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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Feld, Otto: Die Ausstellungen in den Champs-Elysées und auf dem Champ-de-Mars
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0354

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278

Die Ausstellungerl in den Lbamps-Elysees und auf dem Lhamp-de-Nars.

einige in die Tiefe hinab. — Man kann ja, wenn
man Lust hat, sich vielleicht etwas dabei denken.
Ich anerkenne die Schwierigkeit, so viel lebensgroße
Figuren auf einer so riesigen Leinwand leidlich gut
unterzubringen und bedauere, daß das Ganze in einem häß-
lichen schwärzlichen Ton gehalten ist. Sind hier die Figuren
wenigstens mit einer gewissen realistischen Kraft gegeben,
so unterdrückt M. Pellez seinem sogenannten Gedanken
zuliebe gar sein malerisches Können, von dem er schon
gute Beispiele abgelegt. Die Figuren seines Bildes
sind ganz körperlos, in einem Ton gehalten (aber gut
gezeichnet, und einzelne Köpfe vortrefflich im Ausdruck),
die Landschaft ist ebenfalls nur grün angelegt, ohne alle
Valeurs, die Farbe bunt, wenn auch leuchtend. Vor
einer grünen Rasenfläche an dem sauber geharkten Kies-
weg einer öffentlichen Promenade ist eine lange Reihe
Figuren angeordnet. Ganz links ein paar alte ver-
grämte Weiber, ein Arbeiter, der einen Arm in einer
Binde trägt, ein paar elend ausschauende Frauen, die
ihren Kindern die magere Brust reichen und nach zwei
fetten aufgeputzten Ammen hinschielen, die derselben
Pflicht obliegen. Einige geschmacklos bunt angezogene
Bürgersfrauen, die einer vorübergehenden Kokotte nach-
schauen, vorn eine Gruppe Kinder, eine Puppe, ein
winziger Hund in eleganter Decke, dazwischen ein zer-
lumpter Proletarier und ganz rechts ein behaglich
schnarchender wohlbeleibter Spießbürger! Überragt ist
diese Gruppe von einem Kreuz, von dem eine halb
schemenhafte Christusfigur fortzustreben scheint. Das

Lesendes Mädchen. Von Larl Bennewitz von Loesen jun.

Internationale Berliner Iubiläums-Aunstausstellung 1896.

Ganze heißt rl'kumamte!« — Es genügt wohl, diese
Bilder zu beschreiben. Sie sprechen sich selbst ihr
Urteil. —

Unter der großen Zahl dekorativer Gemälde ragt
vor allen Henri Martins Fries für das Hotel cke ville
hervor. Modernstes Können fügt sich hier vortrefflich
dem dekorativen Zwecke, dem das Bild bestimmt ist.
Durch sonnenbeleuchtete Stämme schaut ein Heller Himmel
auf trefflich angeordnete Figuren, die teils Porträts,
teils Allegorien die „Musik und die Skulptur" symboli-
sieren. Henri Martin ist Pointellist. Aus kleinen
Farbenflecken (meist in den drei ungebrochenen Komple-
mentärfarben), zwischen denen er die leere Leinwand
stehen läßt, setzt er seine Bilder zusammen und erzielt
große Frische und Leuchtkraft der Farbe und einen ge-
wissen duftigen Schimmer. Bei dem großen Fries, der
in ausreichender Entfernung vom Besucher sichtbar gemacht
werden wird, stört diese Technik durchaus nicht. Ein
gleichfalls ausgestelltes Porträt zeigt ihre Gefahren.
Zu nahe gesehen verbinden die Flecke sich nicht mehr,
oder sie lassen die in dieser Technik ausgeführten Figuren
wie in einem Nebel erscheinen. Immerhin gehört dieses
Bildnis in Auffassung und Farbe zu den ganz wenigen,
die nicht von „berühmter" Hand stammend, mehr geben,
als die „berühmte" Geschicklichkeit eines gesuchten Malers
in der Wiedergabe eines Seidenstoffes oder einer glatten
Menschenhaut. Neben dasselbe gehören wohl die Arbeiten
von Laurens, Humbert, Charlet, Ochardson. Ein
Porträt von Otto Feld kann ich, als dem Autor zu
nahe stehend, hier nicht beurteilen. — Von den beliebten
Porträtisten fehlt keiner, nichtBonnatnochBouguereau,
Benjamin-Eon st ant, Lefebvre u. s. w. Eine
Unzahl Jüngere streben nach der Ehre, einst mit denselben
Mitteln „beliebt" zu werden.

Die Landschaft ist merkwürdig schwach — ich meine
auch der Zahl nach — vertreten. Fl ah aut; Lang-
lois mit einem breitgemalten sonnigen „Augustnach-
mittag"; Tanzi bringt ein sehr gut studiertes Wasser. —
Die Engländer Breit und Quignon, vielleicht auch
Norm ann, werden wohl diejenigen sein, die hier am
meisten modernes Empfinden von der Natur zeigen.
Akte und sonstiges Genre ist natürlich zahlreichst ver-
treten, hier, wie in der 800 Nummern starken Ab-
teilung der Skulpturen, unter denen mir die bemerkens-
wertesten scheinen ein Akt von Falguiere (die „Tänzerin",
Frl. de Merode hat dazu Modell gestanden), »la tempere«
von Lärche, eine kräftige Frauengestalt in starker, gut
verstandener Bewegung, Bastets »veuus au inerte«
und eine feine Statuette in Bronze und Marmor,
Salome, die ich unter den kunstgewerblichen Arbeiten ge-
funden, wo ich vor einer herrlichen Vase von Bussiere
und den köstlichen Goldschmiedearbeiten von Rene
Lalique, vor echt künstlerischem Handwerk micherfrischt
habe nach so viel handwerklicher Kunst. — Gravüren,
Lithographieen, Miniaturen geben zu keiner Erörterung
Anlaß. —

Von wahlloser Wiedergabe des Wirklichen, von den
Versuchen objektiver Naturschilderungen sind die modernen
Künstler zu prüfender Auswahl jener Motive fortge-
schritten, in denen die Suchenden etwas von ihrem
eigenen Seelenleben wiederfinden, von der Freude an der
Kraft, ein Stückchen Natur in all' seinen Reiz wiedergeben
 
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