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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 261 - Nr. 270 (9. November - 20. November)
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derholungen Nachlaß nach Tarif.

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Heidelberg, Dienstag, de« 2V. November 1923

5. Jahrgang

Nr. 270

AN MjWZUM M.
Der „Vorwärts" veröffentlicht folgende interes-
sante Beobachtungen:
Arme Wanderer sind wir im Reich der NM! —
Bm Norden singen die Kinder Abzählreime:
„Wat kriegste für Millionen? Nich' mal ein Pfund
Bohnen! — Wat kannste mit Milliarden? Beim
Koofmann lange warten! — Uw mit Billionen
heute? Machst« ooch noch Pleite! — Renten-Roggen-
Rückonma-rk! Fritze, Maxc, quatsch keen Quark!
Die kriegt doch nich" mein Oller! Der HM doch leone
Dollar! Die hält die Bank im Neste! — WM macht
se denn damit!, Eins, Mei, drei! Geschäfte nn' Pro-
fit! Vier, fünft sechs un' sieben! Damit tut se schie-
ben! — Dst is für die det beste! Jrote l Loos! Man
feste!"
Die Pa Pi er g eld flut steht uns bis zum
Hals, und es wird uns heiß, wenn wir an die
Preise denken, wenn wir daran denken, wieviel die
Billionen, die wir heute bekommen, morgen noch
wert sind, wie das Händlervanditentnm sich dell
Teufel um Wucherpolizoi und Richtpreise schert und
uns die Goldmark abberlangt, die wir nicht haben.
Wir hören die verheißungsvollen Glocken läuten:
Goldrnavk! Rentenmark! Wertbeständig! Wertbe-
ständig! Glücklich der, der wertbeständiges Geld hat!
Wie ist es damit? Wie läßt sich damit wirtschaften?
Bisher stellten die Dollarschatzan w ei s u n g,
die Goldanleihe und die städtische Gold-
anleihe das wertbeständige Geld dar. Sie waren
Ursprünglich für den Verkehr bestimmt, für den
Umlauf im Publikum. Aber — man sah es nur
hier lend da umlaufen! Kaum war das Goldgsld
heeans, als sich auch schon die Spekulation und die
Hamstersucht seiner bemächtigten und es fssthielten,
- in Geldschränken und Kassetten. Wir brauchen aber
das wertbeständige Geld zum Bezah len uns«-
ter Einkäufe und Missen also, ob wir es gern
. Mn oder nicht, derartig hohe Rabatte anbieten. Und
h« bekommen ivir nur wenig Goldanlelhe herein.
Das Publikum hält sie fest! An anderer
Stelle mußte ich dann feststellen, das; das Papiergeld
hesitzonde Publikum darunter zu leiden hat: man
wtzt nämlich, um den Hoheit Rabatt, dem mau l i
wertbeständiger Zahlung gibt, herauszuholen, die
Papiermarkpreise weit über Gebühr und Bere.istl-
llu-wg hoch, man schraubt einfach die Gol d m a r k -
Preise höher, nur um kein Risiko zu halben!
find her Durchsch;üt tsdon tsche, der doch bis jetzt
wch kein wertbeständiges Geld in die Hand bekam,
har darunter zu leiden! Er muß bluten, wo de.
»Wertbeständige" gewinnt! Aus seiner PapierscE
wsche fließen die Rabatte, die der lächelnde Kauf-
wann bezahlt! Geschäft ist Geschäft! Wer ist nun
üetst der glückliche Besitzer von wertbeständigem
Held? In erster Linie natürlich die Banken,
-Umn ihr Anhängsel — das Spekulations-
heer und der Kapitalismus —, dann in klei-
ner Zahl eitrige Angestellte größerer Bank- und
Haudslslbetriebe, die schon wertbeständig entlohnt
werden, mild die Beamten. Bekommt der kleine
Adaan, der Arbeiter, der Angestellte einmal wertbe-
ständiges Gew wr die Hand, so ist cs vielleicht ein
Bierteldollarschein der Schatzanweisnng und des
Berliner Dollars, vielleicht auch ebn halber Dollar,
wlten ein ganzer. Wso nur ein Tropfen auf
?e«r heißen Stein! Sein Hauptbesttz besteht
Papier, das sich ruhig und gleichmäßig ent-
wertet. .
Er hat „wertbeständig".
Vor kurzen« bekam unser Gewährsmann durch
wchlWMiche Schicksalsfügung wertbeständiges Geld
w die Mngerk Er bemühte es sofort zu Einkäufen
bild — Experimenten! Einige seiner Erfahrungen
wllen hier folgen: In einem großen Kauf-
haus. Ich muß wart en. Kein Mensch will mich
mdienen. Da mucke ich auf. „Fräulein! Kann ich
vielleicht bald bedient worden?" und zeige dabei
chren gelben Golddollarschetn! Der Abtcftungschef
ihn, als er auch schon da war. Mit größter
t -ehenswürdigkeit war ich binnen weniger
Minuten prompt bedient. Die Liebenswürdigkeit
'wfte üper nicht mir, sondern dem Dollarersatz ge-
golten! — In einem kleiner en Konfekt io irs-
schäft. Im Laden ein Schild: „10 Prozent
'ft0hMt böi wertbeständiger Bezahlung!" Ich wollte
^che Bluse kaufen. Da sagte ich dem Chef, daß man
"llderswo doch 20 bis 25 Proz. Rahnst gebe. Er:
"^o? Wo denn?" Ich beweise es ihm. Süßsauer
lst er sich mit seinen angeblich billigeren Goldmark-
,^ifen heraus. Da will ich gehen. Au der Tür
. er Mch zurück: „Ich gebe Ihnen selbstverstä-nd-
auch 2g Prozent!" In eine«» anderen Laden.
Ebensmittel. Ich frage nach dem Rabatt.
"-stahE, Rabatt?? Für den Quark! Wir sind nicht
° dumm! Das ist auch nurPapier! Fällt genau
» so wie die Papiermark! Bei uns kriegen Sie
BW» Rabatt!" Schön! Ich ging und hinterließ
j Gruppe laut Debattierender. Einiges schnappte
h' auf: „So'« Schieber! Na-Nrlich! Doch eener
die volljefressenen Hunde! — Vor der Tür hielt
Z'ch einer fest, braver Spießer: „Wollen Sie mir
stu^ Goldanleihe nicht verkaufen? Die da drinnen
kursiv bch gebe Ihnen 30 Proz. über Tages-
sh s. lehnte dankend ab; er: „Na, da« gebe
lm. ^Wlen 35." — Ich schüttele den Kopf. — „40
Tr r'' lammen Siel Geben Sie her!" Ich fliehe.
M hinter My her: „Schieber! Lumpengesindel!"

und haut wieder in den Laden ab. — Im Grün-
kramladen. Ein Berliner Vierteldollar. Meine
Frau will Rabatt darauf. Die Grünkvamfrau stemmt
die Hände in die Seite: „Watt? Rabatt?!? Sie
sind ja Wucherer, Schieben! Das is jesetzlich ver-
boten! Sie müßten bestraft werden! Sie sind ja
Deftsenschieberl" — In der F e tt p o lo n ä se. Ich
stehe mit an, lanziere, frage -nach wertbeständigem
Gelb, wäs man davon hält. „Hab' ich noch nie
jcsehn! HE' ich auch nichts von! Mir jehn doch
kaputt!" „Det W wat jntes! Wenn Wan nur da-
von hätte! Det mutz man halten, fpaven, uff di«
hohe Kaute legen!" Und jetzt zeigt stolz eine einen
Vievheldollar; den HM sie als Gehalt mitbekommen.
Und nun hagelts Ratschläge: „Fräulein, sparen Se
den man-! Feven Se'n nicht aus!" — „Nee, Fräu-
lein, jeden Se'n aus! Wer weetz, ob er in 14 Ta-
gen noch wat wert is! Alles wat von uns
kommt, ist doch nischt! Wat Ham' Se nach-
her von det Stickchen Papier! Jeb'n Se'n aus!"
Rentenmark! Wo bist Du... ?
So macht Man seine Erfahrungen! -Wird's mit
der Rentenmark auch so gehen? Mrd sie eben-
so gehamstert? Ebenso gehandelt? Ebensowenig zu
sehen sein? Man möchte es fast befürchten. Vor
allem: wird der Arbeiter und Ange-
stellte sie zu sehen bekommen? Leider
scheint es so schnell noch nicht der Fall zu sein, wie
man es wünschen dürfte! Ein Blatt teilte mit, daß
„mangels der erforderlichen -StiickÄnngen Er-
werb s l o s e n u n t e r st ü tz n «gen und So -
; i a l r e n t -e n bis auf weiteres noch in Papiemnark
gezahlt werden!" Statt dessen erhält die Beam-
tenschaft die bisher in den Verkehr kommenden
Rentenmarkscheime. Sicherlich, cs ist zu gönnen!
AVer — besser wäre es gewesen, uran hätte dort zu-
erst die Renörmnark alusaeliefsrt, wodiesoziale
Nota m g r ößteni st, wo sie die ersten Aussichten
aus „In Umlauf kommen" hat und sie am wenigsten
gehamstert wird. Und das scheint doch die Beamten-
schaft wcNiger zu sein als die Arbeiterschaft und
ganz besonders das Heer der aller Verzweiflung
auSgslicserloui Erwerbslosen und Sozialrentner!
Hoffentlich erfolgt hier eine baldige oder besser
sofortige SlenderunM sollst dürfte dem Reich der
Vorwurf nicht erspart bleiben, daß ihm das
„Reich" näher steht als das „Volk"! Und dann
dürfte die Reutenmark ebensowenig wie die Gold-
anleihe die Erwartungen erfüllen, die man vorläufig
noch in sie setzt!

Internationale Lage.
Das Ergebnis der Botschafter-
konferenz.
Paris, IS. Nov. Das Kompromiß, auf
das sich die Botfchasterkonferenz heute nachmittag
geeinigt hat, ist noch nicht endgültiger Na -
t u r. Die Basis, auf der die Verständigung zustande-
gekommen ist, bildeten die von dem englischen
Botschafter -der Konferenz unierbretteten Entwürfe
Zweier Noten an die deutsche Regierung, von denen
die eime die Frage des K r on P r i n z en, -die andere
die Wiederaufnahme der Mtltlärkontrolle
behandelt. Die beiden Entwürfe haben im Verlauf
der Debatte mehrfache Abänderungen erfahren, und
es wurde schließlich beschlossen, den vereinbarten Text
der Billigung der Kabinette iu London,
Paris, Rom und Brüssel mit der Bitte nm sofortige
Rückäutzernngen zu unterbreiten.
Paris, IS. Nov. Die Botschafterkonserenz hat
sich in der Frage der militärischen Uebsiwachuug
auf ebn Kompromiß geeinigt, das nach dem engli-
schen Vorschlag die etappenweise Wieder-
aufnahme der Tätigkeit der interalliierten Kon-
trollkommission vorsteht.
Paris, 19. Nov. Die Hava-sagentur will er-
fahren haben, daß die Botschafterkonserenz
sich in der Frage der Militärkokktrolle in Deuischlattd
sehr wahrscheinlich auf folgender Gruudlage einigen
werde:
Sie werde der deutschen Regierung mitteilen, daß
die Militär kontra lle in allerkürzester Zeit
wieder ausgenommen werde, ob die deutsche
Regierung hierzu ihre Zustimmung gebe oder nicht.
Der Kontrollkommission stehe es zu, zu bestimmen,
unter welchen Bedingungen sie ihre Pflicht ausüben
sott. Wenn Hindernisse entstehen würden, habe sie
zu entscheiden, ob die deutsch« Regierung hierfür
verantwortlich sei und in welchem Maße. In diesem
Falle würden die Alliierten sich verständigen, um,
wenn nötig, Maßnahmen zu ergreifen. Was den
Kronprinzen betreffe, so werde man tu Anbe-
tracht der Tatsache, daß er einen Verzicht auf den
Thron ausgesprochen und das Versprechen gegeben
habe, als Privatperson tn Deutschland zu leben, die
deutsche Regierung ausforder», strenge darüber
zu wachen, daß er das gegebene Versprechen halte.
Paris, 19. Nov. Der französische Mi-
nisterrat hat d-be von der Bo t schafterkonferenz
gefaßten Beschlüsse et n stimm ig gutgeh «iß« n.
Die Anhörung der deutsche«
Vertreter.
Parts, 19. Nov. Die Vertreter der deut-
schen Regie runa werden der Revavati-ons-

kommtsston am Freitag dieser Woche die in der
Note vom 24. Oktober in Aussicht gestellten Er-
klärungen über dic deutsche Finanz- und Wälh-
rungAage ab geben.
Der Separat 11 « in der Pfalz.
SPeyer, 19. Nov. . - ebner Reihe von Pfäl-
zischen Orten wird mUgclei-N, daß den Bürgermei-
stern von den Delegierten der Interalliierten Rhebn-
landkarnmisstmi eröffnet worden sei, General de
Metz habe angeordnet, die Herrschaft und Verwal-
tung der Separatisten sei nunmehr an-
erkannt. Wer sich ihr widersetze, werde als Re-
volutionär betrachtet. Das Verlangen, diese An-
ordnung tn schriftlicher Ausfertigung zu erhalten, ist
überall abgelehnt worden. Gleichzeitig wurden die
pfälzischen Gendarmen am-sgesordert, unter den
Separatisten Dienst zu tun. In Kaiserslautern ha-
ben di-e Separatisten 30 Schutzleute an-gestellt.

Die Lage im Reich.
KabiuetLssttzung.
Berlin, 19. Nov. Das Kabinett ist heute
irachmittag um 6 Uhr z-usammengetreten, uw die
am Samstag abgebrochenen Verhandlungen
mit den Vertretern der in Frage kommenden
Lände« und den «Vertretern der besetzten
Gebiete über dbe Rhein- und Ruhrsrage sort-
zuführen. Die Beratung des Kabinetts, nsven de-
nen eine MMungnaHme mit den Mitgliedern des
Fünfzehn«rausschusses einhergingj wurden nach
mehrstündsger Debatte abgebrochen und gegen 10
Uhr von neuem wieder ausgenommen.
Der Ausfall der -morgigen Reichstags-
sitzung ist noch völlig unklar. Die Fraktionen
sind eifrig mit Beratungen beschäftigt.
Auswärtiger Ausschuß des
Reichstags.
Berlin, 19. Nov. Der Auswärtige Ausschuß
des Reichstags trat heute nach 11 Uhr zusammen.
Ditz Beteiligung war zahlreich: die Abgeordneten
der besetzten Gebiete, die nicht selbst dem Ausschuß
mvgehörcn, sind als Sachverstäkchige anwesend. Nach
der Eröffnung durch -den Vorsitzenden Scholz ««ahm
sofort der Reichskanzler das Wort über die
Stcllungnahure des Kabinetts zur Rhein- und
Ruhrfrage. Hierauf sprachen die Abgeordneten
Müller- Franken (Sa;.), Erkelenz (Dem.) als
Vertreter der besetzten Gebiete und als Sachverstän-
dige hiernach die Abgeordneten Sttnnes (D.VP,),
Stöcker (Komm.) und Dr. HoeHsch (D.N.), fer-
ner Dr. Moldenhauer (D.VP.).
Die Verhandlungen des Auswärtigen Ausschusses
werden sich voraussichtlich über den ganzen Tag er-
strecken, da alle Parteier« die schwebenden politi-
jchen Angelegenheiten und iu«besondere die Rhetn-
landsrage ausfithrlich zu besprechen wünschen.
Sozialdemokratische Fraktionsfitzung
Berlin, 20. Nov. (Eig. Meldg.) Die Sitzung
der sozialdemokratischen Fraktion beschloß, dem Ka-
binett Strefemauu tu der heutigen Reichstagsfitzmtg
ein Mißtrauensvotum anSzusPrechen. U-eber die
Form des Mißtrau-Msvotmns beschließt eine heute
vor der Reichs iagssitzung stattsindende Fraktions-
sitzung.
Jntriguen in derIWolkspartei.
Berlin, 19. Nov Die Tagung des Zentral-
b orst-andes derDe «ischen VolksPartei zeigt,
nitt welchen Intrigen der rechte Flügel der Partei
gegen Dtresemaun arbeitet. Uebeviaschend sei für
welle Kreise die Heftigkeit gewesen, nrit der außer
den als Marxist cntötern und Schrittmachern der
DeutschnEonale» bereits bekannte«« Herren Ma-
retzky und Quaatz sowie den« Abgeordneten
Hugo namentlich der frühere ReichsjustizMMfter
Heinze gegen Str-csemann Partei genommen hat.
Es WM bereits bekannt, daß die Mission des
Herrn Heinze nach Dresden nicht zur Befrie-
digmrg des letzteren airsgegaingei« ist. Er dürfte
darauf gerechnet haben, «richt bloß einen oder zwei
Tage Wer Sachsen zu herrschen, sondern eine dau-
ernde bürgerliche Regierung dort zu bilden,
während er einem sozialdemokratischen Ministerprä-
sidenten weichen mußte, was ihn sehr verbitterte. Die
Hetze gegen Strcsömonn innerhalb -der Deutschen
Volkspartei geht daher weiter, wenn sie auch nach
außen nicht immer zum Vorschein kommt.
Unter der Herrschaft der Generäle.
Stuttgart, 18. Nov. Der Mifttärbefehls-
haber des Wehrkreises 5, General Reinhardt,
hielt vor einem geladenen Kreise Von Angehörigen
der Reichswehr und der Landes Polizei, Vertretern
der -obersten staatlichen «end städtischen Behörden und
der Universität eine Rede. Nach einem geschichtlichen
Rückblick über die Entstehung der Reichswehr
besprach er deren Verhältnis zur Verfassun g.
Wobei er allerhand sehr merkwürdige Bemerkungen
brachte. U. a. erklärte er:DieVerfassung selbst
ist ein No Iw erk. Verfassungen gehen und

des, das Wiederauf st eigen unseres Vol-
kes, das allein kann das Ideal des rechten Sol-
daten sein. Und jede Regierung muß das
Schwergewicht dieses Willens anerkennen. Unsere
Reichswehr ist klein an Zahl. Aber ein Kern für die
Wwderaufrichtu-ng ist und bleibt sie und die Zahl
allein entscheidet nicht. In Thüringen war es
notwendig, durchgreifend nach dem Rechten zu sehen.
Sorgfältige Prüfungen, im Benehme«« mit den bay-
rischen Behörden augestellt, ergaben, daß an der
bayrischen Grenze nich tm ehr als eine
Art Grenz verstärku n g aufgeboten war, frei-
lich nicht ohne BedenMchkeit, da solche Freiwtlligen-
vcvbände gern von sich selbst -ans handeln und
Uebergrtss-e machen. Es war -deshalb nötig, daß
dorthin eine Warnung gerichtet wurde. Sie ist
nun nicht mehr nötig. Die Verhältnisse an
der Grenze haben sich wesentlich beruhigt.
Wenn Herr v. Kahr kürzlich gesagt hat, Bayern
voran iM Deutschen Reich, sv nehmen wir dies Ms
die Nachbarn Bayerns gern am Ihr st ürmi-
sch e s T e m p -e r a m e n 1, Las wir alle vom Kriege
her rühmlich Wunen, «tracht dieBayern zur V o r -
Hut besonders geeignet. Aber die Vorhut hat sich
im Tempo dem Gros- anzupassen. Die
Führung gehört nach Berlin, nicht weil Berlin
Berkin ist und weil die Leute dmt — es sind übri-
gens auch Leute aus dem ganzen Reich dort bei-
sammen — eine besondere Klugheit haben, sondern
Weik man dort die große Uebersicht über
das Ganze hat.
Weimar, 18. Nov. Die Zuständigkeit des
Thüringer Wehrkreiskommandos hat
durch etne Verordnung des Generals v. Seockt eins
Erweiterung erfahren. Auf Grimd der Ver-
ordnung des Reichspräsidenten vom 26. September
ist dem an der Spitze der thüringischen Reichsweht
stehenden General Hasse die vollziehend!
Gewalt in Thüringen, dem zur Provinz Sachfett
gehörigen Regierungsbezirk Erfurt und Vern zur
Pnoving Hessetv-Nafsan gehörigen KreiS Schmal«
kalden übertragen worden.
Dresden, 18. Nov. (Eig. Bericht.) Die Frag»
des Abrückens der zur Zeit «roch in «Sachsen ve»
findl«. Reichs W ehr V e «stärkung e n beginn»
akut zu werden. Zitvor aber will mm« die Aufrecht-
erhaltung der Ruhe und Ordnung endgültig „si-
chern". Das WchMreiskommando 4 gibt bekannt,
daß General v. Seeckt den Generalleutnant v. Mül-
ler beauftragt habe, „zunächst die Bildung einer
überparteilichen Hilfspolizei' rmter zuver-
lässigen Führern im Benehmen mit den zuständigen
Stellen in die Wiege zu leiten". Diese Hilfspolizei
soll bis zur Auffüllung der rund 1500 Fehlstellen
inner-halb der Staatspolizei bestehen bleiben. Di«
neue Maßnahme hat in Regi'erungskreisen über-
rascht. Besonders eigenartig berührt die Wei-
sung des Generals v. Seeckt, auch die sächsische
Staatspolizei auf „überparteiliche Grund-
lagen" z>« stellen. Nach -der Amtsenthebung deS
PoNzeioberst Schützinger und des R-egierungs-
rates Hauffs soll nun anscheinend «die Geue-
ralreinigung beginnen. Die sächsische Re-
gierung wird sich mit diesen Dingen voraussicht-
lich am Montag in -einer Sitzung des Gesamttkabi-
netts beschäftigen. Es ist bezeichnend, daß man es
nicht einmal für nötig hielt, sich vor BekanMgabe
-dieser neuen einschneidenden Maßnahme mit der
sächsischen Regierung in Verbindung zu setzen.
DeuLschvölkische Enttäuschungen.
Berlin, 19. Nov. Der Stoß, den die rechts-
radikale Bewe-gung am 9. November von Hitler,
Ludendorff und Kahr erhielt, hat sie viel
mehr getroff« n, als irgendein Dolchstoß eines
der bisherige«« Noveinberverbrecher. Die Spalten
der rechtsradikalen Zeitungen und Blättchen sind
angefüllt mit Arlsetnaiidersetzungen, mit Beschul-
digungen und Beschwörungen. Das moralische Alt-
sehen der rechtsradikalen Bewegung ist tödlich
getroffen. Schon die politische Entwicklung der
nächsten Zeit wird das noch deutlicher zeigen, als -es
bisher schon zum Ausdruck gekomnven ist. Bayerns
Rolle der rechtsradikalen sogenannten nationalen
Bewegung ist deswegen ausgesPielt, weil
Bayern selber keine UMivnale Rolle spielen will.
Der Konflikt zwischen Kahr und Ludcndorsf ist
schließlich nichts anderes als der Konflikt zwischen
dem bayerischen Föderalismus und den«
rechtsradikalen Re ich s gedanken. Die
phmrtastischen Kreise, die von einer „Wiedergeburt"
des Deutscher« Reiches träumen, haben an den« baye-
rischen föderativen Egoismus, au den wi-ttels-bache-
rischen Träumen auf Wiederherstellung einer baye-
rischen Hausmacht ihre erste schwere Enttäu-
schung erlebt. Sie haben sich selber lächerlich
und unnlSglich gemacht durch die groteske Ver-
kennung der Kräfte, aufdte sie sich zu
tüHen glaubten-. Mancher ehrliche nationali-

kommen wie die Parteien, aus denen sich die
Regierung bildet, verstärkt oder geschwächt werden.
Eines aber vleibt: Das Bedürfnis nach einem
Nechtsvoden. Die Verteidigung des Vaterlan-

risch Befangene wird auch in Norddeutfchland seine
Enttäuschung an den fchwerindustriellen
Kreisen erleben, nrit denen zusammen mau hier die
verhaßte Republik beseitigen zu können glaubt. Es
liegt sine tiefe Tragik darin, daß die verbleu-
 
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