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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Pecht, Friedrich: Franz Simm
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0328

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Fran; Simm.

Franz Simm.

vom Herausgeber.


7?V»ie Fähigkeit, den sinnlich wahrnehmbaren Dingen ihre schönste Seite abzusehen und sie dementsprechend
zu gestalten, also das spezifisch malerische Talent, ist doch uicht so verbreitet, als man oft meint. Unter den
verschiedenen deutschen Stämmen findet man sie am häufigsten bei den Österreichern und es ist ganz und gar
kein Zufall, daß die glänzendste Begabung dieser Art, welche wir in unserem Jahrhundert auszuweiseu hatten
— Hans Makart — ein Salzburger war. Man hat aber viele sehr berühmte Künstler, welche dies Talent

nur in geringerem Maße besaßen und seinen Mangel dann durch
anderes zu verdecken suchen mußten. Gewöhnlich erfanden sie sich
irgend eine Theorie, welche den malerischen Reiz überflüssig machte
oder wohl gar ausschloß, wobei dann die „Wahrheit", der „Ernst",
„Würde", die „Strenge", „Schlichtheit" und andere respektable
Dinge den Mangel au eigentlich malerischer Gestaltungskraft ver-
decken mußten, wie wir dies ja noch täglich zu sehen kriegen. Und
in der That ist es nicht eben leicht, malerischen Reiz mit Ernst
und Tiefe zu vereinigen. Um so gewisser ist es aber, daß er
allein uns erst jene glückliche Empfindung vollendeter Freiheit bei
einem Kunstwerk zu geben, ja uns dasselbe erst recht sympathisch
zu machen vermag. Er ist denn auch deshalb seit Rubens und
Rembrandt — den größten malerischen Talenten der germanischen
Rasse — ein volles Jahrhundert lang fast das einzige Ziel der
sogenannten Zopfmaler geblieben. — Mengs und sein Schüler
Knoller waren aber nach Tiepolo die letzten, die noch ihr male-
risches Talent ausbildeten, das dann ein halbes Jahrhundert lang
erst der Nachahmung der Antike und ihrer „Simplizität", dann
gar der Impotenz der Romantiker und ihrer Verleugnung der
Farbenlust weichen mußte, denen aller malerische Reiz aus guten
Gründen ein Greuel war. So kam es denn, daß selbst im sinn-
lichen und fröhlichen Wien die Kunst der Füger, Kraft und Führich
wie Rüben den malerischen Reiz verächtlich verleugnete. Erst durch
Danhauser, daun Rahl ward ihm wieder einige Anerkennung er-
Neujahrskarlr. von Franz Simm. stritten, bis er mit Makart plötzlich triumphierend zur Herrschaft

Die Aunst für Alle XI, >7. f. )uni 1896.

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