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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Wes ist die Kunst bei uns?
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0017

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Von ks. L. v. Berlepsch.

anstreben,*) denn wir sind heute noch weit, sehr weit
davon entfernt, sämtliche Gebiete künstlerischer Äuße-
rung gleichen Schritt halten, eines durch das andere
befruchtet zu sehen. So lange wir das entbehren, bleibt
unsre Entwicklung an Gesamtresultaten arm, nur im
Einzelfalle erfreulich. Durchblättert man unsre kunst-
gewerblichen Zeitschriften, so fällt gar bald eine gewisse
Monotonie im gegebenen Stoffe auf. Entweder findet
man immer wieder Abbildungen von Dingen, deren
Originalität einer anderen Zeit als der unsrigen an-
gehört, oder Abbildungen solcher, die zwar in unsren
Tagen entstanden, nicht aber aus unsrer Mitte hervor-
gegangen sind. Nur schüchtern tritt hin und wieder
der Versuch auf, zu zeigen, daß die Anregung zu neuem
originellen Schaffen überall zu finden wäre, wenn man
sie finden will. An Kräften, die neue Anregung zu
erschließen im stände wären, fehlt es nicht, wohl aber
an solchen, welche derartigen Bestrebungen fördernd zur
Seite stehen, den Einfluß, den sie haben, dafür in die
Wagschale werfen. Manchenorts, in München nicht am
wenigsten, verhält man sich geradezu feindlich gegen
Nicht-Hergebrachtes und sucht immer wieder durch das
Kopieren alter Meisterwerke zum Ziele zu kommen, statt
die Wege zu betreten, wodurch jene entstehen konnten.
Tüchtige junge Kräfte kommen nicht zur Geltung, weil
man sie geflissentlich zur Seite schiebt und es vorzieht,
immer im gleichen seichten Fahrwasser zu verharren,
immer wieder auf eine Anschauung zurückzugreifen, die
mau, ohne aggressiv sein zu wollen, direkt als „abgedroschen"
bezeichnen darf. Es fehlt uns der frische Zug, man
giebt sich allgemein mit geringer Kost zufrieden. Dafür
erbringt der größere Teil unserer illustrierten Zeit-
schriften fortwährend den Beweis. Wir stehen einem
energischen Umschwünge im ganzen ebenso zaudernd gegen-
über wie dies einzelnen Erscheinungen vis-ä-vis der
Fall war und noch ist. Wie lange brauchte es, bis
Böcklin durchdrang, welchen Erfolg hat einer der größten
lebenden Künstler, ein Deutscher, Max Klinger, zu ver-
zeichnen, auf welche Vorurteile stieß und stößt nicht noch
Fritz von Uhde. Ist eine Spur von ihrer Bedeutung
ins Volk gedrungen? Man darf die Frage ruhig ver-
neinen. Und warum verhält es sich so? Weil unsre
künstlerische Entwicklung keine allgemeine ist, weil wir
das Glück nicht haben, alle Kräfte auf einem Boden zu
gemeinsamer Arbeit vereinigt zu sehen, weil die Mit-
arbeiterschaft aller gegenüber allen bis zur Stunde
fehlt, vielleicht auch mancherseits nicht gewünscht wird,
aus Gründen des Selbsterhaltungstriebes.

Wir haben Kunstausstellungen in Hülle und Fülle.
Von allen Seiten kommen Einladungen an die Schaffenden,
dahin, dorthin ihre Werke zu verschicken. Man macht
mit der künstlerischen Arbeit überall Geschäfte, ohne daß
die Künstler selbst mit dem Erträgnis dieser Geschäfte
in allzu starke Berührung kommen — sie zahlen im

*) Die in Berlin erscheinende neue Zeitschrift „Pan" ist, so
vortrefflich die ganze Ausstattung sich zeigt, nicht bestimmt, die
arbeitenden Kreise zu beeinflussen. Der Preis ist der Ausstattung
entsprechend hoch und verbietet es anderen als mit Glücksgütern
Gesegneten von selbst, sich darauf zu abonnieren. Was Billig-
keit unter Umständen bedeutet, beweist am deutlichsten Dr. Gg.
H ir t h s F- o rm en s ch a tz, der vielleicht das stärkste Förderungs-
Mittel bei der Bewegung des deutschen Kunstgewerbes vor zehn
bis fünfzehn Jahren war.

Kassandra, von Max Alinger (Fragment).

Gegenteil überall noch drauf. Wie vor Zeiten ein
deutscher Duodezfürst den berühmten Ausspruch that:
„Jetzt will ich aber auch meine Eisenbahn haben, und
wenn sie tausend Thaler kosten sollte", so geht es heute
mit den Kunstausstellungen. Überall schießen sie wie die
Pilze aus dem Boden, überall ist das materielle wie
das ideelle Resultat das nämliche. Ersteres fällt in die
Hand der Unternehmer, hin und wieder bleibt auch
eines der ausgestellten Kunstwerke in der Hand eines
Liebhabers, aber der Prozentsatz dessen, was verkauft
wird, ist gegenüber der Summe des Entstehenden ein
verschwindend geringer. Das andere aber, das ideelle
Resultat, steht in seiner Art auf gleicher Höhe: da und
dort bleibt etwas hängen, für den weitaus größeren
Teil des „kunstliebenden" Publikums kommt es auf das
nämliche heraus, ob es eine Menagerie oder eine Aus-
stellung besucht hat. Es trägt keine eigentlichen Errungen-
schaften davon. Warum? Aus den Gründen, die schon ein-
mal angegeben wurden: Weil wir nur eine partielle, keine
allgemeine Erhebung künstlerischen Schaffens haben, weil
die Kunst nicht unter uns wohnt, sondern wie in einem
Ballon immer nur über uns hinschwebt. Wir sind es
nicht gewöhnt, bei der Deckung täglicher Bedürfnisse
daran zu denken, daß das einfachste Ding unsrer Um-
gebung ebenso leicht einen künstlerischen Pli haben kann,
wie er ihm jetzt abgeht. Unsre »Stuckios-, unsre
Ateliers, jenes Fr. von Lenbachs, Franz Stucks und
noch zwei, drei vielleicht ausgenommen, sind keine Werk-
stätten, wo der Verallgemeinerung künstlerischen Schaffens
an Dingen, die uns im täglichen Leben nahe stehen,
 
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