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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Liebewein, Maximilian: Vom Zügelschen Tier-Atelier in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0176

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1Z6

Vom Zügelschen Tier-Atelier in München.

Im Tier-Atelier der Münchener Akademie, von M. Krombach.

schaft ist und bleibt die Hauptsache. — Die Individualität
des Einzelnen bleibt unangetastet. Niemand wird zu
dieser oder jener Technik gezwungen. Die Farbe ver-
wende man so rein und kräftig als möglich. Sonst be-
gnüge man sich mit der Zeichnung. Die Korrektur des
Meisters hat niemand zu fürchten, der ehrlich malt und
es ehrlich meint. Gute Kameradschaft ist eben so wichtig
als leuchtende Farbe und strenge Zeichnung. Sie ist ein
Halt nach innen und ein Schirm und Harnisch nach außen.

Im Frühling wird hinausgezogen in die freie
Natur — nach Wörth am Rhein, in der bayrischen Pfalz,
dem alten Studienplätze der Tiermaler aus entschwundener
Karlsruher Zeit. Dort lockt eine Rheininsel, vom Strom
und seinen Altwässern umflossen und durchschnitten.
Föhrenbestände, Sandgruben in brennendem Sonnenlicht,
Weiden und Schilf, darunter farbige Rinder, zischende
Gänsemütter mit ihren goldgelben Jungen und die blonden
Hirtenkinder mit der Gerte in der Hand, Bauerngäule
in der Schwemme, farbenbunte Gockel in kriegerischem
Widerstreit um der Hennen Liebe, der nahe Buchenwald
mit der grunzenden Borstviehherde, Birken mit weiß-
schimmernden Stämmen, Eichen mit knorrigem Geäst,
wogendes Korngefild und ackernde Bauern, das sind die
Dinge, die wir täglich dort vor Augen sehen. Und alles,
übergofsen von der zitternden, weichen Luft des strom-
durchschnittenen Landes, erhält noch höheren Reiz.

Abends ist Landschaft, Mensch und Tier übergoldet
von den Strahlen gleißenden Sonnenuntergangs. Dann
sinkt die Sonne hinter den Bergen von Trifels und
Annweiler, weiche Dämmerung hüllt alles ein, und nur
der Laut des Bläßhuhns in dem Schlick und die Töne
trunkener Bauernheimkehr stören den heiligen Frieden.

Des Lebens Reiz liegt im Wechsel der Begebnisse
und der Umgebung. Wer sich draußen im Sommer müd

gearbeitet hat, wer nicht im Schnee beim
Malen frieren will, der freut sich dann
wieder auf das winterliche Heim — den
Tierstall, auf das Bild des winterlichen
Malerlebens. —

Draußen klingender kalter Wintertag.
Schräg steht die Sonne und vermag nicht
viel. Es knirscht der blinkende Schnee, die
kahlen Bäume werfen lange blaue Schatten
drüber hin. Im Glasbau steht ein Schimmel,
ein alter Gesell, und erfreut sich am Heu;
der Pferdewärter ist in der Wärme einge-
schlafen. Im Atelierraum Staffelei an
Staffelei, große und kleine Rahmen. Dort
wird der Schimmel verzehnfacht von Meister
Zügels Schülern. Witzwort und Lachen
begleitet rasche Arbeit, rasches Schauen und
Wiedergeben. Gilt doch vom Tiermaler
mehr als von jedem andern das Wort von
Scheffels „stillem Manne" in der Erd-
mannshöhle:

„Laß die Fülle des Gewordnen
Künden, was belebend treibt,

In dem Wechsel der Erscheinung
Ahne das, was ewig bleibt."

Und wenn auch manchem am Anfang
öfters ein Fluch über ein unruhig Modell
entfahren ist, so wird er nach einem
halben Jahre stoischer Philosoph und weiß,
daß man zu einer Kuh nicht sagen kann: „Bitte den
Kopf etwas nach links und nur recht freundlich." —
Am 18. November 1895 hielt die Schule ihren Ein-
zug in das neue Heim. Die gegenwärtige Stärke beträgt
elf Mann. Mögen noch viele Generationen darin Hausen
und walten in dem Geiste guter Kameradschaft, möge
Meister Zügel sie noch viele Jahre leiten mit starker Hand
wie bisher. Dies sei mein Segenswunsch am Schluffe.

Die Wege derer, die heute durch gleiches Modell
und gleiche Korrektur verbunden sind, werden auseinander
gehen, denn ewig ist noch niemand an einer Schule ver-
blieben. Aber möge der eine späterhin in seiner Arbeit
des mutigen Rosses Anteil an der Menschen Kampf und
Sieg, der andere das glatte farbige Rind auf blühender
Alpenweide, oder in grünem Tiefland, oder des Hühner-
hofes intimen Reiz mit schillernden Hähnen und grün-
goldnen Pfauen schildern, sie alle werden mit Rührung
und Liebe an Schule und Meister zurückdenken, an die
Stunden rüstiger Arbeit und geselligen Verkehrs.

1>I. i..
 
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