Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

DOI Artikel:
Haack, Friedrich: Böcklin und Klinger: eine vergleichende Charakteristik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0012

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Dir Kunst für Me

Böcklin und Alinger.

Line vergleichende Lharakteristik von Friedrich Daack.

Nachdruck verboten.

schaudernd steht der Mensch vor den
Titanen derBergwelt, ewigenWundern
der unbegreiflichen Schöpfung: nirgends
wird er so bis ins innerste Mark hinein
von dem Gefühle seiner Ohnmacht er-
schüttert, und doch lockt es ihn mit un-
widerstehlicher Gewalt, die höchsten Höhen
zu ersteigen, um von dort aus einen um
so weiteren Ausblick ins Weltall zu ge-
nießen. Dasselbe ehrfurchtsvolle Schaudern
ergreift uns vor den Titanen des Geistes,
noch größeren Wundern der ewig unbe-
greiflichen Schöpfung: niemals fühlen wir
fo tief unsere Ohnmacht, wie wenn wir uns
an ihrem Geiste messen, und doch lockt es
uns mit unwiderstehlicher Gewalt, uns in
ihr Wesen, ihr Wollen und Wirken zu
versenken, um dadurch einen um so weite-
ren Ausblick in die Welt des Geistes zu
gewinnen. Aus diesem Grunde rechtfertigt
sich auch das kühne Unterfangen eines Ver-
gleiches zwischen Böcklin und Klinger, den
bedeutendsten deutschen Künstlern unserer
Zeit, vielleicht des gesamten 19. Jahr-
hunderts. Es ist ein eigenes Ding um
eine derartige Parallele! Man fühlt den
Unterschied haarscharf heraus, aber er läßt
sich trotzdem ungeheuer schwer in Worte
fassen. Die einzelnen Faktoren nämlich, welche den Unterschied ausmachen, beruhen eben alle auf denselben
Gründen, woraus sich die große, schier nicht zu überwältigende Schwierigkeit ergiebt, zwischen den beiden
drohenden Klippen, der Unklarheit einerseits und der lästigen Wiederholung andererseits, glücklich hindurch-
zukommen.

Ein Wort vor allen können wir stolz in alle Welt Hinausrufen: Böcklin und Klinger sind ihrem
innersten Wesen nach vom Scheitel bis zur Zehe urdeutsch! Dabei haben beide die tiefgehendsten Anregungen
in Italien empfangen und zwar haben sie sich nicht etwa auf flüchtiger Lustfahrt an des Südens Pracht
berauscht, sondern sie haben ganze Jahre angespanntester Arbeit in Rom zugebracht, um den Zauber italienischer
Kunst, italienischer Landschaft und italienischen Menschentumes gründlich in sich aufzunehmen. — Böcklin und
Klinger sind einsame Menschen, welche im stillen, allein mit sich und ihrem Genius, schaffen, welche bei
Künstlerzwisten keine Partei ergreifen und in deren Leben die Eröffnung einer Kunstausstellung kein Ereignis
bildet. Sie sind vornehme Geister, welche abseits von der großen breitgetretenen Straße bisher noch nie

Die Kunst für Alle XI, I. 1. Oktober 1895. ,

FMrnvrr Fsun. von Arnold Böcklin.

Iahresausstellung 1895 des Vereins bildender Künstler (Secession) zu München.
 
Annotationen