Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 251 - Nr. 260 (29. Oktober - 8. November)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48728#0249

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 25F

5. Jahrgang

Heidelberg, Mittwoch, den 7. November 1923

Bezugspreis einschl-Triigerlohnfür
Woche«. S. bis10.Nov.4S Mtlliard.
Anzeigentarif: Die cinfp. Petitzeile
od der. Raum (Winm br.) Mk.kv.—,
k. Auswärtige Mk. 88 —, Reklame»
Anzeigen (74 mm breit) Mk. Mb.—.
Grundpreis mal der Schlüsselzahl d.
V.d.Z.,z. Zt. IM M0VO0M. Bei Wie-
derholungen Nachlaß nach Tarif.
lMk-zevm m w »MWeSEnm SN AWSMk SkAldtt,. MhÄ-ld. swlel». vovll«. 0E »1A1. MEW. »«S^rmSkrSWWew I. WM»«»

H VMM MM MM Mttl-AMLLL
MM WM MM MLR Druck u. Verlag der Unterbadtsche» -
MM. W^. WM, MK», ML MU MU Bcrlaasanftalt v.m.b.H„ «eidr«.
WWW WD MHWsM L^W MM» M^W VGNWrWM berg. Geschäftsstelle: Schröderstr.M,
U MM WM Tel.: Expedition,67-u.Rcdak.«7».


All GMUWWW!.

Z Berlin, 5. November.
Die wertbeständige Anleihe des Deut-
schen Reiches ist eingeführt worden in der Absicht,
damit zugleich ein provisorisches wertbestän-
diges Zahlungsmittel zu schaffen. Diese
Absicht ist infolge der an sich berechtigten Eingriffe
der Reichsbank am Devisenmarkt in den letzten Dan-
gen vollkommen illusorisch geworden. Nachdem man

wieder Höchstpreise für den Dollar eiligeflihrt hat,
wird die Goldanleihe als Spekulations-
objekt behandelt. Sogar an der Börse mußte sie
zugetsilt werden, und in Bank- und Wechfelgeschäf-
ten, die sonst wertbeständige Anleihe über den Disch
handeln, läßt sich beobachten, daß manche derartige
Institute zwar Goldanleihe zu dem künstlich niedrig
gehaltenen amtlichen Kurs ankaufen, sie aber
nicht wieder ab geben. Ein solches Vorgehen
widerspricht der Absicht des Reiches b.t der Schaf-
fung der Goldanleihe derart, -tzatz nicht genug da-
gegeini Einspruch erhoben werden kann. Anstatt
den Schutz der wirtschaftlich Schwachen gegen Geld-
entwertung herbeizuführen, wird sie so in den Hän-
den de» ohnehin zahlungskräftigen Bevölkerungs-
schichten zu einem Mittel der Erhaltung der Sub-
stanz gegen Vevmögensverlöste oder gar der spe-
kulativen Ausnutzung der gegenwärtigen
Marttonjunktur!
Die Ausgabe der Goldanleihe und die
spätere Knrssntwicklung dieses wertbeständigen Gel-
des haben -erneut die Unfähigkeit und Kurzsichtigkeit
der Reichsb-an-kpoMk gezeigt. Durch die späte Aus-
gabe der Stücke haben viele Zeichner enorme Sum-
men verloren. NenMdings hat eine böse Kurs-
treiberei eingesetzt, der man erst später durch die
Festsetzung eines E i nh ei t s k u r s es entgegentrat.
Man versäumte ferner, was man jetzt nachhol-sn will,
die Papiermark entsprechend den Forderungen, die
Genosse Hilferdmg als Finanzmintster vertreten hat,
in ein festes Wertvcrhält-nis zur Renten-
mark zu bringen. So wollte schließlich niemand
mehr Pap-temnark nehmen und der Zahlungs-
mitt e l-v en k eh r stockte ganz und gar.
Das Vorgehen der Reichsba-nk, das das Finanz-
ministerium nicht zu verhindern verstand, bedeutet
eine muß-erordswtlich schwereSchädigungder
Neichsftnanze n. Die Reichsbank HM in der
letzten Zeit zwar Goldanleihe an die Banken ver-
kauft, di e Stücke aber nicht liefern können. Die
-Witten Missen aber erst die Papiermark bezahlen,,
wenn sie die Stücke erhalten, und zwar zum Kurse
des Dag-es der Bestellung, nicht, wie das bei
icder Aepfelfrau Sitte ist, des Tages der Lieferung.
Welche Wirkung das gehabt hat, zeigt folgender uns
bekannt gewordener Fall: Mn Bankier kaufte zum
Dollarkurfe van etwa 65 Milliarden 2000 Dollar-
Gotdanleihe. Er hatte dafür zu zahlen gehabt 130
Billionen Papiermark. Bis heute hat die Reichs-
bank -die Stücke nicht geliefert. Dor Bankier hat das
Geld einmal zu feiner freien Verfügung, er kann es
gegen 4 bis 6 Prozent täglichen Zins aus leihen oder
cs sonst verwenden. Die Reichsbank aber wird die
130 Billionen erst erhalten, wenn sie nicht mehr 2000"
Dollar wert sind, sondern vielleicht weniger als 200.
1800 Dollars hat sie resp. das Reich, dem -der
Erlös der Anleihe gehört, verloren.
Das ist einein; iger uns bekannter Fall, aber
die ReichSbank hat ungl-aublicherwetse ganz abg-e-
Motn in der letzten Zeit so gewirtschaftet. Sie hat
durch diese wahnsinnige Unfähigkeit das Reich
Um Millionen Gold mark geschädigt.
Nur so erklärt sich ja mich die Tatsache, daß die
Finanzen des Reiches durch die Ausgabe einem An-
leihe von 500 Millionen Goldmark keine Er-
leichterung erfahren hat. Denn sehen wir selbst
bon den ersten 160 Millionen, die durch Zeichnung
aufgebracht worden sind, -ab, so müßten die 340 Mil-
lionen, die mehr als das Dreifache des Goldwertes
der in Zirkulation befindlichen Notenmengs aus-
Machen, doch ausgereicht haben, nm während einer
Mwissen Zeit keine neuen Papiermark in den Ved-
lcbr zu setzen. In Wirklichkeit ist durch das Vor-
gehen der Reichsbank der finanzielle Effekt für das
Ne ich ganz minimal geblieben, ist die Arbeit der
Notenpresse kaum vermindert worden. Der Skan -
^al, der da passiert ist, ist noch ärger als der
Skandal mit den Papi -ermarkkre -dtten.
Deshalb ärger, weil er nicht nur eine unberechtigte
^cveicheruM privater Börsen- und Spekitlaiions-
r> eife in sich schließt, sondern -auch eine unmittelbare
lchwere Schädigung der Reichsftnan-
öen.

Die Verantwortung dafür tragen keine
"-N-m-xiston". Die trägt in erster Linie die Reichs-
5 " nk, an der Spitze der von Wilhelm II. so geprie-
„Generalgelidmarfchall" H av enst e in, der vom
tarxismus, freilich auch von jeder anderen ökono-
ochen Theorie, völlig frei ist und politisch den
utseh nationalen sehr nahe steht. In die
crau ttvortuug mag sich die Deutsche Volks-
Na.ribi teilen, die dafür gesorgt hat, daß das Fi-
"Ministerium -von jedem marxistischen Einfluß
reinigt wurde. Wir Marxisten dagegen meinen,
Ml diese Verantwortung vor aller Welt klargeftellt
er? Eem schleunigst eine Untersuchung
desi s? t werden mutz, wie groß der Schaden ist,
Dm- -Rsichsbank der Allgemeinheit zugefügt hat.
st Praxis der Rei-chsbank sofort einzustellen
' "ersteht sich von selbst.

Das Finanzministerium har unterdessen einge -
sehe n, welchen schweren Fehler es begangen
HM. Die Regierung hat jetzt an-gekünd-igt, daß die
Pa Pier mark in ein festes Verhältnis
zur Gold an leihe gesetzt wird, so daß man für
einen Dollar Goldanleihe X Milliarden Papiermark
und umgekehrt stets Wird erhallten können. Es ist
zu fordern, daß dieses Verhältnis jetzt
ohne weiteres Zögern bekanntgegeben wird, um auf
diese Weise dem Verkehr genügende werweständige
Zahlungsmittel zuzuführen. Denn die Papier-
mark wird dadurch eine Art Scheidemünze
der Goldanleihe, das Hamstern der Goldanleihe
selbst wird damit sinnlos, die Goldanleihe kann dann
erst wirklich für -den Verkehr als Zahlungsmittel
nutzbar gemacht werden. Damit wäre dann eine
gewisse Abhilfe für die augenblicklichen Schwierig-
keiten gegeben.
Das Sterben der Papiermark.
Berlin, 6. Nov. Die alarmierenden
Nachrichten über den Aufmarsch der bayeri-
schen Verbände an der thüringischen Grenze veran-
laßten naturgemäß an der Berliner Börse eine
außerordentlich unruhige Stimmung. Es kommt
hinzu, daß nunmehr auch NewYork und Ko-
penhagen sowie andere Plätze dem Beispiel, der
Schweiz gefolgt sind und Geschäfte tn Mark
eingestellt haben. Die Newyorker Mark No-
tierung, die bisher für die Berliner Börse eine
sehr große Bedeutung hatte, fällt damit weg. Man
befürchtet in hiesigen Finanzkreisen, daß auch andere
große Auslandsplätze vor allem der wichtigste Markt
für die deutsche Valuta, Amsterdam diesem Bei-
spiel folgen könnten.
Berlin, 6. Nov. Der -Reichspräsident
hat zum Schutz der Mark auf Grund -des Artikels
48 der -Verfassung des Deutschen Reiches folgende
Verordnung erlassen:
Bei vertraglichen Verpflichtungen, die nach einem
außerdeutschen Kurse der Mark beavessen sind, kann
die Erfüllung während der Geltungsdauer
dieser Verordnung verweigert werden, sofern

der Forderungsberechtigte die Annahme der Lei-
stung auf der Grundlage des Berliner Kurses der
Mark ablehnt.
Berlin, 6. Nov. Das Reichskav inctt
befaßte sich gestern wiederum mit der Frage, die
Papiermark in ein festes WertverhSlt-
nis zu bringen.
Eine einschneidende Verordnung.
Kredit ohne Parlament.
Berlin, 6. Nov. Auf Grund des Art. 48 der
Reichsverfassung hat die Reichsregierung eine V er-
ord n u n g erlasfein, die als Ergänzung einer frü-
heren Verordnung in -das Budgetrecht des
Reichstages tief eingreift. Die heute ergan-
gene Beiordnung dehnt in ihrem 8 1 die Gel-
tung der Valoristerungsverordnung auch auf Er-
mächtigungen aus, die vor der Valorisierungs-
verordnung erteilt worden sind, und zwar ohne
Schranken, zum mindesten also auf alle Ermächti-
gungen für das Rechnungsjahr 1923. Noch größer
ist die Tragweite des 8 2 der neuen Verordnung,
der folgenden Wortlaut hat:
Werden auf Mark gestellte Schatzanwei-
sung -e n zur Einlösung fällig oder vorher vom
Reich zurückerworben, so lebt die Ermächtigung,
auf Grund deren sie angestellt sind, in ihrer ur-
sprünglichen Höhe wieder auf.
Das praktische Ergebnis hiervon wäre, daß
die Reichsregierung künftig wahrscheinlich über-
haupt keiner Kreditermächtigung durch das Parla-
ment mehr bedürfte, da die früheren, wieder aus-
lebenden Kreditermächtigungen für einen langen
Zeitraum ausreichen würden. Der Reichstag
brauchte also um Kredite überhaupt nicht mehr an-
gegangen zu werden.
Der Artikel, der für Kveditbewilliwtngen aus-
drücklich die Form der Reichsgefetzgebung vorsieht,
ist durch den Ausnahmeartikel 48 keineswegs außer
Kraft gesetzt worden. Die Rechtsgültigkeit
der neuen Verordnung ist also mindestens äußerst
fraglich.

Sichert die Republik!
Aufrufe von Partei und Gewerkschaften. — Französische
Maßnahmen.

O Berst tu, 6. November.
Der rechtsradikale Aufmarsch an der
bayerisch-thüringischen Grenze hat endlich der Reichs-
regierung gezeigt, wie die Dinge stehen. Der Wille
des Rsich-skab-inetts, die für den Bestand des Rei-
ches durch einen Rechtsputsch drohenden Gefahren
zu -verhindern, kommt zunächst in der Entsen-
dung einzelner Reichswehrregimen-
ter mach Südthürtngen zum Ausdruck. Bis-
her sind drei Inf ankert e re girnenter in
die „Gefahrenzone" albtramsportiert worden. Sie
sind Hinte» der thüringischen Landes Polizei, die direkt
an der Grenze Aufstellung -genommen hat, statio-
uiert und haben vorläufig die Aufgabe, einen Vor-
stoß der irregulären Banden abzuwehren,
also nicht offensiv vorzugehen. Durch die Partei-
führer der ehemaligenkletnen Koalition
halben sich aber sowohl de>r Reichskanzler wie der
Reichswehrminister davon überzeugen müssen, daß
die ausschließliche Sicherung gegen Bayern
allein zur Abwehr des drohenden Rechtspntsches
nicht genügt und mich in den übrigen Teilen
des Reiches vorbereitende Maßnahmen
zu treffen sind. Man darf nicht vergessen, daß die
Rüstungen der illegalen Verbände settMomaten
vor sich gehen und die kriegslüsternen Banditen des-
halb über eine gewisse Stoßkraft verfügen.
Viel Mut haben sie nicht, -aber immerhin über-
treffen sie die zur Abwehr gerüsteten Republika-
ner -durch ihre geschlossene Organisation, die von
uns jetzt im wenigen Tagen geschaffen werden soll.
Dieser Mangel kann durch die Entschlossen-
heit -e-r republikanischen Parteien
überwunden werden. Sie müssen schnellstens mit
de» Mobilisation der kampfentschlos-
s e n e n Anhänger beginnen, und zwar so, daß
im Notfälle sofort die gedienten Männer
zur Stelle sind. Dem Aufruf der Reick,Sregio-
rnng hat zu diesem Zweck ein Appell der repu-
blikanischen Parteien am ihre Mitglieds» zu folgen.
Im Zusammenhang hiermit ist die Aufhebung der
sozialdemokratischen Zettn-ngsv-erbote erforderlich,
die in der Praxis nur auf eine Kräftigung der reak-
tionären Elemente hinauslaufen. Selbstverständlich
können die sich zur Rettung des Reiches und zum
Schutze der Republik zur Verfügung stellenden Ar-
beiter, Angestellten und Beamte den Abwehrkampf
nicht mit S paz i erftö cken führen. Aus den
verschiedensten Gründen ist es nicht angebracht, über
diese Di-nge öffentlich zu reden. Deshalb müssen die
Spitz enorgani sat io neu, insbesondere die
Gewerkschaften, sich jetzt schön dafür cinsetzen,
daß im gegebenen Fälle die notwendigen Abwehr-
mittel beveitstehen. Nurso werden sie das Ver-
trauen ihrer Anhänger zur Republik stärken und im
Wiederholungsfälle erneut die kampfbereiten Repu-
blikaner um ihre Fahnen scharen können.
Wir sind gewiß, daß Hunderttausende

von überzeugten Republikanern sich
zur Verfügung st eilen, wenn es heißt, nicht
allein die Republik zu schützen, sondern auch -er seit
Jahren von Bayern -ausgehenden unheilvollen Ver-
hetzung ein Ende zu machen. Wollen wir wieder zu
ruhigen und geordneten Verhältnissen im Innern
kommen, dann muß die Unterbindung der Verhet-
zung ermöglicht werden und das wird nur der Fall
fein, wenn die Reichsregierung endlich zur Offen-
sive gegenBahern vorgeht und sich in diesem
Augenblick der höchsten Not die geplanten Rezepte
derjenigen zu eigen ulacht, die nach der Herrschaft
im Reiche lechzen, um unser- Volk erneut ins Unglück
zu treibsn. Erforderlich ist die sofortige Verhaftung
der als Führer von Geheimbünden bekannten Per-
sonen, der Vormarsch gegen die irregulärem Banden
an der bayerisch-thüringischen Grenze und nach
Möglichkeit ihre Festnahme. Dazu -gehört gewiß
etwas Mut — aber nicht mehr! Schon der Mut
zm Entschlossenheit in Berlin dürfte die sich jetzt in
Bayern sammelnden farbentr-agenden Studenten
und die verführten Arbeitslosen wieder zu einer Be-
sinnung bringen, die in Fahnenflucht zum Ausdruck
kommt. Denn darüber sollte endlich auch Klarheit
herrschen, daß bei Hitler und Genossen im
Ernstfall ebenfalls nur die Parole -gilt: „Lieber
fünf Minuten feige als eine Minute tot."
Die Reichsregierung sollte sich vorsehen, daß
die zetzt auf Hitler bezogene Parole im Volksmunde
nicht dereinst auf sie Anwendung findet. Dazu ge-
hört aber die notwendige Entschlußkraft, zu
der die Reichsregierung gerade gegenüber Bayern
NM so mehr Anlaß hat, Ms das gegenwärtige Kabi-
nett damit im Parlament sicht und fällt.
Alarmbereitschaft der Rechts-
radikalen.
Dresden, 6. Nov. (Eig. Ber.) Die rechts-
radikalen Or-ganisMvnen haben die Parole: „Er-
höhte Alarmbereitschaft" ausgegeben. Auf
der Landstraße Hof—Plauen wurden am Sonntag
zwei L -a st automobile beobachtet, in denen sich
zahlreiche junge Leute mit nationalistischen
Abzeichen befanden. Beim Passieren der ein-
zelnen Ortschaften versuchten die Autoinsassen, sich
dadurch unsichtbar zu machen, daß sie im Wagen nie-
dcrknt-eten. In Oelsnitz ließen -die Nationalsozia-
listen Leuchtkugeln aussteigen. Die Ortsgruppe
Plauen de-r Nationalsozialistischen Arbeiterpartei
hat ihren Mitgliedern Gestellungsbefehle
zugehen lassen, in denen zum sofortigen Eintritt in
die dlbwehrformation aufgefor-deri wird. Das säch-
sische Gesamtkabiuett hat sich am Sonntag infolge
der -alarmierenden Meldungen aus Bayern Mit die-
sen Erscheinungen beschäftigt. Auf Grund verschie-
dener Privater- Meldungen aus München wftjd a«ge-
nommsn, daß eine Aktion der Nationalsozialisten in

München und im Reiche zum 9. November bevor)
steht.
Aufrufe der Sozialdemokratie uni
der Gewerkschaften.
Berlin, 6. November.
Die Sozialdemokratische Partei hat
folgenden Aufruf erlassen:
Gegen die Reichszerstörung!
Die Reichsregierung ruft das deutsche Volk auf,
geschlossen für Ordnung und Freiheit des Reiches
etnzutreten, wenn ihr von den rechtsradikalen Put-
schisten der Kampf aufgezwungen wird. Den Kops
steckt in den Sand, wer nicht heute schon klar -erkennt:
Die Putschtsten wollen den Kampf!
Jedes Ausweichen wird der Reichsregierung als
Schwäche gedeutet und fördert nur die Angriffs-
lustder Retchsverd erber.
Die Werktätige Bevölkerung, Arbeiter,
Angestellte und Beamte stehen in erdrückender Mehr-
heit auf d em B od e n d e r V erf a s s u n g. Sie
stehen hinter denen, die den Wilton haben,
Deutschland vor der Herrschaft wüster Prätorianer-
horden zu schützen.
Neben den Organen des Reiches werden die
Landesregierungen den Umsturz abzuweh-
ren babsn. Auf ihren Ruf Muß jeder, -der Frei-
heit liebt, jeder, -der -die Zukunft Dsuts-chlaud-s nicht
zerschlagen lassen will, sich zur Verfügung
st e lle n. Etn Heer von waffengeübten
Republikanern wird aus dem Boden wachsen,
sobald es aufgeru-se-n wird. B-andsnbildungen und
Freikorpsformatilouen führen nicht zum Ziel. Nur
in Angliederung an die Organe der
staatlichen Gewalt kann und soll der Kampf
um die Freiheit geführt werden.
Sozialdemokraten! S-eid bereit, für die Er-
haltung der deutschen Republik alles eingufetzen.
Berlin, 6. Nov. Der AllgemetneDeut-
sche Gewerkschaftsbund, der Gewerkschafts-
ring deutscher Arbeiter-, Angestellten- und Beamten-
verbände, der Allgemeine Freie Angestelltenbund,
der Allgenreine Deutsche Beamtenbund und -der
Deutsche Beamtetibund erlassen folgenden gemein-
samen Aufruf:
Von außen auf das Schärfste bedroht und inmit-
ten einer scharf zugospitzten innerwirtschaftlichen
Krise wird die Reichseinheit und der Bestan-
der Republik durch gewaltsamen Ansturm gefähr-
det. Die durch die Weimarer Verfassung gewähr-
leisteten Volksrochte sind bedroht, die soziale un-
wirtschaftliche Not der Arbeiter, Angestellten und
Beamten, -er Rentner und der übrigen unbemittel-
ten Volksschichten wird von Tag zu Tag unerträg-
licher. Kommt dazu noch der Kampf der einzelnen
Volksgenossen gegeneinander, so werden damit di«
letzten Möglichkeiten -einer Behebung der außen- und
innenpolitischen Röte zerstört. Die gewerkschaftlichen
Verbände, als Vertreter des werkM-igen Volkes,
rufen ihre Mitglieder- und alle übrigen, auf dem
Boden der Reichsverfassun-g stehenden Volkskretse
auf, sich zum Schutze der Verfassung und
der Republik zur Verfügung zu stellen, wie -auch die
Gewerkschaften selbst ihre Organis-a-tio-
nenzurAbwehr berettstellen.
Ein Ausruf der Demokraten.
Berlin, 6. Nov. Die Deutsche Demo»
krattsche Partei erläßt folgenden Aufruf:
„Der Aufruf der Rsichs-regierung zeigt den Ernst
der Lage. Gewissenlose Verschwörer bedrohen
den inneren Frieden und die Erhaltung ver-
fassungsmäßiger Zustände. Dadurch gefährden sie
das letzte Gut, das uns der Versailler Vertrag gelas-
sen ha t: die deutsche Einheit.
Innere Unruhen und Bürgerkrieg würden nM
eiserner Notwendigkeit die Anflösuug des
Reiches herb-sifüHren.
Deutsche! RePubManev! Demokraten! Dieser
Anschlag Eß an dem unbeugsamen Will e n der
reichstreuen Bevölkerung zerschellen.
Bauern und Arbeiter, Angestellte
Beamte und alle Bürger I Sammeli
Euch zum Schutze des Reiches! Laßt alle Mei-
nungsverschiedenheiten, alle Verstimmungen ruhen
und schart Euch um das Reich und seine Einheit!
Wenn die Reichsregierung es Mr notwendig bat-
ten sollte, im Sinne ihres Aufrufes Reichswehr oder
Polizei zum Schutze der Republik zu v erst ä rken,
haben die waffeng eübten Demokraten
dem Rufe des Vaterlandes Folgezu leisten. Wirkt
in unseren Reihen für diese Pflicht. Trefft die er-
forderlichen Vorbereitungen! Die Deutsche
Republik ist stark gegen die Reichs Zerstörer, wenn sie
stark sein will uud auf einmütige Hilfe rechnen kaum
Deutsche Demokraten! Höchste Alarmbe-
reit f ch a f t Mr die Republik, die Einheit und Frei-
heit des Reiches I
Republikaner vor die Front!
Berlin, 7. Nov. Der Republikanische Reichs
buuv erläßt einen Aufruf, in dcM es u. a. heißt:
Verbrecher ohne Scham und ohne
Gewissen schleudern in diesen Tagen die Brand-
fackel in den Bau der Reichseinh-eit. Männer, die
das schöne Wort Vaterland durch falschE-nzenden
Mißbrauch schänden, lögen die Axt an die Wurzel
des Reichs. Republik a n ervordieFrontl
Die Fahnen -er Republik sind die Fahnen des eint-
 
Annotationen