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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Deutung einzelner Figuren

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die Tradition hielt, indem er die Apostel im Kreise um Christus,
und zwar in sitzender Stellung anordnete und erst im Hintergründe
andere Gestalten brachte.
I. Der Chor der Patriarchen.
Zwei biblische Stellen haben wir zunächst zu berücksichtigen:
„Da wird sein Heulen und Zähneklappen, wenn ihr sehen werdet
Abraham und Isaak und Jakob (vgl. auch Matth. 8, II:
Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich), und alle Propheten
im Reich Gottes, euch aber hinausgestossen" (Luk. 13, 28), und
das elfte Ebräerkapitel, welches die „ohne Verheissung Gläubigen"
des Alten Bundes, denen „Gott eine Stadt zubereitet hat und welche
die Auferstehung erlangen", aufzählt: Abel, Enoch, der den
Tod nicht sah, Noah, Abraham, Sarah, Isaak, Jakob,
Joseph,Moses, Rahab, Gideon, Barak, Simson, Jephtah,
David, Samuel und die Propheten. In Gedanken dürfen
wir die von Dante im Paradiso gefeierten Lea und Rahel, die beide
das Haus Israel gebaut haben (Ruth 4, 11) und Andere hinzufügen.
Bemerkenswerth — um nur das Wichtigste hervorzuheben —
ist weiter Dantes Aufzählung der von Christus aus dem Limbus
Befreiten und Seliggemachten: Adam, Abel, Noah, Abraham,
Isaak, Jakob, Moses, David, Rahel (Inf. IV, 55 ff.), zu denen
wir den auf mittelalterlichen Darstellungen der Szene immer ge-
brachten guten Schächer gesellen müssen. Die dreizehn, von
Signorelli gemalten Patriarchen haben leider keine namentliche Be-
zeichnung.
Mit Bestimmtheit ist in der Gestalt in der Mitte vorne mit
ihrem im Rücken herabfallenden Felle Adam (Platner meinte:
Johannes d. T.) zu erkennen, „welcher ist ein Bild Dess, der zu-
künftig war". „Wie nur durch Eines Sünde die Verdammniss über
alle Menschen gekommen ist: also ist auch durch Eines Gerechtig-
keit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen"
(Röm. 5, 14. 18). Die jugendliche, nach vorne schreitende, Adam
am Arm fassende Figur, wird zumeist Eva genannt. Trotz der
eigenthümlichen Haartracht vermag ich aber hier nicht eine Frau
zu erkennen — man vergleiche den Oberkörper mit dem der Frauen
daneben! — sondern einen Jüngling, und die nahe Beziehung zu
Adam weist darauf hin, dass, wie auch Chapon bemerkt, Abel
gemeint sei. Abel, der, als erstes Opfer frevler Sündenthat, hier
durchaus an der Stelle erscheint. Der bärtige hinter Adam liegende
Mann dürfte Noah sein, der „ererbet hat die Gerechtigkeit, die
durch den Glauben kommt" (Ebr. 11, 7) oder Henoch, von dem es
heisst (1. Mos. 5, 24): „dieweil er ein göttlich Leben führte, nahm
ihn Gott hinweg, und ward nicht mehr gesehen." Oder ist Henoch
 
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