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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 221 - Nr. 230 (24. September - 4. Oktober)
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<krpeLition2S78 u. Redak.UTS»

Jahrgang

Heidelberg, Dienstag, den 2. Oktober 1923

Nr. 228


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Derlagsnndalt E. m.b.H., Acivel.
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Grundpreis malder Schlüsselzahl d,
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rholungen Nachlaß »ach Tarif.
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irr

Die Vorbereitungen
zum Bürgerkrieg.
/ Unser Berliner O-Mitarbeiter schreibt uns:
Nicht nur im realttionären Bayern, auch
»n deren Teilen des Reiches, ganz besonders
^Uilrltch in Preußen, haben die Rechtsradikalen
m dsr letzten Zett fieberhaft hinter den Kulissen ge-
^bettet, um nach dem Putsch ihre Regiernngsma-
^chine in Gang zu setzen. Dabei verkennen sie kei-
neswegs die große Bedeutung, die der Schütz-
te l t z e i Mr den inneren Bestand des Staates
Atzommt. Wo die Polizei der Republik nicht durch
Ndd durch reaktionär versippt ist, wie in Bayern, ist
lie den Deutschvöl-kischen und Dentschnattonaleu ein
besonderer Dorn im Auge. Eine Poltzeigruppe
ffv schaffen, wie sie der Staat der Reaktion braucht,
Mort daher zu -en vorbereitende« Arbeiten der
MaatAzertriimmerer -ans der Rechten. Mr Preußen
S<ft zu diesem Zweck augenscheinlich ein Fachmann,
der den inneren Betrieb der Schupo genau kennen
Muß, bereits einen in alle Einzelheiten gehenden
Entwurf ausgeaMettet, der den Titel trägt:
Richtlinien für die Neuformierung der preußischen
Polizei". »Mit Uebernahme der Staatsgeschäfte
e"rch die neue Regierung" — so heißt es in dem
Entwurf — »geht bis zur- Sicherstellung geordneter
Verhältnisse die vollziehende Gewalt auf das Mili-
ar tiber. Die gesamte Polizei wird vorerst Demsel-
Kim unterstellt und unterliegt solange den Militär«
Dietzen, bis an Stelle der Schutzpolizei die »neu«
^andespo'lizei" gebildet ist. . . . Die Preutzische
Schutzpolizei wird aufgelöst, da die Be-
amtenschaft derselben in ihrer augenblicklichen inne-
^cu Zusauunensetzung unter den jede Disziplin zer«
ätzenden Einflüssen der Polizeibeamtenverbände der
willen Regierung keine Gewähr Mr die Aufrecht-
^haltung der Ruhe und Ordnung und zur Wahrung
"''r Staatsautorität bietet".
Für die U e ö e r ga n g s ze t t „wird den ört-
lichen Militärbesehlshabern ein Aufsichtsrecht
^ geräumt. Hierfür werden besonders energi-
sche, ältere aktive Offiziere den einzelnen
Kommandeuren der bisherigen Schutzpolizeikörper
--mrläslfig beigegeben, uni die Unterstützung der Neu-
chrgauisation durch das Militär zu gewährleisten und
me Aufrechteihaltung der Disziplin und die Durch-
'ührung der militärischen Maßnahmen zu verbür-
^m." . . , „Aste widerstrebenden Beamten wären so-
iort z« e n tw aff n e n, ihnen Ausrüstung, Uniform
Mrd Ausweise ab-zunchmen und ihnen jedes fernere
^treten der Kasernen, Polizeiuuterkünfte, Reviere
chid anderer Diensträume strengstens zu verbieten.
Essener Widerstand wäre mit der Waffe
E»rch das Militär zu brechen, Aburteilung hätte
""ich das Kriegsgericht zu erfolgen." . . .
Und wie sieht die »Landespolizei" der Reaktion
y"s? Sie „setzt sich zusammen aus bisherigen Be-
hüten der Polizei, soweit sich dieselben den neuen
Bedingungen unterwerfen und für geeignet be-
enden werden, ferner aus neu einzustellenden, zn-
^lässigen Personen, die ausreichend militärisch
m^gsbikdet stn-d. Verheiratete sind nicht neu eiu-
"'stellen." Außerdem sollen die Angehörigen der
"Landespoltzet" nicht den Beamtencharak-
/r erhallten, „statt dessen treten dieselben in ein be-
'Mtderes Angestelltenverhältnis zum Staat. Volle
^valttionsfreiheit und gewerkschaftliche Or-
?^>tisation würde bet einer bewaffneten Macht wie
die Polizei verkörpert, die dauernde Be-
jahung dar Volkslnehrheit durch eine bewaff-
jte Minderheit bedeuten. Aus diesen Gründen
jn weder Koalitionsfreiheit noch Wahlberechtigung
M Angehörigen der Polizei zugestanden werden."
. In bezug -auf Disziplin, Strafgowalt, Versannn-
."ßgs-verbot, Vorgesetztenverhältnis usw. müßten
j Mr das Reichsheer gültigen Bestimmungen,
-j°it sie sich auf die Unteroffiziere desselben be-
s Men, volle Gültigkeit haben. Besonders zu unter-
pichen wäre, daß aus Grund eines Erlasses der
. »hertge Verband der Pottzeibeamten refp. alle
jNschaftsähnlichen Verbände der Polizei wegen
jfährdung der StaatsautoritSt aufgelöst und jeder
in Verbände unter anderem Namen oder
^ähnlicher Form Wiedererstehen zu lassen, schwere
H jken in sich schließt." Dafür müssen aber die
^.Mizeimannschaften der Reaktion wie ehedem „alle
^Mstere des RdichSheer-es in Unifornt" grüßen. —
ßj Volksveglückung der Rechtsputschisten enthüllt
. >n dieser Neusormieruug der Polizei in ihrer
nzen unschuldsvolleil Reinheit.
'en s ""ch die Komm u n isten sind in der letz-
isi, ^^i nicht müßig gewesen, unk eine Regierungs-
Tew l>me vorzubereiten. In den ersten Tagen des
Z "emver hat in Berlin eine k o m nr u n i st i s ch e
-er ' alauLschub - Sitzu n g stattgefunden-, an
st der Breslauer Bezirksleiter der
Vrx-s" teilgenommen hat. Nach seiner Rückkehr nach
ßej d'"" bat er die folgenden Richtlinien der K.P.D.
mcr Uebernahme der Regierung mitgeteilt:
tep sjnMnf a-n die Bau er n s ch aft zur freiwilli-
ähgabe von Getreide und Lebensmitteln.
kl ^ersa-gt dieser Aufruf, werden bewaffnete
ier » , ertruppenmit derBeschlagnahme
-.joriisinittel beauftragt.
4 boi der ge s am ten P re sse.
e st Parteiführer werden in erster Linie
" «eno m m e n.

5. Wird der neuen kommunistische« Regierung
von irgendeiner Sette oder Person Widerstand
entgegengesetzt, so erfolgt rücksichtslos die Todes-
straf e.
Hierbei ist wörtlich folgender Ausspruch gefallen:
„ES hat keinen Zweck, die Gefängnisse zu füllen, wer
auf dem Friedhof liegt, rebelliert nicht mehr."

* Heidelberg, 2. Oktober.
Der P ut sch v er s u ch in K üst r t n, welcher von
den Nationalisten, die in einem wahnsinnigen Krieg
ihr Heil sehen — solche Wirrköpfe gibt kS heute so-
wohl bei der äußersten Linken wie bei der äußersten
Rechten — zeigt, wie e r nst die Situativ« im Reiche
ist. Zum Glück ist die Reichsregierung
Herr der Situation. Aber sie bedarf aller
Kräfte, um all die Schwierigkeiten zu bewältigen,
die sich Mr das Reich heute in Bayern und in ein-
zelnen staatsfeindlichen reaktionären Lagern des
Nordens sowie vom kommunistischen Lager
aus anftürmen, wozu noch die kritische außen-
politische Lage kommt.
Wenn die Republik die schwere Krise Werstehen
soll, dann müssen sich alle freiheitlichen
Kreise fest um sie scharen. Arbeiter und Bürger
nrüssen sich sagen, daß dieEinheitdesRetches
verlorenist, wenn die Rechts- oder Linksbolsche-
wistsn -ans Ruder kommen. Wie sehr dieDeutsch-
nationalen Morgenluft wittern, geht daraus
hervor, daß Der „Frankfurter Zeitung" zufolge be-
reits in der Deutschen Liberalen Volkspariei sich
Stimmungen gegen die große Koali-
tion breit machen und eine gewisse Geneigtheit zur
Bildung einer NegierungmttdenDentsch-
nationalen besteht, um die Soziardeuwkra-tie
auszuschalten.
Mas dies Mr das Deutsche Reich, Mr die Repu-
blik und Mr die Arbeiterbewegung bedeuten würde,
läßt sich leicht ausrechnen. Frontstellung gegen
Frankreich und damit der Todesstoß Mr das Deut-
sche Reich, Kampf gegen die Arbeiterbewegung wären
die Folgen.
Noch ist es nicht so wett. Um jedoch das
Schlimmste zu verhüten, mutz sich die Arbeiter-
schaf t geschlossen um die Republik
scharen und jeder Art von Puischhetze — komme
sie nun von rechts oder links — den Kampf ansagen.
Ein Ueberrumpelungrversuch.
Berlin, i. Okt. (Amtlich» National-
kommunistische Haufen versuchte« heute
früh Küstrin zu überrumpeln, und dran-
gen in die militärisch nicht belegte Altstadt ein. Der
Kommandant von Küstrin hat ihren Führer
festgenommen. Die Garnison, der Verstärkun-
gen aus de« benachbarten Reichswehrgarntsonen
zugeführt worden sind, hat den Auftrag, die Ord-
nung mit rücksichtslosem Einsatz aller Mittel voll-
ständig wtederherzustsllen.
-Berlin, 1. Okt. Folgender Befehl des R-eichs-
wehvmlnisters -erg-ing äir sämtliche Wehrkreise:
Um Beunruhigungen der Bevölkerung durch un-
verbürgte Gerüchte zu vermeiden, befehle ich -aß
Nachrichten Wer dergl. Unruhen im unbesetzten Ge-
biet nur verbreitet werden Dürfen, wenn sie amt-
licher Herkunft sind. Zuständig bleiben die Wehr-
kveiskommandeiure Mr die Erteilung dieser Nach-
richten. Zuw-iderWndluitgen werden nach 8 4 der
Verordnung des Neichswehvprästdentsn bestraft.
Berlin, 1. Okt. Ueb-er die Lage in Küstrin
wird vom Retch-swehrministerium wit-geteilt: Durch
sofortiges energisches Eingreifen wurde der Korn-
inandant in kurzer Zeit Herr der Bewegung. Die
Garnison drang in die Stadt und schloß die Un-
ruhestifter im Zeughof ein. Mehrere Führer wur-
den verhaftet. Die von- den N achlbargarntsoneu
mmtarschi-er-euden Verstärkungen werden voraus-
sichtlich nicht mehr einzugreifen brauchen.
Ein Feuergefecht zwischen
Aufständischen und Reichswehr.
Berlin, 1. Okt. In Küstrin kam es bei einem
E n tsa tz v c rsuch, den die Aufständischen zur
Befreiung der im Zeugh-ause eiivgeschlosseuen Auf-
rührer nnternah-rneu, zu einem kurze» Feuergefecht.
Die Aufständischen Habs» Verluste am Totem und
Verwundeten zu verzeichnen. Bet der Reichswehr
sind bisher keine Verluste zu verzeichnen. Am Abend
waren die Aufrührer im Zeughause VS« der Außen-
welt Völlig MgeMerrt. Die Entwaffn»ngsaktwn
ist etngeleitet. Die Säuberung der U-mgegend von
Küstrin ist im Gange. Der Einsatz d-n M Küstrin

In Schlesien selbst fühlt num sich nicht stark
genug, mn selbst ein Unternehmen zu wagen. Man
will sich daher damit begnügen, den Abtrans-
port der Reichswehr und Schupo in andere Ge-
genden deS Reiches zu verhindern und erhofft die
Beglücknng Schlesiens durch die „Rote Armee" hin-
terher.

in Marsch gesetzten Verstärkungen ist nur zum ge-
ringe«« Teile notwendig geworden. Die Umgebung
von Berlin Wird durch Reichswehr und Polizei
scharf überwacht.
Berlin, 1. Okt. Die Arbeiterschaft in Küstrin
hat, wie wir hören, an den Unruhen keimen Teil
gehabt, sich im Gegenteil der Kommandantur zur
Unterstützung zur Verfügung gestellt.

Treue zur Republik.
Berlin, 29. Sept. Der Reichsverband -es
Deutschen Republikanischen Reichsbun-
des verbreitet heute in allen Teilen des Reiches
ein Manifest, worin die Mitglieder aufgefordert wer-
den, bereit zu sein, um im Notfälle mit dem
Letzte« einzutreten für den deutschen
St«at, Mr unsere Republik, die nun zu be-
weisen hat, daß sie leben kann und — will. Repu-
blikaner! Ihr wißt, so heißt es, wo die Feinde
der Republik stehen. Sorgt rechtzeitig dafür,
daß nicht abermals die unpolitische Masse durch das
lächerliche Spiel mit dem „roten Ge-
spen st* kopfscheu gemacht wird. Steht fest zu-
sammen mit denen, die bisher unerschrocken auf
die Gefahren dieser Tage hingewiesen halben und
auch weiterhin bereit sind, schirmend vor die Deut-
sche Republik zu treten.
Stuttgart, 1. Okt. Die V er e i n i g t e S o -
zialdemokratte sowie die ihr nahestehenden
Gewerkschaftsangestellten und Beamt-eint-
o, gantsa-tionen Württembergs erlassen einen Auf-
r.» f, in dem vor jedem Pu! sch gewarnt rind Ne Be-
völkerung zur Treue gegen die Reichsein--
heitunddteRepublik aufgefordert wird.
Zeitungsverbote.
Göttingen, 1. Okt. Der Oborprästdent von
Hannover hat das nationalistische „Göttinger
Tageblatt" auf die Dauer von vier Tagen vom
29. September bis 3. Oktober verboten, weil das
Blatt eine Rede des Hauptmanns Heise unter der
Ucborschrift „Bayerns Bereitschaft" abgedruckt hatte.
Stuttgart, 1. Okt. Die kommunistische „Süd-
deutsche Arbeiterzeitung" wird wegen
Aufforderung zum gewaltsamen Umsturz vom mili-
tärischen Befehlshaber für Württemberg ver-
boten.

Wie ZKahr regiert?
Nür « berg, 30. Sept. (Eig. Bericht.) Jin Auf-
trag der Retchsbaukzeutralstclle Berlin sollten am
Samstag die in der Nürnberger ReichsbaNkftliale
aufbewahrten 100 Millionen Goldmark
nach Berlin transportiert werden. Inzwischen
war der Nürnberger Oberbürgermeister Dr. Luppe
seltner Stellung als Polizeichef enthoben und der
Staatskommissar Gareis mit dieser Funktion beauf-
tragt worden. Sein erstes Verdienst Mr das wider-
rechtlichr System Kahr war die Verhinderung
des Mr Berlin bestimmten Goldmarktrausportes.
Münchs«, 1. Okt. Der Generalstaatskommissar
für Bayern, v. Kahr, hat sich endlich entschlossen, das
Verbot -eS „Völkischen Beobachter"
durch de« Retchswehrmtu ister ausachtTage, von
Montag bis zum übernächsten Montag, durchzu-
führen.
München, 1. Okt. v. Kahr ha« nicht nur die
V o l l z u g S b e st i mm u n ge n des Republikschutz-
gesetzes außer Kraft gesetzt, sondern hat das
Schutz tzesetz selbst Mr Bayern sistiert. Der
„Staatsanzeiger" veröffentlicht die Verordnung über
die Aufhebung der Sicherheitsverbände der sozial-
demokratischen und kommunistischen Partei. Ihre
Waffen verfallen ohne Entschädigung
dem Staat. Wer der Verordnung zuwiderhan-
delt, wird Mit Gefängnis und nicht begrenzter
Geldstrafe belegt. Beschwerde gegen die Fest-
stellung der Polizei über Konfiskation von Waffen
ist nicht zulässig.
Berlin, 1. Okt. Die „Deutsche Allgemeine
Zeitung" berichtet, daß der Generalstaatskommissar
Dr. v. Kahr einen Haftbefehl des Oberreichsanwalts
gegen den Hauptmann a. D. H et tz, den Führer der
Organisation „Reichsflagge", die zum Deutschen
Kmnpsbund gehört, zurückgewiesen habe.
Der „Völkische Beobachter" erscheint
doch.
München, 1. Okt. Der „Völkische Beobaal-
ter" erscheint trotz Verbot. Herr von Kahr scheint
htevgeW« P-affiv zu verbleiben. Das Verbot des

„Völkischen Beobachters" ist van dem Münchener
Wehrkreisbes-ohtshaber General v. Lossow, der
als zuverlässig Mr Die Reichsregierung be-
zeichnet wird, korrekter Weise an die zivilen Ver-
WMtungsb-chörde-n zur Durchführung weiter-gegeben
worden. Aus Der Tatsache, daß der „Völkische Be-
ob-achter" trotz dem Verbot erschienen ist, geht klar
hervor. Daß die Herrn v. Kahr unterstehende Zivil-
verwaltung entweder nicht willens oder nicht in der
Lage ist, eine gegen rechts gerichtete Anweisung
durchzuMhren.
Der Reichswehrminister ist, wie wir hören, des-
halb vom ReichSkabtnett beauftragt und ermächtigt
worden, mit allen Mitteln Vie Durchführung deS
Verbotes zu erzwingen.
Zur Charakterisierung Kahrs.
Aus München wird uns geschrieben:
Der neue Genera-lstaatskommifsar hat die vier-
zehn Hitler-Versammlungen, Die als Auftakt des
allgemeinen Losbrechens gedacht waren, verbotet«,
und Das Verbot ist Durchgeführt worden. Das
Prestige, -Das sich Die nationalistischen Radaubrüder
in Den Augen einer gläubigen unb politisch uw-
wissenden Anhängerschaft erworben hatte, hat da-
mit einen empfindlichen Schlag erlitten.
Leider ist der Optimismus nicht erlaubt.
Die bayerische Regierung, die Herrn v. Kahr
zu ihrem Generalbevollmächtigten mit unbeschränk-
ten Vollmachten ernannt hat, steht zwischen Der völ-
kischen Bewegung und der Berliner Regierungs-
politik in einer eigenartigen Zwitterstellung. Sie
hat gewiß ein Interesse daran, sich die Verlegen-
heiten zu ersparen, die ihr aus einem eigenmächtigen
und unüberlegtem Losschlagen Der Völkischen ent-
stehen könnten. Aber die Republik und die Ver-
fassung von Weimar sind ihr verhaßt, monarchistische
nnd nationalistische Strömungen finden bei ihr mehr
Verständnis und Pflege als diese Einsicht in Die ge-
schichtlich gewordenen Notwendigkeiten, nach Denen
sich die Politik Des Reiches orientiert.
Was insbesondere Herrn v. Kahr betrifft, so
ist er gerade zu TYP und Repräsentant der weiß-
blauen Reaktion. Ein beschränkter Fanatiker, dem
von gefährlichen Freunden Glauben an seine Mission
beigebracht worden ist, läßt er sich nur von dem einen
„Grundgedanken" leiten, -aß in Deutschland Der
„EntscheidungAkamPf zwischen dem christlich-ger-
manischen Geist und dem international-jüdischen"
entbrannt sei. Diesen „Gedanken" hat er in unzäh-
ligen Reden variiert, und nach Dieser Schablone
teilt er Di« Deutsche Menschheit m Schaffe und Böcke.
Es ist klar, Daß bei dieser Methode zu unterscheiden:
Republik, Wein rar, Sozialdemokratie und Koalition
mit ihr, Netchsrsgierung, Sachsen, Thüringen usw.
ans Ne international"jüdische Seite zu stehen
kommen, Witteffsbacher, Hohen;ollern, Hitler, Luden-
dorf usw. usiv. alber auf die christlich-germanische.
(Dies obwohl Der klügere Rupprecht erst neulich der
bayerischen Judenfchaft versichert hat, die jüdischen
Bayern ständen seinem l-andesvAerlichen Herzen ge-
nau so nahe, wie die christlichen.)
Der ehemalige bayerische Ministerpräsident, Der
seine Machtstellung Dom Kapp-Putsch verdankte,
fühlt sich zu höheren Dingen berufen. Mit Den Na-
tionalisten und Völkischen, von denen ihn einige tak-
tische Differenzen trennen, verbindet ihn eine tiefere
Seelenverwandtffchaft.
München, 1. Okt. Generalstaatskolmnissar v.
Kahr hat heute vormittag Die Vortreter der Mün-
chener Presse zu sich geladen und vor ihnen sein
Programm entwickelt. Als seine Aufgabe bezeich-
nete er, die A u t o r t t ä t d e s S t a a t e s mit allen
Mitteln wieder herzustellen und zu festigen. Seine
Stellung zum Marxismus sei bekannt, ebenso
zur Frage Der Monarchie. Die Monarchie werde
nicht ausgerufen, sondern sie wachse und komme
v o n s e l b st.
Zu der Konferenz waren nicht eingeladen die
Vertreter des „Völkischen Beobachters" und Der so-
zialdemokratischen „Münchener Post".
Eine Aufforderung an die
Reichsregierung.
Der SPD. schreibt:
Die Reichsregierung kann sich den jetzigen Zu-
stand nicht länger gefallen lassen. Der Satz der
Verfassung: „Reichsrecht bricht Landesrecht" weist
ihr den zu beschreitende«:- Weg, Dabet verkennen
wir keineswegs Ne Schwierigkeiten^, die zu über-
wind« sind. Wir wissen. Daß eine machtpolittschc
Auseiimndersetzung kaum möglich ist, und selbst,
wenn sie möglich wäre, gegenwärtig aus außenpo-
ltttschsm Gründen solange vermieden werden
müßte, als die anderen Mittel, die zum Ziele MH-
ven könnten, restlos erschöpft sind. Dieser Auffas-
sung sind auch unsere bayerischen Genossen, Deren
Führer am Sonntag in Berlin weilten. Auch sie
wollen keinen Kmnpf Aller gegen Alle und sind ge-
gen die Anwendung wirtschaftlicher Druckmittel,
solange sie nicht unbedingt notwendig sind. Aber
Diese Zurückhaltung aus Vernunft und aus Inte-
resse am Reich schließt ein sofortiges Handeln auf
Diplomatischem Wege nicht aus. Die R-eichSregie-
rung «nutz jetzt endlich denn bayrischen Ministerrat
mit der notwendigen Klarheit die bestehende Rechts-
lage unterbreiten und an ihn das Verlangen
auf Aushebung -des speziell bayrischen Ausnahme-
zuftandes ri-chton. Die Antwort Darf nicht unbe-
fristet seim weil wir aus Dem gegenwärtigen Zu-

W MWklW l! Mil.
 
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