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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Bötticher, Georg: Was nun?, [2]
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Pasqué, Ernst: Die Gobelin-Manufaktur zu Paris, [3]: zugleich ein Blick auf den Antheil deutscher Meister an ihrer Entstehung
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Behr, Carl: Ueber Dekoration und Möblirung unserer Wohnräume, [12]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0145

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Teile 124.

„Fachblatt für Innen-Dekaration".

Nr. 15.

und sucht den Karakter der verschiedenen wie früher streng ausein-
ander zu halten: das Kunstgewerbe wird dadurch nicht ärmer, nur
reicher in der Erscheinung werden. Auch ist es
nicht etwa nöthig, wie ihr wohl fürchten möchtet,
all' die schönen Errungenschaften der neuen Tech-
niken deshalb aufzugeben. Durchaus nicht! Nach
Rom führen viele Wege und der Karakter eines
Gegenstandes kann auf die mannichfachste Weise
durch Gestaltung und Verzierung herausgehoben
werden, ohne ihn zu fälschen oder einen An-
strich zu geben, der ihm nicht zukommt. Und
nicht Alles ist Imitation, was so genannt wird
und unter den Imitationen giebt es eine erlaubte,
eine stilgerechte. Wenn die moderne Papier-
tapetenfabrikation durch Pressungen und Gold-
und Farbendrucke aus der Papiermasse Gebilde
schafft, die den alten bemalten Ledertapeten gleich-
kommen oder sie gar an Pracht und Lüster
übertreffen, so ist das ihr gutes Recht und ihre
Thätigkeit nur zu loben. Sie erheuchelt damit
keineswegs ihrem Fabrikat Vorzüge, die es nicht
hat; sobald sie nur das also Geschaffene nicht
für Leder, sondern eben für Papier ausgiebt. Und
ebenso verdienstlich und völlig stilgerecht handelt
sie, wenn sie Wollfasern ans ihre Papierbahnen
klebt und diese wieder mit Wollstaub bedruckt
und durch Bürstenvorrichtungen zu glänzender
Damastwirkung bringt. Und der Bürger, der sich
bei Einrichtung seines Zimmers des billigeren
Stucks an Stelle der Holzschnitzereien zu Plafond
und Lambris bedient, verfährt gleichfalls stil-
voll und liefert keineswegs eine schnöde Imita-
tion, sofern er nur dem Stuck dessen eignen Ka-
rakter läßt und ihn nicht durch Bemalung
und Maserung für Holz ausgeben will.

Auch das braucht Ihr nicht zu befürchten,
daß die reiche Formenwelt, die uns der Einblick
in alle die Stilarten bescheert, wieder anfgegeben werden solle, weil
hier für den Weg zur Einfachheit plaidirt wird! Mit Nichten! Wählt

wo Ahr immer Nützliches und Verwendbares für Euer Schaffen zu
entdecken meint, da greift zu oder knüpft daran an!

Wenn Ihr aber den Zweck des Gegen-
standes voll im Auge behaltet, währ-
end Ihr seine Gestalt entwerft und ihn mit
Schmuck versehet, so werdet Ihr Etwas schaffen,
was sich überall sehen lassen kann, was „stilist-
ischer" sein wird, als die genialste Nachahmung
eines alten Originals, weil es trotz der Ver-
mengung von Motiven aus verschiedenen Stil-
arten das Wichtigste besitzen wird, nämlich:
Karakter, Euern eigenen Karakter, das heißt:
Stil. Und bemüht Ihr Euch so, bei jeder neuen
Aufgabe Euch in das Wesen, in die Funktionen
des zu schaffenden Gegenstandes zu versetzen und
dabei die Augen offen zu halten für alle die
Schönheiten der Form und Farbe, die in Kunst
und Natur uns täglich entgentreten, so wird die
Frage: Welchen Stil sollen wir eigentlich wählen?
schließlich als überflüssig in Wegfall kommen.
Denn das Zweckmäßige wohlthuend gestaltet ist

das, was als „l
ung behält.

stilistisches" für alle Zeiten Gelt-

Nir VoöeUn^ Manufaktur
M Maris.

Zugleich ein Blick aus den Antheil deutscher
Meister au ihrer Entstehung.

Von Ernst Pasqus.

(Fortsetzung.)

s war nur ein kleiner Theil der Gobelin'schen
Besitzung, den die beiden flamändischen
Teppichwirker Comans und de la Planche 1630
bezogen, nämlich die am Wasser gelegenen Fär-
bereien, während der übrige Komplex in andere
Hände überging Die beiden Gebannten arbeiteten
nun hier eine ziemliche Reihe von Jahren, färbten ihre Wolle unv Seide
und wirkten ihre Tapeten. Da trennte sich 1650 de la Planche von
unbedenklich Euere Motive aus allen beliebigen Stilen der Welt und ^ seinem Gefährten und errichtete eine eigene Färberei in der Vorstadt

Abbildung Nr. 66.

Pfeilevschrsnkchrn aus Mkeichenholx

für ein Speisezimmer.

MeV er Wekoration unv Mövliruug
unserer

Von Carl Behr.

n. Das deutsche Haus und seine Räume.

(Fortsetzung.)

Ml er Hauptversammlungsplatz dieses schönen Wohnraumes ist der Platz
vor dem Kamin, welcher mit seinem schräg - ansteigenden Schlot
und seiner mächtigen Architektur bis unter die Decke des Rauines reicht.
Vor dem offen brennenden Feuer sind eine Anzahl bequemer Sessel und
Stühle antiken Karakters, ein Ruhebett und kleine Tischchen gruppirt,
und bieten der Familie Gelegenheit zu fröhlichem und behaglichem Ge-
plauder. Der Großvater erzählt von den längstvergangenen fernen
Zeiten seiner Jugend; der Vater von seinen Reisen und den Erfindungen
der Neuzeit, belauscht von den Heranwachsenden Söhnen, in welchen
wiederum neue Ansichten, neue Zeiten keimen und denen die Erzählungen
des Vaters dermaleinst ebenso fern und veraltet erscheinen werden, wie
diesem die des Großvaters. Bibliotheken und bequeme Sitzmöbel bilden
das übrige Ameublement dieses schönen Raumes, dessen malerischer, kunst-
voller Reiz ein schönes Familienleben umschließt.

In außergewöhnlichen Fällen wird dieser Raum von seinem Be-
sitzer auch wohl zur Abhaltung großer Festlichkeiten benutzt, und eignet
sich die wechselvolle Anlage desselben auch zu solchen Veranstaltungen
prächtig; vorzüglich dann, wenn von der Gesellschaft die Freitreppe und
die Gallerte eifrig benutzt wird.

Allerdings ist es selten möglich, einen so großen Raum auf die
Anlage des Wohnzimmers zu verwenden, im Allgemeinen ist dasselbe
nicht viel größer wie die übrigen Räume des Hauses. Immerhin ist
aber das Bestreben bemerkbar, dem Zimmer das viereckige, kistenartige
zu nehmen, dadurch, daß alle möglichen Einbauten und erkerartige An-
bauten versucht werden, meist mit gutem Erfolge. Durch solche Ab-
weichungen von der üblichen Form des Raumes wird die Perspektive
desselben eine reizvollere, es entstehen kleinere Räume im großen Zimmer,
dasselbe wird malerischer und gemüthlicher.

Am Allgemeinsten findet man den balkonartigen Erkerausbau, welcher
oft um eine oder mehrere Stufen erhöht angelegt wurde. Das Höher-
legen dieses Theiles hat einen doppelten Zweck, einmal um den am
Fenster sitzenden das Nachaußensehen zu erleichtern, anderseits aber um
den Erker vom übrigen Raum mehr zu trennen. Das Letztere wird
dadurch noch inehr erreicht, da der ganze Erker oft mit einer vollständigen
Architekturanlage umrahmt und durch ein Gitter oder eine Ballustrade
vom übrigen Wohnzimmer abgeschieden wird. Gewöhnlich ist dieser
Erker der Platz für den Nähtisch und damit der der Hausfrau, welche
mit ihrer Handarbeit beschäftigt, ebensowohl die Straße als auch das
tiefergelegene Zimmer übersehen kann. In anderen Fällen ist hier auch
wohl ein kleiner Tisch für 2 oder 4 Personen zwischen zwei Bänken
angelegt und bietet somit Raum für essende, trinkende oder spielende
Personen. Ist ein balkonartiger Erker im Wohnzimmer nicht möglich,
so wird der Platz oft in anderer Weise hergestellt, das heißt in den
Raum eingebaut. Die einfachste Lösung dafür ist, daß ein Tritt, ein
Podium vor das Fenster geschoben und auf diesen der Nähtisch
mit einem bequemen Sitz gestellt wird. Oft wird dann wohl die
Fensterdekoration zelt- oder baldachinartig über das Podium ausgebreitet
 
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