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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Springer, Jaro: Die Ausstellung der "XI"
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0271

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2,2

Die Ausstellung der „XI".

Höhe. Nur der frühe und plötzliche Abfall und das fo
schnelle und gründliche Aufräumen mit dem Erbe der
um weniges älteren Generation lag außerhalb unserer
Berechnung.

Die diesjährige Ausstellung der „XI" giebt ge-
gründete Veranlassung zu diesen Bemerkungen. Ich meinte
bisher, daß sich unter ihnen nur zwei Neuidealisten fänden:
Max Klinger und Ludwig von Hofmann. An

Krieger-Denkmal in Lurdlinburg. Don Richard Anders.

beiden konnte man sich manchmal erfreuen. Auf dieser
Ausstellung spielen sie gar keine Rolle. Von Klinger
sind ein paar Zeichnungen aus den 80 er Jahren da,
die nicht einmal das, was er damals konnte, besonders
gut zeigen, geschweige denn sein Wesen von einer neuen
Seite darzustellen vermögen. Hofmann ist müde ge-
worden, er stellt nur ein zahmes Bild aus, Träumerei
genannt, das so wenig sagt. Die Halbfigur eines nackten
Mädchens vor einem landschaftlichen Grund: ohne die
Farbe, ohne die Stimmung und ohne die Keckheit, die
seinen ersten Sachen zu so schnellem Effekt verhalfen.
Und das war erst vor vier Jahren I Diesen beiden Neu-
idealisten gesellt sich als dritter ziemlich überraschend
Walter Lei stikow zu. Ich habe ihn früher gern als

unfern besten Landschafter gefeiert. Ich glaube nicht,
daß ich ihn überschätzt habe. Aber wenn ich mir seine
älteren, so guten Arbeiten in die Erinnerung zurückrufe,
so will es mir Vorkommen, als ob in ihnen schon ein
leiser femininer Zug bemerkbar würde. Gott weiß, welchem
unheilvollen Einfluß er verfallen ist, dem er weich und
zaghaft sich haltlos hingegeben hat. Man munkelte schon
allerlei von der merkwürdigen Veränderung, von der
fieberhaften Thätigkeit. Und er schrieb! Schrieb über
Kunst ganz merkwürdige Sachen, nahm zu unserem großen
Staunen jeden Firlefanz für ernstgemeinte Kunst.

Nicht mit allen seinen Bildern auf der diesmaligen
Elfer-Ausstellung bringt Walter Leistikow betrübliche
Überraschungen. Einige sind annähernd in der alten
Weise gemalt und erfreulich. Dazu rechne ich auch die
Nachtraben, die man natürlich als lustiges Dekorations-
stück auffassen muß. Die beiden bösen Nummern sind die
Hafenansicht und der Schlachtensee. Der gute ehrliche
Schlachtensee! Ganz unkenntlich ist er unter dem schwefel-
gelben Himmel geworden und die biedern deutschen Kiefern
an seinen Ufern haben sich in formlose schwarzgrüne Un-
geheuer gewandelt. Hellgelb ist auch das Wasser auf
der Hafenansicht, wo aber die Schiffe ihre breiten Schalten
hinwerfen, da ist es grün. Den Bildern fehlt die Stim-
mung, fehlt auch, was über manches hinweghelfen könnte,
die lustige Färbung, fehlt jede Naivetät, sie verletzen
bloß durch die mühsam ausgeklügelte Methode der Unkunst.
Man konnte für Munch und für Willumsen einiges übrig
haben, aber nichts für diesen Walter Leistikow, der sich
mit Bedacht selbst verstümmelt hat, der ganz leiden-
schaftslos sich mit Wasser berauscht.

Wenn von der überraschenden Wendung, die Walter
Leistikow genommen hat, abgesehen wird, so erscheinen
die Elfer diesmal ruhiger und harmloser als je zuvor.
Freilich mit der einen Ausnahme von Max Lieber-
mann, der die Genossen wie ein Riese die Zwerge
überragt. Das Dünenbild, ein alter Mann mit der
Kiepe auf dem Rücken in den Dünenhügeln sitzend, ist
zeichnerisch und farbig eine seiner besten Arbeiten. Man
kann dem Leipziger Museum gratulieren, das sich des
Bildes, als es noch im Atelier stand, schnell zu sichern ge-
wußt hat. Mehr noch möchte ich das wundernette Porträt
eines Kindes als hohe Leistung rühmen. Die übrigen, unter
denen Hugo-Vogel diesmal gänzlich fehlt, gehen die alten
Wege in der alten Weise, sie treten friedfertig auf und
scheinen geneigt, frühere Schroffheiten ganz zu mildern.
Franz Skarbina hat einen prächtigen weiblichen Akt
im Walde beigesteuert, der wohl auch wirklich im Freien
gemalt ist. Ein kleines Pastellbild, „Windstoß in Ost-
ende" zeigt ganz den flotten, nervösen Skarbina, wie er
früher, und wie er mir lieber war. Hans Herrmann
ist in seinen Straßen-, Strand- und Dünenbildern ab-
geklärt, abgewogen, vornehm und ruhig. Er ist jeden-
falls der unter den Elf, der dem großen Publikum am
nächsten steht. Seine kürzlich erfolgte Wahl in die
Berliner Akademie scheint das ja auch zu bestätigen.
In seinem diesjährigen Halligbild hat I. Alberts mit
frischerer und flotterer Malweise einen weit besseren
Effekt erreicht, als mit der feinen und accuraten Art der
früheren Bilder. Friedrich Stahls dreigeteilte Land-
schaft mit der etwas undeutlichen Schafherde scheint mir
wenigstens zu pretentiös gegeben für den kleinen Vor-
wurf stiller träumerischer Landschaftsstimmung. Das
 
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