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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,2.1898

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1898)
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Lier, Leonhard: Neue Dramen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7956#0341

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rvenig man sich auch mit der Grundrichtung dieser ganz aus hohes Leiden-
schaftspathos gerichteten Dichtung befreunden kann, die zudem noch dem Ueber-
maße huldigt, so wcnig wird man ihr Kraft der Sprache und des Tempera-
mentes absprechen können.

Jm Zusammenhang mit diesen historischen oder mythologischcn Dramen
mag noch einiger anderer ähnlicher Gattung gedacht werden. Georg Ruse-
lers Schauspiel in fünf Aufzügen ^Gudrun" ist in Oldcnburg aufgeführt und
dort in Schulzes Hofbuchhandlung ;8g8 gedruckt worden, auf anderen Bühnen
jedoch noch nicht erschienen. Es interessiert durch den unverwüstlichen Stoff,
vermag aber dank seiner Korrektheit und der gleichförmigen „Schönheit" der
Sprache, mag diese auch durch eine gewisse Schlichtheit ausgezeichnet sein,
kaum tiefer zu beschäftigen. Nicht viel Nühmlicheres läßt sich von Ernst Bac-
mcisters Tragödie „Der Gras von Gleichen" sagen. (Wiesbaden, Hans Bac-
meister, (8I8). Die Bedenken, die gegen den Stoff vorliegen, kann die drama-
tisch nicht ungeschickte Tragödie doch nicht beseitigen. Die Figur der Sulamit
fesselt noch am meistcn, weil sie ihrem Ziele, den Mann allcin zu besitzen, ge-
raden Wegs und unverdrossen nachgeht, den edlen Grafen aber mit dem zwei-
kammerigen Herzen und die duldsame Gattin Bertha kann man nicht ernst
nehmen. Verfügen Ruseler und Bacmeister über einen gewissen Blick für das
Dramatische, so bekundet Philipp Ruland in seinem bei Kundt in Leipzig
erschienenen Trauerspiel „Der Karolinger Ausgang" einen Aufwand an dilet-
tantischem Nichtkönnen, der eine ernsthafte Kritik ausschließt. Heinrich
Bohrmanns Tragödie aber „Der letzte Babenberger" (Leipzig, Gustav
Körner) ist eines jener historischcn Trauerspiele, die nicht warm, nicht kalt
machen. Dagegen zeigcn sich in Paul Flcischers geschichtlichcm Trauerspiel
„Oldenbarnevclt" (Altenberg i. Erzg.) trotz ciner sehr lockeren und unbeholfencn
Komposition doch in der Auffassung des Stoffes und in der lebendigen, an-
schaulichcn und schlichten Sprache Spurcn eineS Talentes, das vielleicht etwas
verspricht. Wie das Stück vorliegt, ist es kein Drama, sondern nur eine
Reihe von Szenen.

Jn das moderne Fahrwasser lenken wir wieder mit Jonas Lies
Märchendrama „Lindelin" (Stuttgart, G. I. Göschen) ein. Es ist ein satirisches
Märchendrama: das Weib ohne Geist als elementares Wesen und die Narrheit
der Männer, die hinter dem blendenden Schein eine Seele suchen, werden
uns vorgeführt. Lindelin ist ganz ungebändigte Sinnlichkeit, leidenschaftlich
bis zur Raserei, von der Echtheit ihrer Leidenschaft, so oft sie auch ihr Ziel
wechselt, naiv überzcugt, eine Chamäleonsnatur, die alle Farben kleiden. Das
Stück hat vier Akte, es könntc auch zehn oder zwanzig habcn. Nachdem Lin-
delin einen Schiffer, einen Kaufmann, einen Osfizier, einen Geistlichen an der
Nase herumgeführt hat, könnte der Fall der Dummen, die sich blenden lassen,
ins Endlose fortgesetzt werden, aber es ist wahrlich an den vier Akten genug:
so frisch und launig die wechselnden Situationen geschildert sind, von denen
die in der Kajüte des Schiffers Enochsen die beste ist, so sehr muß doch bei
jeder Wiederholung des Ausganges einer jeden das Jnteresse erlahmen und
der Eindruck der Lebensmöglichkeit schwinden, je mehr neue Gestalten Lindelin
annimmt. So viel Saiten der Dichter anschlägt, das Leitmotiv ist immer
dasselbe und zwar cines, das nur durch ,das Weib" höchlichst verbitterte Hörer
auf die Dauer ergötzcn kann.

Ein Drama und zwei Komödien von Martin Langen (München,
Alb. Langcn) bekunden cin gewisses Talent. Das Drama „Edith" ist einc Tra-
 
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