Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

DOI Heft:
Nr. 23
DOI Artikel:
Berger, Ernst: Ueber die Enkaustik des Altertums, [3]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0095

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 23.

Münchner kunsttechnische Blätter.

9t

Wachs nötig ist, wäre doch nicht besonders hervor-
zuheben gewesen.
Die antiken enkaustischen Arten sind nach May-
hoffs Erklärung also :
t. Die Cauterium-Enkaustik, bei der die Farben
mit diesem Instrumente aufgetragen und gieich-
zeitig verarbeitet werden sollten; selbstredend
haben wir uns das Cauterium (wörtlich Brenn-
eisen) in erwärmtem Zustand zu denken, ebenso
auch die Farben, sonst würde jede Manipulation
unmöglich sein.
2. Die Cestrum-Enkaustik, die mit einem
spitzigen Griffel nur auf Elfenbein ausge-
führt wurde. Das Material bedingt hier, mehr
an Miniaturgemälde zu denken. Die eigentliche
Ausführung ist noch nicht genau erkannt.
3. Die Pinsei-Enkaustik, bei der die heiss-
Hüssig zu haltenden Farben mit dem Pinsel auf-
getragen und noch in diesem Zustande ver-
arbeitet werden sollten.
Ueber die Frage der Form der Instrumente
und über das Aussehen derartiger enkaustischer Ge-
mälde sind wir durch zwei Funde unterrichtet, die
endlich gestatteten, Licht in die bisher so dunkle
Frage der antiken Enkaustik zu werfen, es sind
dies:
I. Die Funde der Mumienporträts aus dem
Fayüm (Oberägypten).
II. Der Fund der Malutensilien im Grabe von
St. Medard des Près in Südfrankreich.
Einem ganz besonders glücklichen Zufall verdankte
man anfangs der achtziger Jahre des vorigen Jahr-
hunderts die Aufdeckung der alten Gräberstätte von
Rubayät im Fayüm. Endlich konnte man mit eigenen
Augen wirkliche enkaustische Malereien sehen, über
deren Aeusseres früher kaum richtig geurteilt werden
konnte. Es waren sehr verschiedenartige Porträts
darunter, die nach alter ägyptischer Sitte am Kopfteil
der Mumien, in die Mumienumhüllung eingewickelt oder
auf die Leinwand selbst gemalt waren. Viele waren
mit Wachsfarben auf ganz rätselhaft scheinende Art
gemalt, andere zeigten deutlich Pinselfurchen, wie-
der andere hatten den Charakter reiner Tempera-
malerei.
Der Zeit nach stammten (nach dem Urteil des
Aegyptologen Ebers) die ältesten etwa aus dem
zweiten Jahrhundert vor, die jüngsten aus dem vierten
Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung, also von der
Ptolemäerzeit bis in die Zeit des Theodosius (392
n. Chr.), der durch ein Edikt den Brauch der Mumien-
porträts bei Bestattungen aufhob.
Die Künstlerwelt war über die ausserordentliche
Lebenswahrheit der besseren der Bilder ganz erstaunt,
und selbst Lenbach äusserte sich darüber, dass es
ihm unverständlich sei, wie diese Bilder eigentlich aus-
geführt wurden. Die chemische Analyse lautete
bei vielen unverkennbar auf Wachs.
Man konnte bei den „enkaustischen Gemäl-
den" zwei Arten unterscheiden:
1. Solche, bei denen ausschliesslich ein vom
Pinsel verschiedenes Instrument zur Anwendung
kam und sowohl Gesicht, als auch Hintergrund die
Spuren des Instrumentes zeigten.
2. Solche, bei denen das genannte Instrument nur
zur Ausführung der Gesichtspartien gedient
haben mag, während Hintergrund, Gewandung, Schmuck-
stücke und auch Haare augenscheinlich mitdemPinsel
und zumeist ganz flüchtig mit erweichten Wachs-
farben gemalt waren.
Offenbar musste das Instrument aus Metall
bestanden haben, denn sonst könnte es nicht erwärmt
worden sein und muss, wie dies auf einigen Tafeln

(auch an den von Flinders Petrie gefundenen) sichtbar
war, in zickzackartiger Form die schnei! erhärtende
Wachsfarbe durchfurcht haben.
In später gefundenen Mumienbildern des Berliner
Museums sind dann noch enkaustische Porträts vor-
handen, die wohl ganz mit dem Pinsel ausgeführt
wurden.
Ueber die Form des Instrumentes und die
zur Enkaustik nötigen Gerätschaften gibt der
schon erwähnte Fund desMalergrabes von St. Me-
dard des Près interessanten Aufschluss.



Im Jahre :84s fanden Arbeiter beim Ausheben
von Kalksteinen in einem Felde nächst St. Medard
eine grosse Menge römischer Ziegel, in der Tiefe eines
Meters Reste von Mauern und Säulen, die einer römi-
schen Villa angehört haben mussten. Etwa 80 m von
dieser Villenanlage entfernt fand Dr. Dragon im Jahre
1847 einige Glasväschen und endlich eine viereckige
Grube, 4 m im Geviert, die sich nach oben erweiterte.
Man fand den vermoderten Sarg mit dem Skelett
(Frauenskelett?), umgeben von einer grossen Menge
von Glasgefässen, Schälchen aus gebranntem Ton; in
den meisten befanden sich Farbenreste. Dann sechs
grosse irdene Amphoren, die teils mit Bienenwachs,
teils mit Mischung von Harz und Wachs gefüllt
waren, Reste eines hölzernen, mit Metall beschlagenen
Kästchens, verschiedene andere Gegenstände (Klapp-
messer, Farbenreiber, Alabastermörser mit Aus-
guss), endlich einen kleinen eisenbeschlagenen
Kasten, dessen Inhalt bestand u. a. aus:
1. Einem Bronzekästchen mit Schiebedeckel (darin
lagen Farbstoffe unregelmässiger Form);
2. einer Basalttafel;
3. einem Mörser aus Bronze;
4. zwei kleinen zierlich gearbeiteten Löffel-
chen aus Bronze im Etui aus gleichem
Metall;
3. endlich zwei Pinselstielen.
 
Annotationen