5. Jahrgang
Heidelberg, Mittwoch, den 3. Oktober 1923
Nr. 229
^«wartiae Mk. 80.-, Retlame-
(7imm breit) MI. LKV.-.
WAkWW'E
rryolunsen Nachlaß nach Taris.
nr dir «MWeStMlmm Sn WirWtte SrlSrldn«, MM. SWSew. Wism. NnSO, M«M. MA«, Wrlidew. Mrdera, imdnMMeA o. MMel»
MWH MM V^Ä MW MW ^Wl PottscheckkontoKarlsruheNr.AvTT.
^EM».V MW M. M. MV M M MM N MM.M «WKLM««»
WWW» WnMtWWW TerlaasanNalt E. vt.b.H., Heideb
M M berg.<Lcschcls«,ft-lle:Schtödi-isIrM.
V U Wk Tkl: Expedition LS73u.Rcdak.zNS,
Der Dolchstoß gegen das Reich.
Der Erfolg der deutschnationalen Wühlereien. — Die Haltlosigkeit der bürgerlichen Parteien. — RücktrL t
v. Räumers und Luthers. — Kabinettskrise.
8r. Heidelberg, 3. Oktober.
Das mittelalterliche Flagelantentum war eine
Aimide Voltserscheimmg gegen die Mi, wie heute
w Deutschland Politik getrieben wird. Statt wach
Abbruch des verlorenen Ruhrkrieges raschestens durch
^taktische Vorschläge an die Reparalions-
wninlkssion und durch eine energische Steuer-
Politik die Möglichkeit der Rückkehr normaler' Zu-
lande zu schaffen, rennt sich das deutsche Volk immer
Noch tiefer ins Elend hinein.
Die bayerische Sabotage des Reichsgedan-
l°ns, di« ein Signal zur Zusammenfassung
Mer positiv schassenden Kräfte der deutschen Repu-
hsik hatte sein müssen, hat leider keine Zunahme der
Einsicht in die Notwendigkeiten gebracht. Wenn auch
gewalttätige Rechtsputsch in Küstrin
*"kch zusammengebrochen ist, so scheinen dafür auf
U >nwegendie Feinde der Republik umso schneller
Ms Zwl gelangt zu sein. Die deutsch-nationale Un-
Wrminierung des Kabinetts Stresemann, von der
svsr gestern berichteten, hat in den bürgerlichen Par-
teien einen gewissen Erfolg gehabt. Die von jeher
wankelmütigen Kreise bei der Deutschen Liberalen
Aoilsparet und beim Zentrumsflügel Stegerwald
hüben Avgst davor bekommen, eine Politik r-« V er-
fand i g >l n g nach au Ken und eine kräftige Stcuer-
i'ouiik nach innen zu treiben und leisten den Deutsch-
Uüuoualen Beihilfe, das Kabinett Stresemann in
s?>ner jetzigen Form zu stürzen. Man möchte
den Gen. Dr. Httferdtng, weil er dem Besitz zu
nahe tritt, und den Gen. Radbruch beseitigen uno
dafür Deutschnationale ins Kabinett zu bringen und
Mbei neben anderem gleichzeitig dem Achtstun-
dentag die Gurgel zudreyen.
Der trockene Putsch der Deutschnationalen
bat bereits den Erfolg gehabt, daß die Deutsche Li-
berale Volkspartei den Reichswirtschwftsmtnister v.
^«Umer zwxückzieht, indem sowohl v. Ranmer
Md Reichsernährungsmin-ffter Dr. Luther ihr«
Demission eingereicht haben, und das ganze Kabinett
infolge dieser Vorgänge wurde die Reichstags-
sitzuttg verschoben — in s ch w erster Krise steht.
Daß für die Sozialdemokratie die Forderungen
^r Deutschen Liberalen Volkspartei gegen Hilser-
Achtstundentag, sowie Zusammenarbeit mit
den Deutschliationalen völlig undtskutabel
s^Nd, bedarf keiner Erläuterung. Die Sozialdemo-
Mte har mit ihrem Eintritt in dos Kabinett — wir
waren mit einem großen Teil der Parteigenossen
Magner dieses Eintritts, womit wir, Wie Wir heute
^h-en, nur zu recht hatten — im Interess e d es
Mchs Ees getan, nm die Existenz des Reiches
sichern und friedlichem Aufbau die Wege zu eb-
Mn. Stellen die bürgerlichen Parteien jedoch ihren
.El-beutel und nationalistisches Phrasenge-
^igel iiber das Reichsinteresse, so laden sie die Ve-r-
Mtwortung für alles, was kommt, auf sich.
Das deutsche Volk hat wahrlich an dem Kabi-
Eit Cuno, das indirekt von den Deutfchnatio-
Mn geführt wurde, genügsam gesehen, welcher Art
Erfolge der deutschnationalen
taatswetsheit sind. Wollest die bürgerlichen
''Men den Deutsch-nationalen helfen, den Dolch-
o si Segen -das jetzige Kabinett zu lenken, um ein
^"Vchna-tiouat orientiertes Kabinett zu errichten —
b -,'Fraukf. Ztg." hält bereits ein umgewandeltes
inet Stresemann, wobei an Stelle der Sozial-
t>," die Deutschnationalen treten, mit Diktw-
^^r bürgerlichen Mitte gegen die Sozialdemo-
i>oleiner deutschnational orientierten Außen-
für möglich — so wäre das gleichzeitig ein
ft " b gegen das Reich. Denn wo wir
Mti/" würden, wenn innenpolitisch mit deutsch-
wnalem Terror gegen die Arbeiterklasse und
gen politisch mit großer nationaler G e st e ge-
8ranzo-sgn regiert wird, dies auszurechnen
^hig^ ft^' Wder politisch halbwegs Znrechnuwgs-
^cheu m allerdings -leider ein Dell der deut-
unter geistiger Führung ihrer halb--
ien-en SpröUinge nicht denkt.
Die Wühlarbeit gegen die Regierung
Berlin, 2. Okt. Ein großes Kesseltreiben ge-
gen die gegenwärtige Neichsregierung ist von -rechts
her in Gang gesetzt. In Bayern trotzt Kahr der
Reichsgewalt. Im Reiche selbst sind dieDeutsch -
nationalen daran, die bürgerlichen Parteien
durch die sog. Arbeitsgemeinschaft in ein Fahrwasser
zu drängen, das den Deutschnationalen den Weg zur
Macht ebnet, indem es gleichzeitig das Reich ins
Verderben führt. Die D eu tsch nationalen
zeigen in den letzten Tagen eine erhöhteAkti-
vität; es ist, als ob die Ereignisse in Bayern ihre
Zuversicht wesentlich gestärkt hätten, datz es
ihnen gelingen könnte, das Kabinett Stre se-
in annzuFall zu bringen und — zunächst wenig-
stens — einer „rein bürgerlichen", stark
rechts orientierten Regierung den Weg zu ebnen "
Aus eigener K-raft vernrögen sie mit par-
lamentarischen Mitteln dieses Ziel nicht zu erreichen,
ihre Werbe- und Wühlarbeit gegen das -Kabinett
Stresemann hat deshalb bei den bürgerlichen Par-
teien der Koalition eingesetzt, insbesondere bei der
Deutschen Volkspartei und beim Zentrum.
Die Entwicklung der Krise.
Berlin, 2. Okt. Die Retchsrsgterung beab-
sichtige, wie der Kanzler den Parteiführern mit-
teilte, im Reichstag ein E r m ächtigungsg
setz einzuvringen, das -dem Kabinett Vollmach-
ten geben soll, selbständige Maßnahmen auf sozial-
politischem, finanziellen« und wirtschaftlichem Ge-
biet zu treffen. Die Regierung -glaubt, datz sie in
der gegenwärtigen gespannten Lage einer solchen
Ermächtigung bedürfe, nm -ohne die Hemmungen
des normalen Gesetzgebungsbetriebos rasch arbei-
ten u. die schwere Ausgabe, die die Sinterung
der Währung und des Etats ihr stellen, ohne Ver-
zögerung durchführen zu können.
In Betracht gezogen ist dabei, wie man hört,
u. a- eine Vereinfachung des Steuersystems, Ab-
bau des Beamtenkörpers, Vereinfachung und Ver-
billigung der Sozialversicherung, mif der anderen
Seite Befreiung der Wirtschaft von gesetzlichen
Hemmungen wie DenwbtlniMiUngsbesttmmuugen
nnd dergleichen, die Möglichkeit besserer Ausnüt-
zung der Arbeitszeit innerhalb des Rahmens des
Achtstundentages, vielleicht auch Verlängerung der
Arbeitszeit tm Bergbau, dann Ueberwachung der
Preispolitik der Syndikate und Monopole durch
eine Art von Kartellgesetz usw. Die Verordnungen,
die die R-eichsregierung auf Grund des Ermächti-
gungsgesetzes erläßt, sollen -auf Verlangen des
Reichstages außer Kraft gesetzt werden können. Die
Ermächtigungen- sollen zunächst bis zum 31. Mär z
1924 gelten.
Ueber den Umfang dieser Errnächttgu-ngen er-
gaben sich weitgehende Meinungsverschie-
denheiten. Di« Sozialdemokraten er-
hoben Einwendungen gegen die Ausdehnung
ans Wirtschafts- und sozialpolitische Gegenstände,
auf der anderen Seite verlangte Dr. Scholz im
Namen -der Deutschen iVolkspartei, daß die Regie-
rung sich vom Achtstundentag gänzlich freimache
und diese Einstellung auch für die Durchführung
des Ermächtigungsgesetzes beibehalte.
Weitere Differenzen ergaben sich auch in Bezug
auf das Vorgehen gegen Bayern,
Eine weitere Komplikation brachte in die Lage
die Forderung -es Fraktionsführers der Deutschen
B-olkspartei, -daß die Koalition durch Einbeziehung
der Deutschnationalen erweitert werde und
datz innerhalb des Kabinetts personelle A-cn-
derungen vorgenommen würden. Man wollte
den -Gen. Dr. Hilferding, den besten Kopf int Ka-
binett au-ss-chisfen und Plätze für subalterne Helf-
ferichs wie unter Cuno schaffen.
Ferner wollte man auch in -er Außenpoli-
tik die von den Deutschnationalen empfohlenen
Wege gehest.
All dies mußte zu einer Krise führen.
Die Ergebnisse der Fraktionssitzungen
Berlin, 2. Okt. Im Laufe des Nachmittags
berieten die R e i ch s t a g s f r a k t-io n en über
ihre Stellung zu den Streitfragen, -i« in der Kon-
ferenz aufgetaucht waren. Die Sozialdemo-
kraten beschlossen in einer Resolution, die
Forderung der Deutschen Volkspartei nach Einbezie-
hung der- Deutschnalionalen in die Koalition und
Nach Aeuderung des Kabinetts unbedingt ab-
zulehneu und auch keinerlei Diskussion über die
grundsätzliche Geltung des Achtstundentages
zu,zulassen. Ebenso hielten sie au der Forderung fest,
daß der bayrische Ausnahmezustand alA-
bald beseitigt werden müsse.
Die Deutsche Volkspartei, in deren
Fraktionssitzung teilweise auch der Kanzler an-
wesend war, ließ anscheinend das Verlangen nach
Hereinnahme der Deutschnationalen fallen,
verlangte aber Personelle Aeuderung lm Wirtschasts-
minifterium und im Ernährungsministertum; däS
letztere wollten sie dem ihrer Fraktion an geh örenden
Führer des Reichslandbundes, Hepp, anvertraut
wissen. Sehr ausfällig war die Stellungnahme der
Deutschen Volkspartei gegen ihr- eigenes Mitglied,
den Wirtfchaftsminister v. Raumer. Es scheint,
daß Herr v. Raumer, obwohl bisher keine Klagen
laut geworden waren, der Fraktionsmehrheil, deren
Gewicht sich wieder stark nach rechts verschoben hat,
nicht mehr ganz zuverlässig zu sein scheint.
In der Fraktionssttzung des Zentrums
einigte Man sich darauf, im Prinzip an derGroßen
Koalition sestzuhalten, so daß die Hauptbesür-
wo-rter eines Kurswechsels, der Arbeitsminister
Brauns und Herr Stegerwald, ziemlich
isoliert blieben.
Die Demokraten erklärten sich ebenfalls da-
für, datz man jetzt durch Forderungen nach Erweite-
rung »der Umbildung des Kabinetts keine
Schwiertgkeitenschasfe, und stimmten dem
Vorschlag eines Ermächtigungsgesetzes iin Prinzip
zu. Ziemlich einmütig wurde in der Sitzung das
deutlich sichtbare Bestreben der Deutschen Volkspar-
tci ab gelehnt, die Sozialdemokraten
durch Forderungen, deren Annahme man ihnen von
vornherein nicht zumuten könne, aus dem Kabinett
hinauszumanövrieren.
Die Krise im Kabinett.
Berlin, 3. Ott. (Letzte Telsgr.) Ms die
Parteiführer abends um 7 Uhr beim K a n z-
ler erschienen, ergab sich sehr b-alld, Mtz man sich
im Laufe des Nachmittags eher entfernt als
genähert -hatte.
Herr v. Ranmer, der Wirtschastsministcr,
hatte schon vorher um 6 Uhr dem Reichskanzler
faine Demission eiugereicht. In der Konferenz
beim Reichskanzler erklärte der volksparteiliche
FraStdomsvorsitzende Scholz erneut, datz seine
Fraktion an der Forderung der Rückkehr zur Vor-
krie-gSarbeitsleistumg ohne Beschränkung durch eine
achtstündige Maximalarbeitsdauer festhalten müsse,
ebenso an dein Verhangen nach einem Wechsel
im Finanzministerium und der Besetzung
des Ernährnugsuiintst-erimnS mit einem Ver-
trauensmann der Landwirtschaft; das alles als
Voraussetzung für ihre Zustimmung zum Ermäch-
t-iginngsgesetz.
Die Sozialdemokraten lehnten es strikte
ab, von- dem Grundsatz des Uchtsinndeuwges ab-
zulassen-. Außerdem brachten sie zum Ausdruck, datz
sie einen Weichteil im Finanzministerium nicht zu-
lasten könnten u-itd von der Reichsrogieruug eine
alsbaldige -Klärung der Verhältnisse in Bayern
verlangten.
Am Schlüsse der Aussprache erklärte der
Reichskanzler selbst,
datz er jetzt keine Möglichkeit für en Kompromiß
mehr sehe.
Dv. Strssemann begab sich alsbald zum
Reichspräsidenten, um Wer die Lage Be-
richt zu erstatten.
Die S-oziMdenvokraten hielten am Abend noch
eine Fraktianssitzung ab, die jedoch nur kurze Zeit
dauerte. Sie entschlossen sich, ihre Minister in die
auf 1v Uhr amberwutnte KabinettNsltzung zu ent-
sendest wo sie die sozialdenwkratischen Forderun-
gen vertreten sollen.
Um 10 Uhr abends ist das R e ichskab in c t 1
zu einer Sitzung zusammengeireten, um zu der
Entwicklung der Lage Stellung zu nehmen. Die
Verhandlungen dauern um Z41 Uhr nachts noch an.
Um 9 Uhr abends begab sich der Reichs,
kanzler zum Reichspräsidenten. In den
Wandelgängen des Reichstags ist das Gerücht ver-
breitet, datz der Reichskanzler seine Demission
anbicten wolle. Diesem scheint jedoch die Tatsache
der zrabinettssitzung zu widerspreche,«.
v. Raumer und Luther zurückgetreten
Berlist 3. Okt. (Letzte Telegr.) Neben Re'chs-
wirtschaftsmiuifter v. Raumer ist auch der Er-
nährunssmintstcr Dr. Luther zurückgetreten
Die Reichstagsfitzung verschoben.
Berlin, 2. Ott. Die für H-eute abend einge-
setzte Reichstagstagung wurde verschoben.
M MgSlU ill NM.
Die Putschisten gefangen.
Es ist der Reichswehr gelungen, die
deutschv ölrisch en Putschisten in Kli-
st rin gefangen zu nehmen, so -atz die Bewe-
gung im Keime erstickt wurde. Um so interessanter
sind folgende Mitteilungen unseres Berliner Büros
über die Helden und Vorgänge in Küstrin. Es
Wird uns geschrieben: In der inneren Politik
rächen sich ebenso wie in der Außenpolitik die Un-
terlassungssünden des Kabinetts
Cuno, deren Folgewirkungrn leider auch von der
neuen Regierung nicht verhindert werden konnten.
Herr Cuno machte den besitzenden Schichten den Pa-
triotismus in jeder Beziehung leicht. Er veiizichtete
auf steuerliche Maßnahmen und ließ ihnen
freie Hand in der Vorbereitung umstürzlerischer Ab-
sichen. So konnten unsere Reaktionäre ihre Steu-
er n für den Staat geheimen R üst un ge n zu-
koininen lassen, die zum Teil tatsächlich auch glück-
ten, und als deren Ergebnis die letzten Vorgänge
tu Küstrin zu betrachten sind. Hier ha« ein alter
Kapp ist, ein Major a. D. Buchr ucker, ge-
glaubt, das Signal zuM Umsturz geben zu
können. In Begleitung einer großen Schar be-
waffneter Iü «rglinge, die sich nur dazu be-
rufen fühlen, -dem Volk die unbedingt notwendige
Ruhe zu nehmen und die ohne Vagabundenleben
nrcht -auskomme-n können, besetzte er am Montag
beim Morgengrauen die ohne Militär befindliche
Altstadt in Küstrin. Diesen Akt der Unvernunft
brauchen wir, nachdem erunblutigvcrlaufcn
ist, nicht zu bedauern. Er hat den Behörden neuen
Anlaß gsgebest besonders scharf -aus der Hut zu sein
und gegen die rechtsradikalen Organisationen einzu-
schreiten; er bewies aber fcrircr, daß die Reichs-
weh r i h r e n M a n n z n st e h e n bereit ist
und die Ulnstürzl-er sich auf ihre Sympathien in ge-
wissen Schichten unserer Weyruracht nicht allzu sehr
verlassen sollten.
Berlin, 2. Okt. Das Küstriner Aben-
teuer hat ein schnelles Ende gefunden. Ein
Einsatz der nach Küstrin herangezogenen Militär-
versiärkungen war nur in geringem Umfange not-
wendig. Die Aufständischen in einer Gesamtstärke
von etwa- 400 M a n n unter- einem Dutzend Rä-
delsführer sind restlos gefangen und ent-
waffnet worden. Boi der Säuberung -er Unr-
gebung von Küstrin ist noch eine Bande von etwa
30 Köpfen aus-gehoben worden. Das Feuerge-
fccht a-M gestrigen Abend brachte auf seilen der Auf-
ständischen einen Toten und einige Schwer-
verletzte und Leichlverwundete. Die Truppe
hat keine Verluste zu beklagen. Die nach Kü-
strin herangezogenen auswärtigen Truppen-
teile werden heute in ihre Standorte zurückkeh-
ren.
Die Lage im Reich.
Kahrs Regime.
München, 1. Oktober. (Ei-g. Bor.) Das am
Sonntag ausgesprochene Verbot -er S. A. wird am
Montag durch eine Verordnung im „Staatsa-nzei-
ger" in seinen Einzelheiten bekannt gemacht. Es er-
streckt sich auf die rechtsrheinischen Gebiete Bayerns,
Die Sicherheits- und Selbstschutzverbände und ähn-
liche Einrichtungen der sozialdemokratischen Partei
und der kommunistischen Partei werden verboten
und aufgelöst. Waffen, die den« Zweck der aufge-
lösten- Verbände gedient haben, insbesondere Schutz-
waffen mit Munition, Hieb- und Stichwaffen, sowie
Schl-agw-affen aus Gummi, Holz, Metall oder son-
stigen Stoffen sind dem Staat ohne Entschädigung
verfallen. Wer einem hiernach aufgelösten Verbände
angehört oder die Bildung eines neuen Verb-an-eS
anstelle des aufgelösten unternimnst, oder sich einem
solchen n-eichebildeten Verbände anschließt, oder eilten
solchen aufgelösten oder neugebildeten Verband
unterstützt, Wird mit Gefängni s, neben -ent auch
auf Geldstrafe, deren Höchstmaß beschränkt ist,
erkannt werden kann, bestraft.
M ü n ch e w 2. Ott. Der Kommandant der
sto -z t -a -st-i st i -s che n Sicherheitsabteilungen, Apo-
theker Buisso n, ist verhaftet worden.
Ein Streikverbot Kahrs.
München, 2. Okt. Wie aus -sm St-aatskom-
missariat verlautet, ist eine Streikveror-d--
n n n -g erlassen worden, die Stre i ks und A u S-
sPerrungen verbietet, ebenso jede Art von
Sabotage, d. h. widerrechtliche Stillegungen und
Hemmungen privater und öffentlicher Betriebe. Als
Stralfen .werden Ge jäu-gnis umd Geld-
Heidelberg, Mittwoch, den 3. Oktober 1923
Nr. 229
^«wartiae Mk. 80.-, Retlame-
(7imm breit) MI. LKV.-.
WAkWW'E
rryolunsen Nachlaß nach Taris.
nr dir «MWeStMlmm Sn WirWtte SrlSrldn«, MM. SWSew. Wism. NnSO, M«M. MA«, Wrlidew. Mrdera, imdnMMeA o. MMel»
MWH MM V^Ä MW MW ^Wl PottscheckkontoKarlsruheNr.AvTT.
^EM».V MW M. M. MV M M MM N MM.M «WKLM««»
WWW» WnMtWWW TerlaasanNalt E. vt.b.H., Heideb
M M berg.<Lcschcls«,ft-lle:Schtödi-isIrM.
V U Wk Tkl: Expedition LS73u.Rcdak.zNS,
Der Dolchstoß gegen das Reich.
Der Erfolg der deutschnationalen Wühlereien. — Die Haltlosigkeit der bürgerlichen Parteien. — RücktrL t
v. Räumers und Luthers. — Kabinettskrise.
8r. Heidelberg, 3. Oktober.
Das mittelalterliche Flagelantentum war eine
Aimide Voltserscheimmg gegen die Mi, wie heute
w Deutschland Politik getrieben wird. Statt wach
Abbruch des verlorenen Ruhrkrieges raschestens durch
^taktische Vorschläge an die Reparalions-
wninlkssion und durch eine energische Steuer-
Politik die Möglichkeit der Rückkehr normaler' Zu-
lande zu schaffen, rennt sich das deutsche Volk immer
Noch tiefer ins Elend hinein.
Die bayerische Sabotage des Reichsgedan-
l°ns, di« ein Signal zur Zusammenfassung
Mer positiv schassenden Kräfte der deutschen Repu-
hsik hatte sein müssen, hat leider keine Zunahme der
Einsicht in die Notwendigkeiten gebracht. Wenn auch
gewalttätige Rechtsputsch in Küstrin
*"kch zusammengebrochen ist, so scheinen dafür auf
U >nwegendie Feinde der Republik umso schneller
Ms Zwl gelangt zu sein. Die deutsch-nationale Un-
Wrminierung des Kabinetts Stresemann, von der
svsr gestern berichteten, hat in den bürgerlichen Par-
teien einen gewissen Erfolg gehabt. Die von jeher
wankelmütigen Kreise bei der Deutschen Liberalen
Aoilsparet und beim Zentrumsflügel Stegerwald
hüben Avgst davor bekommen, eine Politik r-« V er-
fand i g >l n g nach au Ken und eine kräftige Stcuer-
i'ouiik nach innen zu treiben und leisten den Deutsch-
Uüuoualen Beihilfe, das Kabinett Stresemann in
s?>ner jetzigen Form zu stürzen. Man möchte
den Gen. Dr. Httferdtng, weil er dem Besitz zu
nahe tritt, und den Gen. Radbruch beseitigen uno
dafür Deutschnationale ins Kabinett zu bringen und
Mbei neben anderem gleichzeitig dem Achtstun-
dentag die Gurgel zudreyen.
Der trockene Putsch der Deutschnationalen
bat bereits den Erfolg gehabt, daß die Deutsche Li-
berale Volkspartei den Reichswirtschwftsmtnister v.
^«Umer zwxückzieht, indem sowohl v. Ranmer
Md Reichsernährungsmin-ffter Dr. Luther ihr«
Demission eingereicht haben, und das ganze Kabinett
infolge dieser Vorgänge wurde die Reichstags-
sitzuttg verschoben — in s ch w erster Krise steht.
Daß für die Sozialdemokratie die Forderungen
^r Deutschen Liberalen Volkspartei gegen Hilser-
Achtstundentag, sowie Zusammenarbeit mit
den Deutschliationalen völlig undtskutabel
s^Nd, bedarf keiner Erläuterung. Die Sozialdemo-
Mte har mit ihrem Eintritt in dos Kabinett — wir
waren mit einem großen Teil der Parteigenossen
Magner dieses Eintritts, womit wir, Wie Wir heute
^h-en, nur zu recht hatten — im Interess e d es
Mchs Ees getan, nm die Existenz des Reiches
sichern und friedlichem Aufbau die Wege zu eb-
Mn. Stellen die bürgerlichen Parteien jedoch ihren
.El-beutel und nationalistisches Phrasenge-
^igel iiber das Reichsinteresse, so laden sie die Ve-r-
Mtwortung für alles, was kommt, auf sich.
Das deutsche Volk hat wahrlich an dem Kabi-
Eit Cuno, das indirekt von den Deutfchnatio-
Mn geführt wurde, genügsam gesehen, welcher Art
Erfolge der deutschnationalen
taatswetsheit sind. Wollest die bürgerlichen
''Men den Deutsch-nationalen helfen, den Dolch-
o si Segen -das jetzige Kabinett zu lenken, um ein
^"Vchna-tiouat orientiertes Kabinett zu errichten —
b -,'Fraukf. Ztg." hält bereits ein umgewandeltes
inet Stresemann, wobei an Stelle der Sozial-
t>," die Deutschnationalen treten, mit Diktw-
^^r bürgerlichen Mitte gegen die Sozialdemo-
i>oleiner deutschnational orientierten Außen-
für möglich — so wäre das gleichzeitig ein
ft " b gegen das Reich. Denn wo wir
Mti/" würden, wenn innenpolitisch mit deutsch-
wnalem Terror gegen die Arbeiterklasse und
gen politisch mit großer nationaler G e st e ge-
8ranzo-sgn regiert wird, dies auszurechnen
^hig^ ft^' Wder politisch halbwegs Znrechnuwgs-
^cheu m allerdings -leider ein Dell der deut-
unter geistiger Führung ihrer halb--
ien-en SpröUinge nicht denkt.
Die Wühlarbeit gegen die Regierung
Berlin, 2. Okt. Ein großes Kesseltreiben ge-
gen die gegenwärtige Neichsregierung ist von -rechts
her in Gang gesetzt. In Bayern trotzt Kahr der
Reichsgewalt. Im Reiche selbst sind dieDeutsch -
nationalen daran, die bürgerlichen Parteien
durch die sog. Arbeitsgemeinschaft in ein Fahrwasser
zu drängen, das den Deutschnationalen den Weg zur
Macht ebnet, indem es gleichzeitig das Reich ins
Verderben führt. Die D eu tsch nationalen
zeigen in den letzten Tagen eine erhöhteAkti-
vität; es ist, als ob die Ereignisse in Bayern ihre
Zuversicht wesentlich gestärkt hätten, datz es
ihnen gelingen könnte, das Kabinett Stre se-
in annzuFall zu bringen und — zunächst wenig-
stens — einer „rein bürgerlichen", stark
rechts orientierten Regierung den Weg zu ebnen "
Aus eigener K-raft vernrögen sie mit par-
lamentarischen Mitteln dieses Ziel nicht zu erreichen,
ihre Werbe- und Wühlarbeit gegen das -Kabinett
Stresemann hat deshalb bei den bürgerlichen Par-
teien der Koalition eingesetzt, insbesondere bei der
Deutschen Volkspartei und beim Zentrum.
Die Entwicklung der Krise.
Berlin, 2. Okt. Die Retchsrsgterung beab-
sichtige, wie der Kanzler den Parteiführern mit-
teilte, im Reichstag ein E r m ächtigungsg
setz einzuvringen, das -dem Kabinett Vollmach-
ten geben soll, selbständige Maßnahmen auf sozial-
politischem, finanziellen« und wirtschaftlichem Ge-
biet zu treffen. Die Regierung -glaubt, datz sie in
der gegenwärtigen gespannten Lage einer solchen
Ermächtigung bedürfe, nm -ohne die Hemmungen
des normalen Gesetzgebungsbetriebos rasch arbei-
ten u. die schwere Ausgabe, die die Sinterung
der Währung und des Etats ihr stellen, ohne Ver-
zögerung durchführen zu können.
In Betracht gezogen ist dabei, wie man hört,
u. a- eine Vereinfachung des Steuersystems, Ab-
bau des Beamtenkörpers, Vereinfachung und Ver-
billigung der Sozialversicherung, mif der anderen
Seite Befreiung der Wirtschaft von gesetzlichen
Hemmungen wie DenwbtlniMiUngsbesttmmuugen
nnd dergleichen, die Möglichkeit besserer Ausnüt-
zung der Arbeitszeit innerhalb des Rahmens des
Achtstundentages, vielleicht auch Verlängerung der
Arbeitszeit tm Bergbau, dann Ueberwachung der
Preispolitik der Syndikate und Monopole durch
eine Art von Kartellgesetz usw. Die Verordnungen,
die die R-eichsregierung auf Grund des Ermächti-
gungsgesetzes erläßt, sollen -auf Verlangen des
Reichstages außer Kraft gesetzt werden können. Die
Ermächtigungen- sollen zunächst bis zum 31. Mär z
1924 gelten.
Ueber den Umfang dieser Errnächttgu-ngen er-
gaben sich weitgehende Meinungsverschie-
denheiten. Di« Sozialdemokraten er-
hoben Einwendungen gegen die Ausdehnung
ans Wirtschafts- und sozialpolitische Gegenstände,
auf der anderen Seite verlangte Dr. Scholz im
Namen -der Deutschen iVolkspartei, daß die Regie-
rung sich vom Achtstundentag gänzlich freimache
und diese Einstellung auch für die Durchführung
des Ermächtigungsgesetzes beibehalte.
Weitere Differenzen ergaben sich auch in Bezug
auf das Vorgehen gegen Bayern,
Eine weitere Komplikation brachte in die Lage
die Forderung -es Fraktionsführers der Deutschen
B-olkspartei, -daß die Koalition durch Einbeziehung
der Deutschnationalen erweitert werde und
datz innerhalb des Kabinetts personelle A-cn-
derungen vorgenommen würden. Man wollte
den -Gen. Dr. Hilferding, den besten Kopf int Ka-
binett au-ss-chisfen und Plätze für subalterne Helf-
ferichs wie unter Cuno schaffen.
Ferner wollte man auch in -er Außenpoli-
tik die von den Deutschnationalen empfohlenen
Wege gehest.
All dies mußte zu einer Krise führen.
Die Ergebnisse der Fraktionssitzungen
Berlin, 2. Okt. Im Laufe des Nachmittags
berieten die R e i ch s t a g s f r a k t-io n en über
ihre Stellung zu den Streitfragen, -i« in der Kon-
ferenz aufgetaucht waren. Die Sozialdemo-
kraten beschlossen in einer Resolution, die
Forderung der Deutschen Volkspartei nach Einbezie-
hung der- Deutschnalionalen in die Koalition und
Nach Aeuderung des Kabinetts unbedingt ab-
zulehneu und auch keinerlei Diskussion über die
grundsätzliche Geltung des Achtstundentages
zu,zulassen. Ebenso hielten sie au der Forderung fest,
daß der bayrische Ausnahmezustand alA-
bald beseitigt werden müsse.
Die Deutsche Volkspartei, in deren
Fraktionssitzung teilweise auch der Kanzler an-
wesend war, ließ anscheinend das Verlangen nach
Hereinnahme der Deutschnationalen fallen,
verlangte aber Personelle Aeuderung lm Wirtschasts-
minifterium und im Ernährungsministertum; däS
letztere wollten sie dem ihrer Fraktion an geh örenden
Führer des Reichslandbundes, Hepp, anvertraut
wissen. Sehr ausfällig war die Stellungnahme der
Deutschen Volkspartei gegen ihr- eigenes Mitglied,
den Wirtfchaftsminister v. Raumer. Es scheint,
daß Herr v. Raumer, obwohl bisher keine Klagen
laut geworden waren, der Fraktionsmehrheil, deren
Gewicht sich wieder stark nach rechts verschoben hat,
nicht mehr ganz zuverlässig zu sein scheint.
In der Fraktionssttzung des Zentrums
einigte Man sich darauf, im Prinzip an derGroßen
Koalition sestzuhalten, so daß die Hauptbesür-
wo-rter eines Kurswechsels, der Arbeitsminister
Brauns und Herr Stegerwald, ziemlich
isoliert blieben.
Die Demokraten erklärten sich ebenfalls da-
für, datz man jetzt durch Forderungen nach Erweite-
rung »der Umbildung des Kabinetts keine
Schwiertgkeitenschasfe, und stimmten dem
Vorschlag eines Ermächtigungsgesetzes iin Prinzip
zu. Ziemlich einmütig wurde in der Sitzung das
deutlich sichtbare Bestreben der Deutschen Volkspar-
tci ab gelehnt, die Sozialdemokraten
durch Forderungen, deren Annahme man ihnen von
vornherein nicht zumuten könne, aus dem Kabinett
hinauszumanövrieren.
Die Krise im Kabinett.
Berlin, 3. Ott. (Letzte Telsgr.) Ms die
Parteiführer abends um 7 Uhr beim K a n z-
ler erschienen, ergab sich sehr b-alld, Mtz man sich
im Laufe des Nachmittags eher entfernt als
genähert -hatte.
Herr v. Ranmer, der Wirtschastsministcr,
hatte schon vorher um 6 Uhr dem Reichskanzler
faine Demission eiugereicht. In der Konferenz
beim Reichskanzler erklärte der volksparteiliche
FraStdomsvorsitzende Scholz erneut, datz seine
Fraktion an der Forderung der Rückkehr zur Vor-
krie-gSarbeitsleistumg ohne Beschränkung durch eine
achtstündige Maximalarbeitsdauer festhalten müsse,
ebenso an dein Verhangen nach einem Wechsel
im Finanzministerium und der Besetzung
des Ernährnugsuiintst-erimnS mit einem Ver-
trauensmann der Landwirtschaft; das alles als
Voraussetzung für ihre Zustimmung zum Ermäch-
t-iginngsgesetz.
Die Sozialdemokraten lehnten es strikte
ab, von- dem Grundsatz des Uchtsinndeuwges ab-
zulassen-. Außerdem brachten sie zum Ausdruck, datz
sie einen Weichteil im Finanzministerium nicht zu-
lasten könnten u-itd von der Reichsrogieruug eine
alsbaldige -Klärung der Verhältnisse in Bayern
verlangten.
Am Schlüsse der Aussprache erklärte der
Reichskanzler selbst,
datz er jetzt keine Möglichkeit für en Kompromiß
mehr sehe.
Dv. Strssemann begab sich alsbald zum
Reichspräsidenten, um Wer die Lage Be-
richt zu erstatten.
Die S-oziMdenvokraten hielten am Abend noch
eine Fraktianssitzung ab, die jedoch nur kurze Zeit
dauerte. Sie entschlossen sich, ihre Minister in die
auf 1v Uhr amberwutnte KabinettNsltzung zu ent-
sendest wo sie die sozialdenwkratischen Forderun-
gen vertreten sollen.
Um 10 Uhr abends ist das R e ichskab in c t 1
zu einer Sitzung zusammengeireten, um zu der
Entwicklung der Lage Stellung zu nehmen. Die
Verhandlungen dauern um Z41 Uhr nachts noch an.
Um 9 Uhr abends begab sich der Reichs,
kanzler zum Reichspräsidenten. In den
Wandelgängen des Reichstags ist das Gerücht ver-
breitet, datz der Reichskanzler seine Demission
anbicten wolle. Diesem scheint jedoch die Tatsache
der zrabinettssitzung zu widerspreche,«.
v. Raumer und Luther zurückgetreten
Berlist 3. Okt. (Letzte Telegr.) Neben Re'chs-
wirtschaftsmiuifter v. Raumer ist auch der Er-
nährunssmintstcr Dr. Luther zurückgetreten
Die Reichstagsfitzung verschoben.
Berlin, 2. Ott. Die für H-eute abend einge-
setzte Reichstagstagung wurde verschoben.
M MgSlU ill NM.
Die Putschisten gefangen.
Es ist der Reichswehr gelungen, die
deutschv ölrisch en Putschisten in Kli-
st rin gefangen zu nehmen, so -atz die Bewe-
gung im Keime erstickt wurde. Um so interessanter
sind folgende Mitteilungen unseres Berliner Büros
über die Helden und Vorgänge in Küstrin. Es
Wird uns geschrieben: In der inneren Politik
rächen sich ebenso wie in der Außenpolitik die Un-
terlassungssünden des Kabinetts
Cuno, deren Folgewirkungrn leider auch von der
neuen Regierung nicht verhindert werden konnten.
Herr Cuno machte den besitzenden Schichten den Pa-
triotismus in jeder Beziehung leicht. Er veiizichtete
auf steuerliche Maßnahmen und ließ ihnen
freie Hand in der Vorbereitung umstürzlerischer Ab-
sichen. So konnten unsere Reaktionäre ihre Steu-
er n für den Staat geheimen R üst un ge n zu-
koininen lassen, die zum Teil tatsächlich auch glück-
ten, und als deren Ergebnis die letzten Vorgänge
tu Küstrin zu betrachten sind. Hier ha« ein alter
Kapp ist, ein Major a. D. Buchr ucker, ge-
glaubt, das Signal zuM Umsturz geben zu
können. In Begleitung einer großen Schar be-
waffneter Iü «rglinge, die sich nur dazu be-
rufen fühlen, -dem Volk die unbedingt notwendige
Ruhe zu nehmen und die ohne Vagabundenleben
nrcht -auskomme-n können, besetzte er am Montag
beim Morgengrauen die ohne Militär befindliche
Altstadt in Küstrin. Diesen Akt der Unvernunft
brauchen wir, nachdem erunblutigvcrlaufcn
ist, nicht zu bedauern. Er hat den Behörden neuen
Anlaß gsgebest besonders scharf -aus der Hut zu sein
und gegen die rechtsradikalen Organisationen einzu-
schreiten; er bewies aber fcrircr, daß die Reichs-
weh r i h r e n M a n n z n st e h e n bereit ist
und die Ulnstürzl-er sich auf ihre Sympathien in ge-
wissen Schichten unserer Weyruracht nicht allzu sehr
verlassen sollten.
Berlin, 2. Okt. Das Küstriner Aben-
teuer hat ein schnelles Ende gefunden. Ein
Einsatz der nach Küstrin herangezogenen Militär-
versiärkungen war nur in geringem Umfange not-
wendig. Die Aufständischen in einer Gesamtstärke
von etwa- 400 M a n n unter- einem Dutzend Rä-
delsführer sind restlos gefangen und ent-
waffnet worden. Boi der Säuberung -er Unr-
gebung von Küstrin ist noch eine Bande von etwa
30 Köpfen aus-gehoben worden. Das Feuerge-
fccht a-M gestrigen Abend brachte auf seilen der Auf-
ständischen einen Toten und einige Schwer-
verletzte und Leichlverwundete. Die Truppe
hat keine Verluste zu beklagen. Die nach Kü-
strin herangezogenen auswärtigen Truppen-
teile werden heute in ihre Standorte zurückkeh-
ren.
Die Lage im Reich.
Kahrs Regime.
München, 1. Oktober. (Ei-g. Bor.) Das am
Sonntag ausgesprochene Verbot -er S. A. wird am
Montag durch eine Verordnung im „Staatsa-nzei-
ger" in seinen Einzelheiten bekannt gemacht. Es er-
streckt sich auf die rechtsrheinischen Gebiete Bayerns,
Die Sicherheits- und Selbstschutzverbände und ähn-
liche Einrichtungen der sozialdemokratischen Partei
und der kommunistischen Partei werden verboten
und aufgelöst. Waffen, die den« Zweck der aufge-
lösten- Verbände gedient haben, insbesondere Schutz-
waffen mit Munition, Hieb- und Stichwaffen, sowie
Schl-agw-affen aus Gummi, Holz, Metall oder son-
stigen Stoffen sind dem Staat ohne Entschädigung
verfallen. Wer einem hiernach aufgelösten Verbände
angehört oder die Bildung eines neuen Verb-an-eS
anstelle des aufgelösten unternimnst, oder sich einem
solchen n-eichebildeten Verbände anschließt, oder eilten
solchen aufgelösten oder neugebildeten Verband
unterstützt, Wird mit Gefängni s, neben -ent auch
auf Geldstrafe, deren Höchstmaß beschränkt ist,
erkannt werden kann, bestraft.
M ü n ch e w 2. Ott. Der Kommandant der
sto -z t -a -st-i st i -s che n Sicherheitsabteilungen, Apo-
theker Buisso n, ist verhaftet worden.
Ein Streikverbot Kahrs.
München, 2. Okt. Wie aus -sm St-aatskom-
missariat verlautet, ist eine Streikveror-d--
n n n -g erlassen worden, die Stre i ks und A u S-
sPerrungen verbietet, ebenso jede Art von
Sabotage, d. h. widerrechtliche Stillegungen und
Hemmungen privater und öffentlicher Betriebe. Als
Stralfen .werden Ge jäu-gnis umd Geld-