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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Clifford, Lucy Lane: Die letzten Pinselstriche, [3]
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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Preis-Ausschreiben - Vermischte Nachrichten - Kunstliteratur u. vervielf. Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0063

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Die letzten Pinselstriche. Nach Mrs. M. R. Llisford. — Personal- und Atelier-Nachrichten.

drücken uns im Vorbeigehen ein Zeichen auf, und ich
wurde ja aufgefordert, Madames Porträt zu malen."

„Sie hätten einiges fortlassen können", sagte sie;
„eine Frau hat ihre Eitelkeiten".

„Ich hätte ein Auge weglassen können, Madame;
aber dann würde es kein Porträt sein."

„Es macht mich traurig, die Runzeln zu sehen",
sagte sie; „sie erinnern mich — sie sind wie die Perlen
eines Rosenkranzes, die wir für einen Toten abbeten,
ein Paternoster für jedes Jahr — und Hoffnung und
Freude sind dahin."

„Gnädige Frau sind poetisch", und er berührte den
Hals auf dem Bilde mit dem Pinsel. Sie zog die
Spitze an ihrem eigenen Halse ein wenig höher hinauf.
Er sah es und nahm wieder etwas von der Schönheit
hinweg, die er soeben hingemalt. „Es ist zu weiß",
flüsterte er, und sie wand sich unter dem Anblick. Lang-
sam erhob sie sich, trat auf ihren Mantel zu und fühlte
in seine Tasche.

„Monsieur", fragte sie, „ist es zu spät, diesen
Kragen um meinen Hals zu malen? Es ist graues Eich-
hörnchen, und ich habe ihn seit vielen Jahren." Sein
Auge fiel darauf, er stutzte und wandte sich ab.

Beim plaudern und Spinnen die Stunden verrinnen,
von kV. ksasemann.

„Es ist zu spät", antwortete er fest und vertiefte
die Linie um den Mund.

„Sie arbeiten doch so schnell", klagte sie; „malen
Sie ihn hinein, Monsieur. Sie sind hart gegen mich
gewesen." Die letzten Worte sagte sie fast im Flüster-
ton. „Aber jetzt, bei der letzten Sitzung, werden Sie
ein wenig milder sein: wir werden uns nie wieder
treffen", fügte sie traurig und mit prophetisch klingender
Stimme hinzu.

„Es ist keine Zeit mehr"; aber er schien zu
schwanken.

(Der Schluß im nächsten Hefte.)

fif Gutach. (Ein Malerheim im Schwarzwald.) Das
schönste Atelier, die würdigste Werkstatt des Künstlers ist eben doch
die weite, freie Natur! Aber wem steht diese Werkstatt ungestört jahr-
aus, jahrein zur Verfügung? Wilhelm Hasemann in Gutach
ist einer dieser Glücklichen. Während die Kollegen von Pinsel und
Palette durch den nahenden Winter unliebsam gedrängt von der
Studienreise nach den Kunstmetropolen zurückkehren, durchstreifen
wir, vom Schwarzwald herniedersteigend, den herbstlich goldigen
Wald, und siehe, mitten im Tannensorst, an lauschiger Stelle
treffen wir unseren Künstler bei rüstiger Arbeit, er
selbst, wie er emsig wirkend vor der Staffelet steht
mit dem rotbackigen lachenden Modell aus dem Dorfe
ein Bild. Den Reiz und das Licht dieser Wirkungs-
stätte atmet aber auch das Werk, das wir entstehen
sehen. Und so geht es bei Sommers- und Winters-
zeit; dräut das Wetter mit Regen, Sturm und
Schnee, so bietet das traute Haus, das er sich im
Frieden des Schwarzwalddorfes erbaut hat, sicheren
Schutz im Kreise der Familie, und lächelt der erste
Sonnenblick — slugs wieder hinaus in die große
Werkstatt! Doch auch im Hause treffen mir die
Werkstatt, kleiner als das große weite Thal, aber
immer noch geräumig genug für reichliches Schaffen
und voll Stimmung, wie selten eine. — Wir
kommen zu guter Stunde, denn die freundliche Werk-
statt ist wohl gefüllt. Nachdem der Künstler die blau-
schimmernde Erika mit dem lieblichen Kinde, das sie
zum Strauße bindet, eben jenes Bild, dessen Werden
im Walde wir belauscht, auf die Staffelei gestellt hat,
gesellt er ihr eine Reihe seiner anmutigsten Bilder
und Studien zu. die er alle um sich versammelt hat,
da er in der nächsten Zeit eine Kollektivausstellung
derselben zu veranstalten gedenkt. Ein guter Gedanke,
zu dem wir ihm vielen Erfolg wünschen, und zu
dessen Ausführung die Besitzer seiner Werke, die
er sich meist durch seine Kunst zu Freunden ge-
wonnen, gerne die Bilder zur Verfügung stellen,
auch wenn sie sie ungern missen. Neben den Bildern
sehen wir treffliche Zeichnungen, die wir als alte
Bekannte grüßen, denn wir haben sie als Illustra-
tionen kennen gelernt. Aber wie viel anmutiger
sind diese sein durchgearbeiteteu Originale, als selbst
die besten Reproduktionen! Wie das schöne Gutach-
Thal Hasemann stets neue, abwechslungsreiche land-
schaftliche Motive liefert, so finden wir auch die
biederen Bewohner des Thales und des Schwarz-
waldes überhaupt in ihren malerischen Trachten als
Figuren auf seinen Bildern, oder in lebensvollen
Köpfen dargestellt. Und dies erscheint uns neben
dem Kunstwert noch ein besonderes Verdienst zu
sein. Allenthalben wo eines schönen Landes wohl-
gestalte Kinder „treu dem guten alten Brauch" in
ihren reichen Trachten gehen, zeigt sich jetzt der
Widerstand gegen den verflachenden Geist der Zeit,
der in mißverstandenem Fortschrittsdrang diese
Trachten in Abgang bringen möchte. Allenthalben
bilden sich Vereine zum Schutze der Tracht, die
Gutes leisten. Allein die beste Ünterstützung bieten
der guten Sache die Künstler, insbesondere Hase-
 
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