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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Oettingen, Wolfgang von: Altes und Neues aus Düsseldorf
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Ausstellungen und Sammlungen - Personal- u. Atelier-Nachrichten - Denkmäler - Vermischte Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0258

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Kopfleiste aus „VO62INL Lu a von Walter Lrane.

MteS und Oeue^ su^ Düsseldorf.

von Wolfgang von Dettingen.

ie „März-Ausstellungen" des Vereins und der Freien
Vereinigung Düsseldorfer Künstler sind soeben er-
öffnet worden und bieten, nach hiesigem Brauche, ungefähr
die Summe dessen, das im Verlaufe des vergangenen
Jahres an Gemälden geschaffen wurde. Sie charakte-
risieren daher mit einer gewissen Zuverlässigkeit den je-
weiligen Standpunkt unserer Malerei, ihnen entnimmt
man die Grundlagen seiner Anschauungen und Urteile;
und wer wie einige um Ort und Zeit unbekümmerte
Notabilitäten nicht zur Stelle ist oder, wie die Mehrzahl
der Klubisten vom St. Lukas, sich für das partikularistische
Interesse bereits vorher ausgegeben hat, der muß es sich
gefallen lassen, daß man das neue Niveau ohne Be-
rechnung seines Wertes zu bestimmen sucht.

Man darf allerdings darauf wetten, daß dies den
meisten Künstlern ziemlich gleichgiltig ist. Der Respekt
der Künstler vor der Meinung des Publikums ist ja von
jeher ein recht einseitiger gewesen. Damit soll nicht
gesagt sein, sie pflegten sich in befriedigter Eitelkeit oder
in der Hoffnung auf geschäftliche Vorteile nur an den
Blütenbündeln wohlwollender Sonntags-Kunstfreunde
und einiger mit Superlativen arbeitender Rezensenten zu
weiden — jeder echte Künstler wird das den unechten
überlassen — aber es steht fest, daß von Seiten der
Künstler kein Urteil als vollgiltig betrachtet wird, das
sich nicht ganz speziell mit den Elementen des Kunstwerks
befaßt, die seinem Schöpfer als die wesentlichsten er-
scheinen. Wenn also, wie das bei den Neueren ja fast
ausschließlich der Fall ist, ein Gemälde rein malerisch
gedacht war, und wenn seine malerische Behandlung keine
tiefere Durchbildung des Gegenstandes an sich, nicht
einmal die notwendige, vom naiven Auge geforderte
Modellierung aufkommen ließ, so verbittet sich der Farben-
spezialist eine jede Bemerkung, die sich nicht auf Ton
und Valeurs bezieht, und erklärt ein Publikum, das
seinem Raffinement nicht zu folgen vermag, überhaupt
für unfähig, ihn zu beurteilen. Als ob er mit seinen
Werken die Welt nur so zu begnaden hätte! Äls ob
seine Kollegen, sofern sie ihre Organe nicht genau nach
derselben Methode wie er trainiert und vielleicht zur
Hyperästhesie gebracht haben, ihn immer verständen! Und
als ob unter den laienhaften Kunstfreunden, die ein ehr-

liches Bedürfnis nach Kunst und dazu offene Augen, ein
gesundes Empfinden und ein durch Nachdenken geschultes
Urteil besitzen, sich nicht viel mehr billige und gerechte
Kritiker fänden als unter den Fachleuten, von denen
selten zwei in ihrer Meinung übereinstimmen, da sie alle
durch die farbige Brille eines Talentes sehen.

Es ist außerdem nicht zu leugnen, daß seit einigen
Jahrzehnten der zwischen Künstlern und Publikum stets
vorhanden gewesene Gegensatz sich verschärft hat. Dem
nervösen und radikalen Zuge der Zeit folgend, scheuen
die zielbewußten unter den „modernen" Künstlern jetzt
nichts so sehr wie den gelassenen Fortschritt: sie erstreben
mit Ungeduld das Neue, wagen alles, rühmen sich ihrer
provokatorischen Schneidigkeit und wollen das Publikum,
das mit Recht von einem Kunstwerke nicht nur technisch-
künstlerische Reize, sondern auch eine künstlerische Ge-
samtauffaffung fordert, gewaltsam und fast lediglich
durch das Ausstellen von einseitig behandelten, also nur
halb wahren Skizzen und Studien zu ihren Anschauungen
erziehen, indem sie das Ausführen von Bildern vielfach
den längst überholten Altmodischen lassen. Die Folge
davon ist die, daß eine Majorität, die für eine frische,
jugendkräftige Kunst der begabtesten Zeitgenossen ge-
wonnen werden könnte, unfähig, den neuen Ideen so rasch zu
folgen, nicht nur am Alten, sondern auch am Veralteten mit
Eigensinn festhält, da sie notwendig von den Halbfertig-
keiten abgestoßen wird, die man früher im Atelier behielt
und nur auf seine mitstrebenden Freunde und intimen
Feinde wirken ließ. Dieses Mißverhältnis würde sofort
aufgehoben sein, wenn die Künstler bei den öffentlichen
Ausstellungen nicht allein an die relativ wenigen Fach-
männer denken wollten, denen sie ihre Versuche vorzu-
führen wünschen, sondern auch an ein durch ausgeglichene
Bildung beachtenswertes Laienpublikum, das mit Freuden
jedes harmonisch durchgeführte Kunstwerk anerkennt —
und für das, da es doch schließlich die Bilder kaufen
soll, die Ausstellungen in erster Linie bestimmt sind.

Zum Glück sind jedoch einzelne Anzeichen einer
Wendung zum Bessern bereits zu bemerken. Gerade hier
in Düsseldorf, wo die Künstler sich zu wirklichen Ex-
zentricitäten nur selten Hinreißen lassen (und das Pu-
blikum also auch entgegenkommender ist), und gerade auf

Die Kunst für Alle XI.

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