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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Die graphische Ausstellung in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0134

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Die Graphische Ausstellung in Wien.

Aus dem Märchenbuchs, von Albert Ritzberger.

Pbotographie-Verlag der Photographischen Union in München.

gegangen. Mit wenig Glück, denn was er bietet, ist
glänzende Routine ohne Seele. Stauffer-Berns Bild-
nisse atmen derbe, gesunde Kraft; der treuherzige, so
echt deutsche Thoma bietet in seinem schlicht gehaltenen
Selbstporträt ein Meisterblatt. Seine farbigen Litho-
graphien haben einen volkstümlichen Zug.

Max Klingers Werk ist der Magnet der Aus-
stellung. Von jetzt an wird dieses so eigenartige, an
Hogarth erinnernde Talent Jung-Deutschlands auch in
Wien verdiente Würdigung finden. Kein moderner
deutscher Künstler hat so viel kritisches Lob und un-
kritische Unbill erfahren, wie der Leipziger Sonderling
und Autodidakt mit Radiernadel und Radierfeder. Da-
zwischen liegt eine mutvoll unverdrossene, ihre eigenen
Wege gehende Thätigkeit. Die Phantasie, der Traum,
hat bei Klinger das erste Wort; dann das seelische
Problem, das Symbol. Seine kalte Nadel ist in un-
erbittlich kalte Philosophie und in Weißglut der Leiden-
schaft getaucht. Er „träumt" mit der Nadel, und man-
ches bleibt manchem vielleicht dunkel in diesen Träumen.
Doch weiß jemand, was Goyas „Caprichos" bedeuten?
Klinger radiert auch Tendenz, sozialpolitische — wer
kann heute davon los? — und sittliche. So entstanden
die „Dramen", scharf wie Ätzwasser. Klingers Pro-
duktion scheint unerschöpflich, seine Gedankenwelt meist
stark von Phantastik durchsetzt. Unter den Deutschen
war er der Schwarzkünstler, der gemischte Technik hand-
habte. Die Nadel genügt ihm nicht, er mischt alle
Verfahren, um sich verständlicher, anschaulicher zu machen.

Manches ist allerdings salopp, und man fühlt sich bis-
weilen durch einem Mangel an Feingefühl abgestoßen;
der erfinderische Elan reißt aber den Künstler fort.
Man sehe sich beispielsweise das Opus XI „Vom Tode"
(1889) an und darin das Blatt „Zeit und Ruhe"! Wie
herb, gewaltigund doch unwiderstehlich fesselnd! Von sonstigen
deutschen Künstlern möchte ich noch nennen: Boehle,
Steinhaufen (Weihnachtsbild), Peter Halm (Rhein
bei Mainz), Liebermann. Vortrefflich sind der
Düsseldorfer „St. Lukas"-Klub, die Münchener,
Karlsruher, Weimarer Radiervereine vertreten.

Unter den Franzosen, meist mit raffinierter Misch-
technik, muß Le Pere, der geistvolle Schilderer des
Pariser Lebens, vorangestellt werden. In der farbigen
Radierung zeichnen sich Del Lire und Rops aus; des
erstgenannten „Parisienne" (in zwei Farben) und „8ur
tes boulevarcks" (in drei Farben) sind höchst geschmack-
volle Blätter. Valloton streift mit seiner breiten,
klecksenden Manier und seinen Genreszenen bisweilen an
die Karikatur, sein Jbsenkopf ist jedoch von überraschender
Wirkung; ein pikantes Trockenstifiblatt ist „Uemmes
nues" von Duez; von Raffaelli sind zwei köstlich
feine Radierungen (Farbendruck mit fünf Platten) aus-
gestellt. Lunois und Fantin-Latour endlich stellen
lithographische Platten aus, welche beredtes Zeugnis für
den Aufschwung des Pariser Steindruckes als freie
Kunst ablegcn. Bei den Engländern fallen vor allem
die galvanographischen Bildnisse Herkomers (worunter
Miß Grant, Lord Salisbury und Viscount Croß) durch
 
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