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Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik — 7.1893

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Nadar, Paul: Fortschritte in der Anwendung der Photographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.47901#0159

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Fortschritte in der Anwendung der Photographie.

treten, welches nach wissenschaftlicher Feststellung ermöglicht,
die Leuchtkraft einer einzigen Lampe auf 3800 Kerzenstärke
zu erhöhen.
Auch für die Rechtspflege kann die Photographie Auf-
klärungen bieten als Mittel zur Wiedererkennung rückfälliger
Verbrecher. Deshalb werden von jeder verhafteten Person zwei
Bilder hergestellt. Um zu der nöthigen Uebereinstimmung der
Bilder zu gelangen, bleibt die Beleuchtung stets dieselbe. Die
Bilder werden zusammen mit einem Register des Signalements
der Verbrecher nach der äusserst practischeu nnd genauen, von
Bertillon vorgeschlagenen Methode aufbewahrt. Zu diesem
Zwecke werden auf der Polizei-Präfectur jährlich nicht weniger
als 12000 Aufnahmen gemacht; auf diese Weise ist es in
8 Jahren möglich geworden, in 4000 Fällen unter den Ein-
gelieferten frühere Bestrafte wiederzuerkennen.
Äusser für den anthropometrisehen Dienst kann das photo-
graphische Bild, indem es die Versendung von Copien der
Porträts der Verbrecher nach allen Richtungen ermöglicht, auch
hilfreiche Dienste zur Ergreifung derselben leisten.
Es wurde dieses Mittel zum ersten Male vor etwa 36 Jahren
bei einer in den Acten der Rechtsgeschichte denkwürdig da-
stehenden Verfolgung von Verbrechern angewendet. Es handelte
sich in dem Falle um einen ziemlich bedeutenden Diebstahl,
es waren nämlich dem Baron James Rothschild durch zwei
seiner Kassirer, von denen der älteste kaum 30 Jahre alt war.
nicht weniger als 18 Millionen gestohlen worden. Die Wuth des
Barons war um so grösser, weil er den Dieben unbeschränktes Ver-
trauen geschenkt hatte, das von diesen nun in so schmählicher
Weise getäuscht war. Es war deshalb Allen daran gelegen,
die Verbrecher festzunehmen. Man hatte sich nun Photographien
der Flüchtigen verschafft und liess von jeder derselben bei einer
mir persönlich bekannten Firma 200 Copien herstellen. Diese
400 Bilder -wurden dank der umsichtigen Vorkehrungen der
Polizei über beide Halbkugeln der Erde vertheilt. Zwei Monate
später wurden daraufhin auch schon die beiden Burschen in
Amerika gefasst und jeder, wenn ich.nicht irre, zu zwei Jahren
Gefängniss vorurtheilt; eine höhere Strafe war, wie es scheint,
nach dem Gesetze nicht zulässig. Da sie aber keinen Centime
wieder von ihrem Raube herausgegeben haben, konnten sie nach
ihrer Entlassung aus dem Gefängnisse sich desselben freuen und
ihre Mussezeit damit angenehm gestalten. Vielleicht bietet ihnen
heute die Photographie einen angenehmen Zeitvertreib, wenn
sie ihr nicht etwa gram sind, weil sie die Verfolger auf ihre
Spur geleitet und ihre Ergreifung ermöglicht hat.
 
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