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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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https://doi.org/10.11588/diglit.2786#0258

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die Wahl emes libcralen Abgeordneten im Am.c
Eppingen mit großer Majoritat außer allem
Zweifel ist.

— Mannheim, 6. Sept. Die auf die
Wahl der Keiswahlmänner sich bcziehende ul-
tramontane Agitation murde hier, des ungün-
stigen Terrains wegen, so geheim betrieben, daß
man gar nichts davon erfuhr. Erst am Tage
vor der Wahl trat diese Partei mit cinem
Wahlvorschlage hervor, der es zweifelhaft läßt,
ob man eine schlauc Berechnung zu bewundern
oder eine drollige Tülpelhaftigkeit zu belacheln
habe. Während nämlich in allen ultramon-
tanen Versammlungen die Religionseigenschaft
der zu Wählenden scharf betont wurde, enthält
der hiesige, dem der liberalen Partei gegenüber
gestellte, Wahlvorschlag mit scheinbarer Tole-
ranz Katholiken und Protestanten in buntcr
Mischung, jedoch nur s o l ch e Protestanten und
solche Katholiken, welche der streng kirchlichen
Richtung angehören. So gingen also auch hier
wieder, wie in der Schulfrage, Jesuiten und
Pietisten Hand in Hand; denn beide fühlten,
im Bewußtsein ihrcr Schwäche, das Bedürfniß
einer Bundesgenossenschaft. um den gemein-
schaftlichen Feind, den potitisch-kirchlichen Libe-
ralismus, wo möglich zu besicgen. Daß aber
nicht religiösc Duldsamkeit die Triebfeder war,
geht daraus hervor, daß sich unter den Vor-
geschlagenen auch nicht ein einziger Jsraelite
befindet. Für eine schlaue, wie wohl völlig
mißglückte Berechnung wird man cs auch hal-
ten müsscn, daß einzelne Namen von gutem
Klang, dcren Träger ciner ganz entgegengesetz-
ten Richtung angehörcn, als Lockvögel beige-
mischt warcn; allein dieser Kunstgriff rief eine
allgemcine Entrüstung hervor, und mchrere
derjenigen, die ihrcn Namen in folcher Weise
mißbraucht sahen, verwahrten sich in den hic-
sigeu Localblättcrn ziemlich derb und unglimpf-
lich gegen die ihncn angedichtete Bruderschaft.
Die Führer und ersten Größen der verbünde-
ten Reaction waren in jedem Wahldistrict, also
viermal, vorgeschlagen, damit sie, wenn sie in
dem eincn Netze durchfallen sollten, noch in
einem der anderen aufgefangen werden können.
Allcin cin vierfacher Durchfall kröntc die zwei-
felhafte Ehre; und der Eifer. womil man einen
bekannten hochgestellten Fürsprecher dcs Ultra-
montanismus am Morgen der Wahl durch die
Straßen der Stadt eilen fah, konntc das
Mißgeschick nicht verhüten. (Das nämliche
Manöver wurde in Heidelberg mit gleichem
Erfolge versucht.) Jm Augenblicke, wo wir
dieses schreiben, ist das Wahlergebniß noch
nichl bekannt. Die Zusammenstellung wurde
dadurch sehr erschwert, daß die Wähler, welche
sich dieses Mal mit seltenem Eifer betheiligt
hattcn, sich nicht streng an die Wahlvorschläge
hielten, sondern ihrer eigenen Ueberzeugung
folgten. Der Grund diescs Versahrens, wel-
ches der Gefahr eincr Zersplitterung der Stim-
men a'ussetztc, ist in dem ziemlich allgemeinen
Unwillcn zu suchen, daß unter der Führerschaft
gewisfcr unvermeidlicher Leithämmel vie näm-
lichen Candidaten vorgeschlagen wurdcn, die seit
fünf Jahren auf allen Wahllisten stehen, als
ob sie *die alleinigen Erlöser von allen socialen

100 Fr.. Einsatz, 200 Meter Entfernung. Von

(Russisch-amerikanisLe Telegraphen-
linie.) Bei dem abermaligen Mißlingen der Ver-
bindung Europas mit Amerika vermittelst des trans-
atlantischen Kabels gewinnt die in Angriff genom-
mene und rasch fortschreitende Telegraphenlinie, die
Newyork mit St. Petersburg zu verbinden bestimmt
,ist, täglich mehr Bedeutung, und cinige dem „Rus-
fischen Jnvaliden" entnommene Notizen dürften
daher nicht ohnc Intereffe sein. Die Amenkaner
und Ruffen haben die Arbeiten diescr Ukrterneh-
mung unter fich getheilt. Jene haben die Vcr-

Laufe von drei Jahreu von San Krancisco bis
nack NikolajewSk am Amur, Rud diese, dieselbe
von NikolajewSk bis St. Petersburg zu führen,
und dicse Unternehmung ist fast schon zu zwei
Dritttbeilen ausgeführt. Die Linie zieht sich von
San Francisco nordwarts langs der Küste bin.

>Lchädcrr r.-icr:. Man ist es cndlich müde ge-
worden, sich wie unmündige Kinoer forlwäh-
rend den Brei um den Mund schmieren zu
lassen. Dcssen ungeachtet können wir jctzt schon
die Versicherung aussprcchen. daß die liberale
Partei einen entfchiedenen Sieg davon getragen
hat, der unter den angedeuteren Verhältniffen
nur um fo rühmlicher ift. Das Nähere später.

§ Mauer, 5. Septbr. Zu meinem nicht
gcringen Erstaunen kam mir heute in einem
dortigen Blatt — unter Ncckargemünd — das
Mißtrauensvotum zu Gesicht, welches 29 ächr
„römisch-katholische" Bürger von hier an un-
sern verehrten Abgeordneten Wundt gcrichtet
haben. — Es ist nicht meine Absicht, auf die-
ses ächt „römisch-kathvlische" Aktenstück näher
einzugehen — der Juhall charakterisirt es felbft

— fondern nur zu fagen, daß es nicht einmal
von der Hälfte der hicsigen kath. Bürger unter-
zeichnet ist. — Man könnte sich verfucht füh-
len, über das ganze Machwerk zu lachen, wenn
einem uichl Mrtleid über oie Unwissenheit die-
fer mißbrauchten Unterzeichner beschliche. Außer
einem Waüfahrtsherokd und einigen Casino-
helden gehören alle diese „römisch-katholifche"
Bürger — von deutfch haben diese Leute aller-
dings keinen Begriff — weuigstens zu drei
Viertel der untersten Claffe hiesiger Bevölkerung
an. worunter es leider noch welche giebt, die
nichl einmat ihren Namen zu .fchreiben im
Stande sind und oie allerdings viel nöthiger
hätten, für anderes zu forgen, als aus nied-
riger Gefallfucht ihre Namen znr Unterfchrift
eines Mißtrauensvolums herzugeben, desien
Namen für sie ein fremver Begrifi m. -
Uebrigens wird sich unfer verehrter Herr Ab-
geordneler wegen dem Geschreibsel vicfer „29"
keine grauen Haarc wachfen lasfen, sondern
nach wie vor seine Stellung in der Kammer
.im Sinne des Förtschritts zu behaupten wissen.

-j- Wolfach, 5. Sept. Ueber das Er-
gebniß unserer Wahlen, sowcit sie mir jetzt be-
kannt geworden sind, kann ich Jhnen Folgen-
des berichten: Lon 17 Gemeinden haben 14

— 66 Fortschrittsmänner, 3 — 8 Schwarze
gewählt. Sieben Wahlen mit 26 Wahlmän-
nern sind noch uicht bekannl geworden. Aber
es war ein heißer Tag. Wie zur Schlacht bei
Belgrad kam alles herbei, was zum Schlagen
hal die Krafr. Jn Wolfach betheiligten fich
von 240 Wählern 218, der niederste der Sieger
hatle 120, der höchste der Besiegten — 95
Stimmen. Haarscharf ftanden fich die Par-
teien gegenüber. Gerade fo gings draußcn auf
dem Land. Von dcn höchsten Bergen und
hintersten THLlern kamen fie zum Rathhaufe
gefahren und gelaufen, unv jeder hatte sein
wohl befchriebenes Zettelein im Sack. Für
das Schreiben hatte der Kaplan oder cin
„Stadtschnauzer" gesorgt, und obwohl ihnen
jener auf die Secle gebunden hatte, ja keine
<L>taats- und Gcmeindebedienstete zu wählen,
fo gingen in diesem Sodom und Gomorrha
reihenweifc die Bürgermeister und Gemeinde-
räthe aus ven Wahlurnen hervor. Zwei Ptäff-
lein nur haben Gnade gefunden und werven
dem Kreise der Wahlmänner einige Schattiruna
verleihen. Nicht unerwähnt will ich laffen,

wie der wackere Büriermeister von Kinz'.gcha!
dcn Pfarrherrn vot? Ht. N. heimfchiüte. Die-
ser ließ den Wählern noch auf der Wahlstatt
seinen Zuspruch angedeihen, und empfahl.sich
und einige andcre als würdigc Vertreter ihrer
geistigen nicht allcin, sondern auch ihrer ma-
tcriellen Jntercssen. Auf diese Rede des Kan-
didaten Jobfes geschah vom Bürgcrmeister ein
Schütteln des KopfeS und er fprach alfoJhr
LeM', es handelt sich da nicht um die Religion,
sondern um Gemeindesachen, und ich meine
der Herr Pfarrer hat seine Kanzel in der
Kirche. Zuvem hat er uns, feit er da ist,
fchon 500 fl. Schulden angehängt; und man
weiß nicht, ob das nicht wieder passiren könnte.
Also schlage ich Euch folgende vor, die wählt
ihr! Und fo geschah es!

Berlin, 5. Sept. Herr v. Bismarck ist
heute eingetroffeu und wird sich in der nächsten
Woche nach Biarritz begeben.

Berlin, 5. Sept. Die „Nordd. Allg. Z."
berichtel: „Der Bericht des Preßagenten Han-
fen über die Verhandlungen in Betreff der Ab-
tretung Nordfchleswigs an Dänemark trägt das
Gepräge der Ersindung. Es scheint daher^
überflüssig, zu versichern. daß die darin in Be-
treff des Ministerprästventen Hrn. von Bis-
marck erwähnten Thatsachen reine Phantasie-
stücke sind."

Wien, 5. Sept. FML. v. Gablenz reist
am nächsten Montag ab. Wie man vernimmt,
soll auch die Zollverwaltung der Herzogthümer
getrennl nnd in Rendsburg eine gemeinsame
Zollcaffe errichtel werden.

F L a II k r e i ch.

PariS, 4. Septbr. Die Unruhen, die in
Lyon durch das eigenmächtige Auftreten des
Hrn. Raphael Fclix hervorgerufen wurden, sind
ohne alle politifche Bedeutung, nur haben sie
infosern Wichtigkeit, als sie darthun, wie, wenn
einc äußere Veranlaffung vorliegt, in Frank-
reich eine Stadt noch immer ganz urplötzlich
in Äufruhr verietzt werden kann. Die Lyoner
gingcn übrigens nicht fchonend zu Werke. Viele
Polizeidiener erhielten starke Contusionen; der
Generalfekretär Baron v. Metz, welcher mit
der Handhabung der Lyoner Polizei berraut
Ist, erhiclt eine Verletzung durch einen Stein,
den man nach ihm gcworfen. Die Polizei
felbst trat jedoch mit vieler Geduld auf, das
Militär war dagegen viel rücknchtsloser unv
die Dragoner chargirten mit großer Energie
auf dem Place de la Comedie. Die Menge
gerieth darüber in große Wuth. ,die sich fpäter
in Mißhandlung ifolirler Militärs kundgab.
Dic Fensterscheiben im Hauie des Herrn Ra-
phael Felix wurden alle zertrümmert; die
Scheiben anderer Häufer hatten dasselbe Schick-
^al. Ein eigenthümlicher Vorfall ereignete sich
auf dem Plaze des Celeftins: Ein Polizcidie-
ner, der eine Bande junger LeMe zurückhrän-
gen wollte, wurve zu Boden geworfen. Er
sprang aber fchnell wieder in die Höhe, indem
er ausrief: „Pfeift, io vicl ihr wollt, aber
werfl mich nicht zü Bodeu!" Diefe Worte
wurden mit einstimmigem Beifall aufgenommen
und der Polizeidiener von den Ruhestörern er-

zwischen diesen briden Wegen hin; der Draht wird
an der Mündung des Flusses Kwtekpak in's Meer
gesenkt, berührt die Insel St. MatthäuS und er-
reicht die Küste von Afien am Cap OljutorSku
Nun durchschneidet die Telegraphenlinie den nörd-
lichen Theil von Kamtschatka, dann zieht sie sick
längs der Küste des Ochotski'schrn Meeres bin,


PariS, 31. Aug. Ein aus Para (Brafilien)
kommendes Kauffährteischiff (bie Brigg Beauzen
aus Havre) ist jenseit Sorlinques, kurze Zett vor
ihrer Einsahrt in -den Canal, aur eine Swa!-
Haifische gesroßen. Dieselben umringten das Schsn
und schienen sehr heißhungrig zu sein. Der Capl-
tän fing mit Hilfe eines einfachen Hakens in Zkl
von zwei bis drei Stunden 17 Stück Die Anrve-
senheit vvu Haifischeu in diesen Gegenden hat etwa
ganz Ungewöhnliches. An den betrkffeiidkn Kulte
herrscht natürlich panischer Schrecken; dle zählrerw
dortigen Seebäder stehen allr leer. Die Badegaltc
^itfernten fich ^ schleunigftals die Ankunst ver
 
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