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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 231 - Nr. 240 (5. Oktober - 16. Oktober)
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od. der. Raum (Sk-n-nbr.) Mk.kll—,
k- Auswärtige Mk. 80.—, Reklame-
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Grundpreis mal der Schlüsselzahl d,
A. d. Z., z. Zt. 8M0VV Mk. Bei Wie-
derholungen Nachlaß nach Tarif.



rager-Zkltmg U «e MMSiiaeBevSlkerM Ser AMsbezW Melbers. Wiesloch, öwheiar, KMgev. Kerbach. Mrbach. Vllche». Melrbew, Norberg. ragberbWofsbeim n. Terthel«
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6. Jahrgang Heidelberg, Montag, den 15. Oktober 1923 Nr. 239


Das Ermächtigungsgesetz angenommen.

gr. Heidelberg, 15. Ott.
Trotzdem die Deutschnatio NI -a l L n lind
Kommunisten sich der! Reichstagssttzuug vom
letzten Samstag während den entscheidenden Ab-
stimmungen sernhielten, na-hnren 347 Abgeordnete
an der Abstimmung Mer das Ermächtigungsgesetz
teil, also 40 mehr als verfassungsmäßig notwendig.
Hievon stimmten 316 Abgeordnete mit Ja, 24, Wohl
hauptsächlich die Mitglieder der Bayerischen Volks-
Partei, mit Nein, 7 Abgeordnete haben sich der
Abstimmung enthalten. Das Ermächtigungs-
gesetz ist also mit der notwendigen Zweidrittel-
mehrheit zur Annahme -gelaugt.
Nach den Vorgängen der letzten Tage, war diese
Annahme zu erwarten. Denn es stand für uns
s e st, daß die Minderheit in der sozialdemokratischen
Reichstagsfraktion angesichts der prekären Lage sich
der Notwendigkeit des Gebots der Stunde fügen
würde, damit nicht durch eine Reichstagsauftösnng
die Situation noch mehr verfahren würde,
Es sie es ohnehin war. Mit so großen Bedenken
wir bereits der ersten Großen Koalition gegenüber-
standen nnd so skeptisch wir die zweite Große Koali-
tion und noch vielmehr das Ermächtigungsgesetz
betrachten, so sehr brachte der Zwang der parla-
mentarischen Lags es mit sich, daß ungeachtet der
persönlich Eders gearteten Auffassung der Irak-
tionsminderheit, unsere gesamte Fraktion ein ge-
schlossenes Vot nm abgeben mußte wenn nicht
die Einheit der Partei in Trümmer gehens
sollte. Eine andere Frage ist es, ob nicht die sozial-
de>nokratifche Reichstagsfrattion durch eine zweck-
dienlichere Gesamtr tchttt ng solchen Schwie-
rigkeiten für die Zukunft aus dem Wege gehen soll.
Wir wollen hoffen, daß die letzten kritischen Tage
«ine Mahnung sind, durch eine klare Politik
auch die Lösung der Probleme klarer zu ge-
stalten.
Nachdem das Ermächtigungsgesetz angenommen
ist, hat es keinen Sinn mehr über Wort oder lin-
wert, Licht- oder Schattenseiten dieses Gesetzes"zu
diskutieren. Was jetzt von der Regierung ver-
langt werden muß, das ist die Kcast nnd der
Wilke, von Veit ihr verliehenen Vollmachten Ge-
brauch zu mache«, um das deutsche Volk aus dem
Nebel von Elend und Rot ins Freie zu führen.
Mit rücksichtsloser Schärfe, mnß die Re-
gierung endlich den Besitz z» seinen notwendigen
Staatspslichten erzwingen, muß die Regierung
schleunigst eine neue Währung schaffen. Der
Widerstand der Parteien ist besiegt, soweit das
Parlament in Frage kommt, ob nicht der Besitz Mn-
Mehr versucht, auf denn Umweg über Bayern
der drohenden Belastung zu entgehen il Nach all-
dem, was wir in den letzten Jahren erlebt haben,
ist die Gefahr nicht abzuweisen, daß das Groß-
kapital und die Schwerindustrie auch jetzt noch
Schwtergikeiten zu machen suchen.
Schnell und entschieden zu handel«, ist daher di«
Ausgabe der Netchsregicrung. Dies erwarten von
ihr vor allem die Massen des arbeitenden Volkes,
die unter der Not fast zusammenbrechen und dnen
Enttäuschung sich furchtbar Luft machen
würde, wenn auch dieses letzte Hilfsmittel
der Reichsregierung keine Entspannung der ver-
zwetfelten Lage brächte.
Reichstag.
oBerlin, 13. Oktober 1923.
Eine Abstiimnung von historischer Bedeutung.
in der Sitzung des Reichstages am Sonnabend
ditte gewichtige Entscheidring fiel, sah man schon an
Mensche nm affe, die trotz strömenden Regens seit
d<-n Vormittagsstunden das Reichstagsgebäude um-
wgeri hatte.
, Präsident Löbe weist bet Eröffnung der Sitzung
n Befürchtung kommunistischer Obstruktionsmetho-
, "l darauf hin, daß es nach der Geschäftsordnung
^ seinem freien Ermessen steht, das Wort zur Ge-
chäftsordnung zu erteilen. Schon marschiert der
Ate kommunistische Sprecher auf. Stöcker be-
tragt, zunächst über die Notlage im besetzten Ge-
üt zu sprechen, sein Parteigenosse Koehnen wünscht
Punkt 1 der Tagesordnung einen Antrag auf
^"'Hebung des Verbotes der „Noten Fahne". Aber
Gesinnungsfreunds von der äußersten Rechten,
l denen man die gemeinsame Taktik für diese Ab-
. winngssitzung besprochen hatte, tun den Kommu-
h ' diesmal nicht den Gefallen; sie erheben W i -
sH^'.druch. Da Ledebour das Wort zur Ge-
stsordnung verweigert wird, meldet er sich

schlagfertig „zur Abstimmung" und beantragt Aus-
setzung der Abstimmung, bis der Reichskanzler eine
Anfrage des Kommunisten Frölich über die Be-
ziehungen zwischen Stinnes und rechtsradikalen
Organisationen beantwortet habe. Wer auch dieser
Antrag findet nicht die notwendig Unterstützung.
Sodann erhält Abg. Leicht (Bahr. VP1.) das Wort
und erklärt, daß die Hoffnung seiner Fraktion, die
Konfliktsmöglichkeiten zwischen dem Reiche und
Bayern auf ein Minimum beschränkt bleiben möch-
ten, nicht in gewünschter Weise in Erfüllung gegan-
gen wäre. Trotzdem mache seine Partei jedoch keine
Obstruktion, wenn sie auch gegen das Gesetz stimme.
Als das Haus zur Abstimmung schreitet, verlassen
verabredungsgemäß Kommunisten, Deutschnationale
und Deutschvölkische den Saal. Vergebene Liebes-
mühe. Die Zahl der Abgeordneten, di« sich an der
Abstimmung beteiligen, beträgt 347; also 41 mehr
als zu einer verfassungsändernden Abstimmung
notwendig sind. Nur 24 von ihnen haben mit Nein
gestimmt, darunter die 17 Abgeordnete der bayeri-
schen Volkspartei. Diesem kleinen Häuflein von
Gegnern des Gesetzes stehen 316 Stimmen mit Ja
gegenüber. 204 Ja hätten genügt für die erforder-
liche Zweidrittelnrehrheit. Sieben Abgeordnete ent-
hielten fich der Stimme, an der Spitze Stinnes
mit seiner Gefolgschaft innerhalb der Deutschen
Volkspartei.
Das schwerumlämpfte Gesetz hat also bei einer
außergewöhnlichen Besetzung des Hauses eine
Mehrheit gefunden, auf die man nicht zu hoffen
wagte.
Präsident Löbe teilt mit, daß die ttüchste
Sitzung zur Erledigung des Arbeitszeit-
gesetzes entweder Ende der nächsten Woche oder
Anfang der übernächsten Woche stattfinden werde.
Einzelheiten zur Abstimmung.
Berlin, 13. Okt. AnS der noch am gestrigen
Spätnachmittag unter den Retchstagsdrucksachen
herausgsgebenm offiziellen Mstimmungsliste lassen
sich verschiedene bemerkenswerte Einzelheiten ent-
nehmen:
Die 24 Nein-Sager setzten sich zusammen nicht
nur aus den 17 anwesenden bayerischen Volkspartei-
lern, sondern auch aus den vier Abgeordneten des
Bayerischen Bauernbundes (Bachmeier, Eisenberger,
Prof. Fehr und Rauschmayr) und aus den drei an-
wesenden Deutsch-Hannoveranern (Al-
pers, Langwost und Siefers). Der vierte Deutsch-
Hannovsmner> Graf v. Bernstorff-Schleswig-Hol-
stein, scheint nicht anwesend gewesen zu sein, des-
gleichen sein Verwandter, der demokratische Botschaf-
ter a. D„ der als einziges Mitglied der 39 Mann
starken Demokratischen Fraktion fehlte, weil er im
Auslande (im Haag) weilt. Von zwei weiteren
Reichstagsab geordneten ist ebenfalls bekannt, daß sie
zurzeit im Auslände sind, und zwar sind dies der
dentschnationale Professor Hoetzsch und die Kommu-
nistin Klara Zetkin, die beide die Vorzüge der bol-
kcl-ewistischen Gastfreundschaft in Moskau genießen;
ihre Anwesenheit hätte übrigens am Abstimmungs-
ergebnis nichts geändert, da sie beide der Flucht-
koalition angehörten.
Die Zahl der abwesenden Zentrumsmtt-
glieder scheint ganz gering zu sein und dürfte sich
jedenfalls nur aus schw erkranken Abgeordneten zu-
sanAtensetzen.
Ebenso dürften nur wenige Deutschvolks-
parte tl er gefehlt haben, dafür Haden, wie schon
arr anderer Stelle erwähnt, sechs Mitglieder der
volksparteilichen Fraktion blaue Ewthaltungsstimim--
zstiel abgegeben. Das sind einmal die Vertreter der
rheinisch-westfälischen Schwerindustrie Stinnes,
Dr. Voegler und Dr. Quaatz, andererseits drei
volksparteiliche Agrarier, Dö brich, Hepp und
Zeschke.
Der siebente blaue Stimmzettel wurde vom kom-
munistischen Hamburger Abgeordneten Reich ab-
gegeben, mit dem sich die Oeffentldchkett bereits wie-
derholt und meist nicht zu seinem Vorteil beschäftigt
hat.
Von der Sozial demokratischen Frak-
tion Haven sich 14 Mitglieder an der Abstimmung
nicht beteiligt, von denen mindestens die Hälfte in-
folge schwerer Erkrankung reiseunfähig war.
Der deutsche Gesandte in Lettland, Genosse Dr.
Köster, konnte nicht mehr reichtzeftig kommen.
Von der 173 Mann starken sozialdemokratischen
Fraktion fehlten bei der Samstag-Abstimmung 14
Mitglieder, zum Teil entschuldigt, zum Teil unent-
schuldigt. Die Anwesenden stimmten Mt Aus-
nahme der Gen. Rosenfeld und Wurm für das Er-
mächtigungsgesetz, da am Vormittag mit übergroßer
Mehrheit Fraktionszwang beschlossen worden
war. Nicht anwesend Waben von der Minderheit die
Genossen Levi, Toni Sender, Dißmann, Aufhäuser,
Bock und Braß.
Eine Erklärung
der sozialdemokratischen Minderheit
Berlin, 13. Okt. Die Minderheit der so-
zialdemokr-atischLN Fraktion, die ebenfalls für das
Erntächtigungsgesetz gestimmt bat, veröffentlichte

nach Beendigung der Sitzung zur Begründung ihrer
Haltung folgende Erklärung:
„Wir Haven uns vergeblich bemüht, die Mehrheit
der Reichstagsfraktion für unsere, in der Fraktions-
erklärung vom 9. Oktober 1923 niedergelegte Ueber-
zeugung zu gewinnen. In der Vertretung unserer
Ueberzeugung haben wir in der Fraktion alle legalen
Mittel erschöpft. In letzter Stunde beschloß die
Fraktion gegen unseren Willen, daß jedes Mitglied
für das Ermächtigungsgesetz stimmen müsse. Die-
sem unbedingten Fraktionszwang fügten wir uns.
Nicht, weil wir unsere sachliche Meinung geändert
haben, sondern weil wir die EinheitderPar-
tei wahren wollten nnd wahren mutzten. Nun
hat der Parteitag zu entscheiden."
Berlin, den 13. Oktober 1923.
Crifpien. L. Agnes. Franz Künstler. Adolph
Hofflnann. Fritz Zubeil. Marie Wackwttz. Horn.
Ryssel. Anna Ziegler. Meißner. Ristau. Albrecht.
Ad. Schwarz. Löwenstein. Beckmann. Fritz Geyer.
Anna Nemitz. Schirmer. Breunig. Plettner. W.
Voß. Fr. Eichler. A. Bruchardt. Bernhard Düwell.
Kuhnt. Hoffmann-Schmargendorf. Seger-Leipzig.
Kunert- Fries. Soldmann (Franken). Simon
(Fvrnken).

Internationale Lage.
Die Eisenbahnregie im besetzten
Gebiet.
Berlin, 13. Ott. Der Reichsverkehrsministsr
hat die Eisenbahner des besetzten Gebiets an-
gesichts der Bedrängnis angewiesen, die Arbeit
am Mittwoch, den 17. Oktober, aufzunehmen. Gegen
die Ableistung des geforderten Diensteides sei
nichts mehr einzuwenden, nachdem die Direktion
der Regie offiziell erklärt hat, daß der Eid keine
Politische Bedeutung habe. Die Abgabe des Eides
könne aber die gegen das Reich bestehenden und
weiter bestehen bleibenden Treupslichten nicht auf-
hoben. Namens der Reichsregierung stellt der Ver-
kehrsminister dabei fest, daß die Regierung die Regie
als eine nur vorübergehende Verwal-
tung ansehen kann, und daß der gegenwärtige Be-
trieb durch die Regie die Rechte des Deutschen
Reiches an den besetzten Bahnen nicht be-
rührt.
Keine Ausweisungen mehr.
Essen, 13. Okt. Die Ausweisung von 214
Eisenbahnbediensteten aus Duisburg, Köln und
MülhetM-Speldorf ist aus direkte Anweisung des
Düsseldorfer Oberkommandos hin im letzten Augeiv-
blick rückgängig gemacht worden. Es sollen
nunmehr keine Eisenbahnerausweisun-
gen mehr erfolgen.

Die Lage im Reich.
DieRegierungsbildung in Thüringen
Weimar, 13. Okt. Die Verhandlungen zwi-
schen der V.S.P.D. und K.P.D. über die Bildung
der Thüringer Regierung sind so weit gediehen, daß
nur noch die Verteilung der Ministerien vorzuneh-
men ist Der thüringische Landtag wird am 16. Ok-
tober zusammentreten.
Sachsen wird provoziert.
Dresden, 13. Ott. General Müller,
der Wehrkreiskommandeur für Sachsen, hat die
proletarischen Hundertschaften ver-
boten. Di« sächsische Regierung betrachtet jedoch
die Verordnung als rechtsungültig.
Dresden, 13. Okt.- Am Samstag erfolgte die
Vereidigung der beiden kommunistischen Minister
Heckert und Böttcher.
Wie lange noch?
Berlin, 13. Ott. Der Wehlkreiskommandeur
für den 2. Wahlkreis, General von Tschischwttz
tn Stettin, hat für den Freistaat Mecklenburg-
Strelitz auf Antrag des deutschnationalen Mini-
sterpräsidenten eine Verordnung erlassen, wonach
sämtliche landwirtschaftlichen Betriebe für
lebenswichtige Beiriede erklärt und Streik
oder Arbeitsverweigerung von Arbeitern
oder Angestellten mit Gefängnis bestraft werden.
Jode öffentliche Aufforderung zum Streik wird eben-
falls unter Strafe gestellt. Jeder Arbeiter, der nicht
durch Krankheit entschuldigt ist, hat zur Arbeit zu
erscheinen. Falls er krank ist, hat er binnen zwei
Stunden ein ärztliches Zeugnis darüber zu beschaf-
fen. Die Landarbeiter werden so der Will-
kür der deutschn-ationalen Gutsbesitzer aus-
geliefert. Dafür aber haben die städtischen
Arbeitermassen weder Kartoffeln noch Brot! Sie
können nach Westarp bei vollenScheunen verhungern.
Roßbach aus der Haft entlassen!
Leipzig, 13. Okt. Der Staatsgerichts-
Hof hat am Samstag vormittag in nichtöffentlicher
Sitzung beschlossen, Oberleutnant a. D. Rotzbach
aus der Haft zu entlassen. Das Verfahren wegen

Geheimbündelei nimmt jedoch sein«» Fortgang.
Rostbach ist seinerzeit wegen Verstoßes gegen dach
Gesetz zum Schutze der Republik verhaftet worden,
weil er bewaffnete Turnerschasten, die der deutsch-
völkischen Freiheitspartei angeglicdert Warrn, auf-
gestellt hat. Wenn man ihn nun entläßt, bevor
General v. Seeckt seine in Aussicht gestellten bedeu-
tungsvollen Aussagen macht, so wirft dies ein eigen-
artiges Licht auf den Staatsgerichlshof. Es ist bald
ein Skandal, mit welcher Rücksichtslosigkeit der
Staatsgerichtshof fortwährend Dinge tut, die geeig-
net sind, die Autorität der Republik zu untergraben.
Wie lange soll dies wohl noch so weitcrgehen?
Berlin, 13. Okt. Der Reichswehrminister hat
nach den ihm von dem Chefredakteur der „Deutschen
Zeitung" gegebenen Zusicherungen das Erscheinen
der „Deutschen Zeitung" wieder gestattet.
Die Teuerungsunruhen.
Höchst, 13. Okt. Bei dem gestrigen Zusammen«
stoß zwischen Demonstranten und der Polizei sind
folgende Verluste zu verzeichnen gewesen: ein To-
ter, achtzehn Verwundete. Da cs der Polizei nicht
gelang, die Menge zu zerstreuen, griffen franzö-
sische Truppen ein. Seit gestern abend
herrscht in der Stadt völlige Ruhe. Die französi-
schen Besatzungsbehörden haben den Verkehr auf
der Straße in der Zeit von 6 Uhr abends bis 1 Uhr
früh verboten.
Kreuznach, 13. Ott. Gestern nachmi.rag kam
es hier zu Ausschreitungen ArbeitLloscr, die
an 6 großen Geschäften Fenster einschlugen und
dann plünderten. Di? französische Bcsatzungsbe-
hörde hat den Belagerungszustand verhängt.
Düsseldorf, 13. Ott. Die Plünderun-
gen nehmen heute ihren Fortgang. So wurde
heute morgen auf der Ellerstratze ein Lebensmittel-
geschäft, das geöffnet war, vollständig ausgeränntt.
In verschiedenen anderen Geschäften -ereigneten sich
ähnliche Vorgänge. Am Worringerplatz wandten
sich einige Geschäftsleute um Hilf- au französi-
sche Patrouillen, die einige Personen ab-
führten Auch in anderen Stadtteilen finden fort-
gesetzt M ensche-nairs ammtun-gen statt.
Auch ans anderen Orten wie Gelsenkirchen,
Benrath, Kreuznach, Frankfurt a. M., Leipzig und
Hannover werden Teuerungs unruh en ge-
meldet, die unblutig verliefen.
Gelsenkirchen, 14. Okt. In Gelsen-
kirchen ist cs zu Unruhen gekommen, bei
denen die Polizei einschveiten mußte. Bei -den
gestrigen Unruhen hat es auf der Seite der Plün-
derer einen Schwerverletzten und 8 Leichtverletzte
gegeben. Der Materialschaden ist bedeutend
nnd wird auf so Billionen geschätzt. Die französi-
sche Besatzuugsbehörde hat den Ausschank von A l -
ko hol verholen. Die Lage ist nach wie vor
e r n st.

KMMMU MMkiWWk.
Karl s r uh e, 13. Okt. Den von der „Karls-
ruher Zeitung" mitgeteilten Dokumenten übet
die kommunistische „Zellenarbeit" entnehmet -
Wir noch eine Reihe Wetter beachtliches Material.
In einem Rund zirkular an die Uuterbe»
zirksleitungen des Bezirks Baden der kommuntsttt
schen Partei Deutschlands anfangs September wtrlj
bereits mitgeteilt, daß in den nächsten Ta gell
mit einer Verschärfungder Lage zu rechnet
sei. (Bekanntlich kamen dann Mitte September dti
Ereignisse in Lörrach und in Freiburg.) In de»
Richtlinien waren als „nächste Ziele" angegeben!
Uebernah weder Slaatsleitung und des
Staatsapparates, Uebernahmc der Kommunen,
sowie sozialistische Umstellung und Leitung del
Wirtschaft. Zu diesem Zwecke müsse durch die Ar-
bciterschaft einvollständigerBruchmttder
Bourgeoisie erfolgen. Die nächste Etappe d n
kommunistischen Partei sei die Ausrufung der „A l -
beiter- und B a u ernre g i e r u n g", diesem
Phantom jagen besonders die badischen Kommun -
sten nach. Als „Mittel zum Zweck" wird des Hal l
auch gefordert einBundmttdenKleinban»
ern und der „ausgebeuteten Mittelschichten.'
Als ob die badischen Kleinbauern daran dächten
sich dem Kommunismus zu verschreiben; ihre For-
derungen sind ganz anderer Natur, als sie von dert
Komtmiuisten vertreten werden.
Besonders beachtenswert ist die versuchte Bil-
dung von Betriebs-Hundertschaften,
welche das politische Programm der Kommunisten
durchführen sollen. Denn mit ihnen zu arbeiten
haben die ebenfalls zu fordernden sogenannten
Kontroll aus schüsse; sie sollen mindestens
5 vis 15 Mitglieder haben und durch Unteraus-
schüsse ergänzt werden. Man hat ihnen folgende
Absgaben übertragen:
Unterausschuß I: Reinigung der Verwal-
tung und Schule, A mn e st t e a n g e l e g en-
ki e i t e n.
Unterausschuß II: Reinigung der Lapo (Landes-
polizei) und Reichswehr.
Unterausschuß IU: Auflösung aller re-
aktionärer Organisationen. VerhafmM
 
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