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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Mendelsohn, Henriette: Die nördlichste Feste dänischer Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0413

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Die nördlichste Feste dänischer Kunst.

mit Beute beladen heimgekehrt. Jedes der eng aneinander
gebauten, aus silbrigem Dünengras hervorragendenHäuschen
entsendet Männer, Frauen, Kinder zur fleißigen Prä-
parierung des eingebrachten Fischschatzes. Zahlreiche
Spaliere, an denen Tausende der weißen getrockneten
Flundern gleichmäßig hängen, zeugen rings im Dorf
von der früheren reichen Ausbeute. Jetzt geht es an
ein Schneiden, Schnitzeln, Ausnehmen und Aufhängen
— dazwischen ein Fischer, der Netze strickt oder sein
Boot ausbessert. — Leider, leider aber ist Skagen nicht
mehr das Eldorado der Künstler von ehedem. Der
weibliche Teil der dortigen Bevölkerung hat sich nie durch
besondere Schönheit ausgezeichnet, doch die männlichen
Fischertypen von Skagen haben sich von jeher einer
großen Beliebtheit erfreut. Seit einigen Jahren aber
fahren die rüstigen Männer auf Monate auf das Meer
hinaus, so daß man zumal zur Zeit des Flunderfanges
in Skagen nur blinde oder lahme Modelle ergattert.
Dänische Künstler, welche hier ihre zweite Heimat gefunden,
haben freilich Zeit genug, mit diesen Umständen zu
rechnen — wer aber als Fremder nur wenig Wochen
verfügbar hat, wird nur noch Material zu flüchtigen
Studien und Skizzen finden.

Das interessante Endziel des kunstliebenden Publikums
ist „Brünnums" gutgehaltenes Hotel, welches im Hoch-
sommer von einer Schar Vergnügungsreisender förmlich
belagert wird. Allabendlich sind die kleinen Versammlungs-
räume von Jägern und deren Hunden angefüllt, denn
Skagen ist ein Lieblingsort für Schnepfen- und Wild-
entenjagd. Der berühmte Speisesaal in Brünnums Hotel
weist an den Wänden noch die Spuren jener schönen
Tage auf, wo ein reger Verkehr zwischen Künstlern und
den wenigen intensiven Gästen des Hotels noch nicht
dem wilden Strudel des täglich sich erneuernden Fremden-
stroms Platz gemacht hatte. Der Speisesaal ist in seiner
ganzen Fläche mit in die Wände gelassenen Bildern
geschmückt. Die obere Reihe, welche sich sämtliche vier
Wände entlang zieht, enthält lebensgroße in Schulterhöhe
abgeschnittene Studien- und Porträtköpfe meist von
Kroyer, Ancher und dessen Frau, dem Dreigestirn,
dem Skagen seine künstlerische Bedeutung verdankt.
Frau Ancher ist die Schwester des Herrn Brünnum,
des jetzigen Eigentümers des Hotels, ein echtes Skagener
Kind. Die dankbaren Motive ihres Heimatortes, vor
allem das herrliche Bild „Das Begräbnis" sind uns
Deutschen durch die internationalen Münchner Ausstellungen
vorteilhaft bekannt. Eine ernste gewissenhafte Beobachtung,
vereint mit gediegenem Können, sichern Frau Ancher
einen Ehrenplatz unter den heutigen Malerinnen. Ihr
um 10 Jahre älterer Mann Michael Ancher stammt
aus Bornholm, wo sich im Gasthof des herrlichen
„Heligdooms gaarden", welches sein Bruder bewirt-
schaftet, auch Bilder seiner Hand finden. Auch in seinen
Werken findet sich die, die moderne dänische Malerei
auszeichnende Ehrlichkeit in der Wiedergabe der Wirklich-
keit. — Das Anchersche Ehepaar hat dauernd seinen
Sitz in Skagen, während Kroyer nur während des
Sommers dort in der Idylle seiner Villa Kraft zu
neuen Werken und neue Werke selbst schafft. Die Bilder im
Speisesaal datieren Vorwiegendaus der Zeit 1882—1890,
jener Zeit, welcher der Künstler bedauerlich nachtrauert.
Aber auch bis in die neueste Zeit reichen die mit flotter
Hand entworfenen Bildnisse. Ein zartes, glatt gescheiteltes

Don Henriette lklendelsohn. 225

Frauenprofil „Kroyer 1893" erkennen wir als eine
Studie seiner holden Lebensgefährtin, welche uns alle
1894 auf der Münchner Ausstellung, wie sie sinnend
auf das Skagener Meer hinausblickt, entzückt hat. In
der Mitte der Wand ein Lust und Leben sprühendes
Bild Kroyers, welcher die ehemals das Haus mit Geist
und Witz erfüllende Genossenschaft schildert, wie sie um
einen Tisch bei Wein und Bier geschart, in blauen Tabaks-
dunst gehüllt, Kunstfragen eifrigst verhandelt. Fruchtstücke,
landschaftliche Studien,AnsichtenundInterieurs aus Skagen,
worunter Namen wie Krog und vor allen Johansen
einen internationalen Klang haben, dann und wann auch
Bilder von fremden französischen Künstlern sprechen beredt
von den kunstbegeisterten Zeiten, welche diese Räume erlebt.

Peter Severin Kroyer. Selbstbildnis.

Das Original-Gemälde in der j?orträt-Galerie der Uffizien zu Florenz.

Heut haben sich die Häupter der Kunst, still in ihre
aristokratische Hoheit gehüllt, vom Getriebe zurückgezogen.
Glücklich der, dem es vergönnt ist, in das intime Heiligtum
ernster Kunstschöpfung einzudringen. Am Eingänge einer
kleinen Plantage, von lauschigen Buchen gegen das
zudringliche Passantenpublikum geschützt, liegt Kroyers
Villa. Ein schattiger Garten erquickt das ermattete
Auge, welches an einem Sonnentage in Skagen geblendet
von dem weißen Dünensande ist. Üppige Sonnenblumen
verkünden dicht an der Pforte den Eingang in das
Sonnenland der Kunst. — In den lauschigen Gängen
des Gartens wandelt die schlanke Gestalt der Herrin,
in die weißen Falten eines Empiregewandes gehüllt
dahin, Anmut in jeder Bewegung. Auf der Stufe des
Hauses tritt uns der Künstler entgegen, dessen Name
aus seinem kleinen Heimatland seinen Ruhm über die
ganze gebildete Welt getragen. Peter Severin Kroyer,
1851 geboren, hat den charakteristischen rotblonden Dänen-
 
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