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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Die graphische Ausstellung in Wien
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Kiesling, Ernst: Heinrich Leutemann
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0135

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von Karl von vincentl. — Heinrich Lentemann. von Ernst Kiesling.

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ihre überzeugende Lebenswahrheit auf; sie sind auf
Kupferplatten gemalt und dann für den Druck galvanisch
abgelagert, ein in Wien längst bekanntes Verfahren,
welches Herkommer vervollkommnet hat. Erlesenes von
Whistler, dem Vielseitigen, von Slocombe, Ca-
meron und dem greisen Hoden (aus früherer Zeit)
schließt sich an. Die nordischen Künstler sind durch
die Schweden Axel Zorn, Lars so n und den
Däne Kroher hervorragend vertreten. Zorn ist als
Impressionist mit der Radiernadel (er lebt in Paris)
die interessanteste Individualität unter ihnen, sein Bild-
nis Renans ein Meisterwerk überzeugender Lebenswahr-
heit. Unter den Niederländern möchte ich besonders die
Lithographien Jan Veths hervorheben; in der russischen
Abteilung verdient eine Radierung von Makowski
Beachtung. Die amerikanischen Lylographen leisten im
Originalschnitt wie in der Reproduktion technisch wunder-
bar Vollendetes. Doch was hätte Dürer zu dieser raffi-
nierten Manier gesagt, welche sich vom Charakter des
Holzschnittes so ganz entfernt. Ob diese Bewegung eine
gesunde, muß denn auch dahin gestellt bleiben. Unter
den Münchener Holzschneidern ist Schlump recht an
erster Stelle.

Wir vermögen diesen orientierenden Bericht nicht
besser abzuschließen als mit einem Blick auf die Jubel-
ausstellung der Gesellschaft selbst, aus welcher die Ra-

dierungen Ungers und die Holzschnitte Hechts hcrvor-
glänzen. William Unger ist als Professor des Kupfer-
stichs an den erledigten Lehrstuhl Sonneuleiters in die
Akademie berufen worden, nachdem unser Großmeister
der Radiernadel eine Zeit lang einen besonders für ihn
geschaffenen Warteposten am Österreichischen Museum
bekleidet hat. Wie Unger Rubens' Jldefonsobild mit
der Radiernadel nachgebildet hat, wer weiß dies nicht?
Kein anderer Meister der Radierkunst beherrscht geistig
so vornehm das wiederzugebende Werk wie Unger. Seine
ungemein findige Technik ist eine malerisch-koloristische,
die Linie dient ihm also gewissermaßen als ein Mittel
zum Zweck, welches nur als technisches Charakteristikon
des Originales, also vorwiegend im Licht, bei der
Wiedergabe zur herrschenden Geltung gelangt; sonst
sucht Unger mit Benutzung jedweden Effektes das Ori-
ginal im Ton zu erreichen und dessen Farbenzauber
durch die verschiedenartigsten Behandlungsweisen wieder-
zugeben. Der Fleiß Ungers, die Frische seiner Nadel
sind erstaunlich; er hastet sich nie verlegen, imitiert nie
ängstlich und korrigiert nie, sondern legt lieber eine
neue Platte auf. Um sich das Auge frisch zu erhalten,
hat er immer mehrere Platten zugleich in Arbeit.
Unger an der Akademie bedeutet für letztere einen nicht
hoch genug anzuschlagenden Gewinn: eine neue, Unger-
Schule.

Heinrich Tememunn.

von Lrnst Kiesling.


Heinrich Irukrmann.

^as schwerste Geschick,
das einen Maler zu
treffen vermag, hat den
durch seine charakteristischen
Tierzeichnungen weithin be-
kannten Künstler ereilt,
dessen Name an der Spitze
Dieses steht. Heinrich Leute-
mann ist völlig erblindet.
Nachdem er bereits im
Jahre 1880 die Sehkraft
eines Auges eingebüßt, hat
er nun auch das Augenlicht
des anderen verloren. Da
er seinen Beruf nicht mehr
auszuüben vermag, so hat
er sein bisheriges Domizil Leipzig aufgegeben
und ist nach Wittgendorf bei Chemnitz überge-
siedelt, woselbst sein Zweitältester Sohn an einer
Färberei als Chemiker thätig ist. Geboren
wurde Heinrich Leutemann am 8. Oktober 1824
in Großschocher bei Leipzig. Wenige Jahre nach
seiner Geburt siedelten seine Eltern nach Leipzig
über. Hier besuchte er dann von 1838 bis 1846
die Kunstakademie. Nach Brauer und Hennig war
sein einflußreichster Lehrer der spätere Direktor
der Akademie, Bernhard v. Neher, der seinen
talentvollen Schüler mit nach Weimar, später nach
Stuttgart nahm, woselbst er unter der Leitung
Nehers an den Kartons zu den Glasfenstern der
dortigen Stiftskirche mitarbeitete. Nach Leip-
zig zurückgekehrt, widmete sich Leutemann in

erster Linie der illustrativen Kunst und errang sich auf
diesem Gebiete bald einen geachteten Namen. Besonders
durch seine Tierzeichnungen, die er für die „Gartenlaube"
lieferte, erwarb er sich große Anerkennung und hat dadurch
wesentlich zu der Beliebtheit jener Zeitschrift mit beige-
tragen. Reiche Thätigkeit entfaltete er auch für die be-
kannten „Münchener Bilderbogen" von Braun und
Schneider und für den Spamerscher Jugendschriften-
Verlag. Für die „Münchener Bilderbogen" hat er zwei
volle Bände geschaffen, „Die Welt in Bildern" und
„Bilder aus dem Altertum", die beweisen, daß Leute-
mann sich nicht ausschließlich dem Tierzeichnen hin-
gegeben hat, sondern auch nach anderer Richtung hin
durchaus Tüchtiges leistete. Wie meisterhaft er die
figürliche Komposition beherrschte, zeigt unter anderem
seine unter den Bilderbogen befindliche Darstellung von

44ns Heinrich leutrmanns sluüirnmappr.
 
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