aufstand in Bucharest

hat in Deutschland, mit Ausnahme von Oester-
reich, nicht die Beachtung gefunden, als es die
Wichtigkeit und -das Jnteresse der Vorgänge an der
untern Donau verdienen. Daß man inOesterreich
die Bedeutung dieser zu würdigen wußte, erhellt
aus dem Umstande, daß vom dortigen Kriegs-
ministerium umfassende Sicherheitsmaßregeln an
der siebenbürgisch - wallachischen Grenze ange-
ordnet wurden, und daß bereits Marschbefehle
an mehrere in Ungarn liegende Regimenter er-
theilt waren. Die völlige Unabhängigkeit von
der türkischen Oberherrlichkeil war das Losungs-
wort des Aufstandes, desten FLden, wie ge-
wöhnlich bei den Bewegungcn an der untern
Donau, nach St. Petersburg reichten. Nuß-
land harrte der Jntervention, und. wollte die
Türkei beschäftigen, während die russisch gc-
sinnten Bojaren mit den Chefs der Agitations-
partei conspirirten, welche die Fürsten Cusa in
der Moldau-Wallachei und Obrenowic in Ser-
bien zum Sturze reif erklärt hatten. - Das Pro-
gramm dieser Verbindung lautete: Vertreibung
der Türken aus Europa, Bildung dreier selbft-
ständiger Reiche, eineS rumänischen, serbischen
und eines griechischen. Die Bildung eines ru-
mänischen und serbischen Reichs wurde von der
ungarischen nnd polnischen Emigration eifrig
unterftützt, obwohl sich'Kossuth öffentlich, wohl
nur scheinbar, dagegen aussprach. Was die
mit den Griechen getroffene Vereinbarung be-
trifft, so sollten die Provinzen Macedonien,
Thessalien, Epirus und die Herzegowina dem
neuen Hcllenenrciche zufallen. Eln serbischer
Anführer, Oraztowic, war deßhalb mit einem
Minister des Königs von Griechenland in Ver-
bindung gctreten. Wenn auch dieser Letztere
von dem Plane noch keine Kenntniß crhalten
hatte, so ist doch so viel gewiß, daß der-
selbe stets die Sympathien der slavisch-griechi-
schen Bewohner der Türkei für stch haben wird,
daß in der Folge Beweguugen in diesem Sinne
unvermeidlich sein werden, und daß der Anf-
stand schon dieses Mal einen großen Umfang
angenommen hätte, wenn nicht der crste An-

London, 26. Aug. Eö ist der Poiizei gelungen,
endlick einen jener Schwindler, welche ihreFang-

in Gestalt eines Franzosen, der den Namen Louis
Jordan angab. Mit ihm ist eine SpießgeseUin,
Angelina Iordan, eine Engländerin, die fich als
die Frau des Verhaftcten ausgibt, verhaftet wor-
den. Von Lonvon aus haben diese Beiden unter
den Namen Sampson u. Lomp., Rogcrs u. Comp.,
Rigdon u. Comp., Rhabbulat u. Comp., Iordan
u. Comp., Christie u. Comp., Smith u. Comp. u. a.
^ne Unzahl Briefe nach Frankreich, Deutschland,

bestimmte Summe Geldes einzuschicken, um die
Kosten einer aus Rio de Ianeiro, Valparaiso oder
andern meist südamerikanischen Plätzcn eingetroffe-
nen Wcrthsenvung, die nach Eingang der verlang-
ten Gebühr sofort übermittelt werden sollte, zu
bestreiten. Solcher Circulare, denen trgend eine
bvchtönende Firma vorgedruckt war, wie Trans-
atlantische Pakctpost-Compagnte, Südamcrikantsche
Spedittonsgesellschaft u. dergl., sollen mindestens

fang desselben, durch die dem Fürsten Kusa
treu gebliebenen Truppen, unterdrückt worden
wäre.

* Politische ttmschan.

Der in Leipzig versammelte 36er-Ausschuß
beschloß im Einvernehmen mit dem cngeren
Schleswig-Holstein-Auöschuß nach langer Be-
rathung, den deutschen Abgeordnetentag auf den
1. October nach Frankfurt einzuberufen.

Die Gerüchte über eine angeblich nahe bevor-
ftehende Finanzoperation — man spricht von
einem Nationalanlehen im Betrago von 200
Millionen Gulden — erhalten sich. Es scheint,
daß man in den leitenden Kreisen Oesterreichs
in dieser Hinsicht große Hoffnungen auf den
ungarischen Adel setzt, zumal sich der Kaiser
selbst an die L>pitze dcr Unterzeichneten stellen
will. Der ungarische Adel ist aber gar nicht
in der Lage, diese Hoffnung zu erfüllen, und
es kann jetzt schon mit Bestimmtheit vorherge-
sagt werden, daß eine derartige Operation ein
klägliches Ergebniß liefern wird.

Der Prinz Joseph Bonaparte ist zu Musig-
nano gestorben.

Jn Jtalien wird die fatale Stimmung der
öffentlichen Meinung immer srchtbarer. Ein
Turiner Blatt faßt die Ursachen dicser Stim-
mung in einem trcffenden Bilde zusammen,
dessen Hauptzüge folgende sind: die Abhängig-
keit und Botmäßigkeit gegenüber Frankreich;
die Steuerlast, die seit 4 Jahren um 35 Proc.
jährlich gestiegen ist; die illusorische Freihcit,
die nur Zeitungsconfiscationen, Hausdurch-
suchungen, factische Belagerungszustände, Jn-
ternirungen, Gesetze ä la Pica und dergl. im
Gefolge hat; die Unmöglichkeit der Fortdauer
der jetzigen Zustände und die Ungewißheit der
Zukunft; die anarchischen Zustände in vielen
Theilen des Neiches; die Unfähigkeit der Män-
ner, die nach einander in's Cabinet traten rc.
Es ist eiu düstercs Bild, aber keine bloße
Schwarzseherei; es ist durch unzahlige That-
sachen iüustrirt.

Nach Berichten'aus Neuyork zeigt sich in den
Südstaaten gcrade die Kirche, deren Aufgabe
es wäre, vcrsöhnliche Gesinnungen zu verbrei-
ten, am Widersetzlichsten gegcn dic Unionsregie-
rung, und weist selbst jede Annäherung der
nordischen Bischöfe zurück. Ganz anders be-
nehmen sich die Generale der Conföderation.
Lee antwortet Allen, die ihn um Rath an- >

gehen: geht in euere Heimath, baut das Land,
gehorcht der Regierung. Der Präsident bietet
sein ganzcs Ansehen auf, dem Süden von Sei-
tcn des Nordens jcde mögliche Unterstützung
zu verschaffen, während die angeblichen Freunde
des Südens durch schlechten Rath scine Noth
zu verlängern suchen.

D e u t s ch l a n d

Berlin, 3. Sept. Dic National-Zeitung
meldet: Der Abg. Twesten ist gestern auf An-
trag der Staatsanwaltschaft durch den Unter-
suchungsrichter über seine bekannte Rede im
Abgeordnetenhause vom 20. Mai verantwort-
lich vernommen worden. Die Staatsanwalt-
schafl sindet in der Rede Beleidigungen und
Verleumdungen öffenllicher Beamten und Be-
hörden in Bezug auf ihren Beruf. Twesten
verweigerte auf Grund des Verfassungsartikels
84 jede Auslassung über eine im Abgeordneten-
hause gehaltene Rede.

Berlin, 3. Sept. Die „Kieler Zeitung"
schreibt aus Schleswig: Der Landesregierung
ist angezeigt worden. daß sie am 14. Sept.
aufgelöst werde. Der Sitz der Civil- und
Militär-Regierung für Holstein wird Kiel sein;
ihre Thätigkeit wird am 15. Sept. beginnen.
Gablenz wird bis zum 14. Sept. eintreffen,
um Halbhuber abzulösen.

Am 27. Augusr war in Flensburg Ver-
sammlung der Kampfgenossen aus beiden Her-
zogthümern. Es waren etwa 40 Vereine ver-
treten und von auswärts ctwa 500 Kampfge-
nosscn eingetroffen. Das Fest trug den Cha-
rakter eincr lediglich gesclligen Zusammenkunft.
Der beabsichtigte Marsch vom Bahnhofe nach
dem Versammlungölokale des Flensburger Ver-
eins unterblieb auf Wunsch der Polizei. Bei
dem Festessen wurde ein Toast auf den Dr.
M. May vurch einen Polizeidiener 'unterbro-
chen. Ein Gruß der Kampsgenossen an den
Herzog wurde unter der Adresse des Majors
Schmidt auf der Telegraphenstation abgegeben
und angenommen.

Wien, 1. Sept. Die Ursache des Selbst-
mords von Prof. v. Stubenrauch und Gemah-
lin ist die Untcrschlagung einer sehr bedeuten-
den dem „Kreuzerverein", einem Sparverein,
gehörigen Summe — man spricht von 28,000 fl.
Stubenrauch hatte, gedrängt durch selche Ver-
einsmitglieder, welcher in lctzter Zeit Rückzah-
lungen beanspruchten, sich endlich dem Ober-

teten laut Zeugenaussagen in Empfang genommen
haben, scheinen der leichtgläubigen Vögel gar viele
in das Netz der Gauner geflogen zu sein. An
verschiedenen Stellen der Hauptstadt hatten die
Angeklagten ihre Agenturen, d. h. irgend ein ge-

gestcUte Stube einer Winkelkneipe, wo fie von Zeit
zu Zeit crschiencn, um dte etngelausenen Briefe
abzuholen. Leider ist wenig Geld, etwa 25 Pfd.
Sterl., bei den Schwindlern gefunden worben, so
daß die Hoffnung irgend eines der Betrogenen auf
Ersatz eine sehr gertnge ist, ünd daß ein ganzer
Centner' von Schriftstücken in Beschlag genommen
'ist, wird geringen Trost gewähren.

Koburg, 29. Aug. Gestern Nacht verbreitete
fich ein großer Schrecken untcr den Einwohnern
der hiesigen Stadt, inbem es allgemein hieß, daß
auf dem Dache des hohen St. Moritzthurmes Feuer
ausgebrochen sei, da Rauch aus dem Dache hervor
sichtbar wurde. Ein Thcil der Feuerwehr begab fich
sofort auf den Thurm, und einer derselben erretchte

Feuerwehrmannschaften haben nun ergeben, daß
große Massen von Insekten aus dem obersten Dache
des Thurmes, dem sogmanten „grünen Dächlcin",
welcke sich dort verhalten haben mögen, heraus und
um dcn Thurm herumflogen, welche bei der -edeuten-
dcn Entfcrnung von dem Erdboden in ihrerDichtheit
und Massenhaftigkeit ganz das Aeußere von Rauch-
wolken darboten unv so die Täuschung hervorriefen.

(Gute Ausrede.) Ein Hausmeister in Prag
trat in diesen Tagen als Kläger gegen ein im
Hause wohnendes Mädchen auf, welches, als er
I des Nachts die Thür nicht gleich geöffnet, Aerufen
' haben sollte: „Der Esel. wird doch aufmachen!"
! Die Angeklagte bestritt dieseS. Ich stand", sagte
^ fie, „mit meiner Schwester Therese, gegen welche
^ der Hausmeister sonst immer sehr freundlich ist,
vor dem Thor und sagte, da bereits mehrerc Mal
! vergeblich geläukrt war: „Theresel wtrd er doch
i aufmachen!" Das Gericht sprach die Angeklagte fret.
 
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