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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 251 - Nr. 260 (29. Oktober - 8. November)
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6. Jahrgang
WVSMWWSWMWsWSM

Heidelberg, Dienstag, den 3V. Oktober 1923

Nr. 252

Die Wahnsinnspolitik Stresemanns.
Die Militärherrschaft in wachsen.

' xr. Hetdelb erg, 30. Oktober.
Wir halben in der an Tragischem und Komödien--
hastcn so reichen deutschen Geschichte gar mancherlei
beobachten können, was dem mit einfachen; Verstand
Begaibchen ein Rätsel war. Was wir jedoch in den
letzten Dagen an „SiaatsnMiMskunst" einer Hoheit
Reichsnegierung erlebt haben, tst dermaßen, das; ein
kommender Geschichtsschreiber durch geschickte Gin-
kleidung der heutigen Vorgänge ein Seitenstück zu
Servantes unsterblichem „Don Quichotte" zu liefern
vermag.
AlS nach dem Kapp-Putsch Bayern dazu über-
gtng, ein gegeurevolutionüres Regime auszubauen,
was geschah da von Reichswegen? N ichts! Als
Bayern sich immer mehr zu einem bewaffneten Heer-
lager der Feinde der Republik und des deutschen
Einheitsstaates entwickelte, was geschah da?
Nichts! Als nach dm Ermordung Rathemaus
Bayern Front gegen die Republikschutzgesetze machte,
was geschah da? N ichts! Als Bayern in Oppo-
sition gegen das Reich den Ausnahmezustand mit
Herrn v. Kahr schuf, und dann den abgesetzten meu-
ternden Reichswichrgeneral v. Lossow unter beson-
derer Truppenvereiddgnng zum Landeskommandan-
ten machte, was geschah da? Nichts!
Ms dagegen in Dachsen eine sozialistisch-
kommunistische Regierung, über die man
sehr wohl verschiedener Meinung sei» kann, gebil-
det wurde, da jagte eine Alarmmeldung über Sach-
sen die andere und als gar die konNnunistische Partei
zeigte, daß auch Ministersitze nicht daran hindern
können, Putschhetze über praktische Mitarbeit ZU
stellen, da war die „Reichsregieiung der großen Koa-
lition" von den schwerindustriellen Korrespondenz-
bureaus bereits genügsam ein gewickelt, um sich
„stark" zu machen.
Ja, die Reichsregierung hat sich „stark" gemacht.
Zwar nicht gegen das konterrevolutionäre Bayern;
dafür aber gegen das — bei Men Entgleisungen —
gut republikanische reichstreue Sachsen. Als ob
wir mitten im Kriege wären, wurde Sachsen von
Militär überflutet, um den sächsischen Kommunisten
zu zeigen, das; die Redchsregberung Herr der Lage
- ist. Mußte mau bis dahin vor allem die Einsei-
tigkeit der Behandlung von Sachsen gegenüber
von Bayern in den Vordergrund stellen, und mutzte
inan vor allem die Ungeschicklichkeit der Reichsrsgie-
rung rüge»«, die ihre Macht bedenkenlos den Militärs
überlieferte, so nahm die Entwicklung der Dinge in
den letzten Dagen eine Form an, die sich nur dann
erklären läßt, wenn mau der Auffassung ist, daß die
Reichsregierung von Gott und allen guten Geistern
vsMssen ist.
Was sich in Sachsen seit ein paar Tagen abspielt,
da ist nicht mehr und nicht weniger als der Selbst-
mord der deutschen Republik, der Höchstei s durch die
Tolpatschigkett de» „ republikanischen" Reichsleitung
eine etwas komödiantenhaft lächerliche Abtönung er-
kährf. Wenn Herr Stresemann unter Zustimmung
des Reichspräsidenten Eb e » t — dessen Haltung in
allen republikanischen Kreisen, nicht nur in der Ar-
beiterschaft, wachsendes Befremden erregt — die
sächsische Regierung absetzt, so ist das ein Vorgang,
der eine Herausforderung sowohl aller Läuderregie
rangen — wer garantiert in der Folge für die an-
deren republikanische« Länder? — wir aller Republi-
kaner ist. Nachdem man ist den letzten 24 Stunden
in Sachsen dazu übeirgsgangen ist, die sächsischen
Minister gewaltsam aus den Re gier ungsg eb äud en
su «utseruen, Genosse Dr. Zeigner zu ver-
haften, die Zufannneubemfimg des sächsischen
Landtags zu verbieten, die sächsischen Regiernngs-
»nd Landlagsgebäude unter Assistenz deutschnatio-
sia-ter Abgeordneter militärisch zu besetzen, sv ist ein
Zustand geschaffen, dessen Folgen gar nicht abzusehen
sind.
Ms vor dem Krieg Old-sub urg-Janu schan erklärte,
h'e Furcht des deutschen Volkes vor seinem Heere
Müsse so stark sein, daß ein Leutnant mit 10 Mann
ku« Reichstag schließen könnte, wurde dies mit einem
si'ötifsckMt Lächeln ausgenommen. Heute, im repu-
hsikantsche-u Deutschland, scheinen wir in Sachsen
weit zu sein. Ein Unterschied besteht allerdings.
monarchischen Deutschland hätte ein Sturm der
^lltrüstung einen solchen Plan begraben. Im repu-
^kamschen Deutschland ist ev vis jetzt durchgesührt
lvorden.
Noch ist aber lischt aller Tage Abend. Unsere
letzte telegraphische Meldung aus Berlin zeigt, daß
Sozialdemokratie nicht willens ist, mit
ber Republik Schindluder treiben zu lassen. Wenn
Mch spät, so scheint unsere Parteileitung doch end-
bch eingefehen zu haben, daß sie mit der Politik der
schwäche nicht weiter kommen kann, daß das Nach"
sWen unserer Partei von den Gegnern ausgenützt
. sird. WM die Sozialdemokratische Partei die Re-
bbltk retten, dann muß sie unter Ablehnung kom-
^uubstischx,x Putschtaktik zum Sturm gegen die Re-
'ion blasen. Begeistert werden sich dann die Massen
-ll die M»; erprobte Fahne scharen. So, aber nur
' öiurch eine Politik der Stärke, ist die Republik
j. ketten. Jeder andere Weg führt die Partei und
Republik in den Abgrund.

Dr. Heinze als Reichskommissar für
Sachsen.
Berlin, 29. Okt. Der Reichspräsident
hat in einer Verordnung den Reichskanzler
ermächtigt, für die Dauer der Geltung dieser Ver-
ordnung die Mitglieder der sächsischen Landesregie-
rung und der sächsischen Landes- und Gemeindebe-
hörden ihrer Stellung zu entheben und andere Per-
sonen mit der Führung der Dienstgeschäfte zu be-
trauen. Auf Richter der ordentlichen Gerichtsbar-
keit findet diese Vorschrift keine Anwendung.
Berlin, 29. Okt. Der Reichskanzler hat den
Minister a D. Heinze zum Reichskommissar für
Sachsen ernannt.
Die Haltung der Sozialdemokratie.
Berlin, 29. Okt. In der Vorstandssitzung der
Sozialdemokratischen Partei wurde die Haltung
der Reichsregierung gegen Sachsen nicht gebilligt,
andererseits aber auch erklärt, das; ein Zusam-
m e n bleibe n der sächsischen Sozialdemiokraten
mit den Kommunisten in eigner Regierung nach den
Vorgängen in Hamburg und dem Aufruf der Kom-
munisten zum Generalstreik in Sachsen unmög-
lich ist. In eineii- Erklärung wird vor übereilten
Beschlüssen gewarnt. Der Vorstand der Reichs-
tag s f r a k t i o n ist auf Dftn-Mag einberufen.
Die Spitzeuvertreler der Gewerkschaften
sehen in dem Vorgehen gegen Sachsen einen solchen
WidersPruch zu den« nachgiebigen Verholten ge-
genüber der bayerischen Auflehnung gegen das
Reich, daß es Zweifel an dem tatsächlichen Willen,
die deutsche Republik gegen die Reaktion M schützen,
aufkommen läßt. Die Bundesvorstände ««suchen die
Gewerkschaftsmitglieder dringend, die Möglichkeit
einheitlicher Maßnahmen nicht durch übereilte Hand-
lungen zu beeinträchtigen.^
Berlin, 30. Okt. Der „Vorwärts" teilt mit:
„Die in -einigen Aftttmgen aufgestellte Behauptung,
daß dis sozialdemokratischen Retchsmi-
tt t st er der Absetzung der sächsischen Regierung und
der Ernennung eines R-eichskommissars zugestimmt
hätten, ist unrichtig. Die sozialdemokra-
tischen Kabinettsmiiglieder warnten Wiede r-
holt und eindringlich vor den; vom Reichswehr-
mMster eingeschlagenen Schritt, dem sie unheilvolle
Folgen in Sachsen und im Reich voraussogten. Sie
erreichten durch diesen Widerstand, daß die sofortige
Entscheidung unterblieb, die Absendung des Schrei-
bens des Reichswohrmi'nisters nicht erfolgte und der
Reichskanzler der sächsischen Regierung eine Frist
von 24 Stunden ließ. Während dieser Frist ver-
suchten die sozialdemokratischen Führer, in Dres-
den «ine Entspannung ds« Lage herbeSzufühlen.
Ein Aufruf der sächsischen
Sozialdemokratie.
Dresde n, 29. Okt. Der Landesarbettsausschntz
der Geeinten Soztatdemokratischen Partei Sachsens
uff. veröffentlichen einen Ausruf, in dem es heißt:
Zähneknirschend hat das gutdisziplistiterte säch-
sische Proletariat trotz Mer Provokation bis
jetzt die Rühe bewahrt. Die Arbeitnehmerschaft
w-eitz, daß sie die Gefahr, von dor sie und die Repu-
blik bedroht ist, nickst allein abwenden kann. Ge-
nossen Deutschlands! Kommt dem soziali-
stischen Sachsen zu Hilfe! Es muß schnell
gehandelt werden, soll nicht das Letzte verloren
gehen.
Absetzung der sächsischen Minister.
Dresden, 29. Okt. Die sächsischen Mi-
nister haben heute mittag je eine Verordnung
des nenernannten Reichskommissars Dr. Heinze
erhalten, wonach sie ihres Amtes enthoben
sind. Die sächsische Regierung wird gegen
den Akt bei der Retchsregierung Protest erhebe«
nnd die sofortige Einberufung des RetchsrateS
fordern, außerdem wird die Zusammenkunft der
Ministerpräsidenten der Länder betrieben.
Der Zusammentritt des Landtags
verboten.
Dresden, 29. Okt. Das Wehrkreiskommando
erläßt folgende Bekanntmachung vom 29. Oktober:
In Ausübung der vollziehenden Gewalt ver-
ordne ich: Bis zur Einberufung des Landtages
durch den vom Herrn Reichskanzler ernannten
Reichskoimnissar findet ech Zusammentritt des
Landtages nicht statt.
Der Militärbefehlshaber: gez. Müller, Gen.-Ltn.
Dresden, 29. Okt. Der Retchswehrgeueral
hat Politische Versammlungen jeder Art
verboten.
Dr. Zeigner verhaftet.
D resd e n, 30. Okt. (Letzte Telegr.) Soeben
hat Reichswehr sämtliche MinisterMgebäude in

Dresden überraschend besetzt. Vor das Minister-
Präsidium zog die Reichswehr, voran eine Musik-
kapelle, die den Hohenfriedberger Marsch spielte.
Reichswchrofsiziere begaben sich mit Mannschaften
in das Gebäude. Vor dem Vorzimmer des Mini,
sterpräsidente» entsicherten vier Mann die Gewehre
und traten mit schußfertigem Gewehr, ein Offizier
voran, in das Vorzimmer des Ministerpräsidenten.
Von dort aus begaben sie sich in das Arbeitszim-
mer des Ministerpräsidenten, der an feinem
Schreibtisch saß nnd arbeitete. Auf die Frage, was
man von ihm wolle, wurde ihm geantwortet, daß
man seine Begleitung wünsche. Er wurde dann
unter Bedeckung zum Ausgang des Hauses
egbracht. Mir den anderen Ministern würde gleich-
falls so verfahren.
Ministerpräsident Dr. Zeigner sagte vor fei-
ner Abführung zu den versammelten Mintsterial-
beamten, die sich von ihm verabschiedeten: „Ich
hoffe, daß Sie Ihre Pflicht weiter tun werden!"
Der Abschied war außerordentlich herzlich. Die
Beamten, die zum größten Teil bürgerlich
orientiert sind, versicherten ihm ihre Treue. I«
einem kurz vorher ab goh alteuen Kabinetts rat h atte
das Kabinett beschlossen, nur der Gewalt zu
weichen
Die Parteivorstäude der KPD. und VSPD.
halten zur Zeit eine gemeinsame Sitzung ab, in
der über die sofortige Ausrufung des Generalstreiks
beschlossen wird. Die Dresdener Arbeiterschaft er-
wartet den Generalstreiksbeschlutz bereits für heute
früh in passiver Reststenz verharrend.
Weiteres Vorgehen.
Dresden, 30. Oft. (Letztes Telegr.) Mn
j<3 Uhr zog eine Kompagnie Reichswehr
mit klingendem Spiel vor das Staatsministerium,
baute Maschinengewehre aus und Offiziere
und Mannschaften drangen mit schutzberetten Waf-
fen in die Miuistnrzimmer und holten die Kabinetts-
mitglieder giewaltsam aus dem Hause.
Wenige Minuten später wurde der sächsische Land-
tag von einer weiteren Kompagnie Reichswehr be-
setzt. Auch hier Wunden acht Maschinenge-
wehre eingebaut und unter Führung von drei
deutschnattonalen Abgeordneten begab sich eine
Abteilung der Reichswehr mit schußsertigen Waisen
an die Durchsuchung des Hauses, aus dem alle
Personen entfernt wurden.
Im Laufe des Nachmittags sind ferner zur
Aufrechterhaltung von Rühe und Ordnung das
Post- und Telegraphenamt und die Bahnhöfe durch
Reichswehr besetzt worden.
Kursänderung oder Regierungskrise
Berlin, 30. Ott. (Letzte Telegr.) Die so-
zialdemokratischen Mitglieder des Kabi-
netts haben dem Reichskanzler gegenüber bestimmt
erklärt, daß di: Vorgänge, die sich heute tu Dres-
den ereignet haben, keinen Tag mehr mit ihrer
Verantwortung zu decken in der Lage seien
und ihr weiteres Verbleiben in der Regierung da-
von abhängig machen müßten, daß alsbald eine
deutlich sichtbare entscheidende Aenderung in
dem Auftreten der militärischen Vollzugs-
organe eintrete, was nur durch rasche unzwei-
deutige Anordnungen der Retchsregierung veran.
laßt werden könne.
Man kann also jetzt Wohl sagen, daß eine
schwere Kabinettskrise erneut vor der Türe
steht, wenn die Reichsregierung sich nicht sofort zu
einer Korrektur ihrer' Maßnahmen in Dresden
entschließt.
*
Ein Bertrauensbruch Stresemanns.
Berlin, 30. Okt., 9jL Uhr früh. (Eig. Meldg.)
Die Vollmachten, die der Reichspräsident dem Reichs-
kanzler Stresemann bezüglich Sachsens gegeben hat,
hat der Reichskanzler in unverantwortlicher Weife
angewandt. Der Reichspräsident übertrug die Voll-
machten an den Reichskanzler nur unter der Voraus-
setzung, daß diesen bevor er die Vollmachten in An-
wendung bringt, sich mit den Parieiftihrern verstän-
digt. DM hat Stresemann unterlassen, und hat
einfach alles, was bis jetzt gegen die Regierung tn
Sachsen unternommen wurde, von sich aus gemacht.
Die Sozialdemokratie verlangt
Genugtuung.
Berlin, 30 Ott, 9 Uhr früh. <Sig. Meld«)
Der Sozialdemokratlsche Parlamentsdienst befaßt
sich tu einem Artikel mit dem Vorgehen des Reichs-
kanzlers Stresemann gegen die sächsische Regierung,
worin betont wird, daß die sozialdemokratischen Mi-
nister schärfsten Protest gegen das Vorgehen Strese-
mmrns einlegten St« verlangen, daß der sächsischen

Regierung in einer schriftlichen Erklärung Genug-
tuung gegeben wird. Sollte dies nicht geschehen, so
werden die sozialdemokratischen Kabinettsmitgliedcr
aus der Regierung ausscheiden.
Heute mittag ^2 Uhr findet eine Frakiionsvor»
standssitzung statt, die sich mit dem Austritt der So-
zialdemokratie aus der Regierung beschäftigt.
VMM MM N M
München, 29. Ott. Die bayerische Re-
gierung zieht die Beantwortung der Berliner
Note bezüglich der Reichswehrgewalt hinaus. Da
die Reichsregierung bereits Hot wissen lassen, daß
ihre Note keinen ultimativen Charakter trage, so
wird die diktatorische Behandlung der Angelegen-
heit, die von der bayrischen Regierung gewählt
wird, um durch Zeitgewinn nnd Unterhandeln
einen Ausweg zu finden, wohl vor Ende der
Woche keine Entscheidung in dem Konflikt ermög-
lichen.
Bayerische Verbote.
München, 29. Ott. Die „Münch. Post" tst
wegen der Stellnngnahme gegen die Judenauswei-
sungen bis auf weiteres verboten worden; auch
die foßtatde inokratifchje „Schwäb. Volk-Ä-
wacht" tn Augsburg wurde auf 8 Tage Verbote».
Ehrhardt als Führer.
München, 29. Okt. Aus dein Lager der Na-
tionalisten hört inan, daß als militärischer Führer
bei einem künftigen „Marsch gegen den bolschewisti-
schen Norden" KMitän-lsntnant Ehrhardt in
Aussicht genommen sei.
Hitler soll jetzt die bayerische Staatsange-
hörigkeit, die ihm früher versagt worden tst, erhal-
ten und auch General Ludendorff soll sich den!
Besitz der bayerischen Staatsangehörigkeit gesichert
haben.
Steuerstreik in Bayern gegen das
Reich.
München, 29. Ott. In Bayern ist jetzt auch
der Steuerstreik gegen das Reich prokla-
miert worden. Generalstaatskommissar v. Kahr
hat an die Landcsfinanzämter, also an ReichAbe-
hörden, das dringende Ersuchen gerichtet, daß von
den am 1. und 5. November fälligen Steuerraten
die Zahlung der Landabgabe und, soweit
der Mittelstand in Betracht kommt, auch die der
Arbeitgeberabgabe unterbleibt.

Die Lage im Reich.
Beratungen zur Lage.
Berlin, 29. Ott. Das Reich s kav ine tt
hat in einer heute nachmittag abgehaltensn Sitzung
eingehend auch die Verhältnisse in Bayern
und Sachsen besprochen. Eisten Bericht Wer di«
Abführung der sächsische» Minister durch militärische
Kräfte und die Besetzung der Ministerien und des
Landtags schien dem Kabinett jedoch nicht vorgele-
gen zu h aben.
407,8 Billiarden.
Berlin, 29. Ott. Die s chwe b e nd e Sch u l d
des Reiches hat in der Zeit vom 11. bis 20. Oktober
um 318,7 Billiarden Mark (eine Billiarde gleich 1000
Billionen) zu genommen und damit die Höh«
von 407,8 Billiarden Mark erreicht. Von den Ge-
samtausgaben, die in der Berichisdekadt
324,1 Billiarden Mark erforderten, wurde durch di-
rekte Einnahmen (Steuern, Zölle und Gebühren)
ungefähr der 130. Teil gedeckt, also etwa drei Viertel
Prozent.
Die bayerische Sozialdemokratie
treu zum Reich.
Ein Referat Hermann Müllers.
Nürnberg, 28- Ott. Auf ihrem Partei-
tag zu Nürnberg nahm die bayerische VSPD.
folgende Resolution an: Unerschüttert und zu allen
weiteren Opfern bereit steht auch heute die Verein
Sozialdemokratische Partei Deutschlands zum Reich;
sie erwartet aber auch auf das bestimmteste, daß nun?
mehr die Verantwortlichen Reichsstellen ihrer Ver-
pflichtung nachkommen, Hüterin von Recht, Verfas-
sung und Reichsctnheit durch die Tat zn sein.
In seinem einleitenden Referat betonte Genosse
Hermann Müller-Berlin die Noiwendigkeft, dir
Einheit des Reiches zu erhalten. Wir müssen ver-
suchen, so schnell als möglich zu stabilen Verhält-
nissen im Innern des Reiches zu kommen. Diese
könne aber nur erreicht werden, wenn es gelingt, den
R e ich s h a u s h a lt tn Ordnung zu bringen-
Dabei mutz man sich, bewußt sein, daß die Versuche
 
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