hast Besorgten stets von starkem Einsluß gewesen, und sein Wirken ivird viel-
leicht tiefere Spuren lassen, als die gesamten Bemühungen der zeitgenössischen
Literaturprofessoren strengster Observanz.
Die neuen „Studien" Sterns (eine erste, nicht weniger wichtige Reihe ist
tm Jahre ;s8o vorausgegangen) umfassen so ziemlich alle hervorragenden dich-
terischen Erscheinungen, die seit ,850 hervorgetreten sind; in ihrem Anfang
steht Hcbbel, an ihrem Schlusse Hauptmann. Dazu sind einige der bedeu-
tendsten Auslandspoeten behandelt. Wenn ich von der ästhetischen Kritik sprach,
die Stern übt, so soll damit nicht gesagt werdcn, daß die Studien Kritiken
seien; sie sind alle Essays im besten Sinne, die ein Totalbild des Schaffens
und der dichterischen Persönlichkeit der einzelnen Poeten anstreben, aber freilich
auf Grund der vorliegenden Werke, nicht durch „Jnterpretiererci" des Lebens
Ler Dichter, wie sie jetzt Mode ist. Obschon Stern die meisten Dichtcr, die cr
behandelt, persönlich gekannt hat, vergißt cr doch keinen Augsnblick, daß das
Beste jedes Dichterlebens eben in den Wecken ist; aus ihnen heraus gewinnt
er sich seine Gesamtanschauung, die darum nicht weniger rund und voll ist.
Und er scheut sich nicht Urteile abzugebcn, was bekanntc Scherer - Schüler ja
heute alS unter ihrer Würde crklären, cr lcgt die Maßstäbe, die ihm seine
Natur und scine unvergleichliche literarische Bildung an die Hand gebcn,
ruhig an und wird erst dadurch wahrhaft sruchtbar. Denn — die Weisen
mögen sagcn, was sie wollen — nicht die Festslellung, daß ein so oder so ge-
artetes schreibendes Wesen auf Gottes Erdboden herumläust, sondern das be-
gründete Urteil darüber, was dieses Jndividuum für sein Volk und die
Menschheit, für Kunst und Lebcn seiner Zeit bcdeutet, das ist es, was man vom
Literaturhistoriker zu fordern hat, zumal von dem der Gegenwart.
Jm einzelnen will ich nicht auf Sterns Studien eingehen. Jch stimme
leineswcgs immer mit ihm überein, aber ich weiß meistenteils, wis er zu
seinem Urteil gelangt ist, und kann die Bcrechtigung seiues Standpunkts selten
bestreiten. Er hat in dem Bande Hebbel (diesen freilich nur nachträglich),
Freytag, Bodenstedt, Storm, Keller, Scheffel, Fontane, Baumbach und Seidel,
P. K. Rosegger, Raabe, Wilbraudt, Wildenbruch, Sudermann und Hauptmann,
von Ausländern Jbscn, Rydberg, Snoilsky, Daudet, Tolstoj behandelt — die
Essays über die verstorbenen Dichter halte ich sür abschließend. Neu sind
Raabe und Wilbrandt, über die wohl noch kaum so Ausführliches geschrieben
worden ist. Jch möchte den Scherer-Schüler sehen, der solche Arbeiten fertig
brächte. Stern überragt eben — von seinen übrigen Eigcnschasten abgesehen
— die meisten Literaturhistorikcr auch ganz gewaltig an Erfahrung, er hat die
ncucre deutsche Literatur wirklich mit gelebt, und das gibt ihm allen Fach-
menschen, aber auch uns Jüngeren gegenüber einen Vorsprung, den wir gar
nicht ausgleichen können. Adolf Bartels.
Tbeaterkrklgen.
Allerlei llnmaßgebliches.
Jm neuuten Hefte des Kunstwarts hat Julius Hart einmal wieder der
skeptischen oder gar pessimistischen Stimmung Ausdruck verliehen, die weite
Kreise unseres Volkes und vielfach gerade die Besten dem Theater und vor
allem der modernen Theaterwirtschaft gegcnüber erfüllt: er kommt zu dem
leicht tiefere Spuren lassen, als die gesamten Bemühungen der zeitgenössischen
Literaturprofessoren strengster Observanz.
Die neuen „Studien" Sterns (eine erste, nicht weniger wichtige Reihe ist
tm Jahre ;s8o vorausgegangen) umfassen so ziemlich alle hervorragenden dich-
terischen Erscheinungen, die seit ,850 hervorgetreten sind; in ihrem Anfang
steht Hcbbel, an ihrem Schlusse Hauptmann. Dazu sind einige der bedeu-
tendsten Auslandspoeten behandelt. Wenn ich von der ästhetischen Kritik sprach,
die Stern übt, so soll damit nicht gesagt werdcn, daß die Studien Kritiken
seien; sie sind alle Essays im besten Sinne, die ein Totalbild des Schaffens
und der dichterischen Persönlichkeit der einzelnen Poeten anstreben, aber freilich
auf Grund der vorliegenden Werke, nicht durch „Jnterpretiererci" des Lebens
Ler Dichter, wie sie jetzt Mode ist. Obschon Stern die meisten Dichtcr, die cr
behandelt, persönlich gekannt hat, vergißt cr doch keinen Augsnblick, daß das
Beste jedes Dichterlebens eben in den Wecken ist; aus ihnen heraus gewinnt
er sich seine Gesamtanschauung, die darum nicht weniger rund und voll ist.
Und er scheut sich nicht Urteile abzugebcn, was bekanntc Scherer - Schüler ja
heute alS unter ihrer Würde crklären, cr lcgt die Maßstäbe, die ihm seine
Natur und scine unvergleichliche literarische Bildung an die Hand gebcn,
ruhig an und wird erst dadurch wahrhaft sruchtbar. Denn — die Weisen
mögen sagcn, was sie wollen — nicht die Festslellung, daß ein so oder so ge-
artetes schreibendes Wesen auf Gottes Erdboden herumläust, sondern das be-
gründete Urteil darüber, was dieses Jndividuum für sein Volk und die
Menschheit, für Kunst und Lebcn seiner Zeit bcdeutet, das ist es, was man vom
Literaturhistoriker zu fordern hat, zumal von dem der Gegenwart.
Jm einzelnen will ich nicht auf Sterns Studien eingehen. Jch stimme
leineswcgs immer mit ihm überein, aber ich weiß meistenteils, wis er zu
seinem Urteil gelangt ist, und kann die Bcrechtigung seiues Standpunkts selten
bestreiten. Er hat in dem Bande Hebbel (diesen freilich nur nachträglich),
Freytag, Bodenstedt, Storm, Keller, Scheffel, Fontane, Baumbach und Seidel,
P. K. Rosegger, Raabe, Wilbraudt, Wildenbruch, Sudermann und Hauptmann,
von Ausländern Jbscn, Rydberg, Snoilsky, Daudet, Tolstoj behandelt — die
Essays über die verstorbenen Dichter halte ich sür abschließend. Neu sind
Raabe und Wilbrandt, über die wohl noch kaum so Ausführliches geschrieben
worden ist. Jch möchte den Scherer-Schüler sehen, der solche Arbeiten fertig
brächte. Stern überragt eben — von seinen übrigen Eigcnschasten abgesehen
— die meisten Literaturhistorikcr auch ganz gewaltig an Erfahrung, er hat die
ncucre deutsche Literatur wirklich mit gelebt, und das gibt ihm allen Fach-
menschen, aber auch uns Jüngeren gegenüber einen Vorsprung, den wir gar
nicht ausgleichen können. Adolf Bartels.
Tbeaterkrklgen.
Allerlei llnmaßgebliches.
Jm neuuten Hefte des Kunstwarts hat Julius Hart einmal wieder der
skeptischen oder gar pessimistischen Stimmung Ausdruck verliehen, die weite
Kreise unseres Volkes und vielfach gerade die Besten dem Theater und vor
allem der modernen Theaterwirtschaft gegcnüber erfüllt: er kommt zu dem