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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 281 - Nr. 290 (3. Dezember - 13. Dezember)
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Nr. 285

5. Jahrgang

Heidelberg, Freitag, den 7. Dezember 1923

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Anzeigentarif: Die einsp.Petckzecke Wa MM MW MW MW» WA P^W iKs^WM Postscheckkonto KarlsruheNr.LLvL
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W»gW Skl WIMMS M W EllllSWgWSM.

* Heidelberg, 7. Dezember.
Irr nlechanischer Reihenfolge türmen sich die Fol-
gen der Fehler der deutschen Politik. Was wir heute
mit dem geradezu unfaßbare «Tohuwabohu
der deutschen Politik ernten, ist die Saal einer
„Staatsmamrskunst", die außenpolitisch an Stelle
der Er-fllllnngspoMk die gepanzerte Faust — mit
einem Federhalter in der Höhlung — u-nd innen-
politisch an Stelle der Demokratisierung den Aus-
nahmezustand im Permanenz — mit rechtsradikalen
verbänden im Hintergrund — setzte.

Nun find wir inmitten unsäglicher Schwierig-
keiten, aus der selbst ein staatsmäiMifches Genie —

und solche sind in Deutschland bekanntlich sehr dünn

gesät — kaum mehr einen Ausweg finden dürfte.
Bei all dem werden jedoch mit einer gewissen Absicht
noch weitere Hemmnisse herbeigeschleppt. Denn was
wir in letzter Zeit an Krisen erlebten, sind Dinge,
die geschaffen wurden von der Renitenz der bürger-
lichen Parteien gegen eine fortschrittliche Entwicklung
der deutschen Republik. Es wäre der bürger-
lichen Regierung ein Leichtes, durch Aufhebung
des militärischen Ausnahmezustandes eine Erleich-
terung unserer iunenpolitischen Lage zu schaffen,

ebenso wie es ihr ein Gebot der Staatsräson sein
wußte, j-n Bayern Mr Ordnung zu sorgen.
Nichts anderes ist es mit dem jetzt schon einige
Monate währenden Kampf um die immer Widder
den eingebrachten Ermächtigungsgesetze.
Statt durch eine klare, republikanische und Verständi-
gungspolitik der Staatsautorität innen- und außen-
bolltisch Geltung zu verschaffen, wird versucht, durch
f o r m a l e Maßregeln den altersschwach gewordenen
Reichstag zu stützen — ein Ding der Umnöglichkeit.
So wursteln wid denn weiter, statt durch ent-
schiedene Maßnahmen Wege zur Besserung zu gehen.
Ob durch Annahme oder durch Fall des Ermächti-
gungsgesetzes die Lebensdauer des Reichstags noch
»n einige Wochen mehr oder weniger verlängert
wird, ist gegenüber der Gesamftentwicklung der deut-
schen Politik belanglos. Die deutsche Politik ver-
langt dringend eine klare Zielrichtung. Diese kaum
aber nicht gegeben werden durch Krücken, sondern
durch die Willenskundgebung des Volles. Ans die-
sem Grunde können und dürfen die R-eichstagswah-
wn mchj mehr allzu lange hinausgeschoben werden,
wenn es auch nicht notwendig ist, den WahltcrrUin
Serade nach dem Wunsch der DeutschNKtionaleu sest-
wlegen. Trotz allar Schwierigkeiten kann die So-
zialdemokratie ruhigen Gewissens tu den
Sahlkamps ziehen, wenn sie durch ein scharf umriffe-
Ues Aktionsprogramm, das sich im Rahmen
dessen hält, was in heutigen Verhältnissen möglich,
Win Volke den Weg nach aufwärts zeigt. Gin sol-
Wez Aktionsprogramm, frei von Rücksichtsuahmc auf
"schtsozialistische Volksströmnngon einerseits, wie von
s'wnmuuistifchen Phantastereien anderseits, ist aller-
dchgs die Voraussetzung eines solchen Wahlkampfes,
dw mit Taktik allein nicht-bestritten werden kann.

Die Abftimmungsverhältnifse
im Reichstag.
Berlin, 6. Dez. Die Abstimmungen über die
Paragraphen des Ermächtigungsgesetzes zeigen, daß
Wh dxx Zustimmung eines Teiles der sozialde-
ioiratischcn Fraktion noch 2 5 Stimmen zur Ge-
wstmigung des Ermächtigungsgesetzes fehlen,
^'ervon könnte die Regierungskoalition (Zentrum,
E^.wokraten, Deutsche Volkspartei) noch etwa 14
whtt""en aufvringen, so daß immer noch ein Dutzend
d Berlin, 6. Dez. Wie weit das Machtgefühl
Herren Jarres und Konsorten geht, zeigte sich
' dem Verlangen, daß sich der Reichstag bis
31. Januar vertagen sollte. Infolge
s, * Schwierigkeiten, die die Sozialdemokratie hier-
üen machte, zog die Regierung jedoch diesen Antrag
will es dem Präsidenten des Retchs-
W überlassen, den Zeitpunkt der nächsten Sitzung
' bestimmen.

Ein Ausschluß aus der sozial-
demokratischen Fraktion.
dx kltu, 6. Dez. (Letztes Telsgr.) Die sozial-
der "tische Reichstagsfr-aktion hat
b»i ^rankf. Zig." zufolge beschlossen) am Samstag
v r r s" ewtscheideuden Absttmmung über das Gesetz
d. h WärftenFraktlonszwang auszuAbeir,
wre Mitglieder zu verpflichte»^ foivett sie in

Berlin anwesend sind, sich an der Abstimmung zu
beteiligeit und für das Gesetz zu stimmen.
Der frühere unabhängige Abgeordnete Hoff-
mann- Schmargendorf, der Heute bei den nmnent-
kichen Abstimmungen über die beiden Paragraphen
des Gesetzes mit Nein gestimmt hatte, wurde aus
der Fraktion ausgeschlossen.
Die dritte Lesung
des Ermächtigungsgesetzes.
Berlin, 6. Dezember.
Der Reichstag lehnte zu Beginn der Sitzung
das Mißtrauensvotum der Kommuni-
sten gegelt die Regierung gegen die Stimmen der
Kommunisten und der Deutschvölkischen ab, ein An-
trag auf namentliche Abstimmung findet nicht genü-
gende Unterstützung. Hierauf folgt die
dritte Lesung des Ermächtigungsgesetzes.
Abg. Wulle (Dtschv.) wendet sich gegen das
Ermächtigungsgesetz und gegen das Bankvapilal.
Abg. Feh«! (Bayr.Bbd.) erklärt, daß der Baye-
rische Bauernbund dem Ermächtigungsgesetz nicht
zustimmen könne.
Abg. Ledebour wendet fick) gegen das Verbot
der kommunistischen und drutschvölkischen Partei.
Abg. Hild enbraud (Soz.) erklärt, diie Völki-
schen, die gern anderen Abgeordneten Diätenfucht
vorwerfen, seien am eifrigsten bet deren Einziehen.
Abg. Stöcke«? (Komm.) äußert, die Reden der
letzten Tage sowohl der bürgerlichen Parteien wie
der Sozialdemokraten seien eitel Heuchelei. Es fft
nur -ebne Frage von zwei oder drei Wochen, bis wir
eine autonome Rheinische Republik be-
kommen, -die nur in sehr losem Zusammen-
h aug m itdem Reich und in keinem Zufammen-
lMug-mit Preußen steht. Die Träger dieser Woraus
gefährlichen Entwicklung find die Reichsröglerung,
die Schwerindustrie, die bürgerlichen Parteien und
die Sozialdemokraten. Die Kommunistische Partei
wird solche Bestrebungen nie mitmachon. Dagegen
find die Führst der Sozialdemokraten umg« fallen.
Der Abg. Meerseld war beteiligt an der Be-
sprechung mit den« franzöfischsn General Dirard
über -sin-e AeNderung des staatsrechtliche« Verhält-
nisses der Rheinlands. (Hört, hört! bei den Kommu-
nisten.)
Abg. Sollmann (Soz.) weift diese Angriffe
zurück. Die Sozialdemokratie halte daran fest, daß
die Verbindung des Rheinlanides mit dem Deutschen
Reich und mit Preußen nicht gelöst werden dürfe.
(Beifall.) Abg. Meerseld halbe dem General! Tirard
erklärt, er werde nicht über Loslösungs-
pläne verhandeln, sonst winde er von der rheini-
schen Bevölkerung mit Recht totgeschbagen werden.
(Beifall.)
Abg. Guerard (Ztr.) erklärt, es sei unter sei-
ner Würde, ans die Verleumdungen des Zentrums
durch den Abg. Stöcker zu antworten.
ReickfssinaMMinister Dr. Luther nimmt Stel-
lung zu einem inzwischen von den Deutschnationalen
eingebrachten Antrag, wonach die Ermächtigung sich
nicht auf die AeNderung der währungsgesetz-
lich en Bestimmungen über die Rentenmark
erstrecken soll. Die Regiermrg stimknt mit der Ab-
sicht der Antragsteller, jede Gefährdung.dar Renten-
mark unmöglich zu machen, völlig überein. Der Weg
der Inflation ist durch die R-sntenrnark verstopft.
Der jetzige Preisabbau ist durch die Rentenmark
verursacht. Die Reichsregierung wird das Ermäch-
tigungsgesetz nicht benutzen, um die prozentual« Be-
lastung des -Grundbesitzes irgendwie zu erhöhe«.
Die Regierung bittet dennoch um Ablehnung des
Antrags, weil die von der Regierung beabsichtigte -
allmähNche Aufhebung der Zwangswirtschaft bei
den Mieten gewisse formale Aendernngen nötig
machen könnte.
Abg. Dr. Reichen (D.N.) ist durch diese Er-
klärung des Reichssinanßministers befriedigt und ver-
zichtet auf eine Abstimmung über den Antrag.
Abg. Frölich (Komm.) protestiert dagegen, daß
die Kommunisten aus dem parlamentarischen
Ueberwachungsausschutzsernge halten
werden sollen. Sein Antrag, den Ucberwachungs-
ausschnß zum Erinächtigu-ngs-gesetz von 15 auf 21
Mitglieder zu verstärke n, wird abgelehnt.
Angenommen Wird ein Antrag der MittAparteien,
wonach der Reichstagsausfchuß auch über Anträge
zu Verordnungen auf Grund des alte« Ermäch-
tigungsgesetzes ZU hören ist.
Dann folgen die
Abstimmung und Vertagung,
über das ErMächsigWigsgesetz.
8 1 wird mit 282 gegen 7S Stimme« bet vier Ent-
haltungen angenommen. Dagegen stimmten die
Deutschnationalen, die Deutschvölkischen, der Baye-
rische BaucrnSuud, die Unabhängigen und die Kom-
munisten.

8 2 wird gleichfalls in namentlicher Abstimmung
mit 278 gegen 81 Stimmen angenommen.
Präsident Löbe verliest hierauf einen Antrag
des Zentrums, die entscheidende Schlutzab st im-
mun g auf Samstag zu vertagen. (Aha!-Rufe
und Gelächter rechts.)
Abg. Schultz-Bromberg (D.N.): Dieser
Antrag ist das Unglaublichste, was je vorgekommen
ist. Mitten in der Schlacht blasen Sie „Das Gamze
Halt!" Draußen wartet das Volk ans die Entschei-
dung. Sle aber, die Sie so ost vom der Würde des
Parlaments reden, bieten jetzt das allekblamav elfte
Schauspiel aus Angst vor den Wahlen. (Beifall
rechts.)
Abg. Dr. Koch-Weser (Dem.): Wenn jetzt die
Slbstimmung ausgefchoben werden Mntz, so sind die
Deutschnationalen daran schuld, weil sie
auf die Frage der Parteien und des Reichskanzlers,
ob ste bei der Schlußabstimmumg im Saal« bleiben
wollen, bis jetzt die Antwort verweigern und das
Parlament dadurch in eine Situation gebracht ha-
ben, Wie sie sonst nur beim Pokerfpiel oder beim
Viehkauf möglich ist. (Lebhafte Zustimmung.) Im
Augenblick der höchsten Not des Vaterlandes treiben
Die Schiudluder Mt den höchsten Interessen des
Vaterlandes. (Beifall und Widerspruch.)
Abg. v. Graefe (Dtschv.) HM es für unzu-
lässig, mitten in der Abstimmung die Vertagung
vorzwrchmen.
Abg. Hergt (D.N.) erklärt, die Deutschnationa-
len hätten nur deshalb noch nicht über die Frage
ihres Meidens bei der Abstimmung entscheiden
können, weil der Roichs-kanzler noch nicht gesagt habe,
was er bei einem Scheitern des Ermächtigungsge-
setzes tun wolle. Die Deutschnalionale Volkspartei
lege den größten Wert ans schleunige Neu-
wahlen.
Abg. Wecker-Arnberg (Ztr.) verurteilt
scharf die deutschnattonalen Obstruktionsab-
sichte«. Nicht Mts Angst vor den Wahlen wolle
die Mehrheit die Auslösung vermeiden, sondern weil
die nationalsten Männer im besetzten Gebiet Wah-
len tu der jetzigen Zeit für eine schwere Gefahr
halten.
Nach einer Reihe persönlicher Bemerkungen wird
die Vertagung der Schlußabstimmumg
auf Samstag gegen die Deutschnationalen, Völ
ktschen und Kommunisten beschlossen.
Ein Ueberwachungsausschuß nach der Reichstags-
auflösung.
Ein Antrag Löbe (Soz.), wonach der parlamen-
tarische Ueberwachungsausschuß auch bei
RetchstagsauflSsungen wetterarbetten sott,
wird mit der für Verfassungsänderungen erforder-
ltchen Zweidrittelmehrheit angenommen.
Hierauf vertagt sich der Reichstag auf Sams-
tags Uhr. Auf der Tagesordnung stehen neben der
Schlutzabstimmung über das Ermächtigungs-
gesetz das Reichstagswahlgefetz und das
Gesetz über den Volksentscheid.

öiMmMlie ».kmilWglWsM.
Won Friedrich Stanrpfer.
Der „Sozialdemokratische Parlaments-
dienst" sendet uns folgenden Rechtferti-
gungsversuch der Zustimmung zum Er-
mächtigungsgesetz, der gleichzeitig die
Zerfahrenheit der Verhält-
nisse grell beleuchtet:
Der Beschluß der Sozialdemokratischen Reichs-
lagssraktion, für das Ermächtigungsgesetz
zu stimmen, war eine Ueverrafchung für
Freund und Fei'ud, für die Presse, die. die Ableh-
nung erwartet hatte, ja vielleicht auch für einen
Teil der Abgeordneten selbst, die nach Berlin ge-
kommen waren in der festen Meinung, daß an der
Ablehnung nichts inehr zu ändern sei und die dann
doch selber das entgegengesetzte Resultat mitcher-
beiführen halfen.
Das Ermächtigungsgesetz für die Regierung
Stresemann war nur mit Hängen und Wür-
gen zustande gekommen^ obwohl ihr damals vier
Sozialdemokraten angehörtsn. Es fiel, weil die
Soztaldenrokvatcn aus der Regierung ausiraten.
Die neue Regierung Marx Wan nun eine veränderte,
nicht verbesserte, soudsrn eher verschlechterte Regie-
rrmg Stresemann. Hatte man dieser das Lebens-
licht ausgeblasen, wie konnte man ihren Nachfol-
gerin das Recht geben, unter Ausschaltung des
Reichstags Verordnungen mit gesetzlicher Kraft zu
erlassen?
Allerdingst mit solchen Schlußfolgerungen Mar-
schierte man geradewegs auf eine Wand zu. Das
wußten alle. Die Maßnahmen, die in größter Eile
getroffen werden müssen, um den Etat zu balaugie-
ren, Geld in die Kassen zu bringen — wertbestän-
diges Gelb! — und die Wirtschaft wieder zu be-
leben, können nicht vom Reichstag in -ein, zwei,
drei Lesungen, wochenlangeu Ausschuß- und Ple-
URvbemtnng-M znstamdegebracht werden. Geht es
«W «M dem EtmächlilMMüSgZetz, so geht es mit,

dem Artikel 48! Und macht der Reichstag nicht
mit, so muß er aufgelöst werden! Dann gibt
es Neuwahlen unter dem militärischen Ausnahme-
zustand, dann ergibt sich vielleicht, daß das besetzte
Gebiet überhaupt nicht wählen kann, wird der Riß
Mischen dem Reich mud ihm unheilvoll erweitert.
Ja, vielleicht kommt es zu den Neuwahlen Wer-
lsanpt nicht, segeln wir in irgendetwas nicht Vor-
auAzusehendes, Unbekanntes hinein. Wer — was
hiltfs? Es geht nun einmal nicht anders!
So ungefähr war die Stimmung eines großen
Teils der sozialdemokratischen Abgeordiieten, als sie
nach Berlin fuhren. Es war eine Stimmung des
Fatalismus. Mer man soll kein Fatalist
sein, sondern die Dinge zu meistern suchen, soweit
man irgend kamt. Rasch gewann di« Ueberzeugung
die Oberhand, daß die Fraktion sich in einer takti-
schen Schwenkung entschließen mußte, wenn
sie nicht in Belagenmgswahlen und in einen Aus-
nahmezustand von unbegrenzter Dauer und unav-
sehbansn Folgen himetnfchlittern wollte:
Erleichtert wurde die Entscheidung durch einen
Beschluß des Reich-skabinetts, das Ermächtigungs-
gesetz in der Richtung auf die sozialdemokratifchen
Wünsche umzugestalten. Man sage nicht, daß
der Fünfzehnerausschuß, der vor Erlaß der Ver-
ordwungen gehört werden muß, bedeutungslos- sei.
Hier kann es der» Sozialdemokraten gelingen, sei es
allein, sei es mit Hilfe anderer, die Regierung da-
von zu überzeugen, daß sie sich aus falschen Wegen
befindet. Das Druckmittel einer ReichKtaMetnDe-
rufung und eines Antrags auf Aufhebung erlasse-
ner Verordnungen kann die U-eberzeugnngskmft so-
zialdemokratischer Argumente nur verstärken.
Die Fraktion faßte den Entschluß nicht in der
Absicht, der Regierung Marx «in Vertrauensvotum
auszustellen, beileibe uichl! Eher könnte -man um
gekehrt sagen: Die Fraktion hat keine Lust, einer
Regierung die grenzenlosen Vollmachten -es Art. 4-
in die Hand zu geben, darum stimmt sie für ein
Erinächtigjungsgesetz, das diese Voltmachten enge»
umgrenzt.
Aas -Geschrei der Rechten Wer die angebliche
Watz langst der Sozialdemokratie kann
uns nicht im geringsten imponieren. In ein paar
Monaten, ich nächsten Frühjahr wird man ja sehen,
üb die Sozialdemokratie Grund zur „Angst" hatü
oder nicht. Esel wären wir, wenn wir Mich nur
die geringste Konzession machten, nm eine „Galgen-
frist" zu gewinnem das würde uns doch nichts Hel-
sen. Aber nicht «Ander wären wir Esel, wenn wir
uns Wahlen auszwingen ließen just in den
Augenblick, der den Herren von rechts am besten
gefällt. Freilich nur den ganz Unverantwortlichen
unter ihnen! Diejenigen, die noch ein wenig Ver-
antwortungsgefühl besitzen, Missen zugeben, daß
man nicht wählen kann, ehe nicht die freie Beteili-
gung der Rhein und Ruhrvevölkernug -gesichert ist,
weil man sonst leicht eine Katastrophe für die
Reichseinheit her-ahsbeschwören könnte.
Natürlich konnte man darüber, was die Fraktion
tun sollte, zweierlei Meinung fett». Das
beweist schon das Mstimmungsergebms: 73:53.
Man könnt« sich auf den Standpunkt stellen: „Die
Sache ist im Rollen und -auf ein Paar Scharben mehr
oder weniger k.ommt es schon nicht mehr M."

Internationale Lage.
Die Verträge mit der Mieum.
Paris, 6. Dez. Die Abmachungen zwischen
Mieum und Industrie sind nunmehr auch i-n Spe-
zialverträgen festg-el-egt worden. Damit hat sich die
gesamte westdeutsche Schwerindustrie der Kon-
trolle der französifch-be-lgifckien Okkupation-ZVehör-
den unterstellt.
London, 6. Dez. Die „Times" bezeichnet das
sranzösiich-deutsche Abkommen über die Regte-
bahnen als eine bedeutende französische Konzession
insoweit als der gesamte Wagenpark deutsch bleibt
und die deutsche Zentrale darüber disponiert.
Die „Times" fügt hinzu, daß der Erfolg nunmehr
vom beiders-eitlgcn guten Willen abhängt.
Elberfeld, 6. Dez. (Eig. Bericht.) Die Ver-
handlungen über die Arbeitsaufnahme bzw.
die Vorarbeiten zur Wiederaufnahme der Arbeit im
Bergbau find überall im Gange. Gleichzeitig wer-
den aber in anderen Werken planmäßig Ar-
beiterentlassungen vorgenommen. M-tt der
Verwirklichung des Ab schubs von 30 Prozent
überflüssiger Arbeiter ans dem Ruhrgebiet mnß ge-
rechnet werden. Die Einstellungen von Arbeiter«
erfolgen nach den bekannten neuen Richtlinien!,
Einige Werke beabsichtigen nur unverheiratet«
Arbeiter einzustellen, nm dadurch die sozialen
Gehaltszulagen zu vermeiden.
Zusammenstöße.
In Bochum kam eS neuerdings am Mittwoch
vormittag noch zueitrer Bergarbeiterdemon«
ftration vor dem Landratsamt und -auch iß
Eickel bei Wanne fanden zur gleichen Zeit Er-
werbMoseMMw «straft statt. Hier zogen die
 
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