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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 271 - Nr. 280 (21. November - 1. Dezember)
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Heidelberg, Samstag, den 1. Dezember 1923

Nr. 289

6. Jahrgang

Zum Kabinettsrvechsel.
Berlin, 30. Nov. Der „S o z i a ld e Mv Par-
ka m e n t sv i eilst" schreibt uns:
Das traurige Schauspiel der Verhandlungen,
d e tu den letzten Tagen zur Lösung der Regie-
ruuMkrtse im Reich unter den bürgerlichen Par-
tien vergeblich geführt wurden, ist 'm mancher
Hinsicht, insbesondere über durch die Haltung der
Leut sch na Ilona len, für die Arbeiterschaft
äußerst lehrreich. Die deutschnational« Fraktion
war bekanntlich bereit, jeden Grundsatz zu
opfern, und ihre Vergangenheit zu verleugnen»
nicht nm den Bürgerblock im Reiche zu schassen, son-
dern mit dem Atel, auf Umwegen über das Reich
d ' Preußische Koalition zft verfuich-
t e u und an Stelle der so.Zialdenrokratischerr Mitii-
fu'r Gegner der Republik zu setzen. In Preu-
s: e die Macht zuergretfen, war ihnen viel
wichtiger als im Reich die Verantwortung tragen
zu helfen. Das ergibt sich ganz klar aus der Taktik
der Deutsch nationalen im Verlaufe der letzten
Tage. -
Sie führten formell fortgesetzt Besprechungen
über die Lösung der Neichskrise, während sie hinter
den Kulissen die Minister für Preußen in
tun Hoffnung machten, daß sich die bürgerlichen
Parteien ihrer Forderung auf Beendigung der
preußischen KoalittonGverhältnisse schließlich doch
beugen wurden. Wie gering ihr Interesse an der
Belegung der akuten Meichskrise war, ergibt sich
am besten daraus, daß sie sich Wer die Besetzung der
«in Eventualfall von ihnen zu übernehmenden
Re ichsMinisterien keine Sor ge machten,
aber für Preuße« bereits ihre besten Männer
Präsentieren, noch bevor die zuständigen bürgerl.
Fraktionen des Landtags am Donnerstag über das
heutschnationale Ansinnen aus Lösung der Koalition
entschieden hatten. Das ist inzwischen gesche-
hen! Mit der Absage, in Preußen die sozialde-
' uwwatischeu Minister aus der Regierung hinaus-
z verftn, ist der Bllrgerblokk im Reiche und
Nü. ihm die Kandidatur Stegerwalds endgül-
tig gescheitert, und dte voreilige preußische
M aistcrprWdentschast des Herrn Hergt, sowie
die Kandidatur des ostpreußischen Generals Gayl
kür das preußische Jnuenmintsterium überflüs-
! i g geworden.
Im Reiche also verzichteten die Deutsch-
Nationalen auf die Benennung eines Reichskanz-
lers, ja, sie waren so „wohlwollend", sich gegebenen-
falls lediglich mit der Besetzung des Ernährungs-
Ministeriums zufrieden zu geben, aber in Preußen
sollte neben dem Ministerpräsidenten auch das I n-
u e n Ministerium von Deutschnationalen besetzt
werden. Rus der Haltung der deutschnationalen
R«ichStagSf«S!ion während der 'Verhandlungen
über den Bürgerblock kann die deutsche Arbeiter-
stt ast entnehmen, von welcher Wichtigkeit ihre Ver-
tretung in der preussischen Regierung ist. Sie zu
erledigen, haben die Deutschnationalen mich das
größte Opfer nicht gescheut. Die deutschnationale
'^aktik ist u. E. aber auch ein Beweis mehr dafür,
düß iu Preußen, schon vor zehn Jahren eine zweck-
W ä ß i g c Politik betrieben und die richtigen Män-
ner der Partei au die richtige Stells gesetzt wur-
den. Zweckmässige Po.ftik insofern, als die preu-
ßische Landlagssraktion in ihrer Mehrheit mit gutem
-tisch,t die Auffassung vertreten hatte, nicht un-
ter allen Umstünden, aber solange erträgliche
Disglkchkeitrn -ie«zu besteh««, die Regierung mttzu-
kübrei» . . . das muß auch für die Zukunft ein
Leitstern der Partei sein. Im Interesse der Re-
^nölik und der Arbeiterschaft ist es notwendig, die
ts''fitwneu in Preußen so lauge zu halten,
* S -dte Möglichkeit hierzu besteht.
Die Politik der R e i ch s t a g s fraMon ist für
'Ausrochterhaltung der Koalition in Preußen
'W'ac nicht ausschlaggebend, -aber sie vermag immer-
M't Rückwirkungen auf den Best mW der
s' wsischon Regierung anszuuveu. Das haben wir
W den letzten Tagen erlebt, und es erscheint uns
* :.br»Dt, jetzt daran zn erinnern, nachdem die
z-Gfe im Reich wieder an ihren Ausgangspunkt
^Mlangt, und damit die Haltung der Soziakdemo-
für die Beendigung des jetzt fast acht Tage
'-'Mrndeu unerträglichen Krisenzustandes ans-
vch lag ged ende Bedeutung -erhält. Dabei be-
wir von vor-icherein, daß wir den Sturz
^tresomanus nach wie vor sür durchaus uot-
'''endig erachi-nr. Aber uienials hat die So-
nrokratie ihre grundsätzliche Bereitschaft, di«
' rve r a ntwortung tragen zu Helsen, v e r-
n t, solange die bürgerlichen Parteien bereit
va-ei-j, e-uw unsere Grundsätze zu achten und gegen-
/der ; ms Partei das gleiche Maß von Respekt
w wahren, das sie von. uns für sich verlangen. Herr
MwMmar.n Hat nicht in diesen'. Sinne gehandelt,
wH-rn sich leichtf-ertig selbst eine neutrale Haltung
w'Wrrr Fra-knon verscherzt. Er mutzte deshalb als
l'OchSnauzlcr verschwinden. Jeder kommende Kanz-
kann also unsere Unterstützung oder eine wohl-
Haltung nur finden, wenn er aus den
Mhlern seines Vorgängers die notwendigen Schlutz-
'^-aeruugen zieht.
Der nach dem Scheitern des Bürgerblocks mit
RegsernngAbildung beauftragte Zentrumsabg.
sZ r x hat es infolgedessen selbst in der Hand,
h/'.-Mn Kabinett von vornherein eine Mehrheit im
^Hstage Zu vepschüssen. Mer danrit nrutz sich
««re Kanzkcr, als Leu UMk ihn rudia betracL-u

kann, schon jetzt vb find en, daß die Sozialdemokratie
eine Politik mit wechselnden Mehrheiten nicht mit-
macht. Wir hüben wochenlang Klarheit gefor-
dert, und -daraus bestehen wir auch heute noch.
Entweder eine Orientierung nach rechts, oder eine
solche nach links; beides zugleich gibt es nicht.
Wird unseren berechtigten Forderungen, die sich Mim
Teil indentiffzieren mit enem Beschluß der schon vor
mehreren Wochen abgehaltenen Landeskonferenz,
nicht Rechnung getragen, dann werden wir »ms
auch mit der Reichst agsauflösung abzu-
finden wissen; denn darüber darf kein Zweifel be-
stehen, daß die Auslösung des Reichstags unver-
meidlich ist, wen« die jetzt gesuchte Lösung der
Krise scheitern sollte.
v
Die Zusammensetzung des
Kabinetts Mara:.
Berlin, 30. Nov. Der Reichspräsident hat
den Senatspritstdenten Marx, M. d. R.„ zum
Reichskanzler ernannt und auf seinen Vor-
schlag die Reichsregierurig wie folgt neu gebildet:
Reichskanzler: Senatspräsident Marx,
Vizekanzler und Reichsminister des Innern der
bisherige Reichsminister des Innern Dr. I a r r e s,
Reichsmiuister des Auswärtigen der bisherige
Reichskanzler Dr. Stresemann,
Reichsarbeitsminister wie bisher Dr. Brauns,
Rcichswehrminister wie bisher Dr. Geßler,
Reichssinanzminister wie bisher Dr. Luther,
RcjchSvcrkchrSministcr wie bisher Oeser,
Reichsernährungsmiuistcr wie bisher Gras Ka°
nitz.
Reichspostminister wie bisher Dr. Hoefle, zu-
gleich mit der Wahrnehmung der Geschäfte »es
Reichsminifters sür dte besetzte» Gebiete veauftragt,
Reichswirtschastsminister der bayerische Staats-
minister a. D. Ham m, M. d. R-,
Reichsjustizmtntster Staatsraat Emminger,
M. d. R.
Hiervon gehören Marx, Höfte und Brauns d«nl
Zentrum an, Getzler, Oeser und Hamm den De-
mokraten, Stresemann, Jarres, Luther und Ka-
nitz der Deutschen Volkspart« i, Emminger
der Bayerischen Volks Partei.
Das Urteil der Presse
Berlin, 30. Nov. Das Urteil der Presse Wer
das Kabinett Marx ist s eh r kühl; bei der Rechten
allerdings noch kühler als bei der Linken.
Der „Vorwärts" erklärt:
Der Negierung Marx, die in Bildung begriffen
ist, ist zu wünschen, daß es ihr -gelingen möge, die
Geschäfte des Reiches so lauge zu führen, bis die
Durchführung freier N e ich s tag s w ah-
l e u im ganzen Reich möglich ist. Es ist nichts da-
gegen einzuwende-n, wenn dieser Zeitp-urckt nach
Tunlichkeit nahegerückt wird. Vorsorge dafür
zu treffen, daß im unbesetzten wie im besetzten
Reichsgebiet gleichzeitig und frei vom Druck der
Militärdiktatur gewählt werden laim, ist eine Auf-
gabe der inneren wie der äußeren Politik, der sich
die neue Regierung mit nachdrücklichem Ernst zu-
wenden mutz. Der bisherige Vorsitzende der Zen-
trumsfraktio» Reichskanzler Marx ist bei der Rech-
ten ebenso unbeliebt, wie er in der sozialdeinoftati-
schen Fraktion wegen seiner Besonnenheit, Sachlich-
keit und Rechtschaffenheit persönlich geachtet
ist. Slber damit ist natürlich noch nicht gesagt, daß
er Mißgriffe vermeiden wird, die die sozialdemo-
kratische Fraktion zwingen könnten, eine» Appell an
di« Wähler vorzeitig herbeizuführen.
Die „F r ankf. Zt g." äußert: Das Kabinett
Marx wird sich dabei von seinem Vorgänger nicht
sehr unterscheiden. Herr Dr. Siresemaun erscheint
als Außenminister wieder. Sonst wird die Zusam-
mensetzung des Kabinetts eher eine mäßige wei-
tere Verschiebung nach rechts bedeute»».
Ms einzige Klärung hat uns die Krise die Selbst-
euihülluiig der D eu t s ch n a t i o n a l en gebracht.
Aber es ist gut, daß dieses herauskam. Unklar bleibt
die Lage der VolksPartei, die mit ihrem rechten
FWgel weiter so schwer belastet ist wie vorher. Und
unklar, unentschlossen und schwächlich bleibt die
Sozialdemokratie. Sie wird, nachdem sie
den; Kabinett Stresemann die Duldung verweigert
hatte, jetzt das Kabinett Marx doch tolerieren müs-
sen. Was also will sie? Sie hätte beinahe den
Deutschnationalen zur Macht verhol-
s e u. Sich selbst aber schattet sie iinnrer mehr aus
der Macht aus. Glaubt inan, Erfolge gegen die
Konkurrenz der Kommunisten damit zu erzielen, weil
ein »richt mit Verantwortung belastetes Daneben-
stehen bequemere Gelegenheit zu- lauten Tönen in
Reden und Zeitungen bietet? Parteiegoismus, der
nichteinmal als Egoismus k l ug ist! Die
Situation ist also, von den auswärtigen Gefah-
ren gang abgesehen, auch inner Politisch höchst pro-
blematisch und die Existenz des neuen Kabinetts
gleich vor» Anfang an unsicher.
Das „B erl. Ta gebt." schreibt: Wir werden
von Marx k eine Politik großer Ideen erwar-
ten dürfe»». Das läßt die gesamte innen- and außen-

politische Situation Deutschlands nicht zu. Wohl
aber wird er ein Kabinett kluger Berechnung
und vorsichtige« Handelns treiben.
Der „Berliner Lo k a l an z e i g e -i" sieht der
Kanzlerschaft Marx nur mit stärksten Vorbehalten
entgegen, da er nach seiner ganzen bisherigen Ein-
stellung keine entschiede»» a u t t s o z i a I i st i -
sche Politik sichren könne.
Die „Kreuzzeitung" betont, daß di« wahre
innere deutsche Krise bleibt. Der Bür gerb lock
sei an dem Verhalten der Demokraten ge-
scheitert, -die sich von den Sozialisten Verhal-
tungsmaßregeln geben ließen. „Diese konnten aber
nur darauf hinauSlaufen: Rettet uns Severing."
Das Reich werde „der parla-mentarischen Unfrucht-
barkeit und Kraftlosigkeit" Welter überantwortet zu
Ehren einer Partei, di« als Repräsentanten dieses
Deutschlands dm Reichspräsidenten gestellt
hat, der weiß, was er an seiner Stelle zu tu« hat,
Warrn es nm die Sache seiner Leute geht.
Die „Deutsche Allgernei ne Zeitung"
bedauert, „daß eS nicht gelungen ist, ein bürger-

liches Kabinett zustande zu bringen, in dem die
Deutschnationalen offiziell mit der ihrer
Stärke entsprechenden Zahl von Ministern vertreten
sind".
Die Haltung der Sozialdemokratie«
Berlin, 1. Dez. (Letztes Trlegr.) In ihrer
xestrigcn Fraktionssitzung beriet die sozialdemokra-
tische Rcichstagsfraktion irr gründlicher Eröricrung
ihre Haltung zum Kabinett Marx, wobei einzelne
Persönlichkeiten des neuen Kabinetts als weit nach
rechts neigend festgrstellt wurden. Zinn Schluß der
Sitzung kam man zu den» Ergebnis, die Stellung
der sozialdemokratischen Reichstagsfraklion zum Ka-
binett Marx von der Programmerklärung abhängig
zu machen, die das Kabinett in der Reichstagssitzung
mn kommenden Dienstag abgeben wird. Der Prüf-
stein wird hierin vor allem in der Haltung des Ka-
binetts zum Ausnahmezustand liegen.

Ikk KW ökl MW «WM.

* Heidelberg, 1. Dezember.
Der Abdankung der deutschen Staatsautorität im
Innern zugunsten der militärischen Vollzugsgewalt
— sie gibt im Ausland Anlaß zu bedenklichsten Ge-
rüchten — gesellt sich in gleich starkem Matze der
Bankerott der deutschen Staatsau lorität nach außen
hinzu. Ebenso wie sich die Reichsregierung zu
schwach zeigte, die gsgenrevolutionären Widerstände
in Bayern zu meistern, ebenso hat sie sich die Wirt-
s-chaftsmächte derriMßeu Mer de» Kopf wachsen lassen,
daß dies« heute gleichsam mit Hoheltsrechten arts-
gestattet Mit ausländischen Mächten verhandel« kön-
nen. Nachdem di« Kraftlosigkeit der ReichKregisrung
es der Großindustrie ermöglichte, all die Jahre
Sleriersabotage zu treiben und infolge der hierdurch
entstandenen Zahlungsunfähigkeit für Reparations-
lasten den Framosen di« Möglichkeit gegeben wurde,
tns Sand hereinzukornv««, ist aus einmal dte Groß-
industrie in der Lage, den Franzosen das zu liefern.
Was sie v o r der Besetzung dem Reich vorenchielten,
dem sie darnft den Ruhreiubruch zufügten. Die
Verträge, dte jetzt die Industrie im be-
setzten Gebiet mit den Franzosen mit Willen
der Roichsregieruug abschli-eßt, weil sie eben durch
dte Sabotage jener Industrie zuschwach geworden
ist, lassen am drastischsten hervorireton, wie weit es
mit der Staats-auiorität des Reiches gekouuiten ist
und wie nah »vir dem Zustande sind, in dem die
„Jndustrieherzöge" die wahren Herren in Deutsch-
land sind.
Der Vertrag mit der Anilinfabrik.
Mannheim, 30. Nov. Wie sehr das Reich
bereits aufgehört, internationale Autorität zu genie-
ßen, geht aus dem Vertrag der Badischen
Anilinfabrik in Ludwigshafen mit der In-
te r n a 1 i o n a l e n Kommission hervor. Da-
nach ist zivischen der Interalliierten Kommission der
Rheinischen Gebiet« und der Interessengemeinschaft
der Deutschen Farbenfabriken im besetzten Gebiet
am 10. Novetnber 1S23 ini 1 Wissender deut-
schen Regierung ein vorläufiges Abkom-
m e n aus di« Dauer von 3 Monaten geschlossert wor-
den. Den Anlaß zu diesem Abkommen gab die
Erklärung dsr Deutschen Regierung, daß sie f i nan-
ziel l außerstande fti, die Reparations-
lieferungen zu erfüllen. Aus Grund des
getroffenen Abkommens übernimmt es die Interes-
sengemeinschaft, die Reparationslieferun-
gen, die nach -dorn Vertrag von Versailles
und nach den Vmeinbarungon zur Ausführmig des
Vertrags au dte in Bewacht kommenden Interalliier-
ten Mächte zu leisten sind, zu erfüllen, ohne eine
Bezahlung dafür zu erhalten
Die Interessengemeinschaft ist verpsllcht'>t, den
Anordnungen der Jutera-Llierteu Kommission
nicht zuwider zu handeln und in loyaler Weise mit
der Kommission zus-ammenzlwrbeiten, um die Auf-
gaben dmchzuftihren, welche der Wiederaufbau des
Wirtschaftslebens in den besetzten Gebieten mit sich
bringt.
Dte bschlagnahmten Stickftofsdüngemit-
t e l bleiben im Besitz der Alliierten, ohne bezahlt
zu w-erden. Es ist in Aussicht genommen, daß sie
der Deutschen R-e-gierun-g auf Reparations-
konto gutzu schreiben und zum Ausdruck
gebracht, daß weitere B-eschlagnahmun-
gen weder an Roh- noch an Betriebsmaterialien,
noch an Fertigprodukten stattftnden sollen. Der
Wert der Beschlagnahmungen wird teilweise aus di«
Kohlensteuer in Anrechnung gebracht.
DieEin-undAussuhr unterliegt der Be-
willigung durch di« alliierten Behörden, gleich-
viel, ob es sich um das Ausland oder das unbesetzte
Deutschland handelt.

Die Ausfuhr sowohl nach den» Ausland als
»lach dem unbesetzten Deutschland ist erlaubt, so-
weit das besetzte Gebiet genügend mit Stick-
stoff versorgt ist. Für die Attssuhr wird eine A b -
gäbe auf die einzelnen Produkte echoben, deren
Sätze im allgemeiu-eu niedrig gehalten sind.
Die Einsuhr von Rohstoffen für die Fabrika-
tion ist im allgemeinen frei.
Die Wtederzulassuug des sür den Betrieb
notwendigen Personals soll wohlwollend ge-
prüft werden.
Eine aufsehenerregende
Reutermeldung,
London, 30. Nov. Eine HE amtliche Mel-
dung des Reuterbureaus setzt auseinander, daß die
englischen Sachverständigen die Auffassung vertre-
ten, daß Deutschland seit Monaten die Abrü-
stung s b est i mm u n g en des FriedensvcrtragS
audaueLnd verletzt. Rekruten würden
in großer Zahl und wett Wer das zuständige Kon-
tingent militärisch ausgebildet. Jeder
zweite Manu der Reichswehr sei ein Unteroffizier
und die Waffenfabrik«»» Thüringens
seien s«ft Monaten beschäftigt, Gewehre und Revol-
ver zu fabrizieren Nur die französische Besatzung
des Ruhrgebiets und vor allein der Kruppwerke
habe Deutschland daran verhindert, die neuen Re-
krutsmuassen auch mit ausreichender Artillerie
auszustatien. Es feien aber von Krupp Beziehun-
gen »nit Sowjet-Rußland und Schiveden
ausgenommen worden.
London, 30. Nov. Der R.K.-Vertreter der
„Franks. ZG." telegraphiert: Der bösarttgeBe-
richt des Reuterschen Bureaus Wer an-
gebliche geheime Rüstungen Deutschlands wurde
vom AußMwmt prompt desavouiert. Der Be-
richt hat keinerlei offiziellen Ursprung.
Die „Times" versichert, daß insbesondere das Kriegs-
inintsterlum den Bericht nicht veranlaßt habe. Dieser
scheint vielmehr ein Glied in der raffinierten Hetze
gegen Curzon, Bradbury u. General Btng «
h am zu sein. „Daily Expreß" verlangt eine Nntsr-
suchuug über die Quelle Reuters.
Dte„Times" benützt den Anlaß, um die englische
Meinung in der Miltiärfrage nochmals zu präzisie-
ren. Deutschland habe so weit abgerüftel, daß num
es nicht als Gefahr sür Frankreich und Eng-
land anseheu könne. Dte eigene Aufgabe sei, dafür
zir sorgen, daß die Abrüstung effektiv bleibe: be-
sonders sei eine periodische Inspektion der Wasfen-
fabrikeu notwendig.
Kampf dem Chauvinismus!
Gin Friedenspakt der deutschen und dänischen
Sozialdemokratie.
B « rltn, 30. Nov. Urn der chaWiittsiifchen Hetz«
in beiden Ländern zu begegnen, sand am 25. Nov.
in Fkensbuttrg eine Konferenz der Vertreter
dänischer und deutscher Arbeiterorga-
nisationen statt.
Wegen der Plätte, dte van einzelne!» Personen
aus dänischen Kreisen entworfen sind und auf eine
Verschiebung derdä Nischen Grenze bis
zu einem südlicheren Punkt als dem vereinbarlen
abzielen, falls die ans Grund der traurigen Verhält-
nisse in Deutschland etnsetzende Zersplitterung und
Auslösung weiter vorschreitet, erklären die däni-
schen Vertreter, daß solche» Versuchen einer Aus-
nutznng der Not des Deutschen Reiche» mit dew
einhelligen Widerstand der Sozialdemokratischen
Partei und der gesamten Arbeiterklasse Dänemarks
e n t ge ge n gelbe t e n werden wird.
Gbenso lehnt die deutsche Sozialdemokratie
kategorisch alle Ms eine Wiedereroberung des
Hetzt Dänemark zugcstcherten Gebietes ahzielenden
Pläne ab. Diesen Plänen, es sei, daß sie eine
Wiedervereinigung des dänischen Schleswig »ui<
dem Deutschen Reich oder die Schaffung eines selb-
ständigen schlcswigschen oder schleswig-holsteinische»
Siaates bezwecken, wird die Sozialdemokratische
Partei,, die deutsche Arbeiter-kkasfe und die übcrwie-
 
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