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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Mendelsohn, Henriette: Die nördlichste Feste dänischer Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0411

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Der Sprisesasl von Vrnnnums Hotel ;u Skagen.

Die nördlichste Feste dänischer Minsk.

von Lenriette Mendelsohn. Nackdruck verboten.

ort am nördlichsten Zipfel von Jütland, wo die
blaue Ostsee mit jauchzendem Wogengebrause sich in
die starken Arme der ernsten Nordsee stürzt — dort
wo an der „eisernen" Küste unzählige Schiffstrümmer
von dem erbarmungslosen Skagerak erzählen, hat inmitten
armseliger Fischerhütten dänische Kunst ihren Tempel
gegründet.

Mit bedauerlicher Gleichgültigkeit steht der Deutsche
dänischer Kultur, mit noch viel bedauerlichem Hasse ein
Teil der Dänen deutscher Bildung und Wesen gegenüber.
Während ein Überfluten des uns viel fremderen Nor-
wegianismus zur herrschenden Modeströmung geworden,
während sich für Ibsen und Björnson selbst Leute bei
uns begeistern, welche sonst jedes Kunstinteresses bar,
erweckt das unserer Natur viel verwandtere Dänemark
bei den meisten unserer Gebildeten höchstens eine dunkle
Vorstellung von „Andersens Märchen" und „Thorwald-
senschen Reliefs". Aber eine Nation, welche einen
Aesthetiker wie Georg Brandes und einen Maler wie
Peter Severin Kroyer hervorgebracht, muß notwendig
unter die Großmächte des Geistes ausgenommen werden;
sie hat gerechten Anspruch auf Anerkennung von ihrer
deutschen Schwester.

Während allsommerlich die Badeorte in der Nähe
Kopenhagens von einem Schwarm deutscher Reisenden
überflutet werden, dringen nur ganz Vereinzelte in das
an landschaftlichen Schönheiten mindestens so reiche
Jütland vor, dessen äußerste Spitze Skagen bildet.
Dreiviertelstundenlang zieht sich der Ort — eine sogenannte
„Fiskerbye" im Gegensatz zu den „Fiskerleien", den
kleineren Fischerdörfern, am äußersten Ende des Kattegat
dahin. Biegen wir von der großen Hauptstraße ab, wo

sich drei Gasthöfe befinden, welche bereits den gemütlichen
Namen „Kro" (Wirtshaus) mit dem stolzen Titel „Hotel"
vertauscht haben, so zeigen uns bald Strohdächer die Häuser
an, welche noch nicht der modernen Kultur zum Opfer
gefallen sind. Das alte Fischerhaus Skagens zeichnet
sich durch kein spezifisches Charakteristikum von dem
Fischer- und Bauernhaus Zeelands aus. Die in Holland
und manchen deutschen Seeprovinzen aus einem obern
und einem unteren Teil bestehende Thür kommt auch
hier vor, die Fensterumrahmungen sind blau, wie blau
überhaupt die vorwiegende Farbe für den Zimmeranstrich
durch ganz Dänemark ist, sobald derselbe bedauerlicher-
weise nicht einer geschmacklosen modernen Tapete ge-
wichen ist. Die Möbel, die teilweise Holzverkleidung
der Wände, zeichnen sich gleichfalls durch farbigen Anstrich
aus und erklären die Farbenfreudigkeit nordischer Jnnen-
bilder. Zum großen Teil haben sich in diesen Häusern
auch noch die alten Möbel erhalten. Es ist ein erfreuliches
Zeichen für Dänemarks gesunde soziale Verhältnisse, daß
man nirgends in den Fischerdörfern ein solch zusammen-
geschachteltes Elend erblickt wie in Belgien und Holland.
Glücklicherweise fehlen dem Lande die das Volksvermögen
aufspeichernden Großkapitalisten, und ein Millionär, wie
der als Kunstmäcen bekannte Kopenhagner BrauerJacobsen
gehört zu den Ausnahmeerscheinungen. Dafür hat hier
in Dänemark jede noch so kleine Familie ein paar
Stuben und selbst eine Küche zu ihrer Verfügung ; daran
schließt sich der für ein Künstlerauge besonders lohnende
Schuppen, in dem Körbe voll getrockneter Fische unter-
gebracht sind.

Es ist ein schöner sonniger Augustnachmittag. Die
Fischer sind nachts auf den Fischfang ausgefahren und
 
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