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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 241 - Nr. 250 (17. Oktober - 27. Oktober)
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Heidelberg, Dienstag, den 23. Oktober 1923

5. Jahrgang

Nr. 24Ü

«ez>ig-.preiSkln!chl.Trä!,erlohnsür MM MM E^MWW^ i SefchSftsstunden»-»Uhr. Ep«ch-
Woche«.22.-S7.OWMk.M0VOVV00. MI V^SSM «8 MM MW HM» stunden der RedaMon:1l-WNl>r-
Anzeigentarif: Die einsp. Petit,eile HßWW MM MD VW» MA PoftscheckIontoKarIrruheNr.ST>77,
vd der. Raum Minin br.) Mk.b0.—, WWs UE MW WsW^»« 8^ Tel.-Adr.:Bolk,zeitungHeidclder,.
f. Auswärtige Mk. 80.—, Reklame- MM MN MKM ^LWM rWUt WM Druck u. Verlag der Unterbadische»
anzcigcn <74mw l>rcit) Mk. 280.—. Dcrlagsanktalt T. m.b. H., Heidel-
Erundprcis mal der Schlüsselzahl d. M AW» ««MÄWAW berg. <8eschäftsstcllc:Tchröderstr.W.
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Will M MDlh.
» Heidelberg, 23. Oktober.
Deutschland hat seit der letzten Regierungskrise
keinen Ernähuungsminister mehr. Dieser Zustand
ist bezeichnend für den geradezu trostlosen Ver-
fall unserer Ernährungswirtschaft.
In der Tat: wozu noch' ein Ministerium für Volks-
ernälMung, wenn sich anscheinend niemand im Reich
mehr ein Gewissen daraus macht, ob das Volk von
heute ans morgen noch etwas zu essen hat. Der bis-
herige Ernährungsminister Dr. Luther schlug sich
seitwärts in die Büsche des Reichsftnanzministe-
riums, aber bis heute hat niemand den Mut gefun-
den, die von ihm hinterlassene Erbschaft auf dem
Gebiete der Volksernährung anzutreten. Grauen-
voll sieht es mit dieser Erbschaft aus. Der Brot-
breis schlägt Men Minderbemittelten, für die bis-
lang wenigstens das unentbehrlichste Nahrungs-
mittel'noch erschwinglich war, auch diesen letzten
Bissen aus der Hand. Wenn die Prediger der christ-
lichen Duldsamkeit auf die Kanzeln steigen und das
Vaterunser herunterbeten, werden draußen Unzäh-
lige nicht mehr wissen, wo sie ihr täglich
Brot vernehmen sollen. Vor den Scheunen
nuferer Großgrundbesitzer, in denen es aufgespeichert
liegt, wacht die Staatsgewalt, damit es nur ja zu
keinem anderen als dem nunmehr verordneten
Wucherpreis unter die Leute kommt.
Es wa,v ein Verbrechen am Volke, die
Getreidezwangswirtschaft ohne jeden Uebergang auf-
zuheben, die tägliche Brotversorgung ohne jede be-
hördliche Sicherung zu lassen. Aber es ist nicht das
einzige Verbrechen, das auf dem Gebiete der Er-
uährungspolM verübt worden ist. Unfern Lesern
ist bekannt, welche Anstrengungen die Sozial-
demokratie gemacht Hai, um das Reich von der
verhängnisvollen Brotkartenausgabe zurückzuhalten.
Es hat alles nichts genutzt, lveil im Reich und in
stumm immer noch maßgeblichsten Gliedstaat Preu-
ß e u der agrarische Einfluß stärker ist als die Rtick-
«sicht auf die BebSlkerung der großen Städte und
Industriezentren. Wie beim Brot, ging es bei der
Milch- und Butterversorgung. Alle
Warnungen, alle Vorstellungen sind von dcn Bcr-
Uner Zentralstellen in den Wind geschlagen worden.
Warum? Weil in den Zentralstellen des Reiches
vielfach die schlimm st enPretstreiber und
Profitmacher der großen Emeugertonzcrne
s'tzen. Zum Beispiel in der Außenhandels-
stelle für Oele und Fette. In thr sithrcn
die Vertreter der «rotzen Oelmühlen, die sich zum
Teil sogar in den Händen von Ausländern befin-
den, das große Wort. Sie bestimmen dariiber, ob
andere als die von ihnen hergestellten Rohstoffe für
die Margartuebereitung eiugeführt werden dürfen.
Und sie sind selbstverständlich immer gegen solche
Einfuhrbewilligungen, wenn davon eine Schmäle-
vung des Profits, den sie aus ihrer Monopolwirl-
schast ziehen, zu befürchten steht. Ob der automatisch
nach dem Margarinebreis steigende Milch- und
Butte »Preis eine Höhe erreicht, die den Hun-
gertod für Kranke und Kinder bedeutet,
Ui diesen Großschtebern völlig gleichgültig.
Aber darf eine solche Preisgestaltung auch gleich-
gültig sein den Verantwortlichen Stellen im Reich?
Darf eine Regierung, die noch einen Funken Ver-
antwortung in sich fühlt, dergleichen geschehen
lassen?
Das Ermächtigungsgesetz ist geschaffen
Kordon doch in erster Linie, um der Reichsregierung
die nötige Bewegungsfreiheit zur Niederkämpfung
«er schlimmen Auswüchse im Wirt-
schaftsleben, zur Wiedereinführung gesunder
Normen im Handel und Verkehr zu geben Dann
sollte es aber zunächst gebraucht werden, nm die
Brutstätten des Wuchers und der Volksausplünde-
vllng in den Reichszentrafftellen und in den Kon-
fernen auszumerzen. Was heute geschieht und noch
>vrmer geduldet wird, ist düs Gegenteil einer
Wirklich freien Wirtschaft, von der erst
dann wieder die Rede sein kann, wenn der Einfuhr
Mer lebenstwiwendigen Güter, vor allem der wich-
'Mten Nahrungsmittel, keinerlei Hemmung mehr
gleitet wird, weder durch eine bankerotte Währung,
Mch durch Einfuhrbeschränkungen, die nur den
Preistreiberei dicnen.
, Besondere Beachtung verdienen in diesem Zu-
aunuen.hang auch die Vorgänge aus den
-v-ieh- „nr> Fleischmärkten. Auch hier
Mre es Pflicht des Reiches, gestützt auf das
. vMachugungsgesetz, drakonische Maßnahmen zü
'^ffen, die den ausgepowerten Volksmasscn das
. ^trauen in eine gerecht waltende Staatsmacht
vergeben. Geschieht das nicht, so wird sich in
. u U ge r k raw a l l e n, die heute noch in dump-
lau Verzweiflung niedergehaltene Empörung ent-
- vu und mit den l e tz t e.n R e st e n st a a t l ich e r
iwlcn " " S ""H Vas Reich selbst in Trümmer zer-
Zusammenbruch ist da. Nicht der so-
^demokratische, nicht der „marxistische", sondern
s„j ungehemmte, zügellose kapitalistische! Aller
sch?r Opfer sind nicht die großen Kriegs- und Ruhr-
lcr r v' uicht die Kriegs- und Revolutwnsgewinn-
b /, pudern die Mittel st ändler und die Ar -
Bei Angestellten und Beamten.
und Arbeitslosigkeit sind sie nicht mehr
Äl fe ' ""6) nur das trockene Brot zu

Verzweiflung krallt sich ins Gehirn und
schafft eine Stimmung, die zur furchtbaren Aus-
brüchen treibt, treiben mutz, wenn nicht noch in
höchster Not Rettung kommt.
Der wirkliche Besitz mutz jetzt opfern,
sonst wird er unter den Trümmern be-
graben.
Es geht nicht Mehr an, den am Hungertuch
nagenden Volksmassen nur Geduld und im-
mer n n r Geduld zu predigen. Es muß endlich
auch was geschehen, was diese so lange schon geübt«
Geduld irgendwie rechtfertigt. Wenn aber das zur
Zeit allerwichtigste Ministerium im Reich unbesetzt
bleibt, gleichsam als Symbol dafür, daß niemand
da ist, der es übernehmen will, wenn das Reich
nicht seine Schuldigkeit an den Aermsten im Volke
tut, dann wird auch keine Waffengewalt
verhindern können, daß die Not das Eisen
bricht. Unter einem Hungerjoch, wie es
jetzt den breiten Massen in Deutschland auferlegt
ist, vermag kein Volk auf die Dauer zu
leben. Soll nicht Deutschland zerbrechen, dann
muß die Reichsregierung die Energie ausbrtugen,
den Hungernden zu Helsen, bevor sie zur alles zer-
störenden Selbsthilfe greifen. Nur das Bewußtsein,
daß mit Verzweiflungsausbrüchen, mit Plünderun-
gen und wilder LebensmUtelverteilung auch nichts
gebessert, das allgemeine Elend nur noch vergrößert
wird, hält jetzt den offenen Hungsraufruhr noch
zurück. Es wäre unsühnbare Schuld, wenn
man diesen letzten Damm der Vernunft durchreitzen

ließe, statt alles zu tun, um ihn zu stützen und zu
stärken.
Soeben wird uns aus Berlin telegraphiert, daß
nunmehr die Besetzung des Ernährungs-
ministeriums irr Aussicht genommen ist, wobei
wir allerdings unsere Zweifel hegen, ob der Kan-
didat für das Ernährungsministerium sich als der
starke Mann gegen die Profitgier des Agrarier-
tums zeigen wird, abgesehen von dessen allgemein-
politischer Einstellung. Der SPD. meldet uns näm-
lich:
Der Reichs lagsab geordnete Gras Kanitz-
Bodangen, ein Sohn des früheren deutschkon-
servativen Abgeordneten, ist aus der Deutsch -
nationalenPartei und -er Deutschnationalen
Roichstagsfraktion ausgeschieden. Kanitz hat in sei-
ner Fraktion den Wahnsiun der grundsätzlichen Op-
position gegen jede Regierung, der dir deutschnatio-
nale Partei nicht angehört, ohne Erfolg bekämpft.
Er ist der Auffassung, daß in Anbetracht der innen-
und außenpolitischen Lage gerade im Augenblick
nichts notwendiger ist, als das Kabinett Strcsemann
zu unterstützen.
Graf Kanitz ist Rittergutsbesitzer in Ostpreu-
ßen. Gr wird als der kommende Er näh-
rungsmtnister bezeichnet.
Berlin, 22. Ott. (Letztes Delegr.) Gras
Kanitz ist soeben zum Ernährungsmini-
ster ernannt worden.

MMklM SkM M!
Bayern verpflichtet seine Truppen auf den bayerischen Staat.

o Berlin, 22. Oktober 1923.
Wir sagen ganz offen, daß die Reichs regte-
rungen der letzte» drei Jahre an der jetzt
in Bayern vorläufig zum Abschluß gekommenen
Entwicklung ein reichliches Maß Schuld
tragen. Statt zu handeln und den Kampf für das
Große, das uns geblieben ist, die Reichsernheit, auf-
zunehmen, Haber» sie immer und immer wieder ver-
sucht, den unter partikularistischen Vorwänden aus-
tretenden bayerischen und in Bayern lebenden
Volksverhetzern aus Norddentschland Zu-
geständnisse zu machen. Unter dem Druck -er
außenpolitischen Verhältnisse sind des lieben Frie-
dcns willen solange Kompromisse geschlos-
s e n worden, bis es zu spät war, bis die Gut-
mütigkeit des Reiches von der Gegenseite verlacht
und verhöhnt wurde, weil bei ihr der Gedanke
großgezogen worden war, daß mit den parlamenta-
rEchen Regierungen in Berlin schließlich alles zu
machen ist, wem» mit der notwendigen Frechheit
aufgetreten wird. So mußte schließlich der Anstand,
den wir heute über uns ergehen lassen müssen, un-
vermeidlich werden.
Hoffentlich schlußfolgert die Reichsregierung ans
dem negativen Ergebnis der von ihr selbst und zum
Teil noch vor» ihren Vorgängerinnen mit Bayern
geführten Verhandlungen, was jetzt zu tun ist.
Der Bruch Bayerns mit dem Reich kann vorläufig
nicht auf dem Wege der Verhandlun-
gen, die von dem Reich ausgehen, aus der Welt
geschafft werden, wenn das Reichskabinett nicht jede
Autorität im Volke verlieren will. Die Reichsre-
gicrung hat eine endlose Geduld bewiesen!, ja
sie hat sich von Bayern fast mißbrauchen lassen und
muß jetzt die notwendigen politischen und wirt-
schaftlichen Maßnahmen zur Wahrung der Reichs-
einheit, sei es unter Einschluß oder Ausschluß des
Freistaates Bayern ergreifen. Wir glauben nicht,
daß eine militärische Aktion gegen Bayern im Au-
genblick in Frage kommen kann. Unsere wirtschaft-
liche und politische Gesamtlage gestattet eine restlose
Zusammenziehung der militärischen Streitkräfte, die
unter Abrechnung der bayerischen Trappen vielleicht
80 000 Manu betragen, zu einem Kampf gegen Bay-
ern nicht. Noch gibt es auch in Norddeutschlaud,
Ostpreußen und tn Württemberg Organisationen,
die sich mit Herrn v. Kahr einig fühlen und eine
Entblößung ihrer Landesteite von Militär ohne
weiteres ebenfalls zu einem Putsch gegen das Reich
benutzen würden. Diese Gefahr wird gestärkt durch
die von den Kommunisten tn den letzten Tagen be-
triebene Gcneralstreikhetze. Deshalb dürft« dem
Reich vorläufig nichts anderes übrig bleiben, als
leine Grenzen gegen Bayern durch Entsendung ent-
behrlicher Truppenteile zu sichern, im übrigen aber
den Kampf auf wirtschaftlichem Gebiete durch
Sperrung jeder Zufuhr von Nah-
rungs- und Produktionsmitteln zu
führen.
Die Konsequenz einer wirtschaftlichen
Blockade dürste sein, daß Bayern zunächst die-
sen Kamps aufnimmt oder aber ausdrücklich sei-
nen Abfall vom Reich und seine Selbständig-
keit erklärt. Ist das erstere der Fall, dann mutz die
bayerische Regierung unterliegen, da dieser
Kampf ausschließlich auf ihre Kosten geführt wird,
nimmt sie mit der zweiten Möglichkeit vorlieb —
dann in Gottes Namen! Wir beneiden sie darum
nicht, weil wir der Auffassung sind, daß sich der
Sturm des Volkes bald gegen die wenden wird, die
ihn entfachten und die mit dem Volksgemüt jahre-j

lang Schindluder getrieben haben. Denn der Ab-
fall Bayerns vom Reich bedeutet praktisch, daß die
bayerische Regierung eigene Reparations-
verhandlungen zu sichren hat und so die
gletchenSchwierigkeiten erleben wird, die
bisher die Verantwortlichen Vertreter des Reiches
auf ihre Kappe genommen haben; es sei denn, daß
die „Deutschen" in Bayern ihren „Patriotismus" so
weit steigern, daß sie gar »och eine Gemein-
schaft mit Frankreich gegen Deutschland ein-
gehen. Zuzutrauen ist dieser Gesellschaft alles. Er-
folgt diese Gemeinschaft iricht, dann wird in einem
selbständigen Bayern noch einmal der Tag kommen,
an de mdas Volk die Wiedervereinigung mit dem
Reich elementar verlangt!
Die übergroße Mehrheit des Volkes wird hin-
terderReichsregierungstehen, wenn sie
jetzt den Kampf mit Bayern, den Kampf um das
Recht, aufuimmt. Die Psychologie mutz aber auch
in dieser Auseinandersetzung einen wesentlichen Fak-
ror bilden. Daraus verweisen wir insbesonders
deshalb, weil gerade in den letzten Tagen in dieser
Hinsicht vieles versäumt wurde. Das trifft vor
allem inbezug auf die Behandlung der sächsischen
Bevölkerung zu, an die erst am Sonnabend der Kom-
mandeur des Wehrkreises 4 einen Aufruf gerichtet
hat, der in seiner Tendenz provozierend wir-
ken mutz. Herr Müller spricht von der Sicherung
der Volksernährung und von den verfassungsfeind-
lichen Elementen, denen der Kampf gelten soll, aber
er sagt kein Wort davon, daß den nach Sachsen
entsandten Truppen auch die Aufgabe zufällt, die
sächsische Grenze gegenüber Bayern zu sichern.
Weitere Loslösung'kvom Reiche.
München, 22. Okt. Statt endlich Einkehr zu
halten, ist Bayern einen Schritt weiter vom Reich
wcggegangen. Die bayerischen Truppen
sind in sämtlichen bayerischen Standorten der
bayerischen Staats r'egierung — also
nicht Mehr dem Reich — verpflichtet worden. Die
Verpflichtungsformet lautete folgendermaß >n: „Aus
Grund des mir vorgelesenen Aufrufes der bayeri-
schen Staatsregierung bekenne ich, daß Ich von der
bayerischen Staatsregierung als der
Treuhänderin des deutschen Volkes bis zur Wieder-
herstellung des Einverständnisses zwischen Bayern
und dem Reich inPflicht genommen bin und er-
nelier« meine Verpflichtung zum Gehorsam gegen-
über meinen Vorgesetzten."
München, 22. Ott. Die bayerische Regierung
hat die Truppen des Wehrkreises 7 „in Pflicht geg-
nomineu", ohne daß anscheinend aus der Truppe
heraus Widerspruch erfolgt wäre. Herr v. Los-
s o w amtier» als Landeskommandant, und der vom
Reichswehrminister bestellte Vertreter des Wehr-
kretskommandems, der General Kreß v. Kres-
senstein, hat offenbar nichts zu sagen.
Die kommende Reichsratssitzung.
Stuttgart, 22. Ott. Wegen des Konfliktes
zwischen Bayern und Reich hat Staatspräsident Dr.
Hiebe» im Auftrag des württeinbergischsn Ge-
samttntnisteriums beim Reich die E inb e ru fun g
des Reichsrates beantragt.
Berlin, 22. Okt. Der Reichskanzler empfing
dcn bayerischen Gesandten v. Preger.

Weitere Renitenz Bayerns.
München, 22. Okt. Bei einem Journalisten«
empfang erklärte Ministerpräsident v. Knill ins,
daß «ine Aussprache im Reichsrate bayerischer-
seits nicht verhindert werden könne, raß ek
aber schon heute entschlossen sei, nicht nach Ber-
it n z u g e h e n. Er wolle den bayerischen Stand-
punkt durch den Gesandten Preger vertreten las-
sen. Ob im Reichsrate etwas Befriedigendes
herauskomme, sei freilich abzuwarten. Schließlich
verwahrte er sich gegen ein Umfallen der bayerischen
Regierung.
Mit Hilfe des Flugzeugs.
München, 21. Okt. In Bayern wurde die Be-
kanntmachung des Aufrufs der Heeresleitung, der
i mgauzeu Reich plakatiert wurde, verboten.
Berlin, 22. Okt. Die Verbreitung des
Aufrufes der Reichsregierung und des Befehls
des General v. Seeckt, die in Bayern verbo-
t e n sind, wurde mit Hilfevon Flugzeugeri
veranlaßt.
Baden, Württemberg, Hessen treu
zum Reich.
S ' u tgart, 22 ck! De StaatsPräst^
deuten und die Mitglieder der bao ' lchcnf
württembergischen und hessischen Regier
rung haben sich heule in Stuttgart zu einer Bespre-
chung über die augenblickliche politische Lage zusam-
mengesunden. Der Antrag des württembergischen
Staatspräsidenten aus sofortige Einberu-
fung des Reichsrals zur Besprechung der
neuerdings entstandenen politischen Gefahr wurde
allseits gebilligt. Die Besprechung ergab
UebereinstImmung dahin, daß all- anwesen-
den Vertreter vorbehaltlos auf dem Boden der
Reichseinheit stehen und daß alle Versuche, die, ge-
wollt oder ungewollt, die Neichseinheit zu störe»
und die Autorität der Reichsregierung zu untergra-
ben geeignet sind, verurteilt werden.
München, 22. Okt. Die Demokraren protestie-
ren gegen die Gefährdung der Reichseinhett durch
Bayern.
München, 22. Ott. Di« Deutsche Volks-
Partei veröffentlicht einen Aufruf gegen die
Sprengung des Bismarckfchen Reiches, ohne sich je-
doch zu einer Wendung gegen das Vorgehen Bay-
erns zu ermannen.
Nürnberg, 22. Okt. Der Bezirksvorstand der
Vereinigten Sozialdemokratischen Partei in Franken
veröffentlicht heute einen Aufruf, in dem er betont,
daß das ganze Tun und Denken der Partei auf Sel-
ten des Reiches sei.
München, 21. Okt. Eine geheime Komm»-
nist en-Versammlung ist in der Nacht vom
Samstag auf Sonntag von der Polizei in einer
Billa bei dem Münchner Vorort Lairn ausgeho-
ben worden. Die Versammlung bestand überwie-
gend aus kommunistischen Eisenbahnern und beriet
über Saboiagemaßnahmen für den Fall
eines Vormarsches von Bayern aus gegen
Sachsen. Insgesamt wurden 32 Teilnehmer fest-
geno:-men
Weitere Ausdehnung des
Separatistenputsches.
Berltn, 23. Okt. Der Scparatistenputfch dehnt
sich weiter aus. In Wiesbaden wurde das Rat-
haus besetzt. In Bonn entwaffneten Vie Franzosen
die deutsche Schutzpolizei auf die Nachricht
hin. daß die Separatistenbanden im Anzug seien.
In M ainz haben sich heute morgen 4 Uhr ähn-
liche Vorgänge wie in Aachen abgespielt. Sepa-
ratistenbanden besetzten das Polizeigebäude.
Ihr Führer ist der als Separatist bekannte Amts-
gerichtsrat Lieb ing.
München-Gladbach, 22. Okt. (Letzte Mel-
düng.) Auch hier wurde aus dein Rathause von den
Sonderbündlern die rot-weiß-grütle Fahne gehißt.
Den beiden Zeitungen wurde heute das Erscheinen
untersagt. Von München-Gladbach zogen die Stotz-
truppen der Separatisten nach Viersen weiter,
wo nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr die Rheinische
Republik ausgerufen wurde. Von hier aus ging der
Zug nach Krefeld.
Düsseldorf, 21. Ott. Einer Verordnung
Degouttes zufolge werden von den Militärgerichten
der Besatzungsmächte alle die bestraft, die irgendwie
direkt oder indirekt Repressalien gegen diese
Leute Men, die den Besatzungsvehörden Dienste
leisteten.

kl MWkS Kl WEM
WMMM.
Wien, 2'2. Ott. Die gestern stattgefnndeneK
Wahlen zum österreichischen Nationalrat san-
den unter- einer neuen Wahlordnung statt,
die von vornherein di« Aussichten der Soziatdemo-
 
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