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Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Januar bis Juni)

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Nr. 126 - 148 (2. Juni 1919 - 30. Juni 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3202#0898

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xtlllei,ten zu bereiten. Während die dcutsche
Delegation in VersarUes den eliizrgen ihr gege-
benon Weg einschlug, der Entente rnit voller Os-
fenheit die Minnna und Maxima dessen anzugc-
ben> was das deutsche Volk leisten kann, hat
die Entenle sich darauf berufen, dah Erzberger
in derselben Zeit viel höhere Angaben
über die deutschc Zahlungsfähigkcit
gemacht habe als Nanha u. Darauf beruhen die
we.tercn Behauptungen der Entente dah sie von
Erzberger einen ganz anderen Frieden haben
könnten. Dieses von der Entente angedeutete
Verfahren wiirde sich. falls es zutrifft. als Hoch-
verrat qualifizieren."

Die Erbitterung gegen Erzvcrger

fcheint unter den Truppen LcsonLers grotz zu sein.
Aus Weimar wird berichtet, datz Coldaten Vsv
Neichsiv<lir in das Schlotz eindrang-en. um Er«.
berger. dcn mani für die Unterzeichnung dss
Friodensivertruges verantwortlich macht, zu su»
ch e n, datz and-ere wiedsr cru'f der Stvatze die Leure
anbielten und fragten, wo Erzlberger su finden sm,
lda man ihn an die Wiand stellen möchte.

Die Bersenkung der
Kriegsflotte

Die ganz Aengstlichen. flseigen und Ueb-epklugen.
db' die Taten von Scapa und Bsrlin als gefälir-
lich den Fried-en p.erhindernd oder. wie die Frkf.
Ztg. und ihre Mchbeter als „Dmmnejnngen-
streiche" bezeichnen, mögen sick beruhigsn. Irgend-
w.-ichc schlimmeron Folsen werden flch nicht er-
gsben. Die dsutsche Neichsregierung wird
über die BerlseiMug der drm schen flslotte in der
Sccupabucht als cmch über die Verbronmrng dsr
fvanzMchen Fcchnen Unter den Lindsn in Berlin
dcn Alliiertcn ihr Bedauern aussprecken
und wisfen -crflen. datz fie den Hamdlungen voll-
ständig ft-rn stüht. und fle durckaus mitzbil-
ligt. Sie wird ferner erklären. datz fle Matz-
nabmen getroffen hat. um in ZuLunft derariige
Aus chreitunsen nach Möslichkeit m: verhin-
d e rn. Man hofft. datz nack Abgabe dieser Erklä-
nung es zu koinen weiteren svolgen koinmen wird.

In deutschen Marinekreisen wird
wiedoicho>lt versichert. datz in Berlin von der Ver-
senkung der deutschen Schiffe nickts bekannt gege-
ben sei. Die Versenkung ist weder cruf einen
koiirmuniMchen Puitsch zurückzusüdren. noch ist sie
oin-e Tat der Verzweis ung. Sie konnte nur
durchgoführt wordeu nach nchiger. genauester Vor-
derertung und im vöilliüen Eiinvern>eb-
men zwischen Mannschaften und Offi-
zieren, die gloichzeitig mit der Versenkunssar-
beit die Doote zur Rettung der Besatznng klar
machen mutzten. Es mutz alsa ein vollftändi -

, ger Plan vorgelegen baben. Es handelt sich of-
fonbar um eine Tat aus Eründen nationa-
ler Würde und nnlitärischen Ehrgefühls
horaus Eine rote sslaggc ist ebenfalls nicht ge-
hitzt worden. sondern die Schüffe sjnd mit der
deutfchen Kriegsflagge am Heck unterge-
gangon.

Die „Baden" in die Luft geflogen?

Der Intvansigeant verninumt. datz die Dout-
schen diejenigeil Schiffe zerstört haben. die früber
znr Flottcnbasis Kiel oohörten. Weiter veröf-
fentlicht das Blatt eine Depesche cvus London.
wonach der Schlachtkrcuzer „Baden" 18 Stun-
den nach dcr Vevsenöuiia der übrigen Schisif^ in
dieLuft geflogen sei.

Strafe und Sckadensersatz

Dom Telegranf zufolge meldet die Times. datz
Kontemdimiral von Reuter wogen Verletzung
der Bestimmungen des WmffenstiMtands vor ein
Kriegsgericht gestsllt wird. Der Alliierten-
vat in Paris wird den Tormin für eiuen Prozetz
fMetzoii. Aus mohreren Mitteülungen geht her-
vor. datz die Deut'chen für die Verkenkung der
Schfffe de,i Augeüblick wäblten. wo oiue grotze
AnzM brvtischer Kriogsschiffe zu UobitMgen in
See gogangen wcrr.

Die Vudgetkommission der fvaniEschen Käm-
mer ordnete oinen Ausschutz zuim Miuisterpräsi-
denten ab. uni ihn zu befvagen. ob dte Regiernng
Aufschlutz geben könue. unter welcken Veds-ngun-
gen die douffche fslotte vevftnkt wurde. und welcke
Matzivahinen die deu'sche Regierung zu troffen ge-
denkt. um Frankreich vor dem Schaden zu
schützen. der ihm durch die Zerstörung der flf'otte
entstobrm könne. da von den Sckifftn ein Teil
flf-vankre'ich zufallen sollte. — Der Wert der ver-
senkten Schisffe betrug etwa 12V0 Millionen.

Ein Sckiff entfloben?

Lörrach. 24. Herr Kofb in Stetten er-

hielt, nach dom Oberländer Boteii am Sonntag
von ftinem Sohne HeLincmn crus Soava Flow ei-
nen Funkspruch. nachdem er sick auf der
Fahrt nach Deutschland beffimdet. Das
Schiff scheint sich also durch sV-uckl von der Bcssitz-
nachme durch die Engländer entzogen zu haben.

Ein Aufruf deutscher Francn

In Berlin wird foLgender Aufruf ver-
breitet:

„Das Sühneopfer der Flott«". Die
alten Helden vom Skagerrak balben unter den
ftindlichen Kanonen die deutsckie F^<vgge seih'tzt.
die Flotft versenkt. dft als erste Schmach und
Schande über das deutsche Volk göbrucht hat. rveil
bestochone Verräter sie verführt balben. Si« bat
sick als ekste cvuf sick ftlbst bosonnen. Die Wolt
achtet sie wtcder. Dank ilmen.

A'te Helden von Tannenberg und Qüttich. vo-n
den Dardcmellon. von Tarnow. Belgvad. Kut el
Amara, van Argesul und Issonzo. von Danga,
Riga und Hoffingfors. bosinnt euchl Rettet die
Ehre. dft Wslt barrt!

Die deutschen Fr.auen.
-

^ Ein Urteil des Pariser Kriegsgerjchts. Das
Kriegsgcricht verurftilte den Fliegcx Teubat smn
Tode. Teubat hatte im Jahre 1S18 durch Ver-
mittliung ernes französischen Kriogsinternierten in
dor Schweis-iden Deutschen Mtteilungon -uLommen
lassen iiber dft Gechotzeinsschläge des Fernftuerg^-
schützes, das Pcvrsss besschotz.

* Auflösung des Reichskolonialamts. Mit der
Annahme des Friedensvertrages mit der Entente
hat Deutschland auch seine bisherigen Kolonien
verloren. Jnfolgedeflen ist auch das Bestehen des
Reichskolonialamtes überflüssig geworden. Die
Beratungen der Reichsregierung in dieser Frage
haben bisher zu keinem endgültigen Beschlutz ge-
führt. Es ist aber wahrsche nlich. datz das Neichs-
kolonialamt. nachdem die laufenden Geschäfte er-
ledigt sein werden. aufgelöst wird.

* Memel will Freistadt werden. Die städtischen
Körperschaften von Memel verlangen in einem
Telegramm an den Reichspräsidenten und das
Ministerium. datz gleich Danzig die Stadt Memel
als Freistaatgebiet erklärt wird. Die So-
zialdemokraten und der demokratische Verein haben
dieselbe Forderung gestellt.

Nationalversammlung

Weimar, 24. Junü

Die Sihung wird um 10 Uhr eröffnet.

Auf eine Anfrage des Abg. Eilsing (Ztr.).
ob die Negierung bereit sei, mit Rücksicht auf die
Teuerung den Beziehern oon U n f a l l- und
Alt'tzrsrente eine Erhöhung der ihnen
bereits zustehenden Zusatzrente zu gewähren und
die dadurch entstehenden Kosten auf das Neich zu
übernehmen-, erklärte Kommiflar des Re-chsar-
beitsamtes Dr. Löwe. eine allgemeine Erhöhung
der Zusatzrente ist zurzeit nicht möglich. weil
weder die Versicherungsträger noch das Ne chs-
schatzamt in der Lage sind. dte daraus sich er-
gebende Mehrbelastung zu tragen. doch besteht die
Absicht. der Nationalversammlung einen Geseh-
entwurf vorzulegen. der allerdings unter gleich-
zeitiger Heraufsehung der Beiträge eine Erhöhuna
der Leistungen der Versicherungsträger vorsieht.
Einstweilen sind die Gliedstaaten ersucht worden
in besonders dringlichen E nzelfällen durch Zu-
wendungen aus den Mitteln der Kriegswohl-
fahrtspflege einzugreiftn.

Nach Erledigung einer Reihe weiftrer Anfra-
gen ohne allgemeines Interesse findet die erste
und zweite Beratung des Eesetzentwurfes- Land-
krankenkaflen Angestellten- und Ersahkaflen stntt

Die Abg. Iäcker (Soz.) und Brühl (U. S )
beklagen die Zerrissenbe't des Krankenkas-
senwesens und fordern bie weitere Revision
des zweiten Buches der Neichsversicherung. Das
Eeset, wird mit ein'gen Abänderungen in allen
drei Lesungen verabschiedct.

Nächste Sihung: Dienstag. 1. Iuli. 3 Uhr
(Anfragen. Siedlungsgeset,'und Verfassung.)

* Ein begriitzenswerter Antrag. Die deutsch-
nationale Volkspartet hat in der Natio'ialv«"--
sammlung einen Antrag einqebracht. den 22.
Iuni dauernd zu einem Nationaltrauer-
tag erklären zu lassen

Der Friedensschlutz vor dem
badischen Landtag

Karlsrube. 24. Iuni.

Prästdent Koyf eröffneft um halb 6 Uhr die
GihunL Das Haus uud die Tribünen stnd stark
besuckt.

Finanzminister Dr. Wirth überreichte den
Nachtrag zum Staatsvorcrnschlag für die Jabre
1918 uud 1919 und sxrach die Hoffnung cvus. datz
die Komnfffl'ion rassch arbviten werde. damit ins-
beso.nder!e dft MLlrraufwendmigen sür die Aus-
gleichszubagen ba.d dem Hauft.zur EEhinigung
vorgele-gt werden tönnen.

Staatspräsident Geitz: Der gesftige Tag

war einer dcr unglücklichsten und folgenschwersten.
den je ein Volk erlebt hat. der mereinhu.bjähriae
Krvog hat seineu MMutz gefunden. Die deu sche
Roichsregierung hat beschloflen. der Not gehor-
cheud. den von der Entente vorgeleaten Friedcns-
vertrag zu unterzeichnen. Alle Hossffiungen, welche
das deutsche Volk auf eine Aegderung d?s Dcr-
tvags gesseht hat. sind zunichte fteworden und das
deu-ssche Volk ste-ht vor der Tatia.b^. datz cs neu
aufbauen nrutz. um da stch wftdsr oorwärts zu
bringen. Es ist notwendig. datz wir alle Kraft
zusamnvenfaflen, um glles einzusehen. zux Sckaf-
fung eiu.er ueuen Grund.age. 'im dem Vestehen dcs
deutscheu Valkes Gewähr biet'n zu können. Das
Etnciitsmin'issterium hat einei Ausruf an das ba-
d'.sche Dolk zur MitarbHÜ b'schloflen. Zux Froge
der

Stellung des badischen Miniiteriums

haüs ich folgeudes >m Namen des Gesamlmini-
sioiums zu erkläven:

„Das Staatsmiuisieriwm war inssolge der stch
überstürzeuden Ereiguifle autzei Stande, vor der
E lts^eidun-g iu Wermar zur Unterzeichnuug des
Füedens Stellung zu neh>ne:i. Weau nuch d:e
aack.trästiche Aussprache i.m Staatsministerium
e,'-e einmütige Auffal''ung nickt ergab. io war
ma ' sth doch eiivig dari r. datz ftde dec beiden in
der RvichsnQtioualversauimluug vsr:rei«'"en Auf-
saifti.ken nur von dem Willen und der Ueverzeu.
gung gctrason war. 're.u Vaterlande zu d'e: cu
und die Cinlhsit des Re' bes zu erhalftn. Die ba-
dissche Volksregie-rung fft einmütia enlfchlofl-u.
gemeinsom mit der Re i chs: e g i e r u n g a-i der

Lösuug der Aussgabe dieser sch'vLreu Zeit
beitHii".

Präsident Kops: Ich wM „rick eins mit dem
Haufe. menn ich in seinem Ramen di,>
Itrmimimg aussprcche zu de,i Worien des Staa^'
prcrtzdenftn und weitex sage. datz wir uns einmL
trg hrnter dre Rerchs- und Landesregierung tzel-
ftn werden Wr waren Zeugen eines beispft I
lossen wlrtichasstlichen und politisschen Aufschmii' I
ges des deut,chen Vaterlandes und haben un- a/
ssreut an sviner Macktz und Grötze. Heuft wa
uach glanzvollsten Missfenta:en vor einem furckt-
baren Zusammeubruche stchen. kanm es nur elne
Paroft geben: namlich die. dcitz wir einiig zuftm-
menhalftn imd. datz wir z>.i desftn Tugeudei/ „I
ruckftchren. zur Eottesfurcht. zur Pfuchtersülluiia'
Mr Schlicht-Heit und Emfachheit. Es tann uickt
geftusnet werden. datz diofe Tuaenden da und
dort unter der Not des Krieges eiiie Abickavächunr,
ckrpcchren haben. Wrr dürftn alber Lftrtr^ien
hogen, datz angestchts des ericbütteruden Friedens-
vertrages drel e Tugenden wisder anfftben werden
Der R^mer gedachte nun der Ovfer des Krftges
der Helden. die ihr Blut vergoflen baben. der
valrden, der Kriegsgefangenen und der Opfer 'dft
dre Frauen und dft Kinder gebracht haben 'und
schlotz dcvnn: Die Daukbarftit mutz Awganas-
pimkt werden für dft Wiedergeburt des doutsckien
Skaalswessens. Wir boffen. und verirausn datz es
den kommeuden Generatiousn möglick sei'n wird
in den Tugeuden. die mis grotz gemacht haben'
unsser deutssches Vo'k in albiehbarer Zeit mftder
beraufzubrmgsn. datz es eine geacktete Stelft ein-
nöbmen werde iln der Reibe der Natioueu der
Wolt. ,

Auss Vorschlag des Präsideuten wurde die
Sitzuug hierauif abgebrockftn. Das Haus vertagte
sich auss morgeu vormittag 9 Ubr. Tag-esordnung-
Inftrpellat'ivnen. Schlutz gegen 5 Uhr

Deutsches Reich

» Der „Note Soldatenbuud". Das Zenftalsckrv-
tari-at der kommunisti cheu Parfti veröffeutl cht in
b v .^Frechoit" eiue Erklärung, dah mit der vollou-
deten Demdbil-isierung der Rote Soldatenbund. in
den sich maflenhasst dft NoskSsvitzel etngeidrängt
hätten, seincu Zweck verloren hcvbe uud datz er sich
dcvher schon vor eiuiger Zeit in Uobereinstimmuug
mit dor- Zentrale der kommunistischeu Parte»
Deivtsschiands aussgelöst habe. Alle Kundged 'n-
gen, Provaganda und Aktionen, die unter den Na-
men des „Roten Soldateubundes" oder ähnl ch
klingenden Namen uoch unternommen werdeu, ssei u
daher vAn vornhereiu crls Svitzelarbe t gekcun-eich-
net. — Die Gessliflentlichkeit, mit dex all s so öffeut-
lich vorsichert wird, isst eiwas auffällig.

* Die Vermögenssteuer. Jm Reiche trägt sich,
uach einer Meldung der „N. Bad. Landesztg",
Erzberger als neuer Reichsschaflminister mit
dem Eedanken. vor allem die Vermöaen und
Kriegsgewinne in noch ganz besonderem Matze für
das Reich heranzuziehen. Wie weit da noch den
Bundesstaaten die Möalichkeit gelassen sein wird,
ihrerseits die Vermögen zu belasten. mutz abgewar-
tet werden. Iedenfalls geht man nicht fehl. wmn
man annimmt. datz in Zukunft die Finanzrefor-
men i.m Reich unL.-in den Bundesstaaten auf der
Erundlage durchgeführt werden, datz einschlietzlich
der Gemeindeumlagen 60 Prozent d-es Ge-
samteinkommens für Steuer herge-
geben werden müflen.

^ Gcwerkschaftliche Organisation der Handlungs-
gehilfen. In Leipzig tagte die Hauptversamm-
lung des Verbandes Deutscher Hand-
lungsgehilfen zu Leipz'g. Eiustimmig
wurde die vom Vorstand und Aufstchtsrat schon
längst beschloflene Umwandlung in die Deutsche
Angestellten-Eewerkschaft genehmigt.
Zur Aufnabme stnd jetzt nebep kaufmännischs Be-
amte. alle Angestellten in Handel und Industrie
wie Techn.ker. Ingenieure. Werkmeister und Ehe-
miker zugelaflen auch weibliche Angestellte können
beitreten. Auch bei d'.eser neuen Eewerkschast der
sich in Kürze. wie man hofft. versch'edene andere
grötzere Verbände anschlietzen sollen, ist jede Partei-
politik ausgeschlossen. und man verspricht sich. dio
Einheitsbestrebung aller Handels- und Industrie-
Angestellten wesentlich zu fördern. _

Theater und Musik

Heidelber^er Stadttheater

Michael Kramer

Drama in 4 Akten von Gerh. Hauptmann.
Eastspiel Eodeck oom Mannh. Nationaltheatcr.

„Wir haben nicht die Familie, die Familie hal
uns." Dies Wort Bötlins. zu einem Freunde ge-
sprochen, hat seine Eültigkeit. Der arme Arnold
Kramer. zu eigenwillig, zu begabt. zu stolz. uiu
auf feinen Vater einzugehen. verschlietzt sich ganz
in seine eigene Welt und sehnt sich trotzdem so stark
nach einer Spur von Verständnis. Er erlicgt sei-
nem Schicksal. Der Differenzierteste se uer Gruppe
geht zu Erunde. Dem Vater. dem Manne der
sinkenden Kraft. ist es nicht vergönnt. das Höchste
zu vollüringen, zu dem der Sohn das Zeug ge-
habt hätte: Einsame Menschen sind beide Kra-
mer. Was hätte eine Brücke von Vater zu Sohn
schlagen können? — Die gestrige Aufführung (die
Darstellung unter He urichs Regte durch Peter
Sigl vgr langen Iahren st un nock in guter Erin-
nerung) war wohl geeignet, den Geist des Stückes
den zahlrcichen Vesuchern des Theaters nahe zu
bringen. Das Zusammenspiel erschien dank der
sorgfältigen Neg e des Herrn Paul Schmid gut
ausgeglichen. Die Darsteller fanden meist den
schlichten Ton des naturalistischen Familiendra-
mas. Herr Schmid gab den Sohn Kramer. den
die ..befleren Herren" im Nestaurant mit dem
Marabu verglcichen. Er schuf eine Eestalt von
erstaunlicher Beseelung. In der arotzen Szene mit
dem Vater wo Arnold sich immer hartnäckiger
tn sich selbst zurückzieht. war er sehr wahr. Das
Eanze trug den Stempel echt künstlerischer Auffas-
sung. Herr Eodeck hatte dem Michael Kramer
e ue Art Lenbachmaske gegeben. In Momenten
grotzer Spannung — beim Eespräch mit der Gast-
wirtstochter — wirkte er sehr ünmittelbar. oft gab
er zu viel Ton. Das Bild des gemarterten Va-
tcrs war aber in eindrinalichen und fein abge-
wopenen Ziigen klar entwickelt.

Frl Nevill zeigte als Michaline wiederum
welch' kluge. taktvoll und bewutzt gestaltende Dar-
-stellerin sie ist. Frl. Marlow sp'elte die East-
wirtstochter ohne Uebertreibungen, lebenswahr u.

mit einer gewiflen Schlichtheit. Als Mutter traf
Frl. Manhof nach unserem Empfinden durchaus
den richt gen Ton. Viel trug zum Gelingen des
Abends die Darstellung des Kramerschülers Lach-
mann durch Herrn Almas Lei. Die Neben-
rollen waren angemessen besetzt. Frl. Gyger. dft
die kleine Rolle von Frau Lachmann gab, wutzte
sich dem Zusammenspiel geschickt einzufügen. Auch
Herr Moser sei lobend erwähnt. Dft grötzte
Wirkung hatte der erste und zweite Akt. Da war
die echte Hauptmannstimmung: die Erinnerung
an das „Friedensfest". Hauptmanns grötzte Dich-
tung tauchte immer wftder auf.

Diese Familienfragen stnd nie vorher von
an das .Zriedensfest". Hauptmanns grötzte Dich-
tungen Hauptmanns zu gestalten wagen. K. W

Mannheimer Nationaltheater

Gas

Schauspiel von Georg Kaisser.

Ohne im wörtlichen Simne eine Fortsetzung zu
sein, bringt dieses Stück den in der „Koralle" ein-
geschlossenen sozialen Kern der warmen Sonne
des Menschentums zum Keimen. Die beiden Dra-
men gehören nahe zueinander; grohe Unterschiede
bedingen jedoch ihre strenge Einzelwertung; und
diese Unterschiede sind. weil künstlerischer Natur.
von matzgebender Art. Die Koralle erinüdete durch
eine unerträglich verschleppte Handlungsführung u.
den Wust philosoph.scher Neflexionen, an denen
sich die handelnden Personen selbst verwirrten.
Gas dagegen setzt hochdramatisch ein und hält ein
bedeutsames Ereignis in mehr oder weniger leb-
haften, ja biswe len leidenschaftlichen Wechsel-
reden auf der Höhe eines aktuellen Effekts. Da
wir in Kaiser sa den Dichftr nicht suchen. geben
wir uns mit dieser glänzenden Probe sei-nes tech-
nischen Vermögens. die er uns längst schuldig war,
vollkommen zufrieden. Das heiht wir würden
auch damit alle.n zufrieden sein. Nun erböht aber
ein Hauch von Eemütswärme die geistige Tem-
peratur. mit der wir dem Eang der Verhandlung
folgen. wir fühlen. datz Kaiser nicht nur ge'st-
reich spricht wie in der Koralle, sondern dah seine
Worte auch überzeugende 'Kraft besitzen und so
! sind wir gewillt. den Verfafler zum mindesten als

Schöpfer hoher sittlicher Werte voll anzuerkennen,
wenn nicht gar trotz innerstem Widerstreben als
Dichter. Also: lietz die Koralle vollkommen kalt,
so packt Eas mächtig und lenkt dft künstlerische
Spitze nach der tragischen Seite.

Das bedeutsame Ereignis. oon dem ich oben
sprach ist die Explosion in einer grohen Fabrik.
die Weltgas erzeugte. einen Stoff von cruher-
ordentl chek Wichtigkeit, der gar nicht einmal
symbolijch genommen zu werden braucht Der
Staat, der kriegführende Staat braucht dieses
Eas, und dft Negierung wird znr Henkerin dcr
menschenbeglückenden Ideen des Fabritbesitzers.
Der will nämltch nicht, datz das zerstörte Werk nen
aufgebaut und das Hoer seiner Ärbe-ter wieder
zur Maschine, nein zu Teilen von Maschinen
werde. Er möchft auf der Stätte des Ilnglücks
eine blühende Eartenstadt der Zufriedenheit erste-
hen lassen. Ist aber schon einmal eine rveltver-
beflernde Idee zur Durchführung gekommen? Ist
sie letzten Endes nicht immer an dem W derstand
derjenigen gescheitert. deren Los gebessert werden
sollte? Iahrtausend um Iahrtausend erfüllt sich
der älteste Fluch des Menschengeschlechts: Dornen
und Disteln soll sie dir tragen. und im Schweitze
deines Angestchts sollst du dein Brot eflen.

Zm Mill ardürsohn dem Fabrikbesitzer, und im
Ingenieur. der die Ervlosion verschuldete und doch
auch wieder nicht vexschuldete, pralbm die Verfech-
ter der beiden Strömungen. die gegeneinander
wirken, in einer Szene von hochdramatisckem
Schwung zusammen. Es gibt zwei Opfer in diesem
Kampf um das innere Wesen sozialer Reglückung.
Es gibt aber auch e'n Versprechen hoffnunasvoller
Art für die Zukunft: der Mensch. der wirklicha
Mensch. der soll. er will noch geboren werd-m!
Niemand von uns zweifelt. datz er uns heute schon
willkoinmen wäre. Und so wollen wir denn Kaisers
Sckaupsiel als dichterische Verheitzuna endlicher
Befreiung grützen. um d^reinst weniastens mit
einem Lächeln — Abschied nebinen knnnen. Die
nach uns kommen. werden es besser baben.

Alfred Maderno.

* Zylendantenwechfel am Karlsruher Landes-
theater'. Wie uns von zuständiger Seite initqe-
teilt wird, ist dem Intendanten des Landesthea-

ters in Karlsruhe Geh. Nat Dr. Bassermann
die erbenene Zuruhesetzung auf Ende der Spiel-
zeit bewilligt worden, nachdem Staat und Stadt
eine Vereinbarung über die künftigen finanz ellen
Erundlagen des Landestheaters dem Abschlutz nahe
gebracht habcn. Neue und verlockende Aufgaben
harren am Landestheater der Lösung. so insbeson-
dere die stärkere Beteiligung der in der Nähe von
Karlsruhe liegenden Städte an den künstlerischen
Darbfttungen des Landestheaters und eine grotz-
zügige Reform des Besuchs des Theaters durch atte
sozialen Schichten. Schriftliche Vewerbungen um
die Stelle des Intendanten sind deshglb dr ngend
erwünscht und wären an den Geschäftsführer des
Verwaltungsrats Geh. Negierungsrat Dr. Bart-
ning in Karlsruhe. Kultusmin'sterium, zu
richten.

^ Max Neinhardt wird die Wiener Urauffuh-
rung von der neuen Oper von N i ch. Strautz
„Die Dame ohiie Schatten" inszenieren.

^ Robert Earrison vom Diannheimer Landes-
theater hat zwei Einakterzyklen beendet. „Spitz-
bübische Geschichten" und „Kavaliere."

Kunst und Wisfenfchaft

^ Hochschulnachrichten. Der Pfarrassistent Lic.
theol Dr. ph-l. Heinrich Frick in Darinstadt
erhielt an der dortigen Technischm Hochschule die
venia legendi fiir allgemeine Religionswissenschast
und M ssionskunde. — Als Nachfolger des an
die Erlanger Universität berufenen Prof. Dr. B u-
schor ist Dr. Carl Weickert zum etaismätzlgen
Kustos am Museum für Abgüsft klassischer Dild-
werke in Müncken ernannt worden. — Ober-
konsistorialrat Karl Ostertag in Bayreuth st
anlätzlich seines 70. Eeburtstages von der theolo-
gischen Fakultät der Universität Erlangcn zum
Ehrendoktor ernannt worden. - Dem ersten
Assistenten am physiologischen Institut der Uni-
versität Freiburg Prof. Dr. Ernst Ma n-
gold und dem Leiter des radiolog'schen Jnsiituts
der Frauenklinik daselbst Privatdozenten Dr. Wal-
ter Friedrich ist dft Amtsbezeichnung „Ab-
teilungsvorsteber" verliehen worden: d:e
Amtsbezeichnung ,.O b e r a r z t" haben erhalten:
die Assistenten Prof. Dr. Leopold Küpferle u-

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