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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 241 - Nr. 250 (17. Oktober - 27. Oktober)
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stunden der Redaktion: ll—ISllhr.
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Tel.-Adr.: VolkszeitungAeidelb er«.
Druck u. Verlag der Unterbadischen
Verlagsanstalt S. m.b. tz., Heidel»
berg. Geschäftsstelle: Schrödcrftr.W.
Tel.: ErpcditionW73u.Redak.M7S.

TMs-ZeiMg U Ne »erkkWgeTeMenmg Zer Anmsezirke ZeidelSers, Wieslsch, KMeiN. kWingkv, KervO, MsZSch. ZOe«, MMew. Vorvera, LauvttMMerw v. MeMeM

6. Jahrgang

Heidelberg, Freitag, den 19. Oktober 1923

Nr. 243

Die letzte Frist.
o Berlin, 18. Oktober.
Die gegenlvärtige Aabeitskrise ver-
schärft si ch von Tag zu Tag. Eine Betriebs-
st'llegung folgt der anderen und soweit die
Arbeiter noch ihrer Beschäftigung nachgehen können,
werden sie mehr und mehr auf Kurzarbeit ge-
setzt. Ein Zehntel der deutschen Bevölkerung ist be-
reits gänzlich ohne Arbeit und ohne Vor-
dienst. Das bedeutet eine Steigerung der Arbeits-
losigkeit, wie wir sie seit dm Krisen der 79er Fahre
in Deutschland nicht mehr erlebt haben und wie sie
Wohl kein anderes Land je erlebt haben
dürste. Tägliche Preissteigerungen verschärfen die
Not. Die Händler berechnen ihre Ware in Gold,
während der Arbeiter in fortgesetzt schlechter wer-
dender Papiermark bezahlt wird. So tragen
die breiten Schichten der Bevölkerung die Auswir-
kungen der Markverwässerung, sie verelenden un-
beachtet dessen, daß Unternehmer- und Händlertum
weiterhin bestrebt sind, die Sicherung ihrer Sub-
tanz vorzlknebmen. Doppelt bedauernswert sind
)ie Erwerbslose n. Sie erhalten mit Rücksicht
«ns die traurige Finanzlage des Staates ungefähr
lsig Millionen für den Tag, die kaum ausreichen,
das trockene Brot zu bezahlen. Unter diesen Um-
ständen ist die Erregung, die sich in unserem
Volke breit macht, nur allzu bogreislich. Die täg-
lichen T cuerungskrawalle sind lediglich als Auswir-
kung dieser Notlage zu betrachten. Sie sind nichts
anderes als Verzwetflungsausbrüche in
einem Volke, das keinen Ausweg weist und steht,
das dem Winter entgegensieht, ohne zu wissen, wie
die Vorräte an Kartoffel« und Kohle be-
sMasst werden sollen.
Die Regierung hat gegenwärtig zweifellos
einen äusserst schweren Stand. Aber sie kann u. E.
w ehrt» n als bisher getan hat. Als das Ermäch-
tigungsgesetz den Reichstag Pas,fierte und nicht ohne
weiteres die notwendige Zweidrittelmehrheit sand,
urachte die Regierung die Verabschiedung, der von
>lu beantragten weitgehenden Vollmachten zur
Presttgesrage. Wir erkennen an, das; sie nach der
Vr.'edigung des Gesetzes auch zu Maßnahmen ge-
schritten ist, aber ebenso müssen wir bedauern, Last
wese Mastmchrnen lediglich von der Ar-
beiterschaft Opfer erfordert. Unsere Arbei-
ter haben diese Opfer im allgemeinen Interesse gern
aus sich genommen. Das ergibt sich auch ans der
Erklärung, die der Vorsitzende des Allgernet-
>>en Deutschen G ew e r k s ch a st s b u n d e s
anläßlich der am Mittwoch in Berlin eröffneten
Bnndesausfchusttagung der drei freigeiverkschast-
lichcn Spitzenorganisationen abgegeben hat. Schliest-
tich tst aber mit den Opfern der Arbeiterschaft allein
das Reich nicht zu retten. Vielmehr müssen diese
Opse,r hinfällig werden, wenn ihnen nicht
schnell Matznahrnen folgen, die den Besitz, über-
haupt diejenigen belasten, die in der Lag« sind,.dem
Reich Geld und Nahrungsmittel zur Verfügung zu
stellen. Wo bleibt die Erfassung der Sach-
wert e, Wo bleiben die angekündigten Mastnah-
W eng ege ndiePreismo noPole und Preis-
kouvsntionen und wie steht cs mit der praktischen
Sicherung der Volksernährung? Nichts von
alledem ist bisher wahr geworden. Statt dessen
herrscht scheinbar innerhalb der Regierung die Auf-
sassnng vor, mit papierenen Verordnun-
gen die Bevölkerung allein zusriedonstellen zu kön-
sttn. Hier mutz Wandel geschaffen werden!
Ohne entsprechende Maßnahmen wird man in
Deutschland der jetzt sich breit machenden Erregung
b! cht Herr werden. Mit der notwendigen Atti-
bstät im Innern must sine solche anfaußenpoli-
' i i ch e in Gebiet verbunden werden, wenn Wir
üblich wieder zu normalen Verhältnissen im Ruhr-
stwtet kommen wollen. Der Zustand der Desorga-
n?Eon, der heute noch in den besetzten deutschen
^bieten vorherrscht, wirkt sich auf das übrige
Deutschland aus und hat wesentlich zu den jetzt vor-
^rrschenden Verhältnissen beigetragen. Das erkennt
tlch Hjx Negierung an, ohne aber daraus die prak-
mchen Schlußfolgerungen zu ziehen. Statt in Pa-
W in der festen Ueberzeugung Rücksprache zu hal-
w, daß diese Unterhaltungen ergebnislos sind,
ollte sie den noch einzig möglichen Weg der prak-
,''Wen Lösung des Reparationsproblents be-
freiten und auf schnellstem Wege ein Angebot
di« Reparattonskommission machen.
bne ein derartiges Angebot werden wir autzen-
^?.ststch kaum weitcrkommen, ohnedem wird die
n ^^Herstellung geordneter Verhältnisse im Ruhr-
dii k un-miMich sein, und solange das der Fall ist,
rfteg tz-, unerquicklichen Auswirkungen sich wei-
beltend machen.
Sen Häßlich aber sollte die Regierung nicht ver-
. ueu, daß g-rado in dieser Zeit bei allen Hand-
ans-^" ""ch Psychologische Momente nicht
sich r Acht gelassen werden sollten. Sie Weitz, daß
de ? .Motzer Teil der deutschen Arbeiterschaft mit
Mh lk sächsischen Regierung solidarisch
Hand' es sich hier um eine Arbeiterregierung
Sesnn ' Dw Erregung wird deshalb nur künstlich
»durch Maßnahmen, wie sie der sächsische
bitt M^skommaudeur, scheinbar im Einverständnis
kkch-v«*" Getzler, in letzter Zeit gegen die fäch-
ln M'äienmg getrossen hat. Das eine ist sicher:
bei, G bewußt von Berlin aus heraufbeschwore-
onflikt zivischen der sächsischen Regierung und

dem Reich steht die Sozialdemokratie und
die gesamte deutsche Arbeiterschaft aus
der Seite Sachsens. Diese Tatsache sollten
auch Herr Strosemann und der Reichswehrminister
nicht unterschätzen. Allein auf sie fällt sonst die
Schuld für das Verhängnis, das für das Reich
und unser Volk durch einen weiteren Konflikt mit
einer Landesregierung heraufbeschworen wird.
Der am 27. September von der Reichsregierung
über das ganze Reich verhängte Ausnahme-
zustand hatte den Sinn, das Ausnahmerecht der
bayerischen Regierung wirkungslos zu
machen und Herrn o. Kahr seiner Rechte zu ent-
heben. Von alledem ist bis heute nichts wahr
geworden. Das Reichsrecht hat in Bayern nur in-
soweit Gültigkeit, als es den bayerischen Spietzbür-
ge-rn gefällt; es ist hinfällig, sobald der Geldbeutel
und das Vergnügen dadurch Schaden erleiden. Die
verfassungstreuen Verbünde werden aus-
g e lö st und verboten, ihre Druckschriften unterdrückt,
während die H i t l e r g a r d i st e n Vas seit Jahren
betriebene-Verbrechen gegen Volk und Staat unge-
hindert fortsetzen können. All das geschieht, ohne
daß der Beauftragte des Reichswehrministeriums,
General v. Lossow, auch nur mit der Wim-
per zuckt und den Versuch macht, Recht für jeder-
mann zu schaffen.
Anders in den übrigen Gebieten des
Reiches. Hier wirkt sich der Ausnahmezustand aus-
schließlich gegen die Arbeiterschaft und die
Anhänger der Republik aus. Jedenfalls
kann es wie bisher nicht weitergehen! Ge-
schieht es dennoch, dann macht sich die Regie-
rung mitschuldig, nicht nur an der Untergra-
bung der Staatsautorität und einer zunehmenden
Verachtung der Verfassung, sondern auch an den
F ol gew i rkung e n, die hieraus in der Praxis
entstehen. Blut ist u. E. in den letzten Tagen ge-
nug geflossen.
N o ch besteht die Möglichkeit, das Reich vor dem
Untergang zu retten. Aber es handelt sich gegen-
wärtig um die Ausnutzung der l e tz t en M tnu t e.
Das Reich ist erledigt, wenn die Regierung
die von uns aufgczsigten Warnungssignale nicht in
vollstem Maße berücksichtigt. Sie muß schleu-
nigst einen Kurs steuern, der in schärfster Meise
den Besitz belastet, die Versorgung der Bevölkerung
stcherstellt und ausglerchend wirkt. Dazu gehört
außenpolitisch die notwendige Ergänzung durch ein
Angebot an die Reparationskommtsston.

Internationale Lage.
Die Erklärungen des deutschen
Geschäftsträgers.
Berlin, 18. Oki. Von zuständiger Stelle wird
über den gestrigen SchrittdesdeutschenGe-
schäftsträgers in Paris, Dr. v. Hösch, beim
sranzöstschsn Ministerpräsidenten folgende Mittei-
lung gemacht:
Der deutsche Geschäftsträger in Paris hat darauf
hingewiesen, daß die deutsche Absicht dahin gehe,
darüber zu verhandeln, wie nach der Aufgabe des
Widerstandes die Wiederingangsetzung
von Arbeit und Produktion im besetzten
Gebiet und besonders wie die Wiederauf-
nahme der Kohlen- und Koks lei st u n-
gen an Frankreich und Belgien ermöglicht
werden könne. Wenn der französische Ministerprä-
sident bei der ersten Besprechung die Wiederauf-
nahme der Arbeit als eine allein von den lokalen
Organen zu leistende Aufgabe bezeichnet habe, so
sei die Neichsregierung bereit, auch solche lo-
kale Verhandlungen zu fördern.
Poineares kategorische Haltung.
Berlin, 13. Okt. lieber die Verhandlungen
des deutschen Geschäftsträgers in Parts mit Poin-
care wird weiter mitgeteilt: Der französische
Ministerpräsident hat in seiner Antwort die
Ausnahme von Rcgicrungsverhandlungen über die
Wiederaufnahme der Arbeit im besetzten Gebiet
kategorisch ab gelehnt. Er hat erklärt, daß
ihm die von der Reichsregterung und den Länder-
regierungen den Beamten und Industriellen des be-
setzten Gebietes erteilten Weisungen gleich-
gültig seien, und daß es für ihn nur ans die
Tatsachen ankomme. Das allein Ausschlag-
gebende für ihn sei die restlose Wiederherstellung des
tatsächlichen Zustandes vor dem 11. Januar IW.
Die deutschen Erklärungen über die Unmöglichkeit
der Finanzierung der Sachlieferungen könne er nicht
anerkennen. Er müsse sie im Gegenteil als Ele-
ment des Widerstandes bezeichnen. Auf
welche Weise die deutsche Regierung eine Finanzie-
rung der Snchlieferungen fertig brächte, sei ihm
ebenfalls völlig gleichgültig. Die Erörterung et-
waiger deutscher Vorschläge durch die Reparations-
kommission werde er solange nicht zulassen,
als nicht der deutsche Widerstand nach fran-
zösischer Auffassung restlos aufgegeben worden sei.
London, 18. Okt. Lord Curzon empfing
gestern imchmittag Dr. St H amer im Foretgn of-
fice und halte mit ihm eine längere Unterredung.

Vor einer neuen Note Deutschlands
London, 18. Okt. Reichskanzler Strese-
mann bestätigte dem Berliner Berichterstatter der
„Daily News", daß Deutschland daran sei, eine neue
Rote an die Reparations-ommission zu senden.
Ein neuer Versuch von Stinnes bei
den Franzosen.
Paris, 18. Okt. Hugo Stinnes hat gestern
vormittag die Okkupationsb eh örd en in
Düsseldorf ausgesucht. Der „Petit Paristen" schreibt
darüber: Stinnes wurde in respektabler Entfer-
nung begleitet von den Herren Klöckner und
Vögler. Der stellvertretende Direktor der Micum
legte ausführlich den Standpunkt der Ver-
bündeten dar und verwies darauf, daß die Ruhr-
magnaten ihre Kohle zu 15V Franken Per
Tonne in Düsseldorf abzusetzcn -vermöchten und
damit den gegenwärtigen Verkaufspreis der eng-
lischen Kohle in der gleichen Stadt erzielten. Tat-
sächlich käme sie eine Tonne Kohlen nur
aus 75 Franken, die Hälfte des Preises, zu
stehen; es Würde sie folglich keine Opfer kosten,
den zehnten Teil für R e p ar ations zw eck e ab-
zugcben. Stinnes bekämpfte diese Auffassung.
Paris, 18. Okt. Die Pariser Morgenblätter
finden die Haltung von Hugo Stinnes unbe-
greiflich, da mit 25 Prozent der Grubenbesitzer
im' Ruhrgebiet Vereinbarungen getroffen
sind. Dem „Mwtin" zufolge versuchte Hugo Stinnes
zuerst bei General Degoutte vorgelassen zu wer-
den. Der französische Oberkommamdierende konnte
ihn jedoch nicht empfangen und hierauf erst
begab sich der Ruhrmagnat nach der Lnisenschule.

Die Lage im Reich.
Der „starke Mann" Kahr.
München, 18. Okt. (Eig. Bericht.) Eine der
ersten Amtshandlungen v. Kahrs war die Ent-
ziehung der Auseuthaltsbewilltgung sür einig«
während des Sommers in Bad Kisfingen weilende
Russen. Nun erfährt man, daß es sich um die Aus-
räucherung einer sogenannten „ B olschew tsten-Aen-
rrale in Bayern" gehandelt hat, die u. a. in folgen-
den Personen verkörpert war: Krestinski, Bot-
schafter der Sowjetregierung in Berlin, Rakows-
ki, Wirtschaftlicher Auslandsvertreter der Sowjet-
regierung. Stekloff, Redakteur der „Jswestija",
Srutschka, Präsident des Reichsgerichts in Mos-
kau, Alexander Zurupa, Stellvertretender
Präsident des Rates der Volkskommissare, ferner
ein Dr. Elzin-Moskau und ein Herr Wladi-
mir aus Charkoff. Alle dies« Herren hatten Diplo-
matenpässe, die das diplomatische Visum der deut-
schen Botschaft in Moskau und die Genehmigung
der Berliner Bayerischen Gesandtschaft irrigen.
München, 18. Ott. (Eig. Bericht.) Vor dem
Volksge richt in Regensburg fand am 15. Ok-
tober gegen den verantwortlichen Redakteur unseres
Parteiorgans für die Oberpfalz, der jetzt verbotenen
„Volksmacht", ein Strafprozeß wegen drei Ver-
brechen des Landesverrats und eines Vergehens
gegen die bayerische Notverordnung vom Mai 1923
statt. Für die ganze Verhandlung, die vom Vor-
mittag bis in die späten Nachtstunden dauerte, war
ein vollkommener Ausschluß der Oesfent-
lichkett verfügt. Der vom Rechtsanwalt Genossen
Sa enger verteidigte Redakteur Sturm wurde
von sämtlichen Anklagen unter der Kostenansb trdung
auf die Staatskasse freigesprochen. Juterej-
sant ist, daß die Beschuldigung auf Landesverrat u.
« wegen Veröffentlichung derselben Mitteilung über
WasfensuNde erhoben worden war, wegen der sei-
nerzeit die „Münchener Post" für eine ganze Woche
verboten wurde.
Roßbachs Frechheit.
München, 18. Okt. Der aus der Haft ent-
lassene Leutnan'k Rotz Vach wird am Freitag
bei einer Feier des Deutschen Kampf-
b und e s, an der auch Hitler teUnimmt, sprechen.
München, 18. Okt. Zu dem Auftreten Rotz-
bachs als Redner wird mitgeteilt, daß an Münchener
amtlicher Stelle wedereinFahndungs- noch
ein Haftbefehl gegen Rotzbach vorliege. Es
bestehe daher kein Anlatz, gegen Rotzbach cin-
zuschreiten.

Darmstadt, 18. Oki. Die Vereinigung der
Vaterländischen Verbände Hessens
hat an die hessische Regierung eine Eingabe gerichtet,
in der eine Reihe reaktionärer Forderungen erhoben
Wird.
Berlin, 18. Okt. In einer Tagung der er-
weiterten Ortsvcrwaltungen der Berliner frcige-
werkschaftlichen Organisationen wurde nach einem
Referat des Bundesvorstandes Gratzmann vom
A.D.G.B. eine Entschließung angenommen,
die für den Fall eines bewaffneten Vorgehens gegen
das sächsische und thüringische Proletariat die Pro-
klamierung des Generalstreiks fordert.
Dresden, 18. Ott. Die beiden kommunistischen
Mitglieder der sächsischen Regierung, Finauzministcr
Böttcher und Wirtschaftsminister Heckert, sind
zu Mitgliedern des Reichsrates ernannt wor-
den.

WWW Kl lUNtl 8W.
Der Konflikt zwischen Sachsen und
der Reichswehr.
Dresden, 18. Okt. Das Wehrkreiskom-
mando 4 teilt mit:
Der Ministerpräsident Dr. Zeig» er Hai auf
das am 17. Oktober an ihn gerichtete Schreiben des
Befehlshabers des Wehrkreiskommandos 4, in dein
UM eine unzweideutig« Stellungnahme des sächsi-
schen Gesamtministsriums zu den Ausführungen des
Minister Böttcher am 13. Oktober in Leipzig gebeten
wurde, innerhalb der gestellten Frist keine Ant-
wort erteilt. Der Befehlshaber hat daraufhin am
18. Oktober mittags an den Herrn Ministerprästdeu-
ten nachstehendes Schreiben gerichtet:
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!
Da Sie cs für gut befunden haben, mein
Schreiben vom 17. Oktober nicht zu beantworten,
teile ich Ihnen hierdurch ergebenst mit, daß ich
die Angelegenheit zur wetteren Erledigung dem
Herrn Retchswehrminister unter-
breitet habe. Mit der Versicherung meiner
vorzüglichsten Hochachtung gez. Müller.
Berlin, 18. Okt. Von zuständiger Seile wird
ievt mitgeteilt, daß das Schreiben des Dresdner
Wehrkreiskommandeurs, deS Generals Müller, an
den sächsischen Ministerpräsidenten, das den Konflikt
zwischen der Regierung und den Militärgewalt so
scharf zugespitzt hat, im Einvernehmen mit
dem Reichspräsidenten, dem Reichs-
kanzler und dem R e i ch swe h r tn in t ste v er-
gangen sei.
Wir glauben nicht, daß dieser Umstand an der
Beurteilung des Schreibens eiwas wesentliches än-
dern kann, denn die gefährlichen politi-
schen Konsequenzen, die sich aus der Zu-
spitzung des Konflikts ergeben können, werden da-
durch nicht ohne weiteres abgebogen. Wir nehmen
an, daß die Lage ernst genug ist, um die Notwendig-
keit etiler Entscheidung des gesamten Reichs-
kabinetts darüber zu rechtfertigen, was nun
weiterhin geschehen soll. f
Die anstößige Rede Böttchers.
Dresden, 18. Ott. Bei den von General
Müller beanstandeten Ausführungen des Finanz-
min ist ers Böttcher, die Vie Verschärfung des
Konflikts zur Folge hatten, handelt es sich um eine
Rede, die Böttcher am 13. Oktober in einer kom-
munistischen Versammlung nach einem
Bericht der „Sächsischen Arbeiterzeitung" in Leipzig
gehalten hat. Böttcher hat danach gefordert, daß die
proletarischen Hundertschaften sofort
zu bewaffnen sind. Die Hundertschaften, Ak-
ttonsauoscyüsse, Kontrollausschüsse und Betriebs-
räte seien die Organe, mit denen das Proletariat
heute seine Kämpfe führen müsse. Diese Ausfüh-
rungen hatten elve Resolution zur Folge, in
der es heißt, daß die Versammlung gewillt sei, n u u
erst recht die verbotenen proletarischen Hundert-
schaften und die übrigen Kampfmittel auszubauen.
Damit ist, so argumentiert General Müller, denk
von vornherein die sächsische Arvetterregierung ein
Dorn im Ange ist, in seinem bekannten Brief, durch
den Minister Böttcher eine offene Kampfansage ge-
gen die Maßnahmen der Neichsregierung ausge-
sprochen und in der Resolution veranlaßt Worden.
Front gegen den Ausnahmezustand.
Berlin, 18. Okt. Die sozialdetnokrattschcn
FraMonsvorsitzenden Hermann Müller, Wels
und Dittmann waren heute beim Reichs-
präsidenten, um ihm aufs neue den Wunsch
nach Aushebung des militärischen Ausnahme-
zustandes zu unterbreiten. Es ist bekannt, daß auch
die sozialdemokratischen Kabtnetts-
mitglieder dieser Forderung zustimmen und
daß so ziemlich alle Länder außer Bayern dasselbe
Verlangen an die Reichsregterung gerichtet Haven.
Erst vor wenigen Tagen hat sich auch eine Konferenz
der preußischen Oberpräsidenten im Einvernehmen
mit der preußischen Regierung für die Aushebung
des militärischen Ausnahmezustandes ausgesprochen.
Umso bedauerlicher ist es, daß sich die Reichs-
regierung immer noch nicht zur Aufhebung des
Belagerungszustandes entschließt, trotzdem sich die
Unhaltbarkett immer stärker ergibt. Sollen
die Zivitgowalten, soweit sie gut republikanisch sind,
völlig au s geschaltet werden?
Pressestimmerr.
Berlin, 18. Okt. Der „Vorwärts" schreibt:
Es ist notwendig, mit aller Deutlichkeit auszuspre-
chen, daß man der sozialdemokratischen Pa.ttei nicht
znmuten darf, sie solle Dinge decken, die sie durchaus
nicht decken kann. Es ist ein Niederdrücken der
Gedanke, daß das Schicksal des Reiches
möglicherweise davon abhängt, was der General
M tt ller heute tun wird.
Die „Vos fische Zeitung" meint, es werde
keinen verantwortlichen Politiker ge-
ben, der die Stellung eines Ultimatuus au die säch-
sische Regierung d«rch den Wehrkreiscommandeur
 
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