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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Künstler und Kunsthändler
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0129

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Künstler und Kunsthändler.

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legenheit zur genügenden Lichtentfaltung bietet. Das Pu-
blikum ist unter diesen Voraussetzungen demnach nur aus
Ateliers, auf Ausstellungen und auf Vereinslokalitäten an-
gewiesen. Die leuchtenden Sterne, alias großen Künstler,
weisen in doppelter Buchführung eine unglaublich hohe
Einnahme auf — Menzel, Böcklin, Lenbach rc. werden
überlaufen, sie können sich der begehrenden Kunstfreunde
nicht erwehren. Tausende von minder kräftigen Licht-
körpern strahlen im Verborgenen, verzehren sich und
ihre Kräfte, und bemühen sich vergebens, die Aufmerk-
samkeit der Menge auf sich zu lenken. Nun tritt mit
einemmal ein Kunsthändler auf, unterzieht sich der
Mühe, für die wenig kaufmännisch gebildete Schar auf
seine Kosten eine Lokalität zu mieten, nicht bekannte Bilder
dort auszustellen — kurz das Risiko des Verkaufes in
dieHand zu nehmen. „Gott sei dank, daß Sie kommen!"
rufen die Verzagenden aus, nehmen erfreut den Obolus
entgegen und lassen dem Händler was des Händlers ist
— denn nun ist ja jemand da, der die Plage der Be-
sucher, die von den Kleinen vergeblich erwartet wurde,
des Feilschens, die Vermittlung des Anbietens und die
Ausstellung besorgen kann. — Wie viele Künstler sind
heutzutage da, die des Beistandes eines Kunsthändlers
entraten könnten? Wer führt heutzutage die begnadeten
Neugeburten von der Wiege zum Ruhm? Wer anders
als die Kunsthändler! Ein Kunsthändler muß Kunst-
verstand mit Toleranz, Geschäftssinn mit Intelligenz

Viel Lärm um Lichts, von Alessandro Biggi.

und Aufmerksamkeit mit Findigkeit verbinden. Wir
wollen als Beispiel den normal begüterten und den
normal anständigen Händler näher beleuchten, um durch
die Kenntnisnahme seiner Thätigkeit, die Einsicht in
die Schwierigkeit seiner Erwerbswahl zu gewinnen.
Ein Händler ist genötigt, um den verschiedenen Ge-
schmacksrichtungen seiner Kundschaft Rechnung zu tragen,
sich ein Lager von Bildern, großer, mittlerer und
kleinerer Künstler zu halten. Dem voraus geht die
Beschaffung eines Lokales, sei es eines Ausstellungs-
saales, sei es eines Aufbewahrungsraumes — die Miete
wird gebucht, in der Hoffnung, daß der Verdienst beim
Umsatz sie zahlt. Nun werden Bilder gekauft, das, was
im Comptoir angeboten wird belastet das Ausgaben-
conto nicht schwer — der Händler muß sich bei den
Künstlern wie der Agent bei den Kaufleuten selbst
präsentieren, muß Umschau halten und einkaufen. Nun
hat er sich mühsam einen „Stock" erworben, die be-
deutendsten Koryphäen sind vertreten, alle Richtungen
von den Präraffaeliten bis zu den Symbolisten. Glücklichen
falls werden einige Werke verkauft, die meisten bewun-
dert, der Rest bleibt Lager — nur ist das das Dumme,
daß dieser Rest nicht Schweigen bedeutet, sondern zins-
zehrendes Lager, das unbarmherzig die Freude des Ge-
winnes schmälert und die hohen Prozente, die das
Publikum schrecken, ganz im Stillen auf einen Minimal-
satz zusammenschrumpfen läßt. Das sind eben die
Dornen, die neben den Rosen stehen, deren Tust das
Publikum berauscht I Mit großem Risiko, hohen Kosten
und unendlich viel Geduld geht der „Händler" an die
Arbeit. Was rechtfertigt den mißtrauischen Blick, der
ihm zuerst begegnet? Wer fragt in einem Luxus-
geschäft, wo Bronzen und kostbare Lampen, Fächer und
Nippsachen verkauft werden, danach, wie viel Gewinn
der Verkäufer einnimmt? Würde man da dem Ein-
tretenden die Augen öffnen und zurufen: Hier werden
an einzelnen Sachen 100—150 °/o verdient! würde er
es glauben? würde er von dem Vorsatz des Kaufes ab-
gelenkt? Nimmermehr — da gilt der Spruch: Gute
Sachen kosten Geld! Wie wäre es, wenn die Schrift-
steller auch ihre Geisteserzeugnisse selbst vertrieben und
die Buchhändler entbehren könnten — die haben es
noch viel besser, die beziehen 25—30 °/o und mehr
und schicken das Nichtverkauste via Leipzig an die
Verleger zurück, deren Kontrakt mit dem Autor das
pro und contra der Spekulation reguliert. Ja, hätten
die Händler es nur mit Menzel, Böcklin und Lenbach
und solchen Meistern zu thun, dann könnten sie schon
warten und das Erworbene als in sich zinstragende
Kapitalsanlage aufspeichern bis der Verkaufs sie ent-
lastet — aber nicht jeder ist wohlhabend genug, von
Kaviar zu leben, da muß auch der minder begabte
Künstler für den minder begüterten sorgen. Wie
mancher Meister verdankt dem Händler seinen Ruhm!
Wie viele ihm die Einführung in die Welt! Die
Zeiten, in denen meist Kirchenfürsten und vermögende
Kunstfreunde Aufträge erteilten, scheinen vorüber -— mit
dem Grasen Schack starb der letzte Mäcen, der, Künstler
fördernd, der Kunst Pflegte. Wer hat jetzt den Mut
— Mittel besitzen wohl viele — einen Anfänger
zum Meister zu bilden? Sehen wir uns doch die
großen Privatgalerien in Deutschland an. Ist da eine
einzige, die nicht den Charakter einer voraussichtlichen
 
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