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Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Januar bis Juni)

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Nr. 101 - 125 (2. Mai 1919 - 31. Mai 1919)
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!ten aufs Land. Zu erfrag,
chuhsheim, Mühltalstr.101

Hridelberger

idt-Theater

imer-Schauspiele.

Heidclberger Jeitung crschelni an jrdem Wochcniag mlttags 12 Uhr. Amtttchc» Derhünbi-
gungsblaii. Vrattsbcilag«,, sind di- Hcidelberger FamtlienblStter. autzerdem amtttcher Wohnungr-
anzciger. Die Heidelberger Zeliung kann burch all« Polionstallen, durch die Ageniuren auf dem
Lande. bie Trägerlnnen und b«i der GeschSsiLstell« I-Ibst - Haupisiratze 2Z - monattich und
vierreljährlich bestellr werden.

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Druck und Derlag Hetdeiberger Deriagranstail und Druckerei, G. m. b. tz.

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dostet 35 Pfg.; im ReklameteU di« vierg-spaltene Petiizeile 120, mtt Plcchvorschrist M.
B«i Wiederholungrn Nachlah nach Tarls. Ersüllungrort ist Heidclberg. Einzelverkauf 10 Pfg.

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Poftscheckkonto Karlsruh« Nr. 1SS0S. Fernsprecher: Redaktion 182, VeschSft»stell« 82

lUnabhangige Tageszeitung)

VerLündigungsblatt für Nordbaden und die angrenzenden Teile von Dayern. Sessen und Würltemberg.

Nr. 123

Mittwoch, den 28. Mai 1919

k-k.,Einzelvorschläge unö Augestänönisse

Köln, 27. Mai. Von einer> politischen
Eruppe ist heute mittag in Koblenz die
Nheinische Nepublik ausgerusen
worden.

Wer die Verräter sind, die diesen Putsch ver-
übten, ist noch nicht bekannt, doch können nach
Lage der Vorbereitungen nur Hintermänner
und Anhänger des Zentrums in Betracht
kommen, von dem die Abgg. Kuckhoff und
Kastert, sowie der Redakteur der Kölnischen
Volkszeitung Pater Froberger dieser Tage
m Wiesbaden mit Eeneral Mangin ver-
handelt haben. Einzelne Sonderbündler aus
anderen Städten mögen sich angeschlossen ha-
bcn. Koblenz aber wurde deshalb zum Ort
der Handlung gewählt, weil es der Sitz des
Oberpräsidenten der Provinz ist.

Streil in Köln

Ki'tn, 27. Mai. Um die Mittagsstunde ver-
breitete sich das Eerücht, daß die Ausrufung
der Nheinischen Republik durch eine
Eruppe vdn Politikern in Koblenz am heuti-»
gen Tage vollzogen werden solle. Jnfolgedes-
sen stellte die organisierte Arvelter-
schaft in Köln sofort die Arbeit eln und ver-
ließ die Fabrilen, um durch eine LffeiMiche
Kundgebung ihren festen Willen darzutun
gegen jedeAbtrennung der Nhein-
lande von Deutschland Front zu machen. Große
Umzüge bewegten sich durch die Stadt.- an de-
nen 10 000 Arbeiter und Angestellte sämtlicher
Kölner Betriebe teilnahmen. Die Kundge-
bung verlief in vollkommener Ruhe und Ord-
nung. Wie die „Rheinische Zeitung" meldet,
protestierten auch die Arbeiter der rechten
Rheinseite in gewaltigen Maffenver-
sammlungeir. Einstimmig wurde eine Ent-
schließung angenommen, die von der deutschen
Regierung die unverzügliche Festsetzung
der Herren Kuckhoff, Kastert und Fro-
berger wegen Hochverrats fordert,
weil sie mit dem französischen Eeneral Man-
gia konspiriert haben. Die bisherige Eegen-
bewegung geht von den freien Eewerkschasten
aus, aber auch die christlichen Gewerk-
schaften sind mit der Neugestaltung nicht
einverstanden.

Die Vewegung im Rheinland
Dem „Hamburger Fremdenblatt" wird aus
Düffeldors gemeldet: Die Bestrebungen auf
Abtrennung des Rheinlands von Preußen ha-
ben neuerdings zu positiven Ergebniffen ge-
sührt. Jn Aachen und Umgebung haben 50 000
Wähler ihre Unterschrift unter die Forderung
nach einem westdeutschen Freistaat
Jn dem Aachener Zentrumsparteior-

gan „Echo der Eegenwart" befindet sich eine
Erklcirung. worin zum Vorbild angeführt
wird, daß in Aachen, Bonn. Koblenz, Trier,
Matnz und Wiesbaden Ausschüffe besteheil, die
w't den pfälzischen Separatisten gemeinsam
arbeiten und daß bereits verbindliche Aus-
sprachen stattgefunden haben. Die Erkläru»'
dreses Vlattes schließt mit den Worten: „U n-
sere Arbeit wird Erfolg haben! Die
uächsten Tage wcrden Eewißhelt geben. Nä-
here Einzelheiten zu bringen, versagen wi:
uns heute noch." Mcm wird den klerikalen
^uertreibern scharf auf die Fiuger sehen
wuflen?

Dre Sonderbündeleren

Hochverrat mit Franlreichs Unterstützung

Die Franzosen haben in der Pfalz etnen
^iat der Notabeln gegründet. Zweck
des Rats soll sein, eine vorläufige Ne-
Sierung zu bilden. im Falle sich die Pfalz
Ipater von Deutschland loslösen und
unter französische Schutzherrschaft begeben
>oüte. Die deutsche Wafsenstillstandskomnliff
sion hatte hiergegen am 30. April Protest ein-
ien. Am 7. Mai erwiderten die Franzosen aus
wttgeteilt, Deutschland werde die sogenann-

Die Einzelvorschläge

Berlin, 27. Mai. Ueber die Einzell>eiten der
Äeutschen Friedensvorschläge verlautet:

Der Herabsetzung des deutschen
Heeres nuf 10000V Mann wird zuge-
st i m m t und darüber hinaus noch die Ab-
rüstung sämtlicher Linienschiffe
angeboten unter der Voraussetzung, daß dem
deutschen Volke ein Teil der Handels-
flotte verbleiben wird.

An die Spitze der territorialsn Fra-
gen wird der Grundfatz gestelll.. dafl ksine terri-
toriale Veränderung stattfinden darf. ohn^ Be-
fragen der von ihr Letroffen-en Bevölke-
run«, dak iede Regelung im Fntereffe imd Kn-
gunffen der beteiligten Bsvölkerung aetroffen
wrrd. und das; >es sich um klar umschriechene na -
tionale Vestrebungen tzanideln muß. Soi
wird dis Abtretung Oberschlesiens
nachdrücklich abgelehnt. äbenso der An-
spruch auf Ostpreußen. Westpreußen und
M e m e l.

In Danzig soll ein Freihaifen soschasfen
wrrden. Der Neutralisierung der Weichsel
wird zugestiimmt und den Polen völlige Gleich-
berechtlsung in der Benutznng der Verkohrssinrich-
tungen .gewahrleistet. Die besetzten Gebiete
sollen innerhalb 6- Monaten staffel-
we-ise gerämmt werden.

Was dio Kolonien anbslangt. so soll, falls
ein Bölkerbund zustande kammt. in dem Doutsch-
land -äls gleichberechi'igtes Mitglied awfgenom-
men wird. Deutschland deren Derwaltung nach dein
Grundsatz des Völkerbundes fntzren gsgebenenfalls
als deffen Mandatar.

Die Straf - Bestimmungen werden a b-
gelehnt und der Vorschlag smss neutralen
Gerichtshofes. der alle begangenen Ver-
letzungen der Eesetze und Gebränche des Krieges
aburteilen soll, wiederholt.

Was den Schadenersatz anbelanst. st» rst
Deutschland bereit. bis zmn Jcchre 1926 2 0
Milltarden Coldmark zu zahlen und vom
1. Mai 1927 ab iährlich Abzahlung in zinsfreien
Riaten m-rt der Maßgabe. das? der Gssa»nt!betrag
10V Milltarden Goldmark nicht überstei-
gen soll, zu leisten.^ ^ ^

Die deutschen Eegenvorschläge wecden jetzi in
Auszügen und Umrissen der Oeffenllichkeit zu-
gängUltz gemacht. Da sie im Eroßen und Gai.zen
dcn Inhalt der berrits veröffenllictztrn Nvien noch
einmal zusammenfaffen lediglich anders gruppiert,
begnügen wir uns auch aus Platzriicknchten mit
dem Hinweis. daß die Quinteffenz in den obigen
Bed-ngungen, unter denen wir zum «Frtedeesschlnß
bereit sind. enthalten ist. Sie 'tellm das Aeu-
ßerste dar, was wir zugestehen können.
Iede Bedingungn greift ans Herz und dennoch
mussen w.r nach Lage der Dinge noch kroh scin,
wenn es uns gelingen wird, auf dieser Basis zum
Abschluß zu gelangen. Ob wir diese Hoffnung
noch hegen können. wiffen wir nicht. Der Eeist,
der aus der Note Llemenceaus übcr die Schuld am
Kriege spr cht. besagt alles. Nicht die Vernunft
und die Klugheit. sondern der Haß und Nachgier
sühren tn Versailles die F-eder. — Was im Ei"zel-
ns!'. 'ioch zu sagen tst, soll geschehen. wenn die Ver-
öffei'tlichung unserer Vorschläge »m ganzen vor-
li/gt. _

Berliner Stimmen

Zu den deutschen Geaenvorschläaen sast der
Vorwärts, daß Jedermann in Deutschland den
Text der deutschen Frvedensvorschläge nux mit
schwerem Herzen lLson wird. Regierte rn
Paris die Vernunft, so, würde man mit kiLiden
Händen nach diesem Vorschlag greifen, aber in
Paris regiert die Lecdenschaft. und darum werde
man dort den ungeheueren Vortoil. den der deut-
sche Eegenvorschlaa bietet ernein sl'chernden
Scheinerfolg vorziehen >und watzrscheinlich auf der
Unterzeichnung des Ententeentwurfes otzno wesent-
liche Aenderungen bestehen.

Die Tägliche Rundschau fützrt aus: Bei den
Bedingungen der Entente tzabe die absokuts Un-
ausführtzarkeit getröstet. Vei den Vorschlägen der
Regierung treffe die Vereitwilligkeit zur Uebec-
natzme von Lasten. die das Volk ebensowenig zu
tragen vermöge, als das in seiner getzäuften
Unsinnigkeit sich selbst auftzebende Ver-
nichtungswerk der Entente. Die Kreuzzeitung
will nach den bisherigen Erfatzrungen nicht glau-
ben, daß Graf Rantzau mit seinen Vorschlcigen
dnrchdringen werde. Die Eogner würden ihren
Frieden vo>llstündig durchznsetzen sich bemützsn.

Befril^igender Verlauf der Finanzver-
handlungen

Die deutsche Finanzkominiflion. die aus den
Herren Waflermann. Warburg. Urbig. Stauß »md
Becker bestetzt. ist aus Spaa zurückgeketzrt. Die Ver-
handlungsn dortselbst sind zu allseitiger B e-
friedigung ve rlausen.

Wcitere Zugeständnissc

Die Pariser Ausgabs des Newvark Aerald
meldet: Ciner autoritatinsn Quelle zufolge sollen
weitereZuaeständnisse an Deutsch-
land gamacht werden. Man wird Deutschland
wahrscheinlich erlauben, ein größeres stehendes
Heer als wie die ursprünglich im Friedensvertrag
vorgesetzenen 100 000 Akann zu tzalten. da -man der
Ansicht ist. daß 100 000 Mann zur Aufrechterhal-
tung der Ordnung in Deutschlcmd nicht genüaen.
Das Blatt tzcbt tzervor. -daß auch diese Zugeständ-
nifle sbenso wie die Zugeständnifle in der Saar-
frage -auf Kosten Frankreichs getzen.
Weiter setzt man voraus, daß die Friedenskonre-
renz beschlossen habe. zur intevniationalen Arbei-
terkonferenz cruch die Staaten zuznlassem. welcke
der Liaa der Nationen noch nicht angehören.
Dcmtschland soll einen Sitz im Verwaltungs-
rat des i nternat i anal en Arbeits-
amts erhalten, aber erst, nach Abhaltung des
Ma>sl!hi.ngtoner Kongrefles im Oktober.

Die Belgier besehen bereits!

Aachen, 27. Mai. (Reuter.) Die belgi-
schen Truppen haben am Montag Eupe,
Moresnet» Herbesthal und Raeren
beseht.

123 „Schuldige"

Die „Daily Mail" meldet aus Paris: Dis
Alliierten haben eine Aenderung ihrer Be-
schlüffe über die strafgerichtliche Aburteilung
des deutschen Kaisers, der deutschen Eene-
räle, Admiräle und Politiker abgelehnt.
Der Beschluß wurde einstimmig gefaßt.
Auf der Liste der Schuldigen stehen 123 Na -
men. Die Prozeffe sollen innerhalb Jahres-
frist nach Friedensunterzeichnung durchgeführt
werden.

ten Notabeln aks Hochverräter betrach-
ten. Am 7. ai erwiderken die Franzosen aus
den deutschen Eiuspruch, die deutsche Regie-
rung habe die Lieferung von LebensmiL-
teln und Brennstosf nach der Pfalz einge-
ste l l t. Aus diesem Erunde sei die Schaffung
eines Rats der Notabeln notwendig gewor-
den. Niit Bezug hierauf ist der französischen
Kommtffion in Spaa jetzt eine.deutsche Ant-
wortnote übermittelt worden, in der es u. a.
hcißt: selbst wenn diese Tatsache zutreffe,
könnte sie uicht als hinreichende Vegründung
dcs französischen Vorgehens anerkannt wer-
den. Tatsächlich aber sei der erhobene Vor-
wurf ungerechtfertigt. Die deutschs
Negieruug habe die Lieferung von LebensinU-
teln und Vrennstosfen nach der Pfalz nich <

eingestellt. Der gegen d?e Eründung des
Nats der Notabeln ln dec Pfal; eingelegte
Ein.pruch könne daher mcht nls entkrästet an-
gesehcn werden, sondern werde aufrecht e r-
h a l t e n.

* Der Boykott japanrfltzer Waren in den
Stüdten 'dm Innern Ctzinas breitet siä, aus -
Dte Schifse in den F'uschäsen stoßen beim Laden
aulf Schwierinkeiteii. In Wutzu wurden sapanische
LLden und Schiffe überfallen und metzrere Iapa-
ncr verwundet.

* Ein bcdenklicher Boschluß. Die sächsische
Volkskcmnmer. die eine sozialistische Metzrtzeit anf-
weist. sprach lich grundsätzlich für die Absch-iffiinl,
allex Entschadiaunasansprüche der Berlnverksbe-
stt^r aus.

* Der preußische Gcsandte bc?m Batika». n.
Mühlbera. t>st z u r ücko r t re t e n. Sei-n
Rachsolser U Herr v- B-ergen oom Answ. Amt.

61. Iahrgang

Hochverratsgelüste auch in
Baden?

Zwei Ansragen an die Negierung

Schlimme Fanale leuchten durch deutsches
Land. Zn der Pfalz und in der Rhein -
provinz mehren sich die Umtriebe, die un-
ter dem Mäntelchen der Fürsorge für Volk
und Land in der Zukunft letzten Endes nichts
anderes bezwecken, als urdeutsche Eebiete aus
dem Reichskörper herauszureißen und ihnen
in der Form von neutralen Republiken ein
Scheindasein zu verschaffen. Denn daß der-
artige Staaten jemals selbständig sein können,
glaubt kein Mensch und kann es auch bei eini-
ger Ueberlegung nicht für gewiß annehmen,
denn die französischen Kartenschläger, wie
beispielsweise der Eeneral Gerard in Speyer,
haben die Volte zu früh geschlagen. Wir sehen
jetzt offen, welche Drahtzieher am Werke sind,
wobei noch dahingestellt bleiben mag. ob diese
Elemente durch sträflichen Eigennutz, durch
Bestechung oder durch irregeleitetes Solidari-
tätsgesühl mit irgend welchen internationalen
Bestrebungen. sei es kapitalistischer. sei es kle-
rikaler Ärt, beeinflußt sind. Aber nicht sie al-
lein sind die Totengräber des Reiches, Hand
in Hand mit ihnen arbeiten, wenn auch aus
anderen Wegen und mit anderen Mitteln, die
Spartaklsten und deutschen Bolschewisten. die
neuerdings über große Eeldmittel zu verfügen
scheinen, deren Herkunft noch nicht ganz aufge-
klärt worden ist. Es ist nicht nur ruffisches
Geld, die Spuren weisen auch auf die rerchen
Ouellen der Ententepropaganda hin.

Daß Spartakus und die Seinen dasUnglück
unseres Vaterlandes zur Zertrümmerung al-
les dessen, was noch einigermüßen den Stür-
men der Revolution Stand gehalten hat, aus-
nutzen wollen, wiffen wir. Aus demselben
Erund besürworten sie die Annahme des Frie-
dens. weil sie aus der zu erwartenden wirt-
schastlichen Not und se'elischen Zerrüttung
Früchte zu ernten hoffen. Eewiß ist die Ee-
fahr, die uns von ihnen droht, groß, aber
nicht so groß, daß sie unübersehbar ist und daß
eine fürsorgliche Negierung ihr nicht^beizeiten
begegnen könnte. Die Wahlen an ben beiden
vergnngenen Sonntagen in Baden haben
zwar überall ein Anwachsen der Stimmen der
Unabhängigen gezeigt, aber andererseits er-
gab sich doch, daß auch heute noch ihre Zahlen
im Verhältnis zum Volksganzen nur einen
geringen Bruchteil bedeuten. Dennoch fühlt
sich die badische Regierung veranlaßt, durch
die Karlsruher Zeitung in zwei sichtlich offi-
ziös gespeisten Artikeln das Bolschewismusge-
spenst übergroß an die Wand zu malen und
mit dem Alarmruf einer neuen Revolut'on
das Bürger- und Bauerntum einzuschüchtern
und zu verängstigeil. Mit fast sadistische:
Wollust deckt die Karlsruher Zeitung die
Fäden der Agitation und der Propaganda
auf, sodaß dem friedlichen Lcser ordentlich
gruselig zu Mute wird über die Fülle der
Schurkereien, über die die Regierung so treff-
lich Bescheid zu wissen scheint. Dem Katalog
der Schandtaten fügt das offiziöse Organ die
Aufforderung an die Arbeitcrschaft bei, ver-
nllnftig zu sein, da sie in erster Linie die
Schicksalsfrage zu beantworten habe. Schließ-
lich wird auch noch an den Eeist der Brüder-
lichkeit und des Vertrauens appelliert und
das badische Volk (hoffentlich dlesmal otzne
Einschränkung gewiffer Volksteile) aufgefor-
dert, sich um die Regierung zu scharen und sich
aufzuraffen, damit wir den Schlag, denSpar-
takus in Vaden zu führen gedenkt, parieren
können.

Leffing sagt in seiner Hamburgischen Dra-
maturgre: „Der große Haufe hört bei hellem
Tage mit Vergnügen übcr Eespenster spotten
und bei dunkler Nacht mit Grausen davon er-
zählei,." Aehnlichcn Sinnes schcinen uns dio
Artikcl der Karlsruhcr Zeitung zu sein. Der
dcnkeude Leser, der sich von der offensichtlichcn
 
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