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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 202 - Nr. 210 (1. September - 11. September)
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Heidelberg, Dienstag, den 11. September 1923

Nr. 210

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5. Jahrgang

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Har MM HM HM HMr HAr Ter: <k»pedittonSü73«.Redak.sM,


er verkaufte seine Produkte>

Ak kNMNk MMMM.
Die Zustimmung des Reichskabinett«
Berlin, 11. Sept. (Letztes Telegr.)
Endlich komntt die Währungsreform praktisch in
Klus,. Das Rcichskavinett Peschäftigte sich in
feiner heutigen Sitzung mit der Währungs-
frage. Einstimmig wurde beschlossen, die
Lösung dieser Frage auf dem Wege einer Gold-
notenbank zu suchen, die bet voller rechtlicher
Selbständigkeit lind unbedingter Unabhän-
gigkeit von den Reichsfinanzen in organischer Ver-
bindung mit der Retchsvank ihre Tätigkeit aus-
üben soll.
Die Arbeiten zur Errichtung der Goldnotenbank
werden sofort in Angriff genommen werden, da-
mit die Bank sobald wie irgend möglich praktisch in
Tätigkeit treten kann.

Internationale Lage.
Für Verständigung, aber gegen
Separationen.
Berlin, 1g. Sept. Einer Abordnung der I n-
ternation a l en Frauenliga teilte heute
Reichsinnnennrinister Sollmann mit, Deutsch-
land sei bereit, jede Vereinbarung mit der En-
tente und besonders mit Frankreich einzugehen, die
Deutschland die Sicherheit gebe, daß diebesetzten
Gebiete in absehbarer Zeit wieder vollkommen
der deutschen Verfügungsgewalt zu Ge-
bote stellen. Deutschland wolle Frankreich außer
Reparationen jede für Deutschland erträgliche Si-
cherheit gegen einen neuen Krieg gewähren,
nicht aber eine Separation in irgendwelcher
Form zulassrn. Durch die französische Forderung
nach bedingungsloser Kapitulation wird der Friede
gefährdet.
Berlin, 10. Sept. Der Reichskanzler
beabsichtigt, am Mittwoch abend der Oefsentlichkekt
eine Kundgebung zu vermitteln, die sein« Antwort
auf die gestrige Rede Poincares enthalten soll.
Irlands Aufnahme in den
Völkerbund.
Gens, 10. Sept. Die W ö l ke r b unvsv e r-
sammlung genehmigte heute die Aufnahme
Irlands in den Völkerbund, dem nun-
mehr bis auf Deutschland, Amerika und Rußland
fast alle Kutlurstaalen der Welt angehören. Die
irische Delegation unter Führung des ersten Dele-
gierten Cosgrave nahm sofort ihre Plätze im Saale
ein.
An Stelle des verstorbenen kubanischen Richters
de BNchamente wurde in geheimer Abstimmung mit
34 von 42 abgegebenen Stimmen der Richter am
brasilianischen Bundesgericht de Silva Petze«
zum Richter des ständigen internatonalen Gerichts-
hofs gewählt.
Der Völkerbundsbericht über
Oesterreich.
Genf, 9. Sept. Die zweite Komultssion der
VSlkerbnndversammlung für die technische Organi-
sation des Völkerbundes hat sich mit dem finan-
zielle :r Wiederaufbau Oesterreichs in
Anwesenheit des Genemlkommissgrs des Völker-
bundes von Wien, Dr. Zimmermann, beschäftigt.

MMtlWk MWW.
Di, OBerlin» 9. September.
vnhMvoss-n^iük^r verflossenen Woche haben den
s<be Wir ickm^ des Wechselkurses aus die deut-
wegnng de? Die sprunghafte Be-
sätzen lu-w,,»?," internationalen Börsen-
fähiger- die Notwendigkeit, eine wiberstands-
die Regierun!!?5n^^I""a »u schaffen, und wenn
und ernbI r"^ ^E kaufe der Woche zu wichtigen
der Le^ÜA Maßnahmen, die in der Richtung
m u A s -w wertbeständigen Zahlungs-
rnffcbwü-» En sogenannten Gold not«, «egen,
dem Druck soiSte sie in erster Linie unt-r
Gründen Dn ^astrophenhausse zwangsläufigen
Mähkmrust?!nr halte zur Fotgr, "daß die
gewinn n-- * deutsches Mehl bot einem Ucber-
Preis? mindestens 20—30 Prozent amerikanische
Pakt»» 4>I"'own konnten. Produktion und Handel
Dcvu-» w Preise ohne weiteres dem Stand der
Ich la» Markentwertungszu-
rnvd Disparität zwtschm Inland-
aemev^^^bs ^n in der Art, daß erstere im all-
gtnae» die Weltmarktpreise hinaus-
dadurü. brr deutschen Industrie ist
kraft der R?um^r reduziert worden. Die KMf-
ware» wurde dezimiert. Die Preise
Gewöinrluv-s nicht mehr zu erschivingen.
Dte ^onrüse wurde mit Millionen bezahlt.
A das Viertel und das Achtel
l> r e i sDie vorgenommene Kohlen-
Tcndmn um zirka 85 Prozent wird dte
beeinfluss-,- Preisbildung abermals ungünstig
tetzii»« > Dazu kommt die erfolgte Herauf-
äsmk.^»^ Verkehrstarife bei Post und
iätze beträchtliche Erhöhung der Mtet-
tuna u-, Monat September. Die Markentwev-
Vrtts»»« ganze Wirtschaft in eine beispiellose
stcruno i aestiirzt, die durch die Ueberovgani-
>»'.fäl,i«-» manchen unrentablen und lebens-
Die betrieb mitaeschleppt, nur gefördert ivird.
durck, wird besonders gekennzeichnet
kende Notruf, den die blech verarbei-
Olper ? strte des Siegerlandes und des
triebe im vor einer Stillegung der Be-
volilik Maßstab steht, gegen dte Preis-
biesem Dststeldorfer Stahlbundes richtet. In
S- Mm^ ru beißt es: „Die Liefemrngs- und
led7?a7r??r^'' Stahlbundes haben
lode aer5,-l. ^n Handelsverkehr und
evzeumisa- Weiterverarbeitung der Walzwerks-
Das Schlage unterbunden.
Spekutai 'v zu einem Tummelplatz wüstester
es ab, ob e"m L?nE>'ken. Von Zufälligkeiten hängt
Mark mehr Walz eisen heute 5 Milliarden
dtreklor Dr i»a a "iorgcn." Und der Vereins-
Sicaketribasi»-.?' führte im Verein Deutscher
Neu aoloaenn Kleinbahnen und Privatetsenbah-
iaminlun« , I^uer außerordentlichen Hauptvcr-
kchrsunier»Zs ^stchts der Krise, in der sich diese Vev-
Po,itik b„ Z"tuugeu befinden, «egen die Prets-
Pnise für und Eisenklartelle aus, daß die
kotzt sind. "c 'Uid Eisen unerhört hoch und tiber-
Die Lebe»« L .
der angedcuteten Haltung hat sich unter Einfluß
fchlechiert -x..^sa<i>en bedeutend ver-
voch den Berechm,»«^ ^oßhandelspreise sind
u> der Woche vom Slatistischen Nelchsamtes
u>n 76 Probens ^"^ust bis zum 4. September
kW Prozent Importwaren zogen um
Dte Indus rj'^ um 68,6 Prozent an.
Lebensmittel tm iu u>u 60,3 Prozent und du
Eotge war - um 101 Prozent. Die
händelsor ^tvrunghafte Steigerung der» Klein-
-Airdustrte- Nach dem Teuerungsindex der
Dozent in der Nr?^^^^""Ng" macht diese 85,8
yrßenüber der vom 1. bis zum 7. September
rernen Ernährungsws^^ Steigerung der
verteuerte vetlügt 105,6 Prozent. Die
twnitts^h t,„- ""t rund die 36fachen Durch-
^uaefüs,/ ^s Monats August und beläuft sich jetzt
staudes. De!»»-- «Machen Betrag des Friedens-
^Wer!Sef,ü„^ S"Eber lregen die Arbeitslöhtie trotz
donslolm ^eit unter Weltmarkts- und Frie-
t'rr Bevölsxk,," trkung aus die Kaufrraft
^durch - und auf die ArbeitsmarMwge ist
'chränkunl^enD'e Produktionsein-
andere Jndjist^ " v«lten E. Metall-, Textil- und
w der Richtuna .7" eine günstigere Entwicklung
d"- Dinge in verzeichnen. Schlimmer liegen
dc> im Lauf- m ' i 6 w a r e n i n d n st r i e, in
«rbeiterenilE,. " 'ouiinenden Woche mit größeren
sich die Vetri-s,-rechnen ist. Vielfach setzeir
Erstattung der k.v"Eernehmer über die Pflicht der
legungen hnnvca -^'vHriebei'.en Anzeige bot Still-
Eine Bess er»» "°lten die Sperrfrist nicht ein.
Möglichkeit, durru ^cr Dinge verspricht nur die
A'rtschafi von d,-» T^ffung der Goldnote die
Nvtenpresie r» r>-r 'mlaiorischen AuswirluMen der
L " d r ungs r e^as ist der Sinn der
^"»schast -inleiünV rme Reform unserer
Grunde genommen -'n' ^"wglichen soll. Denn im
Wesentliches 5oilfsnlitwr Wenn Mch
w'rtschgst, du'r<l, ^-- n^". SogMwärtigen Verkehrs-
ahl. Weiui^lieu^^^^ Warenaustausch voll-
! ^rr si,,d ms sri^^'E Waren weitaus unbeweg-
^oberhgfter ^'^»u die Zirkulation bei
' ^Weaun« der Zahlungsmittel unge-

bührlich stockt und K Millionen GoldmWk z. B. bei
dem Freitagdollarkurs ausreichten, um die Jnfla-
tionsmoten der deutschen Reichsbank aufzuraufen,
liegt das daran, daß dte Waren vielfach zu Spar-
zwecken gehamstert werden und «ege« bleiben.
Wenn sich bet Einführung der Goldnote die Kredite
verknappen und dte Milliarden nicht mehr so mühe-
los aus der Notenprefse fließen, wie das heute noch
der Fall ist, wird sich der Zwang zum Berkans der
Ware einstellen. Die Bewegung der Ware aber wird
die Presse, die durch die heutige Kalkulationsmeihode
fraglos Wertrieben sind, auf ein normales Maß zu-
rücksüHren, die Kaufkraft der Bevölkerung stärken, dte
Ungleichheit zwischen Inlands- und Weltmarkts-
Preisen ausgleichen und den Export wieder tu. Fluß
bringen.
f Selbstverständlich wird die Regierung im
iJnteresse der Sanierung deS deutschen Wirtschafts-
körpers jedeAnstrengung machen müssen. Nach
den Beschlüssen des Währungsausschusses des
Reichswirtschaftswtes hält der Staat das No-
tenprivileg in der Hand und behält so auf
Grund der Möglichkeit eigener Kredit- und Diskonit-
Politik die Macht, regulierend in das wirtschaftliche
Getriebe einzugreifen. Ohne ausgeglichenes
Budget wird der'Staat seine Aufgabe nicht er-
füllen können und das Budget kann nur ausgeglichen
werden, wenn das Ruhr gebiet, dessen Uebev-
schüsse den ganzen Staat am Leven hielten, wieder
produktiv gemacht wird. So ist eine Verstän-
digung mit Frankreich, das ebenso auf die
Erzeugnisse der deutschen Kohlendcsttllation und auf
den Nuhrkoks wie Deutschland ans die lothringische
Minette angewiesen ist, nicht nur eine politische, son-
dern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit.

Der Wiener GeNeralkommissär des Völkerbun-
des, D r. Zimmermann , führte in seinem Be-
richt aus, es sei für den Völkerbund und für seine
Freunde ein sehr ermutigendes Ereignis, daß der
Bund hier einmal nicht nur Empfehlungen und
Wünsche habe äußern können, sondern daß er durch
seine Intervention ein praktisches und für den Welt-
frieden hervorragend bedeutsames Werk geschaffen
habe. Dr. Zimmermann gab eine technisch sehr be-
zeichnende Darstellung seiner Arbeit und hob her-
vor» daß die Ergebnisse der internationalen Anleihe
bewiesen^ welche Rolle dabei das Vertvauen
deLPuvltkums infolge der internationalen Ga-
rantie des Völkerbundes gespielt habe. Die Schwie-
rigkeiten der Reform der österreichischen Verwal-
tung, die notwendig war, illustriert Dr. Zimmer-
mann durch die Mitteilung, daß bis zum Juli
46 000 Beamte entlassen werden mußten
und daß die gleiche Zahl in den folgenden zwölf Mo-
naten noch weide entlassen werden müssen, die ander-
wärts unterzubringen eine ungeheure Energie erfor-
dern iverde. Er habe eine Reihe ausländischer
Sachverständiger berufen, nm die verschiedene«
Zweige der Verwaltung in Einklang mit dem Re-
formprogramm wieder zu zweckmäßig arbeitenden
oder rentierenden Betrieben zu machen. Dabei seien
auch ganz neue Ausgaben für den Ausbau von Stra-
ßen und Gebäuden, die seit zehn Fahren vernachläs-
sigt waren und für ähnliche Zwecke nötig gewesen.
Als dte Hauptaufgabe des Wiederaufbaues be-
zeichnete Dr. Zimmermann, die Kapitalaus-
fuhr zum Stillstand zu bringen, oder,
was dasselbe ist, das Verl rauen iM L ande selbst wie-
der herzustellen, da sonst alle Bestrebungen, den
Sturz der Krone zu verhindern, sich als ganz ohn-
mächtig und wirkungslos erwiesen hätten. Er nennt
es charakteristisch, daß durch die bloße Taisache, daß
man im vorigen Jahre in Genf über die Wieder-
aufrichtung Oesterreichs disputierte, das bis dahin
ständig« Abgleiten der Krone zum Stillstand ge-
kommen war Es wäre umgekehrt sogar eine
Hausse eingetreten, wenn nicht eben das Ziel des
Wiederaufbaues die Stabilisierung der Krone ge-
wesen wäre. Das Publikum glaubte in jedem Fall
an die Hausse, und dank diesem wieder erwachten
Vertrauen erlebte man Ende 1922 eine erstaunliche
Rückkehr der ins Ausland gewander-
ten Kapitalien.
Der beste Beweis seien dte Anlagen in den
S Pa rka s s e n, die im Dezember 1922 30 Milliar-
den betrugen, was eine tatsächliche Steigern»« um
1200 v. H. bedeutet, da die Krone an Wert in dieser
Zeit nicht mehr verloren habe. Auch Dr. Zimmer-
mann sprach über die wirtschaftlichen Verhältnisse,
die sich infolge der Stabilisierung der Währung ein-
stellen mußten, und erwähnte dabei, daß die Zahl
der Arbeitslosen, die im Februar dieses Jahves noch
170 000 betrug, bereits bis ans weniger als die
Hälfte, Ms 80 000, sich vermindert habe. Eine andere
Folge jener Krise, das Anwachsen der Zahl der Ban-
kerotte ist Oesterreich erspart geblieben, dank der
Anpassung der Wertpapiere, welche durch die Sta-
bilisierung der Währung ermöglicht wurde. Gleich-
zeitig mußten mich die Preise, die Tarife und
Gehälter ein der stabilisierten Krone entsprechendes
Kursniveau erreichen.
Die Aktien und Wertpapiere haben in
Oesterreich eine rasche Bewegung erlebt, die, wie
Dr. Ztimnermann sagte, in der finanziellen Ge-
schichte aller Länder seit der Steigerung der Gold-
grubenwerte nicht mehr ihres gleichen hat. Durch
diese Stabilisierung und diese Hauste wurde aus -
ländischcsKapital in großem Umfange
herangezogen.

Ein interessantes Urteil.
Berlin, 10. Sept. Daß die deutsche Diploma-
tie doch nicht immer so sehr daneben gegriffen hat,
als inanche ihr nachsagen, geht aus einer Veröffent-
lichung des Heftes 3 der „Europäischen Ge-
spräche" (herausgegeben vom Institut für Aus-
wärtige Politik in Hamburg bei der Deutschen Ver-
lags-Anstalt, Stuttgart) hervor. Da finden wir
nämlich aus dem Jahre 1902 aus der Feder des Für-
sten Radolin folgende Charakteristik Peincarös:
Poincars 1902.
Der deutsche Botschafter in Paris an den Reichs-
kanzler Grafen v. Bülow.
Inhalt: Poincars.
Nr. 209 Paris, den 22. Mär, 1902.
In Anbetracht dessen, daß in letzter Zeit vielfach
Poincars als kommender Mann bezeich-
net wird, wenn dies auch von anderer maßgebender
Sette entschieden in Abrede gestellt wird,
glaube ich mitteilen zu sollen, was ich über die Ver-
gangenheit und die politischen Tendenzen die-
ser Persönlichkeit in Erfahrung gebracht habe.
Raymond Poincars, geboren 1860 in Bar-le-Dnc
(Meujse), wurde mit 20 Jahren „docieur en droit"
und „licenets es-lettres". Mitarbeiter des damals
fortschrittlich-republikailischen Blattes „Le Voltaire"
wurde ex 1887 im Bezirke von Commercy als ge-
mäßigter Republikaner und Anti-BouLangtst zum
Deputierten gewählt und hat dieses Mandat seither
ununterbrochen inne.
Dr wurde 1893 Untervichlsminister im ersten Ka-
binett Charles Dupuy. 1894 im zweiten Kabinett

Charles Dupuy Finanzmiuister und 1895 im Kabi-
nett Ribot Unterrichtsminister, Vize-Präsident der
Kammer 1895 bis 1898. Im Jahre 1899 lehnte er
das ihm von Waldeck-Rousseau angebotene Porte-
feuille ab, wodurch derselbe genötigt war. seinem
Kabinett eine radtkaleFSrbungzu geben und
die Mithilfe Millerands und Baudins in Anspruch
zu nehmen. In der Dreyfus-Asfäre trat er erst nach
der Entdeckung der Fälschung Henrys in einer Kam-
merrede und in seiner Zeugenaussage vor dem Kas-
sationshof für die Revision des Dreyfus-Prozesses
ein (pour libsrer sa confctence) und trennte sich vor-
iibergehend von Msline. In einer kürzlich in Rouen
gehaltenen Programmrede griff er die Politik Wal-
deck-Rousseaus scharf an und bemühte sich — bShufS
Sicherung «einer Wiederwahl in einem seh» natio-
nalistisch gesinnten Wahlbezirke — das Wohl-
wollen der Konservativen und Natio-
nalisten, welche ihn wegen seiner Haltung zu
Ende der Dreyfus-Asfäre stark befehdet hatten, wie-
der zu gewinnen. Zu dem gleichen Zwecke veröffent-
lichte er vor einiger Zeit eine Erklärung, in welcher
ec darauf hinwies, daß er die advokatorische Ver-
tretung reicher jüdischer Finanziers trotz deren drinß
«enden Ersuchens abgelehnt habe.
Von den Radikalen wird Poincars — gleich DeS»
chanel und Barthon — als „Arriviste" bezeichnet, als
ein Streber, dem es auf eine politische Schwerk
kung nichr ober weniger nicht ankomme, wenn er
damit seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen hoffe.
Poincars gilt als einer der besten Pari-
ser Advokaten, Plaidiert hauptsächlich in Zivil-
sachen und hat einen großen Teil der Clientel Wal-
deck-Rousseaus übernommen. Er ist ein ausgezeich-
neter, vielseitiger Redner und in finanzieller Hinsicht
absolut makellos. Radolin.

Die Lage im Reich.
Ankermann ausgeliefert.
Wien, 9. Sept. Vor mehr als Monatsfrist
wurde in Zusammenhang mit den Aufdeckung der
Wiener hakeukreuzlerischen Terrorformattoneu der
von den deutschen Gerichten steckbrieflich verfolgte
Oberleutnant Walter Ankermann iu
Wien verhaftet, der das Attentat auf Maximilian
Harden verübt hatte. Ankermann wurde nun au Mr
Grenze den deutschen Kriminalbehördey
übergeben.
Bürgerliche Hetze.
Leipzig, 10. Sept. Weil dte vroletAkl-
schon Selbstschutzorganisationen «inen
größeren Appell «Miellen, hetzt das Bürgertum
wieder mit aller Kraft gegen dte linksgerichtete Re-
gierung. Viel Helsen wird es den Treibern der
Reaktion jedoch nicht. Die Arbeiterschaft SachscnH
weiß, was sie zu tun Hat.
Deutsche Kommunisten als
„Ehrenkosaken".
Moskau, S. Sept. Der Ost-Expreß meldet:
Tie kommunistische Partei Deutsch-
lands ist von einer in Schitomir (Ukraine) statio-
nierten Kosaken-Division den roten Armee zum
Chef erwählt worden und hat die Wahl ange-
nommen. In einer festlichen Versammlung hielt
der deutsche Kommunist Haußer eine Rede üb.er
die Rolle der roten Armee im Zusammenhang mit
der Entwicklung in Deutschland, die, den Sowjet-
blättern zufolge, Set den roten Kosaken großen Bei-
fall fand. Einige führende Mitglieder der kommu-
nistischen Partei Deutschlands sind zu »Ehren»
ftosaken" erwählt worden.

Ak WM-MW WM.
Griechenland nimmt ebenfalls an.
Athen, 10. Sept. Gestern fand eine Kabi-
nettssttzung über die Note des Botschaflerraies
iM griechisch-ilalienisehen Konflikt statt. Nach der
Sitzung versicherte Ministerpräsident Gonalas den
Vertretern der Presse, daß das griechische Kabinett
im Interesse der Erhaltung des Friedens die Be-
dingungen der Note angenommen habe.
Nach einer Blättermeldung aus Athen hat die
griechische Regierung in ihrem Ultimatum an Al-
banien! verlangt, binnen 5 Tagen die Mörder
von Janina a u s z u l i e f e r n.
Nach den Blättermelduugcn zu urteilen, empsln-
det das ganze Land die Annahme der Bedingungen
des Botschafterrates durch die griechische Regierung
als Entspannung und endgültige Beseitigung der
Krise.
Paris, 10. Sept. Die Antwort Griechen-
lands auf dte Note derBotschasterkonserenz
wurde am 9. September mittags den Gesandten von
Frankreich, England und Italien üb er geb en.
Griechenland nimmt alle Forderungen der Bol-
schlafterkonferenz an. Es unterstreicht die Forde-
rung, die es bereits früher an die Bolschafterkonse-
rcnz gerichtet hat und die darauf lunansgehl, die
Räumung Korfus so schnell wie möglich
sicher zu stellen.
 
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