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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Tarbutt, Hermann: Die Keinerausstellung des Künstlervereins "Paranoia"
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0338

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von Hermann Tarbutt. — Ausstellungen und Sammlungen.

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legte er auf eine „Stimmung in Schwarz", eine Stimmung
wie sie, so drückte er sich aus, ein Blindgeborner im
Dunkeln empfinden würde. Auch auf eine Abendstim-
mung mit blühenden Kirschbäumen im Januar schien er
gerechterweise stolz zu sein. Die Kombinierung von
Stimmungen, wie Winter im Sommer, Wolkenbruch
und Sonnenschein ist speziell seine Erfindung, mit der
er das tötende Einerlei stumpfsinnigen Nachempfindens
der reellen und durchaus nicht in allem wohlgelungenen
Natur aufzuheben hoffte.

Wir traten in den nächsten und vielleicht interessan-
testen Raum der Ausstellung, der ganz mit kirschrotem
Sammt ausgeschlagen war. Intensiver Lavendelgeruch
füllte das vom Schein einer Ampel matt beleuchtete
Gemach. Ein Quintett von Okarinas spielte hinter
einem Vorhang die neunte Symphonie. Hier empfand
Hans Peter Queckbrodt, der Führer und erste Präsident
der „Paronoia" seine Seelenporträts und speziell das
in der Gesellschaft seiner Geistesverwandten als uner-
reichbares Meisterwerk geltendes „Beethovenbildnis". Er
empfing uns, drückte Jeden in einen Sessel und begann:

„Schließen Sie die Augen, empfinden Sie Beetho-
ven — meinen Beethoven. Ein Titan! Ihn malen?
Das kann nur ein Schurke oder ein Esel wollen. Das
geht über Menschliches hinaus. Selbst empfinden kann
den nur der intensivste Wille — ein Wille wie Meiner!
Aber ich Hab' ihn, diesen Gigantenschädel, diese nach
innen gekehrten Augen, diese Unterlippe, in der sich
eine Welt von un-
widerstehlicher Ener-
gie, ein unsagbarer
Trotz gegen die blöden
Unzulänglichkeiten
der materiellen Welt
offenbart, diese Locken,
neben welchen das
Haupt des Zeus von
Otricoli wie eine
Kleiderbürste sich aus-
nimmt, diese Nase, die
ganz Kraft, ganz
Wille, ganz Ver-
mögen ist!"

Ich war von
dem Bcethovenbild-
nis, das mir der ge-
niale Künstler sugge-
riert hatte, hinge-
rissen, so sehr, daß
ich den Eindruck nicht
durch weitere Ein-
drücke stören wollte,
und beschloß für heute
meine Wanderung
durch die Keineraus-
stellung.

Als ich wieder
an der Kasse vorbei-
kam, streckte mir das
hübsche, junge Mäd-
chen wieder verlan-
gend die Hand ent- Vlfludir für rinrs drr Wandgemälde
gegen: von Fr an

„Ich habe meinen Eintritt ja schon einmal bezahlt",
sagte ich.

„Es kostet aber auch drei Mark Austritt", flötete
sie, „und die hat noch jeder gerne bezahlt".

Ich that desgleichen.

kt. München. Die Künstlergenossenschaft hat
eine Ausstellung von Bildern und Studien, welche sich auf
den Krieg von 1870 beziehen, veranstaltet, zur Erinnerung
an die Heldenthaten der deutschen Armee in diesem Jahre. Kann es
nun gar keine Frage sein, daß diese Heldenthaten sehr viel ge-
waltiger sind als ihre Bilder, so trifft die Schuld davon glücklicher-
weise nur die, welche sie nicht größer bestellten. Leider ist das
Mißverhältnis aber gar zu schreiend und um so widerwärtiger,
als die meisten dieser Werke nur zu deutlich zeigen, daß ihre
Schöpfer gar wohl auch sehr viel größeren Aufgaben gewachsen ge-
wesen wären als so mesquinen, die von der Art, wie man diesen
grandiosen Ereignissen oft gegenüberstand, einen wenig erbaulichen
Begriff geben. Daß man aber Thaten, die der Weltgeschichte eine
neue Wendung gaben, niemals in Taschenformat würdig dar-
stellen könne, das begreift man wie es scheint in Deutschland nie!
So kommt es denn, daß alle diese Bilder ihren Malern ein sehr
viel rühmlicheres Zeugnis ausstellen, als der Nation, die sie her-
vorrief. Im großen und ganzen stehen fast alle diese Werke
unterm Einflüsse des Franz Adam, dem auch das bedeutendste
derselben, „Die Erstürmung des Bahndammes von Orleans"
gehört. Ganz charakteristisch ist, daß fast alle unsere Schlachten-
maler Pferdemaler waren, ehe sie zu Bataillen übergingen. Nicht
von Adam beeinflußt sind eigentlich bloß zwei der hier vertretenen
Künstler: Karl Seiler, dessen „Szene vor Paris" unbedingt die

feinste Stimmung und
vollendetste Ausführung
von allen hat, und
F 7 ber du Faur, dessen
vier große Skizzen zu
seinem Panoramabild
von Wörth eigentlich
allein die richtige Be-
handlung für große
Schlachtbilder zeigen.
Ungewöhnliche Selbst-
ständigkeit besitzt auch
Fr. Bodenmüllers
„Sedan". Hier war
offenbar ein großer
Maler zu haben, den
man freilich verkümmern
ließ wie so viele andere.
Vorab wie den armen
Heinrich Lang, dessen
„Batterie Prinz Leo-
pold" ein Juwel von
seiner geistvoller Durch-
führung ist. Anderes
von Putz, Braun,
Nagel, Horschelt rc.
ist leider nur zu er-
wähnen. Kurz, man
sieht in dieser Ausstel-
lung so viel, wenn auch
meist früh verkümmertes
Talent, um nur bedauern
zu lassen, daß diese
Künstler nicht Franzosen
waren, wo sie zweifellos
Förderung genug ge-
funden Härten. Denn die
Behandlung der Schlach-
tenmalerei seit 1870 ist
eines der fatalsten Ka-
pitel in unserer an Bei-
spielenvon Engherzigkeit
im kaukasischen Museum in Tiflis. leider nicht armen Kunst-
z Simm. geschichte! le»S8i


Die Kunst für Alle XI.
 
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