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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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tidtlbkrgkr Zritung.

Krcislicrküudigungsblatt für üen Kreis Heiüelberg unü aintlichcs Berkündigungsblatt für üic Amls^ und AuüS-
Gerichtsbezirke Heidelberg unü Wiesloch unü üen Amtsgerichtsbezirk Neckargemünü.

Rk 237


Lonntag, 8 October


Beftellungen auf die „Heidelberger
Zeirung" nebst Beilage „Heidelber-
ger Familienblätter" für das mit 1.
October 186S begpnnene L. Quartal
werden forttvahrend angenommev.

Die Expedifion

^ Die Ultramonranen und die
Unterrichtsfreiheit.

Es ist hekannt, daß die Ultramonlanen den
Schulzwang bitter hassen, und sich namentlich
auch auf der Trierer Versammlung gegen diese
„Ausgeburt deS Polizcistaats" und „Bcschran-
kung dcr Fnihrit der Faiyilien" ereiserten.
Wenn wir jedoch das Berhaltniß deS Ultra-
montaniSmus zur Wissenschaft betrachten, dann
liegen die Absichten dieser FreihcitSprediger klar
am Täge. Es gibt für sie nur cine Wissen-
schaft: die Verherrlichung dcr römischen Hier-
archie, welche mil der katholischen Religion nicht
verwechselt werden darf; nur jene Bildungs-
mittel erachteu sie für zulässig, dic diesem Sinne
angepaßt sind. So kommt es, daß die For-* *
schungen der mvdernen Wissenschaft als ver-
derbliche Zrrthümer, daß die Schriften unserer
größtcn Denker als Ketzereien verdammt und
verbannt sind. Dank der Gütc GotteS, cröff-
net aber die nrenschliche Vernunfl übcrall Qucllen
des WissenS und trifit Sorgc, daß sie Allen
zuganglich sind. Darin liegt nun eine Haupt-
ursache de» ultramontanen Kummers; eine ci«
vilisirte Nation trachtet, daß alle ihre DLitglie-
der lernen. Der UltramontaniSmuS will, daß
sie nicht lcrnen, weil die Fluth des WissenS
ihm dcn Boden unter den Füßen wegspült. Die
absolute persönliche Freiheit steht dem geistigen
und leiblichen Wohle der Gesammtheit nach.
Nur cine gebildete Nation kann hcut zu Tage
ihren Peruf erfüllen, ihre Stellung behauptcn.
Der Staat hat also nicht nur die Berechtigung,
svndern auch die Verpftichtung, von jedem Ein-
zelyeu zu verlangen, daß er mitarbeite an der
Aufgabe der Nation. Da aber nicht Jeder von
seincm Beruf im Staate durchdrungen ist, daß er
aus freiem Antriebe seinc Pflicht thut, so gibt man
Gesetze, wclche zur Pflichterfüllung zwingen.
Ein solches ist unser (Zchulzwang. Jst Mangel
an nöthiger Schulbildung ein großer Schaden
deS StaatsbürgerS, dann muß dafür gesorgt
sein, daß er nicht davon betroffen werde.

AlS Kind fchlt ihm Einsicht und Wille, und

für den Fall, daß diesc hie und da auch den
Eltern abgehen sollten, ist es Pflicht des Staats,
die absolute persönlichc Freiheit, die vernunft-
lose Willkür der Familicn zu bcschränken, und
für das Wohl seiner zuküuftigen Bürger dic
nöthigc Sorge zu tragen. Jeder wird diese
Frage bejahen, dessen politisches Strebcn nicht
im AbsolutiSmus der römischen Hierarchie gip«
felt, dic allcrdings Gründe hat, uns vom Borne
deS WissenS fern zu halten. Der Schul-
zwang entspricht somit dcm wahren Begriffe
von staatlicher Freiheit vollkommen, er ist nicht
der Auswuchs des moderncn Polizeistaats, son-
dern die Blüthc und der Samen unjerer na-
tionalen und civilisatorischen Bestrebungen, cr
ist kcin Eingriff in daS Rccht der Familie, soy-
dern ein Sporn für ihre Pflichten. Dic Ultra-
montanen dagegen sind die unversöhnlichen
Feinde jeder Bildung, die nicht in Rom ihre
Quelle hat, und wollen, wenn sic für sogen.
Unterrichtsfreiheit sich creifern, unS offenbar
nur ein Danaergeschenk bieten; sic gedenken da-
mit allmälig auf dem Gebiete der Schulc eine
Anarchie herbeizuführen, um sich die Herrschaft
mit der Zeit wieder in dcm Umfängc anzu-
maßen, wic sie ihn einst besassen. Gewisser-
maßen darf man darüber erfreut sein, daß so-
gar die Herren von der Kutte und dem Talar
cinc liberale Flaggc aushangen, um unter
ihr Erfolge zu crzielen. Sie schcinen zu be-
greifen, was unsere Zeit will, dcßhalb schmiegen
sie sich derselbcn scheinbar an, um die Herr-
schaft wieder zu gewinncn.

* Politifche Umfchau.

* Der Zweck der in S. Sebastian und
Biarritz abgcschlossenen romanischen Quadru-
pelallianz soll kein anderer gewescn sein, als
den Schutz deS PapsteS für die Zukunft als
ein ausschließliches Recht der belreffenden vier
Mächte zu statuircn. Diese Allianz wäre so-
mit zugleich eine Ergänzung und Vcrvollstän-
digung der italienisch-französischen Scptembcr-
Convention. Oesterreich aber, gegen welcheS
man in Frankreich in neuerer Zeit sehr ver-
ftimmt ist, wäre damit auSgeschloffett. Dagkgen
soll nun, wie von anderer Seite versichert wird,
Oesterreich selber surchauS nicht datauf ver-
zichtet haben fcrner für eine Schutzmacht deS
Pabstes zu gelten und es sei hauptsächlich aus
diesem Grundc der bisherige Gesandte in Rom,
Bach, entlassen worden. Diese Entlassung

Stadt-Theater in Heidelberg.

Mit jeder VorsteUung überzeugen wir unS mehr,
daß Herr Widmann für dicse Saison ein Pcrsonal
'ngagirt hat, daS selbst hochgespannten Erwartun-
gen entsprechen muß. Nicht nur daS Schauspiel-
personal ist wirklich vortrefflick, sondern auch die
^per muß billigen Anforderungen genügen, daS
hat djx gcstrige Aufführung von Lzaar und

dem Eindruck deS Ganzen sichtlich befriedigt. Mor-
gen wird das Abonnement eröffnet mit dem seit
^ehreren Iahren nickt mehr gegebenen Sckauspiel
Deborah. Fräulein Brand wird die Titelrolle
ipielen; dieselbe hat mit ihrcr „Maria Stuart"
einen so bedeutenden Erfolg erzielt, daß wir unS
von der morgigen Vorstellung einen großeu Genuß
versprechen dürfen. Gestalt, Organ und ein feu-
riges Spiel zeichnen diese Darstellertn aus, und fie
wixd vorausfichtlich den leidenschaftlichen Eharakter
drr Deborah zur vollsten Geltung bringen. Herr
Marr, der bereits wieber ein Liebling deS Publi-
kums geworden ist, wird ben Ioseph spielen. Auch

die übrige Bcsetzung deS Stücks ist eine würdige,
und so dürfen wir einer würdigen Eröffnung des

Am 20. September stand ein ganz eigenthüm-
licher Dieb vor den Schranken deS Pariser Zucht-
polizeigerichtS: Der24jährige Sohn eineS Banquiers
auS dem Großherzogthum Heffen, seit 4 Aahreu zu
seinem Vergnügen und zur Erlernung der Sprache
in Paris lrbend und, wie er selbst sagt, von sei-
nem Vater jeder Zeit mit so viel Geld versehen,
alS er immer will. Derselbe pflegte in einem La-
den des PalaiS Royal täglich eine einzelne Eigarrre
zu 25 Centimes zu kaufen, die er gleich anzündete
und fortging. Doch fiel sein Benehmen dem Kauf-
mann äuf; er glaubte einmal eine rapide Mani-
pulation bemerkt zu haben und verabredete mit
seiner Frau, fie solle ihn daS nächste Mal gerade
in dem Moment abrufen, wo der elcgante Iüng-
ling die Ligarre anzünde. Es geschah; der Kauf-
mann beobachtete aber seinen Kunden ungesrhen
und bemerkte richlig, daß er mit blitzschnellrr Hand-
bewegung eine Hand voll Cigarren in seine Rock-
tasche prakticirte. Ia tisgrLvti ertappt, gestand er

wäre somit ebenso sehr eine Concession an die
Tuilerleu, wie an Ungarn. Scin Nachfolger
Hübner gilt für einen entschicdenen Anhän-
gcr und Vcrtreter des Princips, welchcs Oester-
reich auf ein Zusammcngehen mit Frankreich
anweist. Derselbe wird daher — wie man
sagt — in Nom den schon vom Grafen von
Rechberg proclamirtcn Grundsatz der Nichtin-
terventionspolitik befolgen.

Die „Ztg. f. Nordd." schreibt: Dic preußisch-
particularistische Stimmung ist doch keineSwcgS
so allgemeiu, wic man aus den Aeußerungen
der Presse schließcn könnte. Die Bildung der
FortschrittSpartei, in welcher Leute sich zusam-
mengespannt, die nur in den allgemeinsten
Grundsätzen, und in Preußen namentlich in
der Bekämpsung dcs JunkerthumS überein-
stimmten — hat die Klarheit und Bestimmt-
heit politischer Anschauungen schr becinträchtigt.
Sonst dürsten selbstverständlich Blätter, die so-
gar die Principien des landlaufigsten Liberalis-
muS verläugnen und lustig im absolutistischen
Fahrwaffer segeln, eS doch nicht wagen, noch
immer die dcmokratische Flagge zn führen. Da
daS preußische Volk allerdings seinem Grund-
wesen nach für sich demokratisch, übrigenS aber
herrschsüchtig ist und, wie stets die Massen,
von augenblicklichen Erfolgen bestochcn wird,
jetzt auch mit Hrn. v. BiSmarck geht, so suchen
die pfiffigen Politiker in der Presse und auf
den Tribünen der Vereine und Versammlungen
es mit beiden Richtungen zugleich zu halten,
wie die sogenannten „impcrialiftischen Demo-
kratcn" in Frankreich. Die redlichen Männer
aber, die eS aufrichtig mit Ueberzeugungen uud
Grundsätzcn meinen, *nd denen die verwaschene
Demokratie eben so widerwartig ist, wie die
psiffige Speculation auf die Massensympathien
— dicse Manner werden sich, nach den Briefen
von Twesten, Mommsen, Jung u. s. w. ver-
anlaßt sehen, aus der FortschrittSpartei zu
scheiden. Wenigstens sind bereitS Verftändi-
gungen über die Bildung einer demokratischen
Partci angebahnt, und diese dürfte sich bereits
in der bevorstehenden Sitzung des Abgcordneten-
hauses constituiren. Voraussichtlich wird dann
die FortschrittSpartei sich auflösen und, soweit
sie nicht zur demokratischen Partei tritt, sich
mit den liberalen Fractionen verschmelzen.

Die Genugthuung, mit welcher die preußi-
schen ministeriellen Blätter daS AblehnungS-
schreiben des Abgeordneten Twesten und ande-

in großer Verwirrung alles zu, erbot fick, die
Cigarren, sämmtlich zu 25 CentimeS daS Stück, zu
bezahlen, wurde jedock arretirt. Bei Rachsuchung
in seinem LogiS fanden fick in den verschiedensten
Verstecken, in den Kletdern, Schränken, Eckub-
laden, Koffern, inSgesammt 1215 Stück, sämmt-
lich zu 25 CentimeS. Vor Gericht kann der junge
Mann nichts vorbringen, als, er habe eS zwar,
Gott sei Dank, nicht nöthig, allein eS sei bei ihm
eine Leidcnschaft, welcher er nicht widerstehen könnte.
Man erkannte auf ein Jahr Gefängniß.

Ans Oberschlefien wird der „Br. Ztg." unter'm
18. Sept. folgende Abschrift eineS ProtokollS zu-
geschickt: „Verhandelt N. R., den 17. Sept. 1865.
Es erscheint heute vor dem unterreichneten OrtS-
gerichte der verstorbeue Schneider N. R. von
hier,' übergibt den bis ult. c. quittirten Gewerbe-
Anmelde-Zettel deS königlick landräthlichen AmteS
vom 1. Jänner 1865, und erklärt, vom 1. ab daS
Grwerbe wegen Absterbens nicht mehr betrei-
ben zu wollen, daher vie Löschung in der KreiS-
Gewerbe-Rolle pro 1865 zu bewirken bittet, und
diesen Antrag zum Zeichen der Genehmigung eigen-
händig unterzeichnek. DaS OrtSgericht. qn» N. N.,
Schneidermeister."
 
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