Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 261 - Nr. 270 (9. November - 20. November)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48728#0287

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bezugspreis einschl. Trägerlrhn ».
18. — 24. NvvemL. IS Nolüpfenuige.
Anzeigentarif: Tie cinsi».Letitzcile
vd der. Raum Mmm dr.) Mk.1v.—,

k- Auswärtige Mk. «v. Reklamr-
a»zeigen <71 mm vrri:- viik. e- Ü —.
Grundpreis mal der L---rjieizuh! d.
B.d.Z.abt«. Nov.ZU i .SeiWie-
derholungen Ä!ach!r,Zj T >ri!.


»eschSftsvnndenr—«>8br. Sprech-
stunden der Ncdeitwn: II—IZUHr.
Postsche SkantoK arlsruhe Nr.22 377,
Tel.-Adr.: Volks,eitungHeidelbcrg.
Drucku. Verlag der Nnke'röadisqen
Derlagsanflalr E. m. b H., Heidel-
berg. Eeschäirrstellc: S bröderür.M.
Tel.: Erpedilio»gS7r u. Ncdal.2878.

rsges-Ze!« U k!e MttkWeMMrMg ver AmlZtzkzitte SekdelSerZ, Wkesloch. bisMiw. KvMan, KervO. MosSM, VvSrs, MsstzM DgrSerg. Tgll^WsfsheW s. MMW

5. Jahrgang


Heidelberg, Samstag, den 17. November 1923


Nr. 268

Die Masken fallen.

Zi-. Heidelberg, 17. November.
Die deutsche Geschichtsentwicklung, die gegenwär-
tig in wildem revolutionärem Elan vorwärts stürmt,
ist in eine neue Phase getreten. Wiederum ent-
lichleiert sich ein Stück politischer Perspektive, das dem
Weiterbliüsnden historischen Beschauer zwar schon
lange klar, tm Gestrüpp der TagespoUtik jedoch
schwer crsatzbar war. Wiederum entpuppt sich der
ganze Machiavellismus der deutschen
Feudalreakiion in seiner Raffinesse 'und in
seiner Gemeingesährlichkeit. Wiederum bükt das
arme deutsche Volk seinen unpolitischen Sinn. Wie-
derunti sichen wir am Trümmerhaufen deutscher
Reichsherrlichkeit, inmitten von Bergen geopferter
Volksgenossen, deren Herzen zu verschlingen die
Aasgeier der Reaktion bereits lauern.
Wir Ambril es uns heute ersparen, zum 1001.
Male anszurollen, daß es für das Deutsche Reich nur
eine Politik des Ausstiegs geben konnte, nämlich eine
klare republikanische Politik nach innen und eine
konsequente ErfiUlungspoliM nach außen. Wir
brauchen auch heute nicht mehr zu erörtern, wie der
Wille zu einer solchen Politik der nationallen Re-
generation durch nronairchsstischmationaliM Hetze
zermürbt und illusorisch gemacht wurde.
Der letztwöchige Verlauf der deutschen Geschichte
haj nns solcher Beweisführungen enthoben, indem
lnrelts ein neues Kapitel deutscher Ge-
s ch i ch i e ausgeschlagen wurde. Was wir, nur dem
aufmerksamen Zedtungslescr ersichtlich, tn letzter Zeit
hie und da vorsichtig amideuteten, es ist jetzt, wo die
Ma-<on fallen, wenn auch erst um 12 Uhr die letzten
Sn-leier sich heben, zur offenkundigen Tatsache ge-
i e. n : Die Deutschnationalen geben das Reich auf,
fr geben ihm den letzten Stotz und suchen von den
t nm gebliebenen Trümmern für sich zu retten, was
7- retten ist.
Die vorgestrige Red« des denfichnaiional-vn Füh-
rers Gras Westarp bringt volle Klarheit über die
b uruNcklung der Dinge. Schlaglichtartig werden die
letzten Ziele -der Deutsch-nationalen enthüllt: „Wir
mühen uns mit der harten Tatsache abfinden, daß
Rhein und Ruhr im Besitze des Fein-
des sind; ioi r müssen das Risikoe in esse ind-
isch en Vorstoßes gegen Main, Berlin
und Hansa siädte eingehen, damit sich das
deutsche Volk zum mann h af te n Widerstand
enncmnt."
Es mag vielleicht Leute geben, die den Schwer-
punkt der Westarpschen Erklärungen in der letzten
Wendung sehen und mit aller Kraft des Gänsekiels
wider den kriegslüsternen Grafen wettern, der be-
denkenlos das deutsche Volk in einen neuen Krieg
bincinllokfen will. Wir sind anderer Auffassung über
die Worte des Grafen. Wir halten den Grasen
Westarp und den staatsmännischen Berater der
deMchnationallen Partei Herrn Heisser ich füll
viel zu klug, um ihnen die Dummheit eines Krieges
des waffenlosen Deutschland mit dein wasssifftarron-
den Frankreich ,,«Zutrauen. D e u t sch v ö l ki sch e
T e r t i a n e r g eh i r n e mögen sich an dem Wahne
einer baldigen kriegerischen Auseinandersetzung be-
rauschen — deutschiralionalle Diplomallenkunst jagt
ganz anderen Zielen nach. So sehr auch die deutsch-
national« Demagogie seit Jahren den Gedanken
e'nes außenpolttifchen Aufstiegs in den Vordergrund
stellte — innerlich ist den Drahtziehern der Deutsch-
nationalen, den alten Feudalherren das Reich längst
nur Mittel zum Zweck geworden, ihre Herrschaft
wieder zu installieren.
Di« „nationale Welle" hat den Deutsch-
nationalen als Mohr ihre Schuldigkeit getan, der
Mohr kann gehen. Es ist den Deutschnationallvn mit
Hilfe einer infamen nationalistischen Hetze wider die
deutsche Republik gelungen, deren Sanierungswerk
zum Scheitern zu bringen; der Zeitpunkt scheint
ihnen -günstig, das Reich in Brand zu setzen, nm an
die Realisierung ihrer parteipolitischen Forderungen
Zu denken. Mögen die ideologischen Dmmneriame
in der Provinz ruhig weiter sich durch di« nationale
Verbrämung der osiclbischen Reaktion verführen
lüsten; für den ostMifcheu Junker stehen jetzt ihm
bedeutsamer erscheinende Dinge auf dem Spiel.
„Rechtsdiktatur" lautet die vom Pvrufsi-
iü-en Osten kommende Parole. Rechisd Matur nicht
etwa, um das Reich mit irgend welchen Mitteln
retten, sondern Rechtsdiktatur, um für die
preußischen Junker von dem von ihnen im
Vrand gesetzten Scheiterhaufen des Reiches zu retten,
tvas möglich. Früher als andere Parteien haben
"ie Deutschmationallen erfaßt, was die Stunde ge-
ichlagen, haben sie erkannt, daß dte von ihnen betrie-
bene Unterminierung des Reiches ihre Wirkung ge-
mn. Die R-echtSdiktatur soll nun das Werk krönen,
üechlsdiktatnr heißt heute für die Rechte, das Reich
liquidieren, um, sei es nun in einem Kleindeutsch-
"nd oder in einzelnen Länderstrichen mit ihren ge-
l"gigcn Dynastien, aufs neue ihre Herrschaft zu eta-
'Neren — das Reich selbst mag den pommerschen
rundherren gestohlen werden. „Rechtsdiktatur be-
eullet das Präludium für KSnigskrönnngsm, wobei
w"Deutsche Republik" bereits fürsorglich dem An-
lür Preußen die Eingangsportieren geöffnet
lv in Bayern bereits Guirlauden gewunden

Und die Stellung der Reichsregie-
rung? Die Stellung der Reichsregierung, richtig«!
gesagt, des Ausschusses der deutschen Schwerindu-
strie, zu -dieser hochverräterischem Einstellung der
DeutschnaiioiMlen, ist wahrhaftig nicht Mzuschwer
zu enträtseln. Würdig der Gesamtpolitik des Kabi-
netts Stresemann, konform seiner Haltung zuml
Hochverrat in Bayern, der für die Reichsregierung
heute noch ein „schwieriges juristisches Problem" ist,
ist auch seine außenpolitische Einstellung. Die von
der Reichsregierung angeblich aus Geldmangel —
für das hochverräterische Bayern, das eine Mil-
lion Goldmark zur Unterstützung irregulärer
Truppen erübrigte, hat man Trillionen parat —
geplante Einstellung der Subventions-
gel d e r für die notleidende Ruhrbevölkerung ver-
rät die Befolgung der deutschnationallen Ratschläge.
Bereits am 8. November erklärte bei einer Sitzung
im Reichsarbeitsmimll'sterium der Regierungsvertre-
ler, die Regierung habe gar kein Interest«, in das
besetzte Gebiet noch Gelder zu senden für die- Er-
werbslosen, die Leute sollten sich das Geld bei den
Separatisten holen. Und der außenpolitische
Kurs des neuen ReichAinnemuinisters Dr. Jarres
ist schon bei Beendigung des passiven-Widerstandes
als deutschnational gerichtet entlarvt worden und
wurde durch seine Antrittsrede unterstrichen,
deren Sinn — Fallenlassen des besetzten Gebietes —
auch durch sein heutiges Dementi keine Verän-
derung erfährt.
Aufgabe derjenigen Parteien, die all die Zeit
her in der kleinen Koalition die Republik getragen
und damit das Reich gestützt haben, wäre es jetzt
durch eine klare republikanische Politik
tn letzter Stunde die Rettung von Republik
und Reich zu versuMn. Die innere Siärke zu
solcher Tat ist jedoch uicht vorhanden. Zentrum
und Demokraten fühlen sich zu müde zu gro-
ßen Aktionen, Wie sie die heutige Situation erfordert,
stnd auch von der nationalistischen Propaganda zu
sehr benagt, um den Kampf gegen rechts aufzuneh-
meu, und so läßt man den Re ich starren weiter lau-
fen, bis er zerschmettert im Abgrund liegt.
Wenn daher am Montag die sozialdemo-
kratische R e ich st a g s fr aktion zu einer
Sitzung Zusammentritt, so findet sie umfangreiche
und schwierige Arbeit. Kann sie auch den unabän-
derlich gewordenen Verlauf der Dinge nicht mehr
durch parlamentarische Bemühungen zu unterbinden,
so bleibt ihr heute, wo die Masken fallen, umsomehr
die Aufgabe, sich selbst klar zu werden über das, was
ist und was wird und programmatisch taktische Ein-
stellung dazu zu finden. Dem, so wichtig und
schätzenswert diplomatische Parlainentserfokge sirid
— und wir stellen allezeit positive Arbeit über Ne-
gations-Politik — so bedeutsam ist für -die soz-tal-
demokraüsche Partei, die keine Eintagsparte ist, son-
dern Ewigkeitsziele verfolgt, Klarheit über
die Zukunft und kluge taktische Einstellung zur Eut-
wtcklnn'g gemäß ihren prgrammatischen Grundsätzen
im Interesse der von ihr vertretenen Volksmassen.
*
Ein Dementi und seine Richtigstellung
Berlin, 16. Nov. Amtlich wird erklärt: uAuf
dam Wem« über den sozialdem. Parlaments-
dienst wird in der Presse verbreitet, daß der neue
Reichsjmstußster d«A Jmmern .gesinntsich
seiner Vorstellung vor der Beamtenschaft seines
Ministeriums mit dem vorübergehenden Verluste
des Ruhrgebietes gespielt Habe. Hieran anknüpsenid
wird behauptet, daß der neue Minister auf eine
offene oder -versteckte Loslösung des Rheinlandes
von Deutschland hinar'beiie. Die Darstellung bann
nur durch eine bewußte Entstellung der Aus-
führungen des Ministers vor der Beamtenschaft
entstanden sein; der Minister lehna diese tenden-
ziöse Darstellung entschieden ab. Er ist sich be-
wußt, in seiner ganzen bisherigen politischen Tä-
tigkeit einer der überzeugtesten und erklärtesten
Widersacher gegen alle Bestrebungen gewesen zu
sein, di ans die Lösung des Rhünlandes von Preu-
ßen und voni Reich abzielen. Auf diesem Stand-
punki steht erselbstoerständlich auch heute noch. In
seiner Ansprache au die Beamtenschaft des Mini-
steriums und in seiner Antwort aus die Begrüßung
des StaaMelneiärs, der auch die Eigenschaft des
nouan Ministers als Bedrängter des besetzten Ge-
bietes erwähnte, wies er aus die schwere Schicksals-
stunde Hin, durch die gerade jetzt das besetzte Ge-
biet hindurchgehen müsse, er hat dabet in nicht mitz-
zuverstehender, warmer Weise hervorgehoben, daß,
wie auch das Schicksal -es besetzten Gebietes sich
gestatten nliöge, sein fester Glaube bestehen bleibe,
daß auch eine Lockerung des VW erhält«
nisses der besetzten Gebiete zum großen Vater-
Lande nur vorübergehender Natur sein
könne und daß die Bande zwischen dem besetzten
und dem unbesetzten Gebiete fest bleiben und lich-
tere Zeiten herb erführen würden.
Berlin, 16. Nov. Der „Sogtaldem. Parla-
mentsdisnst" äußert sich zu diesem Dementi fol-
gendermaßen: „Der ReichSmini-ster des Innern
Verwahrt sich in einem durch das Wolsfbüro ver- i
breiteten Dementi gegen eine ihn betreffende Ver--

öffentlichung des „Sozialdcm. Parlanientsdienstes".
In dieser Veröffentlichung wurde u. a. darauf hin-
gewiesen, daß der Reichsminister des Innern be-
reits am Dienstag in einer vor feinen Beamten
gehalten«» Antrittsrede mit dem „vorüberge-
henden" Verlust des Ruhrgebiets gespielt
habe. Die Verwahrung -es Herrn Dr. Jarres ist
in Wirklichkeit eine Bestätigung unserer Be-
hauptung, die wir übrigens nach wie vor aufrecht
erhalten und durch Erklärungen m FünfzeHnevaus-
schuß noch ergänzen können. Aber selbst wenn Herr
Dr. Jarres die Redewendung von dem „vorüber-
gehenden" -Verlust des Ruhrgebiets nichtbenutzt
hätte, würde an unserer Haltung nichts geändert
werden, denn die in erster Linie von ihm befür-
wortete Politik mutz praktisch zu einem der-
artigen Verlust führen; das ist nicht die Auffassung
des „Sozialdem Parlamentsdienstes, sondern wei-
ter Kreise des deutschen Volkes."
Frankfurt, 16. Rov. Die „Franks. Ztg."
stellt fest: Das offiziöse Dementi tm Falle Jar-
re s ist namentlich in seinen Schlußsätzen nicht da-
zu angetan sehr Mb erzeugend zu wirrem
und wir fürchten, der Kanzler täuscht sich, wenn
er von solchen Aeußerlichkeiten eine Befestigung
seiner Stellung erhofft.
Begünstigung Bayerns.
Die Ruyrbevölkerung soll hungern.
DieReichsregierung will bekanntlich nicht
mehr länger in der Sage sein, finanzielle Unterstüt-
zungen für das Ruhrgebiet zu leisten. Für-
Bayern aber, das nicht daran denkt, die Verfas-
sung und Reichsgesetze zu achten, kann sie nach tote
vor ungeheure Mittel zur Verfügung
stellen.
Wie wir neuerdings er sah reu, hat di« Regierung
nicht nur ungeheure Summe», sondern auch tausende
Zentner von Getreide in den letzten Wochen nach
Bayern geschickt.
Vielleicht erklärt Herr Stresemann, warn m die
finanzielle und wirtschaftliche Begünstigung Bayerns
möglich ist, während das Ruhrgebiet von fiu-an-
zttllen Unterstützungen ausgeschlossen werden
soll, die nicht als Vergünstigungen gelten können,
sondern im ganzen Reich laut Gesetz gezahlt werden
müssen.
Die Lage im Reich.
Die Sitzung des Auswärtigen
Ausschusses vertagt.
Berlin, 16. Nov. (Eig. Ver.) Die für Sams-
tag vormittag äuge setzte Sitzung des Auswärti-
gen Ausschusses ist auf Montag nachmittag
2 Uhr vertagt worden. Diese Vertagung wurde not-
wendig mit Rücksicht auf dte für Samstag vorgesehe-
nen Beratungen des FttnfzehnerausschusscS der be-
setzten Gebiete und einer Konferenz der Ministerprii
sidenten
Der Reichskanzler ist an diesen Besprechun-
gen ausschlaggebend beteiligt und könnte infolgedes-
sen in der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses
nicht anwesend sein. An sich erscheint es zweckmäßig,
zunächst die am Dienstag eingeleiteten Besprechun-
gen des Fünfzehnerausschusses am Samstag zu Ende
zu führen und sie dann im Aiismäc- aen Ausschuß
mit zur Erörterung zu stellen.
Die für Dienstag vorgesehene Reichstags-
sitzung erfährt durch die Vertagung des Auswär-
tigen Ausschusses keine Veränderung.
Am Montag tritt di« sozialdemokratische
Reichstagsfraktion zur Besprechung der po-
litischen Lage zusammen.
Einigungsverhandlungen
der Münchener Vsrschwörerzirkel.
München, 16. Nov. Durch die Ereignisse der
letzten acht Tage Mb-en die sogenannten Vater-
ländischen Verbände und die anderen natio-
nalen Bünde erkannt, daß sie auf dem Wege der bis-
herigen Uneinigkeit die Eroberung der Staats-
gewalt und der Staatsautorität nicht verwirk-
lichen können. Soweit also ketue grundsätzlichen
Meiinun-gsiverschiedencheitcit in diesen Verbänden be-
stehen und ihr Ziel ei» schwarz-weitz-ro.es Groß-
deutschland mit mehr oder weniger Hakeukrenzcharak-
tcr ist, sind jetzt Bestrebungen im Gange,
eine großzügige Einigung sämtlicher natio-
naler Verbände herbeizuführen.
Zn diesem Zweck bemühen sich die „Vaterländi-
schen" den Gegensatz zwischen Kahr und der baye-
rischen Volks Partei zu vergrößern, um Kahr dann tn
ihre Hand zu bekommen und ihn auf den Weg der
absolutenDiktatnrzu drängen, der sich auch
Regierung und Landtag zu unterwer-
fen hätten. Daher auch di« Behauptung, daß die
bayerische Regierung Kahr binnen kurzem fallen las-
sen Wird, was der Wirklichkeit weit vora-useilt. Es

ist wohl richtig, daß Ministerpräsident Knilling
im Gegensatz zu seinen anderen Ministerlollogcn
jedenfalls bereit ist, zurüüzutreten, was aber
in Anbetracht der geringen Zahl der für diesen Po-
sten zur Verfügung stehenden Persönlichretten gegen-
wärtig nicht in Frage kommt. Dagegen sicht
ziemlich fest, daß der eben aus der Reichswehr ver-
abschiedete General EPP binnen kurze»! zu einer
wichtigen, mehr politischen als militärischen Auf-
gabe herangezogen wird, wie die Andeutungen der
bayerischen Regierungsprefse deutlich verraten.
München, 16. Nov. Die Vaterländi-
sche Verbände Bayerns erlassen einen Aufruf,
der erklärt, über die letzten Geschehnisse triumphier-
icn die Feinde in Versailles und Moskau, die Inter-
nationale und das Judentum. Kahr habe durch
rücksichtsloses Einsetzen seiner Person den Staat ge-
rettet, neun gelte es, das Vaterland zu retten durch
Einigung und Sammlung.
Die Nationalsozialisten widersetzen
sich.
München, 16. Nov. Di« Nationalsozialisten
Widersetzen sich der Auflösung ihrer Partei. Die Lei-
tung der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiter-
partei verbreitet einen Handzettel, in dem sie sagt,
sie erkenn« die rechtliche, nach einem Tr-euSruch
sondergleichen angeordnete Auflösung der Par-
tei nichtan. Das ruchlose Verbrechen -des General-
siaatskommifsars verpflichte sie, noch schärfer als
bisher den Kampf gegen die deutschfeindlichen Mächte
desIuden 1 ums und des römischsn Jesuiten-
ordens zu führen. Sie werde dem Versuch, durch
den wüsten Terror dieser Tage die -ganze deutsch«
Fretheitsb-eivegu-ng ntederzuknüppeln, die gewaltige
Stärke ihres Glaubeus und alle ihre Organisationen
m Stadt und Land -jenseits der Retchsgrenz-en ent-
segenwersen.
Die Offiziere E Republik.
Zwickau, 16. Nov. (Eig. Bor.) Vor einigen
Tagen sand tn Zwickau ein „Vaterländischer
A b e n d" statt, an dem neben Anhängern der natto-
n-atsozialistischsn Bewegung auch Reichswehroffiziere
teilnahmen. Begeistert wurde dabei das Lied von
der Flagge schwarz-wetß-rot gesungen, sowie
das M-arschlied „Das ist die Garde, die un-
fern Kaiser liebt"; später folgte dann auch
das Ehrhardt-Lied. Hierbei ging dl« Stim-
mung „hoch". Man verlangte den „Marsch von
Ebert Fritze" und witzelte, „den Ebert Fritz«
werden wir jetzt auch bald beim Arsche haben".
So feiern di« Vaterländischen ihre Fest«. Und
dabei gefielen sich Vie Hakenkreuzler darin, sich durch
siwamme Ehrenbezeugimgen bei den RoichDvehrvfsi---
zieren bemerkbar zu machen. — Ueberschrift: Der
Geist Westarps. —
Am Mittwoch ist in Zwickau das Reichs-
wehrbataillon 18 eingeriickt. Es brachte auf
seinem Marsch« 13 Gefangen« aus Schneeberg
mit.
Maulkörbe für die sozialistische Presse
Breslau, 16. Nov. Der schlesische Militär-
befehlsh-aber Hat gleichzeitig mit der „Breslauer
Volksmacht" auch die sozialdemokratischen Pa-o-
teMatter in Görlitz und Oels wegen kritischer
Ausführungen über Vorgänge in der Reichswehr
verboten. Bereits in der Vorwoche waren die
sozialdemokratischen Parteiblätter in Liegnitz, Gold-
berg-Häynau und Löwsuberg unter-drücki worden, so
daß nunmehr di« gesamt« Press« der sozialdemo-
kratischen Parte! in Schlesien von Verboten des Mi-
tttärbefehlsvaverS betroffen worden ist. Die Ver-
bote gegen die komnmmistische Presse sind kurz vor
dem Erlaß der Maßnahme gegen die sozialdemokra-
tischen Blätter wieder aufgehoben worden-.
Dr. Wirth schwer erkrankt.
Berlin, 16. Nov. Wie wir zu nuferem Be-
dauern vernehmen, ist der frühere Reichskanzler Dk.
Wirth Nicht unbedenklich erkrankt. Er ist heut«
morgen von einer schworen Herzaffektion be-
fallen worden, die ans Ueberarbettung zurück-zuführon
ist. Jur Lause des Tages bat sich sein Befinden
jedoch etwas gebessert, so daß augenblicklich kein«
Lebensgefahr besieht.

Internationale Lage.
Selbstverschuldete deutsche
Schwierigkeiten.
Paris, 16 Nov. Die durch di« Rückkehr deS
ehemaligen deutschen Kronprinzen verursachten
Schwierigkeiten haben den dcuisckren Gesck-aftsttägev
v. Hösch veranlaßt, dem politischen Direktor amt
Quai d'Orsay Aufklärungen zu geben.
Was den Exkaiser anbetreffe, erllärte d-ev
deutsche Geschäftsträger formell, daß ihm Pässe
nicht l> e w i l ligt worden seien und daß der deut-
scher« Regierung nichts bekannt sei, daß er di-k
 
Annotationen