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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Pecht, Friedrich: Weihnachtsbücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0118

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WeihnachtMicherschau.

in.»)

Haben wir schon im vorigen Jahre auf den reichen Schatz
von Phantasie und Gestaltungskraft aufmerksam gemacht, der in
den von G. Buß gesammelten „Ehren-Urkunden" (Hofsmann,

Stuttgart) enthalten sei, so können die seither erschienenen vier Hefte
(L 5 M.) dies Urteil nur bestätigen. Realisten und Idealisten
haben gleich sehr dazu beigetragen, dem Werke die erquicklichste
Frische und Mannigfaltigkeit zu sichern. Neben des Altmeisters
Menzels „Adresse der Berliner Stadtverordneten" ent-
zückt uns Klinisch durch seine Phantasie über Lipperheides
„Mode". Und Sturms „Handwerkeradresse", ja
Fischer-Cörlins „Taufzeugnis" werden dann durch
C. Gehrts köstlichen Humor bei Kußmauls „Ehrendiplom"
noch überboten, und so kommt man von einer Ueberraschung zur
anderen, da fast nichts Schwaches und Dürftiges zu finden ist.

Das beweist uns, daß die Deutschen in der Kunst noch immer
mehr Phantasie und Erfindungskraft aufzuweisen haben, als die
meisten anderen Nationen. Daran könnte man nun allerdings
zweifeln, wenn man sieht, daß wir diesmal nicht weniger als
gleich drei Werke über Akt-Zeichnung publiziert haben, von denen
wenigstens zwei, aus Photographien nach der Natur bestehend,
mit der Phantasie in der That recht wenig zu thun haben.

Wenigstens wüßten wir nicht, wie bei den von Max Koch und
Otto- Rieth unter dem Titel „DerAkt" (Berlin, Bauer L Co.,

55 M.) herausgegebenen Modellstudien die Phantasie anders beschäf-
tigt wäre, außer daß sie mit ziemlichem Geschick ausgewählt und
gestellt sind, wenn man auch den Widerwillen vor den vielen hier
auftretenden, mehr als zweideutigen Damen nicht los wird. Immer-
hin angenehmer sind die „Malerischen Kinderakte" von Bovi
(Stuttgart, Hoffmann, 8 Lfrg., ä 2V, M.), da sie wenigstens mit
Geschmack gestellt sind und die Nacktheit bei Kindern
sehr viel weniger Anstößiges hat als bei Damen,
denen man es doch gar zu deutlich ansieht, daß
sie sich eben ausgezogen haben und nur mehr ihre
Karte neben sich hinzulegen brauchten. Da wirken
denn Chr. Roths „Skizzen und Studien"

(Stuttgart, Paul Nefs, 10 Lrfg., L 2 M.) schon ob
der kecken Meisterschaft ihrer Zeichnung allerdings
sehr viel erquicklicher und geben dem Schüler doch
einen Begriff, wie er zu zeichnen hätte.

Ohne Zweifel sind die technischen Fortschritte
der vervielsältigenden Künste, besonders aller Arten
des Lichtdruckes, der unbestrittenste Gewinn unserer
heutigen Kunst. Hat nach dieser Seite hin die
Wiener Firma Gerlach L Schenk schon
längst mit an der Spitze gestanden, so thut sie
das diesmal erfolgreicher als je durch ihre neueste
Publikation die „Handzeichnungen alter
Meister", speziell aus der weltberühmten Samm-
lung der „Albertina" in Wien, aber auch aus
anderen. Diese Nachbildungen nun leisten schon
das Aeußerste in täuschender Wiedergabe der Ori-
ginale, und sind darum von außerordentlichem
Wert für alle die, welche sich dem Studium des so
wichtigen Faches der Handzeichnungen alter Meister
widmen und durch sie ihre Kenntnis der Malerei
unserer älteren Schulen erst vervollständigen wollen.

Hier lernt man nicht nur die Handschrift unserer
alten Meister erst recht kennen, sondern sieht auch
ihren eigensten Charakter, sogar viel besser als in
den fertigen Bildern. So ist denn auch in
unserem Probeheft kaum ein einziges Blatt, dessen
Autor man nicht beim ersten Blick herausfände.

Tabei ist der Preis des Werkes so billig (3 M.
für ein Heft von 10—15 Bildern', daß man es
allen Kunstkennern, besonders aber denen, die es
erst werden wollen, gar nicht genug empfehlen
kann. Für Kunstschulen aller Art ist es vollends
unentbehrlich. — Ganz unserer Zeit gehört da-
gegen „Unsere Kriegsflotte" von G. Wisli-
cenus (Leipzig, Brockhaus, 30 M.), unter Mit-
wirkung der Maler Saltzmann, Schwinge und
Stöwer in 20 Chromolithographien dargestellt, die
jede ein vollständiges Stimmungsbild giebt, wobei

Prinzessin Amalie von Preußen, von Adolph Menzel (zsös).

Die Aunst für Alle XI. i -

man nur bedauert, daß der unglaublich geschmacklose weiße Anstrich
unserer Kriegsdampfer allen malerischen Rücksichten durch seine wider-
wärtige Körperlosigkeit ordentlich Hohn spricht. Jedenfalls bereitet er
wenigstens den Malern, welche diese Kolosse darzustellen verurteilt
sind, unendliche Schwierigkeiten. Nichtsdestoweniger haben die
obengenannten Künstler dieselben, wenn auch nicht immer, doch
oft überwunden, und auch malerisch interessante Bilder herzu-
stellen verstanden, wie denn auch die Chromolithographie der
Blätter im allgemeinen eine sehr tüchtige genannt werden muß.
Wislicenus' Text aber giebt alles Nötige, um uns für dies
jüngste und kostspieligste Kind der Mutter Germania mit warmem
Anteil zu erfüllen. — Von der Farblosigkeit unserer Schiffe bis
zur grauen Theorie überhaupt ist nur ein Schritt — den E.
Ranzoni, der bekannte Kunstkritiker der Wiener „Neuen freien
Presse", in seinem unter dem Titel „Das Schöne" (Wien,Hart-
leben) erschienenen Buche nicht ohne behagliche Anmut thut.
Denn wenn ein so alter „Kunslschreiber" über das Schöne und
seine Verkündiger in den Journalen spricht, so kann das begreif-
lich nicht ohne einen stark humoristischen Beigeschmack geschehen.
Umso mehr wird das der Fall sein, wenn er, wie Ranzoni,
bereits etwas ins Hintertreffen, d. h. in einen erklärten Gegensatz
zu den allerneuesten Propheten des Schönen geraten ist, das be-
kanntlich die Eigentümlichkeit hat, alle 10 oder 20 Jahre sehr
verschieden auszusehen. Da spickt nun Ranzoni den etwas trockenen
Braten seiner verschiedenen Abhandlungen über das Kunstschöne
in den Bauten, Statuen und Bildern mit einer Menge Geschichten
und Schnurren, welche die abstrackte Rederei alsbald ganz ge-
schmackvoll würzen, wie alles Selbsterlebte. Den öden Raisonne-
menls über die verschiedenen Kunststile gegenüber empfindet man
 
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