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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,2.1898

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Heft 20 (2. Juliheft 1898)
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Avenarius, Ferdinand: Urheberrechtliches
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Bartels, Adolf: Die neuere deutsche Lyrik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7956#0243

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Aber das „Einzelne" liegt ja vor unser aller Blicken hier noch
ganz im Dunkeln. Wir sehen nur ein paar Leuchtfeuer vorlüufig, die
uns andeuten, wo etwa der Weg geht. Jmmerhin genügen sie, ihn zu
findeu, ist nur der Wille, ihn zu finden, da. Wahrlich, es ist ein herr-
licher Gedanke, daß unsere Geistesheroen, indem sie dachten und bildeten,
zugleich eine Saat ausstreuten, aus der Nährkorn aufgeht für die Denker
und Bildner der Zukunft. So könnten hier die Abgeschiedenen diejenigen,
so noch unter der Sonne wirken, vom Joche befreien, — in Wahrheit
einmal den so vielfach mißbräuchlich angerufenen höchsten Gütern der
Nation zum Heil. Solchem Ziel näher zu kommen, bei Gott, es ist der
Arbeit wert. A.

Dle neuere deutscbe LMtk.

(Fortsetzung.)

Die norddeutsche Ergänzung Mörikes ist Friedrich Hebbel, nicht
minder selbständig, nuf verwandten Gebietcn zu Hause, aber dort düster, wo
Mörike hell ist, herb, gewaltig, auch wohl gewaltsam. Hebbels Gedichte sind
zuerst ^8^2 erschienen, ^8-^8 kamen „Neue Gedichte" heraus, ^857 stellte der
Dichtcr eine Gesamtausgabe zusammen, wobei er neues hinzufügte, nlteres
hie und da wegließ oder überarbeitete. Die Kuhsche Ausgabe der Werke brachte
noch manches aus dem Nachlasse, die neue Ausgabe von Krumm endlich auch
eine Auswahl der Jugendgedichte, die die Entwicklung Hebbels zu verfolgen
ermöglicht. Aber schon in seinem zwanzigsten Lebensjahre war der Lyriker
tzebbel reif, von den Jugendeinflüssen Klopstocks, Schillers und selbst Uhlands,
den Hebbel sein Leben lang fast kindlich verehrt hat, ist keine Spur geblieben.
Die Lyrik Hebbels hat immer nur wenige Verehrer gehabt, diese haben sie aber
auch stets sehr hoch gehalten. Selbst die Literarhistoriker kannten vielfach nur
dcn Dramatiker Hebbel. Und doch hat der Dichter selber seine Lyrik über alle
seine Produktionen gestellt, ihr allein die Bürgschaft zugetraut, eine Spur seines
Andenkens künftigen Geschlechtern zu überliefern, — auch ein Zeichen sür die
Beschcidenheit des Mannes, den noch Erich Schmidt neben Klopstock den
hochmütigsten aller deutschen Poeten nennt. Als Paul Heyse in einer Rezension
der Gesamtausgabe wieder einmal die beliebten Redensarten über Hebbel hatte
verlauten lassen, da sagte dieser: „Du lieber Gott, die dreißig Gedichte, um
derctwillen der ganze Band seinen unleugbaren Wert behauptet, sind für Heyse
nicht hinreichend, mich gegen eine unwürdige Gesamtbeschuldigung zu decken.
Den Schild Goethes habe ich allerdings zu meiner Deckung nicht, aber seinen
eigenen hätte ich schon in meiner Jugend nicht brauchen können." Man zeige
doch den anderen deutschen Lyriker, der vier Fünfteln oder gar fünf Sechsteln
seincr Gedichte selbst das volle Lebensrecht absprichtl Den eigentümlichen
Charakter der besten Lyrik Hebbels hat Kuh, dabei auch an Mörike erinnernd,
vortrefslich geschildert: „Hebbel schlägt nur dort den lyrischen Ton an, wo der
innerste Herzcnsgrund des Menschen getroffen wird, er gibt das zum lyrischen
Klangc gesammelte vcrdichtete Leben wieder, er läßt das Gemüt nicht in halben
Lautcn vertrüpfeln oder gar in Besprechungen der Empfindung dahinsickern.
Dabei sucht er das Gefühl oder den Zustand nicht auszuschöpfen, sondern er
ergreist den Punkt, wo das springende Leben noch der sinnlichen Hülle sich
fügt, und hinter dcm Bilde wallt und wogt jenes Unendliche und Ewige, üas
ihm erst vollen Nachdruck verleiht und in uns selbst die wundersame Erschüt-
 
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