Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

DOI Artikel:
Schumann, Paul: Englische Griffelkunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0308

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
„The Pool." Nach einer Vriginal-Radierung von James Mc. Neill Whistler.

Englische Driffelkunst.

von vr. Paul schumann.


Griffelkunst — so verdeutscht Max Klinger in glücklicher Weise das sonst gebräuchliche Wort Graphische
Kunst — hat in unserer Zeit trotz alles Wettbewerbs der Photographie und der anderen mechanischen
Nachbildungsverfahren einen erneuten Ausschwung genommen. Die Radierung ist zu neuem Leben erweckt
worden, der Steindruck, der für die bildende Kunst ganz überwunden zu sein schien, hat erneute Pflege
gefunden und auch die Schabkunst hat noch ihre Liebhaber. An diesem erneuten Aufleben der Griffelkunst
hat England einen sehr bedeutenden Anteil, insbesondere für die Radierung. Sowohl die Malerradierung,
als auch die nachschaffende Ätzkunst hat dort eine Fülle von Meisterwerken hervorgebracht, und sie fanden
rasche Verbreitung und Absatz, denn England ist noch immer das Land der Kenner und Sammler. Nirgends
finden sich so viele Dilettanten der Kunst im ernsten Sinne, das sind Leute, denen die Kunst nicht Mittel,
sondern Zweck ist. Von den: gegenwärtigen hohen Stand der Radierung in England gab eine umfängliche
Ausstellung Kunde, welche die Ernst Arnoldsche Hofkunsthandlung zu Dresden, die sich durch
derartige Vorführungen um das Dresdener Kunstleben und Kunsttreiben bereits sehr verdient gemacht hat, im
Herbste 1895 veranstaltet hatte. Sie beschränkte sich auf die Malerradierung, indes gerade das war ein
Vorzug. Denn wenn man auch nicht gerade mit Herkomer, Whistler und dem New Jorker Ätzklub die nach-
schaffende Radierung und die großen Ätzblätter gänzlich verwerfen wird, leuchtet der große Unterschied zwischen
nur nachschaffender und freier Malerradierung ohne weiteres ein. Letztere ist als künstlerisches Original an
sich wertvoller und wird es für den Sammler noch mehr dadurch, daß meist nur wenige Abdrücke von den
einzelnen Platten hergestellt werden. Die englischen Malerradierer sind verhältnismäßig zahlreich.

Am bekanntesten von ihnen ist wohl Mac Neill Whistler. Der eigenartige Künstler, dessen Farben-
dichtungen in Deutschland ebensoviel Bewunderung wie Widerspruch gefunden haben, stammt aus Amerika, hat
eine französische Erziehung genossen und lebt seit 1859 vorwiegend in England. Heftige Streitigkeiten, denen
u. a. das Buch »Tlls hantle art ob in allin ^ enoiniss« seine Entstehung verdankt, haben ihn ebenso bekannt
gemacht, wie seine unvergleichliche Kunst. Über seine Grundsätze als Radierer hat er sich in diesem Buche
ganz klar ausgesprochen. Das Wesentlichste der Ätznadelkunst ist ihm, daß sie nur andeuten soll, denn sie sei
mehr im stände, die Phantasie anzuregen, als dies jede andere Kunst vermag. Demgemäß würde es nach
Whistler geradezu fehlerhaft sein, wollte man Radierungen sorgfältig durchführen. Die Platten dürfen nur
klein sein; große Platten verabscheut er; ebenso — und zwar mit Recht — den Weißen Streifen zwischen Bild
und Plattenraud, der mit solcher Vorliebe bei den Linienstichen mit eingerahmt zu werden pflegt und doch in
so empfindlicher Weise die Bildwirkung stört. Whistler steht also entschieden auf Seite der Radierer im Sinne
Rembrandts. Seine Hauptwerke sind drei Folgen: Französische Ansichten, die Themse-Ansichten (1859) und
26 venezianische Ansichten (1886). Die Entwickelung seines Stils seit 1859 ist augenfällig und durchaus

Die Kunst für Alle XI, 16. 15. Mai 1696.

3;
 
Annotationen