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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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digrlng" erblicken zu sollen, deren Preis einem
großen Theil der Bevölkerung als zu theuer
crschien. DZäyrcnd aber die großen polilisrhcn
Anschauunge« Roggenbachs zweifelloS bekundet
sind, liegt jkner lctzterc Punkt im Dunkeln.
Die Frage seineS Rücktritts bleibt also unter
allcn Umständen eine ernste — wir wissen, wie
viel wir zu verlieren haben und wissen nicht,
was uns dafür werden kann.

* Heidelberg. 26. Scpt. Es ist eine
charakteristische Eigenthümlichkeit der politischen
nicht weniger alS der kirchlichen Reactionspar-
tei , daß sie im Verdächtigen, Verläumden,
Schmähen von Persönlichkeiten, die im gegne-
rischeu Lager stehen, eine ganz besondcre Vir-
tuosität entwickclt. Die Berliner Kreuzzeitung
verdankt wesentlich ihrer Skandalsucht ihre aller-
dingS sehr bedcnkliche, gleichwohl aber in ge-
wissem Sinne einflußreiche Stellung. Mit einer
politischen Zeitung wollen wir aber über eine
derartigc Methode nicht allzustreng in's Gericht
gehen. Seltsam jedoch ist es, daß jich auch die
klerikalen Blätter mit dem Gifte der preußi-
schen Kreuzspinne als ihrer eigentlichsten Lebens-
essenz vollgesogen und ihrer politischen Collegin
nicht nur nicht nachzueifern, sondern sie sogar
weit hinter sich zu lassen im besten Zuge sind.
Die Klerikalen behaupten beständig, Religiosi'-
tät und Moralität sci unzsrtrennlich. Sie
mögen rccht haben, insofern nnter Religiosität
daS verstanden wird, was dieser Begriff in
Wahrheit ausdrückt. Aber daß kirchliche
Frömmigkeit und Moralität schr verschiedene
Dinqe sind, darüber belehrt uns die Jesuiten-
partei täglich. Dem Princip der christlichen
Rcligion, welche vor Allem die NLchstenliebe
prcdigt, nicht weniger als dem einer höheren
Moral entgegen, entlecren sie unablässig in> den
uiedrigsten Schmähungen den sich immer neu
ansammelnden Vorrath an Haß, Jrl'grimm und
Wuth gegen ihre Gegner. Statt fsir die Sache
zu streiten und deren Gegenpartei zu bekämpfen,
beschmutzen ste mit Ausdrücken der rohestLN'Art
cinzelne Personen. Heißt daS christlich, heißt
das moralisch handeln? Der heutige Badische
Beobachter verdächtigt Bluntschli in der ehren-
rührigsten Weise, sein hiesiger jugendlicher Ge-
sinnungsgenosse beehrt die Mitarbeiter unserer
Zeitung mit oen Bezeichnungen „geschäftslose
Winkeladvokaten. jüdische und Schenkel'sche
Wafferdichter, die aus dem Schweinetrog in
der Schiffgaffe ihre Nahrung holen, und den
Launen eineS Menschen fröhnen müssen, den
dic Angst vor einem Umschlag der Dinge be-
reits gemüthskrank und geistesverwirrt gemacht
zu haben scheint." Nur lustig vorwärtS, Jhr
Hcrren, in dieser Tonart! Es ist die Natur-
bedingung der Kröte, daß sie ihr übelriechendes
Gift von Zeit zu Zeit ausspritzen muß! Schi.npft
und keist, wie es Euch beliebt! Der Sache
des Fortschritts, der Wahrheit, der Aufklärung
werdet Jhr Euch dadurch zum lebhaftcsten Danke
verpflichten. Auch das blödeste Hirn wird es
aümälig begreifen, daß eine Partei, die die
Sprache der bösartigsten und ungesittetsten
Gaffenbuben-mit leidenschaftlicher Vorliebe redet,
kein in sich reineS, edles, besseres Streben haben
kann. Die Waffen, deren sich der Kämpfer in

Baden, 20. Sept. Zn dcn Spielsälcn, wo der
Vcrkehr immer nock sebr lebhaft ist^ werden oft
ganz bemerkcnswerthe Bcobachtungen gcmacht. So
sprengte ein Kaufmann nus Brastlien in den letz-
ten Tagcn zweimal die Baiik Nach dcr von zu-
stankigcr Sette gcmachten Schätzung hat dcrselbe
ungefahr n00,000 Fr. mit fvrtgeuommcn. Als Ge-
genfatz erschien beute ein Bäuerlein und drängte fich
zum Spieltisch vor. Die Gestalt fiel auf, und der
rus,i,che Furst L. fragte den Mann, ob er das
Seinige verlieren wolle? Dieser antwortete, daß
er 45 Fr. bei fich babc, mit denen cr sein Glück
versuchen werbe. Fürst L. machtc dem Neuling dcn
Vorschlag, er moge ihm srine Baarschaft überlasseu,
er wolle fur ihn spielen; vrrltcrc er, so gebe er-
rhm, dem Banern, 100 Franken, dcr Gewinnst
Mlle Letztrrem ganz zu. Ein solches Grschäft konnte
sich unser Landmann schon grfallrn lassen. Der
Fürst setzte, gewann bedeutend und forderte nach
kurzer Zeit seinen Spielgesellschafter auf, den Ge-
winnst einzustecken. Der Bauer war wie aus den
Wvlken gcfallen, ungläubig sah er die Leute, dann
wiedcr das vor ihm liegcnde Gold und Silber an,

G-w-nn-nc, Il.zgo Fr.. in B-iitz !n"n-b,n"
Komi,ch war, wie der Mann sich cndlich anschickte,
die Srnte in allen Taschen unterzubringen und fich
sodann schleunigst entfernte, wie wenn er etwas
Unr.chtes gcthan. (Oberrh. C.)

dcn Schlachten des GcisteS bedient, kennzeichnen
seinen inneren Werth und seine Absichten. Wir
hatten crklärt, daß dic von Hrn. Lindau in
Trier gehalte'ne Rcde von Entstellungen und
Lügen wimmele. Wir hatten, als Hr. Lindan
gegen diese unsere Erklärung protestirte (auch
er befliß sich dabei des von uns geschilderten
Tones), diesclbe ourch Thatsachcn erwiesen.
Diese Thatsachen zu widerlegen bemüht man
sich keineswegs. Es wäre die Mühe auch eine
vergebliche, denn Thatsachen sind eben .unwider-
leglich. Jm Gefühle ohnmächtiger Wuth schüttet
man aber das Füllhorn fcinec Gesinnungsge-
meinheit über uns aus, und belferl gegen uns
in einer Sprache, die selbst auf dem Gemüse-
markt für unanständig gelten würde. Uns
machen solchc Ergüffe wenig Schmerzen. Jm
Gegentheil, wir bitten dringcnd um ihre Fort-
setzung, damit es Jedermann klar werde, aus
welchem Stoff diejenigen gemacht sind, die sich
für die Vertheidiger der Religion und der höch-
sten menschheitlichen Jntereffen auszugeben noch
immer die unbegreifliche Kühnheit haben.

Nur ungern und lediglich zur Abwehr der
gegen unsere Herren Correspondentcn gerichtcten
niedrigen Angriffe haben wir uns zu vorste-
hender Erklärun'g entschließen können, halten
es aber unter unserer Würoe, gegcnüber der
genügend gekennzeichneten Sprache der Nöm-
linge in einc literarische Fehde uns cinzu-
laffen, werden vielmehr wie seither jede sernere
Begeiferung mit stillschwcigender Verachtung
erwidern. Gegen elwaigc ehrenrührige Aeuße-
rungen werden wir uns zu schützen wiffcn.

G Constanz, 25. Septbr. Zur Charak-
teristik der dahier stattgehabten KreiSrathswah-
len, veren Ergebniß Tie bereits gemeldet, theije
ich Jhnen noch Folgendes mit: Bezüglich des
Ersatzmannes zerschlugen sich die Stimmen der
Ultramontanen, und einer dieser Stimmgeber
brachtc auf fcinem Stimmzettel den General
GariLaldi in Vorschlag. Daß es einer von der
klerikalen Partei sein muß, dafür spricht die
übereinstimmende Zahl der liberalen Stimmen
für beide von der Fortschrittspartei gewahlten
MLnner: Strohmaier ^uid Leiner, und der, zu
den Akten geheftete istimmzettel deS Garibaldi-
Vorschlags. Auch hatte ja die siegende liberale
Partei keinen Grunv, ihre Wulh auszulassen;
das konnte höchstens ein frommer Wunsch sein,
der so viel sagen will, alS: cs sollte Garibaldi
auch noch zur liberalen Partei gewählt sein;
cin solcher Wunsch aber konnte unter dem be-
zeichneten Wahlverhältniß, unmöglich in dcm
Kreise ver liberalen Wähler sich kund geben.
Unter diesen sprach sich auch alsbald eine^Jn-
dignation aus,»welche die erwähnle Handlung
als Dummheit, Frechheit und Büberei bezeich-
nete, von der man nicht glauben sollte, daß sie
unter Mannern hätte vorkommen könncn. Die
Beurtheilung dem Publikum in weitern Krei-
scn überlaffend, sind wir überzeugt, daß die
gerügtc Handlung überall dafür angesehen wer-
den wird, was sie verdient.

Aus Baden, 23. Sept. In der Natur
der sache liegt es, daß zahlreiche Geistliche
durch hervorragende Umtriebe sich als Feinde
des StaatSgcfetzes zu erkennen geben, sie folgen
dabei einer von dcr Kurie ergangenen Ordre,
welche bei Gelegenheit der Kreiswahlen in um-
faffender Weife zum Vollzug gebracht wurde.
Es vcrfteht sich von selbst, daß die Regierung
bei Besctzung derjenigen Pfarrstellen, welche sie
selbst zu vergeben otzssr auf deren Vergebung
sie einzuwirkcn hat, solche Bewerber nicht be-
vorzugt. Hoffnung auf Besicrstellung oder de-
finitive Anstellung haben die Geistlichen dieser
Gattung also nur bei Vergebung von Pfrün-
den, welche der freien Collatur ves Hcrrn Erz-
bischofs unterliegen. Ein Ansuchen Ver Kurie,
die Regierung möge sich bei ihren Einwendun-
gen gcgen mißfällige Personen auf Erörterungen
der ihnen zur Last gelegten Thatsachen cinlas-
sen, soll mit allcr Bestimmtheit auf Grund der
bestehcnden Gesetzgebung abschlägig beschieden
worden sein. Es genügt, daß die Regierung
einen Geistlichen als mißfällig bezeichnet, um
ihn von der Pfründevergebung auSzuschließen;
dasselbe System findet bekanntlich in fast allen
^Ltaaten auch bezüglich ver höchsten Kirchen-
würven statt, die vurch den Papst vergeben
werden. (S. M.)

Stuttgart, 26. Sept. (Beob.) Jn Be-

zug auf den bevorstehenden Abgeordnetentag hat
daS Comite der Landesversammlungen der Volks-
partei in Württemberg beschlossen: 1) zu er-
klären: Jn Ermangelung eineS deutschen Par-
lamenteS sei von ihm zu erwarten, daß er zum
unmittelbaren Schutz Schleswig-Holsteins und
zum Schutz des' bundestreuen Deutschlands
gegeu Willkürakte der deutschen Großmächte
wie die Gasteiner Uebereinkunft, energische
Maßregeln ergreise und die wirksamsteu Schritte
in diesem Sinne bei den Einzelregiernngen
thue; 2) das württcmbergische Volk, insbeson-
dere die. Wähler aufzusordern, sosort die Abge-
ordneten dahin zu bestilnmen, daß sie an ver
Versammlung vcutscher Volksvertrcter am 1.
Oktober Theil nehmen und daselbst im bezeich-
neten Sinne wirken.

Berlin, 25. Scpt. Die „Norddcutsche All-
gemeine Zeitung" sagt, die Nachricht der Pari-
ser „Patrie", daß der Ministerialdirektor von
Delbrück von der preußischen Regierung Be-
huss Abschlusses eineS Handelsvertrags nach
Florenz gesendel worden, sei unbegründet; Hr.
v. Delbrück reise lediglich der Erholung wegen,
und sein Nciseziel sei Rom.

Miien, 25. Sept. Die „Gen.-Corresp."
vernimmt ans sicherer Qnelle, daß die Mit-
theilungen dcr Journale über einen angeblich
an die kaiserl. Regierung gerichteten Vorschlag
Preußeus zur gemeinschaftlichen Entgegnuug
auf die jüngst ergangen sein sollenden anglo-
sranzösischen Rundschreiben über den Gasteiner
Vertrag an ihre diplomatischen Vertreter jeder
Bcgründung erulangeln, und daß wedcr die
britische, noch die französische Regjerung, sei
es im. amtlichcn oder im außeramtlicheu Weg,
irgenv welche Eröffnung im Sinne der er-
wähnten Rundschreiben an das kaiserl. Cabinet
hat gelangen taffen, so daß sür Letzteres kein
Anlaß zu Gegenbemerkungen vorliegt.

Frankreich.

Paris, 18. Septbr. Dre liberalen Zuge-
ständniffe, welchc dem Lande am 14. Okt. ver-
kündet. werden sollen, beziehen sich dem Ver-
nehmen nach auf die Erlaubuiß, Zeitungen ohne
vorgängige Ermächtigung zu gründen und auf
dic Reorganisation Alzeriens. — Diesen nichts
weniger als vcrbürgten Hoffnungen gegennber,
sticht die Aussprache des Hrn. Rogeard in sei-
uer neuesten Schrift: „Ärmes Frankreich", ge-
waltig ab. Der Verfaffer sagt in seiner Vor-
rede: Alle Welt weiß, was heute das Kaiser-
lhum des 2. Dez. ist. Wer wird nach 20jäh-
rigem Schtafe den Bonapartismns noch für
eine Partei und das Kaiserthum noch für cinc
Regierung halten? Keiner ^ glaubt an die
Dauer dieses abscheulichen Dinges. Dies Un-
geheuer ist schwindsüchtig zur Welt gekommen,
seine Aerzte habcn ihm das Leb.en abgesprochen.
Seht nur hin, die Symptome sind zu deutlich!
Es röchelt, das ist der TodeSkampf. Frank-
reich trägt nicht die Schuld, das Kaiscrthum
anzunehmen, wie es etwas leichthin seine glück-
licheren Nachbarn beschnldigcn; es hat das
Kaiserthum nie verdauen können uud es ist im
Begriff, daffelbe wieder auszuspeien, um nicht
von ihm vergiftet zu werden. Frankreich trägt
blos die eine Schuld, daß es das Kaiserthum
sterben läßt, daß es das Kaiserthum selbst ster-
ben läßt, während es eine Ehrensache für
Frankreich wäre, daffelbe des Beispiels wegen
zu tödlen. Der Fall des Kaiserthums darf
nicht wie seine Entstehung ein Zufall, es muß
cine Sühne sein. Die Befreiung Frankreichs
dars uicht cin einfaches Abentcuer sein, wie
seine Knechtung, sondern eine feierliche Wieder-
herstellung des Rechtszustandes, eine glänzende
Wiedervergeltung.der Freiheit, eine jnristische
Revolution.

Neueste Nachrichten.

Paris, 25. Sept. Jn Compiegnc ist der
Regierungskandidat in den gesetzgebcndcn Kör-
per gcwählt worden.

Kopenhagen, 25. Sept. Jm Folkcthing
benutzte heute die bauernsreundliche Partei die
Abwesenheit vieler Mitglieder und bewirkte mit
29 gegen 28 Stimmen die Wahl des abgesetz^
ten Pastors Birkedahl zum zweiten Vicepräst-
denten des Things. Hr. I. A. Hansen, dcr
crste Vicepräsident, wurde als solcher wiederge-
wählt.
 
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