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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,2.1898

DOI Heft:
Heft 19 (1. Juliheft 1898)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Verschönerungsvereine
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Bartels, Adolf: Die neuere deutsche Lyrik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7956#0211

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wird den Anruf an unsere Verschönerungsvereine nicht von vornherein
aussichtslos nennen. Um so weniger, als sich beide Gruppen von Ver-
einen untereinander und mit noch anderen wohl auch verbinden könnten,
auch für einzelne Aufgaben, z. B. mit den Altertumsvereinen und denen
sür Volkskunde zur Denkmalpflege.

Würden aber solche Vereine nicht sehr leicht über einen klaren
Zweck hinauszielen? Würden sie nicht zu einer Majorisierung in künst-
lerischen Dingen sühren können, die gelegentlich sehr von Uebel wäre?

Jch habe ihnen vorhin empfohlen, vor allem zu beachten, wo etwa
cine neuc Verhätzlichung droht. Und das, allerdings, möcht ich zum
Schluß noch heroorheben: arbeiteten die Verschönerungsvereine nach
nnscrem Programm, so wirkten sie durch Verhinderung von Verhätzlich-
ungen und durch Anregung zur Befreiung von ästhetischen Vorurteilen
schon so gut, datz sie sich hinsichtlich eigener positiver „Schöpfungen"
ruhigen Gewissens einigermatzen beschränken könnten. Künstlerische Wett-
bewerbe z. B. womöglich noch nach von der Mehrheit festgesetzten kompro-
mitzlich entstandenen genauen Programmen mehrheitlich unter Kompro-
missen entschieden (das Deutsch dieses Satzes ist nicht schlechter als die
Sache) — ach nein, die besürworte ich lieber nicht. Jch befürworte
viel mehr, wo sich's um Umgestaltungen oder Neuschöpfungen handelt,
cinen rechten Künstler heranzuziehen so früh wie möglich, und den dann
schalten zu lassen, so frei wie möglich. Denn gerade für solche Auf-
gaben werden Künstler, soweit die deutschen Grenzen gehen, noch viel zu
wenig unmittelbar befragt, während man die kaufmännischen Jnteressenten
sogenannter „Kunstansialten" der verschiedensten Art noch viel zu oft be-
auftragt, „das Nötige zu besorgen." A.

-ÄZ-

Dte neuere deutsebe Lvrik.

Ein ganzes Aienschenaller hindurch, von ^sso bis ^osv, ist Emanuel
Geibel der Lieblingslyriker des deutschen Volkes oder doch der Gebildeten im
weitesten Umfange geroesen; nach seinem Tode (l88-^) ist cr dann merkwürdig
schnell in den tzintergrund getreten. Es war das Geschlecht, das das neue
Reich gegründet hat, welches einen Geibel so hoch hielt, und wir wollen es loben
wegen seiner Anhänglichkeit an den Reichsherold und neuen Minnesänger, der
wenn auch sicher nicht der grötzte Lyriker seiner Zeit, so doch eine sittliche Per-
sünlichkeit, ein echt deutscher Mann gewesen ist. Gerade für Geibel möchte
man den alten Begriff des „Sängers" in einem gewissen Gegensatze zu dem
des „Dichters" wieder ausnehmen. Der Sänger ist der Mann seiner Zeit, der
für alleS das, was das Herz seines Volkes bewegt, die rechten Töne und
damit auch gleich lebendigen Widcrhall im tzerzen seines Volkes findel; da-
gcgen ist der grohe lyrische Dichter gewissermahen ein einsnmer Entdecker, der
in Tiefen der Seele hinabtaucht, wohin zunächst nur wenige folgen können,
und daraus Perlen hervorholt, die erst eine spätere Zeit ihrem wahren Werte
nach schätzen lernt. Die Sänger lösen einander ab, die grohen Lyriker behalten
ihre oft schwer und langsam errungne Stellung dauernd.

Als Geibel starb, war die Gährung bcreits da, aus der sich der Sturm
und Drang dcr Jüngstdeutschen entwickeln sollte, und wenn auch der Dichter
von den ost bösartigen Angriffen, denen fast alle Alten ausgesetzt waren, ver-
 
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