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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,2.1898

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Heft 17 (1. Juniheft 1898)
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Lose Blätter
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Vom Tage
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https://doi.org/10.11588/diglit.7956#0164

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rrmnderbarcr Arbeitslärm, sein ganzer, die Erde beherrschender Lenchttnrm-
glanz, alles , was mit Donnerschlägen, mit Stürmen, mit sieghaften Blitzen
ans seinem Jnnern hervorbricht, strahlt nur rwn der letzten Pracht, aus der
das Menschenglück bestehen nnrd.

Marie stietz einen leisen Ruf der Bewnnderung aus, indem sie mit ciner
Gebärde auf Paris wies.

„Seht doch, seht doch! Das goldenc Paris, das von seiner Goldernte be-
deckte Paris!"

Alles staunte, denn der Lichteffekt wnr wirklich von autzcrordentlicher
Pracht. Es war jener Lichteffekt, dcn Pierre bercits früher bemerkt hnttc: die
schrägstehende Sonne übcrflutete das unermeßliche Paris mit Goldstaub. Allein
diesmal war es nicht mehr die Aussaat, wobei das ChaoS der Dächer und
Gebäude einem braunen, von irgend eincm Riesenpfluge urbar gemachten
Ackerfelde glich und die göttliche Sonne Händevoll ihrcr Strahlen auswarf —
gleich Haufen von Goldkörnern, die allerwürts niederfielcn. Es war auch nicht
mehr die Stadt mit ihren deutlich unterschiedenen Stadtvierteln — im Ostcn
das von grauem Rauch umzogcne Arbeiterviertel, im Süden das ruhig-heitere
Studcntenviertcl, im Westen das breite, helle Stadtvicrtel der Reickien, im Mittel-
punkt das kaufmännische Vicrtel mit seinen düstern Stratzen. Dasselbe Sprosscn
des Lebens, dieselbe Blüte schien die gesamte Stadt bedeckt zu haben, brachte
sie in Harnwnie und machte daraus nur ein einziges, grenzenloses, mit der-
selben Fruchtbarkeit bedecktes Felb. Ueberall Korn, nichts als Korn — ein
Mcer von Korn, desscn goldene Schlngwelle sich von einem Ende dcs Horizontcs
zum andern wälzte. Die schrügstehende Sonne badete Paris derart in gleichcr
Pracht. Ja, das war die Ernto nach der Saat.

„Seht doch, seht doch l" wiederholte Marie. „Kein Winkel, dcr nicht
seinc Garbe trägt — selbst die bescheidensten Dächer sind fruchtbar, und über-
all herrscht dcrselbe Aehrenreichtum, als gäbe es nur noch eine einzige, vcr-
söhnte und brüdcrliche Erde . . . Ach, Jean, kleiner Jean, sieh nur, sieh, wie
schön das ist!"

Pierre war nähergctreten und hatte sich erschaucrnd an sie geschmiegt.
Die Grotzmutter und Bertheroy lächelten über diese Zukunft, die sie nicht inchr
sehcn würden, während hintcr dem gerührten Guillaume die drei grotzen Söhne„
die drei Kolosse, ernst, arbeitsam und hoffnungsvoll standen.

Da hob Marie mit einor schönen, begeisterten Gebärde ihr Kind mit
beiden Armen hoch empor und bot es dem unermeßlichcn Paris dar, gab cs
ihm zum erhabenen Geschenk.

„Da, Jean, da, mein Kleiner — du bist's, der all das ernten und die
Ernte in die Scheuer schaffen wird!"

Und das von der göttlichen Sonne mit Licht besäte, flammende Paris
wälzte die künstige Ernte der Wahrheit und Gerechtigkeit in ihrer Gloric dahin.

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Z»,r freundlichei» Beacht»n,g.

Der „Verein zur Förderung der
Kun st" in Berlin hat den „Kunstwart"
für seine sämtlichen Mitglicder abon-
niert und wird ihncn in Zukunst seine
„Atitieilungen" als Bcilage zum

Tnge.

„Kunstwart" zustcllen. Da sich aber
die Zicle des Vereins vielfach mit
unscrn eigenen berührcn, so werden
dic „Mitteilungen" unsern sämtlichen
Exemplarcn beigelcgt. Sclbstvcrständ-
lich bleiben sie trotzdem ein Unter-

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