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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,2.1898

DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1898)
DOI Artikel:
Schultze-Naumburg, Paul: Ueber Kunstpflege im Mittelstande, [3]
DOI Artikel:
Platzhoff, Eduard: Soldaten und Kunst: zur Volkspädagogik
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.7956#0028

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sobald jener Grundsatz nicht beobachtet wird, eine gewisse Trübseligkeit
der Stimmung. Auch in Verbindung mit den für den Raum bestimmten
Möbeln und ihrer Farbe müßte man dieser Eigentümlichkeit gedenken.

Meine Bemerkungen sollen kein euzgklopädisches Werk werden; nur
zum eigenen Nachdenken anregend, mochte ich auf die Hauptpunkte hin-
weisen. Paul 2chultze-Naumburg.

-HS-

Soldaten und Ärmrst.

Zur Volkspädagvgik.

Kaisers Geburtstag habe ich dieseS Jahr mit den Soldaten verlebt, u«d
eben dabei stärkte sich mir die Einsicht, daß die beiden Begriffe der Ueberschrift
einandcr wirklich nicht feindlich zu sein brauchen. Wo sie sich berühren und
wie diese Gelegenheit ausgenutzt werden könnte, daran will das Folgende er-
innern.

An Kaisers Geburtstag und ähnlichen patriotischen Festtagen haben unsere
Regimenter Abendunterhaltungen, die mit „Theaterspielen"' beginnen und mit
Tanz bis zum frühen Morgen schliehen. Viele der Leute sehen hier zum ersten-
mal eine Bühne und erhalten von dramatischer Kunst den ersten, unvollkom-
menen Begriff. Aber was bietet man ihnen l Zunächst natürlich Patriotisches,
militärische Lustspiele und Schwänke aus dem Soldatenleben; — aber hier
scheint wirklich gerade das Schlechteste für das Volk als gut genug zu gelten-
Streifen möchte ich nur, daß die patriotische Tendenz der Stücke — die über
alles Jrdische erhabene Schönheit des Soldatenlebens, die wundervolle Einheit
aller deutschen Lande und die Erbärmlichkeit aller Ausländer mit so aufdring-
licher Absichtlichkeit der Handlung aufgepropst wird, daß bei einem vernünftigen
Menschen, wie es deren wirklich auch unter den gemeinon Soldaten gibt, oft
keine rechte Freude daran aufkommen kann. Es ist Konvention, solche Auf-
führungen hinzunehmen und nicht an sie zu glauben; denn so gern die Meisten
Soldaten gcwesen sind, so sauer wird ihnen der tägliche Dicnst, den sie vcr-
wünschen. Bedarf denn unscr Patriotismus so krampfhastcr Gewaltmittel?
Aber des Geschmacklosen ist damit noch nicht genug. Was haüen die Leute
von den Aufführungen, wenn ihnen ihr tägliches Leben auf der Bühne mit
etlicher„Verklärung"vorgeführt wird, wenn der Soldat auf der Bühne im gleichen
Rock den Soldaten spielt und auf den Brettern das Gleiche exerziert, waS er
morgen auf dem Kasernenhof zu machen hat? Noch nio ist mir die Plattheit
dieses „Realismus" so lebendig geworden. Müssen denn eirimal patriotische
Festspiele sein, so nehme man Stoffe aus älterer Zeit der deutschen oder einer
fremden Geschichte, oder solche der Gegenwart, die mit wirklich erhöhten Ge-
fühlen durchgeistigt werden können. Bietet z. B. das Leben des großen Kur-
fürsten und des grotzen Friedrich dazu nichts? Will man wirklich dabei ver-
harren, dem Soldaten einzubläuen, daß die ganze Herrlichkeit der Weltgeschichte
erst mit begann?

Aber man bietet ja dem schau- und beisallslustigen Vaterlandsverteidiger
auch noch Anderes. Die „Herren" Einjährigen und einige Gcfreite, die in allen
Grotzstädten der Welt „geschafft" und somit die Tiefen des Lebcns ermessen
habcn, führen auch etwas auf. Sie wenden sich an eine jener Firmen für
„Haustheater", „GelcgenheitSgedichte" u. s. w. und wählen untor dem Haufen
 
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