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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Kiesling, Ernst: Heinrich Leutemann
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0136

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Heinrich Leutemann. von Ernst Kiesling.

,0,

„Hannibals Übergang über die Alpen". Beim Anblick
dieser Arbeiten ist es zu bedauern, daß es ihm nicht
vergönnt gewesen, sich dem eingehenden Studium der
Malerei zu widmen. Sein ausgesprochenes Interesse
sür die Tierwelt, das bei ihm schon in frühester Jugend
erwacht war und das er im Laufe der Jahre eifrig
pflegte, sowie die Anregung von außen ließen als weitere
Arbeiten die in den Schulen zum Anschauungsunterricht
eingeführten Tafeln „Die Haustiere", ferner „Den
zoologischen Atlas" entstehen. Die in einem Zeitraum
von mehr als fünfzig Jahren gesammelten Studien, die
er aus allen zoologischen Gärten Europas zusammen-
getragen hat, und an deren Vervollständigung er noch
bis vor kurzem thätig gewesen ist, haben nicht nur einen
hohen künstlerischen, sondern auch einen bedeutenden
naturwissenschaftlichen Wert, denn in ihnen sind mit
wenig Ausnahmen die sämtlichen in diesem Zeitraum in
den zoologischen Gärten lebenden Tiere wiedergegebcn,
viele in verschiedenen Altersstufen und in den mannig-
fachsten Stellungen. Liebenswürdiges Entgegenkommen
des Künstlers gestattet uns, in diesem Hefte einige
Studien abbildlich wiederzugeben, wie cs uns auch in
Stand gesetzt hat, ihn selbst im Bilde vorzuführcn. Bei
Übersendung der dafür benutzten Porträt-Photographie
ließ der Künstler der Redaktion dieses Blattes schreiben:

„Mit wehmütiger Freude habe ich aus Ihrem Schreiben
erfahren, daß Sie mir die Lhre erweisen wollen, in der
„Kunst sür Alle" einen Artikel über mich zu bringen und
dazu um mein photographisches Porträt behufs der Re-
produkiion ersticken ....

. . . Mir selbst drängen sich jetzt, nach dem durch meine
nunmcbrige Erblindung hcrbeigesührtcn Abschluß meiner
künstlerischen Thätigkeit, dreierlei Betrachtungen infolge
meiner Erfahrungen aus, welche in ihrem Ausamincnhange
wobl der Beachtung wert sind.

Zuerst ist es die mir später immer mehr zum bittcrn
Bewußtsein gekommene Erfahrung, daß ich wegen der
trostlos einseitigen, nur aufs Zeichnen, und nichts weiter
gerichteten Ausbildung, wie sic mir wurde, und deren Lücken
ich auck später, trotz meinem heißen verlangen, aus Mangel
an Mitteln und Gelegenheit nickt anssüllen konnte, meine
Begabung
nicht zu der
Entfaltung
bringen
konnte, die
sie wohl
verdient
hätte. Stets
mittellos,
babe ich

nie einen Gönner gefunden, wie dies vielen glückte, der mick in
den Stand gesetzt hätte, an richtiger Stelle die heißersehnte Gel-
maltechnik noch zu erlernen, wie sie jetzt mit Reckt verlangt
wird. Leibst da, wo ich als langjähriger, beliebter Mit-
arbeiter eines längst reich lohnenden Unternehmens deshalb
anklopste, war dies vergeblich.

Sind dies nun getäuschte Hoffnungen meiner Jugend
geworden, so wurde es mir immerhin zu einiger Genug-
thnung, daß es mir aus dem, durch das vorhergesagte nun
zugcwiescnen Gebiete der geichenkmist gelingen konnte,
eine mir zusagende, dankbare und, wie ich vielleicht sagen
darf, auch vielfach anerkannte künstlerische Thätigkeit ZN
finden, trre hat mich oft über jene getäuschten Hoffnungen
dadurch getröstet, das; ich doch immerhin, dem Innern Drange
entsprechend, schöpferisch arbeiten konnte, und daß diese
Arbeiten, wie ich mich immer mehr überzeugen konnte, an-
regend und belehrend, vor allem aus die deutsche Jugend
und damit ans das deutsche Volk gewirkt haben. Zum
Beweise dessen darf ich ans meine „Münchener Bilderbogen",
welche unter der Sonderbczcichnung „Die Welt in Bildern"
und „Bilder ans dem Altertums" seit über dreißig Jahren
erschienen sind und in Tausenden von deutschen Sckulen als
Belchrungsmittel dienen, Hinweisen, und ebenso sind mir
vielfach Zeugnisse geworden, daß ineine Illustrationen in
der „Gartenlaube" meistens Tiere) und ähnlichen Blättern,
anregend und sür die zoologischen Gärten sörderlick gewirkt
haben. Dadurch habe ich die vorher kaum geahnte Ansicht
gewonnen, daß der bildende Künstler, selbst wenn es ihm
bei der Ungunst der Verhältnisse versagt bleibt, die höchsten
Kuustzicle zu erreichen, aus dem zeichnerischen Gebiete sich
noch Verdienste, insbesondere in volksbildnerischem Sinne
und damit Anerkennung und Dank erwerben kann. Daß
dies so war, erfuhr ich schon Z880, als ick damals zuerst
aus dem einen Auge erblindete und mir, der ich mich von
der deutschen Künstlerschast ungekannt wähnte, von dieser,
insbesondere von München und Düsseldorf, in warmer Teil-
nahme reiche Zuwendungen von Driginalstudicn sür meinen
damals eingerichteten Zeichenunterricht gemacht wurden,
und auch bei dem deutschen Volke überhaupt ist mein Name
durch die genannten und unzählige andere veröffentlichte
Arbeiten im guten Sinne ein bekannter geworden.

Im betrübenden Gegensätze dazu, und dies gilt bei der
noch immer herrschenden Zersplitterung vornehmlich in
Dcmichland, steht aber das Geschick eines Künstlers, welcher,
wie ick, das eben Gesagte aus sich auwenden darf, trotzdem
aber, da er bei den Sorgen sür eine zahlreiche Familie,
trotz allem Fleiße nichts ersparen konnte, auch als Nickt-
angesicllter auf Pension keine Ansprüche hat, nun, nachdem ihn
ein solches furchtbares Unglück getroffen hat, nock in, boben
Alter hilflos dastcht. wäre ich ein Franzose, so könnte das
nicht geschehen. So aber müßte ich verkommen, wenn nicht
die ctreue und Liebe der Mcinigcn, obgleich
diese selbst in bescheidenen Verhältnissen Find,
mich vor Mangel schützte;
denn die Unterstützungen, die
ich, wo ich anklopste, erhalten
habe, würden, da ich einen,
wenn auch noch so bescheidenen

Mus Heinrich leuiemanns Sludirnmaxxe.
 
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