Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 261 - Nr. 270 (9. November - 20. November)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48728#0291

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bezugspreis einschl. TrLgcrlotzn v.
>s. — 21. Novcmd. 75 Goldpsenntge.
Anzeigentarif: Die einsp. Petitzcile
-d der. Raum (88>un> br.) Mk. Kl>.—,
t- Auswärtige Mk. 8k>.—, Reklame-
Anzeigen (71 nun breit) Mk. LS!).—.
»rundprois mal der Echlüffelzahld.
L.d.Z.ab1S.No-.80vM-i I.BeiWic-
serholuiigen Nachlaß nach Tarif.

.—-
MtzT Md. f MDo-llocmnniL«aiisrud-Nr.LL77.
WH MW MW WU iW zW MÄ jWß WA «8 Lel.-Adr.: Volks,eitungHeidelbera.
DM» W» WM WM U8WWW «Wr WD Wi MW WW W» 8W! WU MM Dr«s«. D«ia«»«s»,«rbaduq«,
WM—Berlagsanltalt S.m.b.H., Heidel-
WWW LMU bcrg.lSe!chäfksstclle:Echröderftr.8S.
^WM U DM >«MD^ HM? >WKWU Tkl.:Erp<>dit«o»MSu.Redat.SS7».
l«»-ze!liW fir M miMnLnMeimz «ervmirttMe Selielikrs, Malo-, kwdew. LpMn, KerlM MrM, Suche«, Nebdew, S-Seeg, rmiMWAtzew«. NeMe»



6. Jahrgang Heidelberg, Montag, de« 19. November 1923

Nr. 269

W«W»»I»»«SS8WM

Um das Schicksal des
Kabinetts Stresemann
Unser -pariamentarischer Mitarbeiter schreibt
Nils: Am Dienstag tritt der Reichstag zusammen,
um über die hilflose Politik des Kabinetts Strefe-
mann sein Urteils zu fällen. Der gegenwärtige
Reichskanzler ist darüber unterrichtet, wie
Ulan in den Mittel Pa rieten und innerhalb
der Sozialdemokratie über ihn und die
von ihm getriebene Politik denkt und Weitz deshalb
auch, daß feine Position im Augenblick vollkom-
men erschüttert ist. Ans diesem Grunde ver-
sucht er jetzt, fünf Minuten vor Toresschluß, zu
retten, was noch zu retten ist, weil er
«aubt, Reich nttd Volk durch seine wettere Reichs-
kanzlerfchaft einen Dienst zu erweisen. Insbeson-
dere wird von ihm gegenwärtig eifrig versucht, Lei
der Sozialdemokratie Gefallen zu finden
und sie zur Aenderung ihrer bisherigen Hal-
tung zu veranlassen. Endlich soll er einsehen, datz
der Ausnahmezustand überholt ist und a-uf-
Mhoven werden mutz. Zu dieser Annahme hat
ihn anscheinend auch das Regime des Hrn. Seeüt
veranlasst, der seine Maßnahmen in den letzten Ta-
gen nicht nur auf die Aufrechterhaltung von Ruhe
uns Ordnung beschränkte, sondern sich als Militär-
befehlshaber ausserdem die Vollmachten an-
derer Ressorts an matzte. U. a. erlietz er
vor wenigen Tagen eine Verordnung gegen .die
Schlemmerlokale, die zweifellos angebracht
war. Herr Koeth, der gegenwärtige Reichswirt-
schastsminister, Hat sich dadurch verletzt gefühlt
und den Eingriff in die ihm zustehenden Befug-
nisse am Donnerstag mittag mit einem Rücktritts-
üesuch beantwortet. Erst auf dem Wage der Ver-
handlungen wurde dieser Streit 'geschlichtet, sodaß
Herr Koeth sein RücktrittsMuch zurückwchme-n
konnte.

Auch fn anderer BWehung werden Herrn
Stresamann wieder einmal — wie lange? — poli-
tische Wandlungen nachgeffagt. Er selbst
bat zwar schon längst eingefohen, das; mit seiner
Trakt ton, der Volksparte t, in ihrer gegen-
wärtigen Zusammensetzung nicht zu regieren ist,
ohne daraus aber die KonffeguenM» zu sieben. In
ven letzten Wochen ist vielmehr durch ihn) den Hohl-
kö-pfm hex eigenen Fraktion Rechnung getragen
worden. Schon deshalb fällt es uns sehr schwer,
Wär ihm z. Zt. wieder nachgesagten Anlauf zur
Entschlossenheit gegen die Ruhestörer irr seiner eige-
ven Fraktion Glauben zu schenken. Es wird näm-
k«ch böhMptet — und wir hatbet, Unlatz an-zuncH-
wen, datz diese Aeutzerungen von Herrn -Strefe-
»lann selbst stammen —, das; der Reichskanzler
beabsichtige, in der am Sonntag stattsindenden
Sitzung des Zentralvorstandes der Volkspartei eine
Reinliche Scheidung zwischsn sich und den
Abgeordneten Maretzly, Quaatz, Heinze und Gen.
vorzunehWeu. Wir wollen den Somrtag abwar-
ten und dann urteilen. Jedenfalls kann Herr
' Stresemann mit Versprech n i; g e n auf die So-
staDemokratie nicht den geringsten Ein-
h r u ck machen, wie auch der Versuch vergeblich ist,
wo sozialdemokratische Fraktion durch die Drohun-
km mit einer eveutl. Auflösung des Reichstags zu
^iner ihnr angenehmen Haltung veranlassen zu svol-
"n. Zunächst h-at auch der Reichspräsident zu
o»ner eventl. Auflösung noch ein Wort mitzureden
selbst wenn die Auslösung kommen sollte, nach-
em alle Möglichkeiten zur Bildung einer neuen
"arlaünentarischen Regierung erschöpft sind, braucht
o>e Sozialdemokratie Neuwahlen keineswegs zu be-
lurchten.
Berlin, 19. Nov. Auf der heutige» Tagung
ves Zentraworstandes der Deutschen Bolkspartei
E^b Reichskanzler Stresemann einen längeren
Rccheirschaftsbevicht seiner Rügierungstätigkeit, die
w bekannt ist. Von Interesse ist folgender Passus:
^-an wirft uns die Rückkehr des Kronprin-
zen vor und droht uns mit neuen Sanktionen. Ich
Mte es aber doch fürvesser, neuen sranzS-
wchen Brutalitäten ausgesetzt zu sein,
»a dem Borwurf, datz der letzte Deutsche aus dem
Weltkrieg »och im Auslande fern von seiner Familie
Zetten mutz.
Der ZeMralvorstand sprach in einer Resolution
eur Part e t f ü h r -e r Dr. Stresemann sein vol -
eZ Vertrauen ans. Er ist der Auffassung, datz
,wo» mit Rücksicht auf die außenpolitischen Be-
^^"ttgen jede Aenderung in der Führung der
"tischen Geschäfte völlig ausgeschlossen
' Solange die Möglichkeit nicht besteht, eine grö-
st,E ^vsis stir das Kabinett zustande zu bringen,
ht er in der Zusammenfassung der zur Zeit das
abinett stützenden Parteien unter Führung des
l Erchskanzlers Dr. Stresemann die einzige par -
1- "l e n t a r i s ch e M ö g lich k e i t für eine gedeih-
'We poktitsche Weiterarbeit.

Kundgebung der Demokraten.
Die am Sonntag in Heidelberg tagenden Vertr-e-
her Deutschen Demokratischen Partei ans Süd-
Mchtaird forderten von der Retchsregiemng in
Geh) ^Mießnwg, daß sie alles tut, um die besetzten
der R ° Reich zu erhalten. Den Fortbestand
sg, .^^deinheit mutz die Reick,-sregi-erung ihre Ge-
vc-titik unterordnen. Der Kampf um di« Be-

wahrung der nationalen Einheit legt den südwest
deutschen Ländern eine Zusammsnsaffuug der Krästc
nahe, die aus Wirtschafts-, fincmz- und Verwaltung^
politischen Gründen wünschenswert ist.
MtW Mt KÜt.
o Berlin, 18. November.
Die Bereitstellung von hundoil Millionen Renten-
mark zur Fortsetzung der Reichszuschüsse an die be-
setzten Gebiete bedeuten, Wie uns offiziös mitgeteill
Wird, keine Aenderung in der Stellung d er Reichs-
regievuwg, die nach wie vor aus die Einstellung der
Ruhrsubvenlionen hinarbeitst.
Die Besprechungen über die Rheim- und Ruhr-
fiagen zwischen der Reichsregterung und den
Vertretern der Länder sind fortgesetzt wor-
den. Außerdem trug die Reichsregterung ihre Ab-
sichten dem Fünfzehnerausfchutzfür das be-
setzte Gebiet vor. Eine endgüWge Klärung ist jedoch
noch nicht erfolgt.
Derweil setzen die Ruhrtndustriellen ihren
Plan fort, der eins Unterstützung der französischen
Pläne bedeutet. Der Verband der Eisen-
und S t ah lindustr i e hat erklärt, datz der Drei-
Schichteit-Tag, die Schicht zu acht Stunden gerechnet,
aufhört und an seine Stelle zwei Schichten zu je
zehn Stunden verfahren worden müssen. Kurz und
bündig bezeichnete er 30 Prozent der Ruhrvergar-
Veiterschaft als zuviel. Sie sollen nach dem unbesetz-
ten Deutschland abgeschoben werden, wo sie in
der Landwirtschaft Unterkommen könnten. Ebenso
„sozial" gehallten ist eine Erklärung des Vertre-
ters des Bergbaues und der Direktoren der
Zechen „Scharnhorst" und „Gneisenau", in der sie
den Beschluß des Zechenverbaudes mitteilten, sämt-
lichen Belegschaften zum 1. Dezember zu kündigen.
Auch müssten sie es in Zukunft ablehnen, ihre
Betriebe als Zahlstellen für das Arbeitsamt zur Ver-
fügung zu stellsiL Ms den« gegenüber der Dezernent
des Dortmunder Arbeitsamtes auf die Vevord-
n n n g des Ministers verwies, antworteten sic ihm,
an ihren Beschlüssen sei nichts zu ändern, und
die Behörden hätten sich mit dieser Tatsache abzu-
finden.
Den Ruhrindustriellen kommt es nur aus den Ge-
winn M. Die eigenen Volksgenossen sind nur das
Werkzeug, ihn herauszuwirtschasten. Noch im Jahre
1920 bettelten Stinnes und Konsorten um deut-
sche Arbeiter und versprachen ein großzügiges Sted-
tt^rgsprogramin, damit die Kohleuproduktidn ge-
steigert werden. Heute, nachdem ihre Arbeitskraft
genügend ausgenützt ist, findet man sie überflüssig,
vertaugt ihre Deportation und will sie kaltblütig
dem Elend überlassen.
Wir müssen gestehen: Die französische Be-
satzung sb eh ö r d e war während der Okkupa-
tionszeit weniger kaltherzig. Sie hat nur
tausende aus gewieselt. Die Halbgötter des Berg-
baulichen Vereins und des Verbandes der Eisen-
nnd Stahlindustrie zwingen Millionen, Heim
und Scholle zu verlassen, wenn sie nicht verhungern
wollen.
Bochum, 17. Nov. (Sig. Bericht.) Die von
den Zechenindnstriellsn angekündigte Entlassung
bzw. Kündigung dsv Bergarbeiter ist am Donners-
tag durchgef tt h r t worden. Auf den Zechen ha-
ben die Betriebsleitungen die Bekanntmachung
anschlagen lassen, die die Kündigung sämtlicher Ar-
beiter und Angestellten zum 30. November vorsieht.
Da die DenloLilN!'achun.gsbestintnmngen Sperr-
frist vorsehen, erwart:» die Bergarbeiter, daß die De-
mobilntachltngskomnstssake uiwerzitglich eingreifen
und auch der ReichswirtschaftSniinister gegen das
Vorgehen der Bergbauunternehmer Stellung nimmt.
Berlin, 18. Nov. Die freigeWerksstmftlichen
Spttzenorganisattonen haben sich einge-
hend mit der Entwicklung im besetzten Gebiete be-
faßt und gegen die Politik von eRgierung und Indu-
strie Stellung geuontMen.

Internationale Lage.
Die Ziele Poineares.
Paris,18. Nov. Die B o 1 s ch aftSr ko nfe-
renz ist immer noch nicht zustande gekommen. Pa-
riser Berichte stimmen darin überein, datz Poin-
;arö das Hauptgewicht nickst auf den früheren
Kronprinzen, sondern die Mtlitär kon-
tra lle legt. In einer Rede zu Neuillh erklärte
Potncare: Sanktionen sind unerläßlich,
wir werden sie nehmen, wenn wir nicht volleGe -
nugtuung erhalten. Wir sind außerdem ent-
schlossen, -die auf Grund des Friedensvevtrags be-
setzten Gebiete nicht eher zu räuMen, bis alle
Klauseln des Versailler Vertrags restlos erfüllt und
wir gegen jede neue Angriffsmögltch-
keit von deutscher Sette unbed ingt gesichert
sind.
Der „Franks. Ätg." zufolge habe sich Frankreich
finanziell bereit erklärt, der augenbliWichen Lage in
Deutschland in der Weise Rechnung zu tragen, datz
die Kontrollkommissionen ihre Tätigkeit
einstweilen nur in Gegenden ausübew sollen, in de-

ren dis deutsche Regierung über genügend
Autorität verfüge, umfürdieSicherheitder
Merten Offiziere einstehen zu können. Jedoch be-
che die französische Regierung darauf, datz Deutsch-
and Sanktionen angedroht werden für den Fall, datz
s feilten Verpflichtungen nicht nachkommt.
Paris, 18. Nov. Das „Echo de Paris" erklärt,
Frankreich Würde auf die Militärkontrolle ganz und
„ar verzichten, wenn England die Politik des 11. Ja-
nuar sanktioniere, worunter endgültige Losreitzn-ng
von Rhein und Ruhr vom Reiche und die „Arron-
dierung" der besetzten Gebiete durch die Okkupation
von Darntstadi, Frankfurt und einigen anderen stra-
tegischen Punkten genMUt ist.
Die englische Thronrede.
London, 17. Nov. Das Unterhaus, dessen
Auflösung bevorsteht, ist gestern mit einer Thron-
rede geschlossen worden, in der es u. a. heißt: „Un-
glücklicherweise ist es nicht möglich gewesen, die Zu-
stimmung der französischen Regierung zu den Vor-
schlägen der britischen Regierung zu erlangen, von
denen gehofft wurde, daß sie zur Lösungdes
Reparativ ns Problems führen würden-. Die
Regierung betrachtet Mi tiefer Besorgnis die Fort-
dauer der gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnisse
Europas, die in so weitem Maße von der Lösung der
Reparationsfrage avhängen. Die bedenkliche
Lage, die sich in Deutschland entwickelt Hai,
nimmt die Aufmerksamkeit der Regierung sehr ernst
in Anspruch.
Mussolini über Deutschland.
Rom, 16. Nov. Mussolini erklärte in einer Se-
natsrode, die italienische Regierung würde eine
weitere Besetzung deutschen Gebietes
uichtbtlligen können. (Sehr lebhafter Beifall.)
Man müsse den Mut haben, zu sagen, datz das
deutsche Volk noch am Leben sei. 61 Mil-
lioaven Einwohner befänden sich auf dem Geviet
Deutschlands, weitere Millionen Deutscher in Oester-
reich und in anderen Ländern. Man könne und
dürfe nicht daran denken, dieses Volk zu vernichten.
(Beifall und Händeklatschen.) Es ist ein Volk, wel-
ches seilte Zivilisation hatte und morgen vielleicht
noch einen wichtigen Teil «der europäischen Ztvtli-
salion bilden wird.
Welches sind heute die Richtlinien der ita-
lienischen Regierung? Es sind die folgenden, und
sie scheinen mir klar genug zu sein: 1. Herab-
setzung der deutschen Schuld aus eine ver-
nünftige Ziffer und infolgedessen entsprechende Her-
absetzung der interalliierten Schulden, 2. ein
genügend langes M o r a to r ium für Deutschland
außer für -die Reparationen im naitura, 3. Ergreifung
von Pfändern und Garantien (die deutsche Re-
gierung ist — fügte der Redner hinzu — geneigt, sie
zu- geben), 4. Räumungdes Ruhrgebietes
nach Erlangung der Pfänder und Garantien,
5. Keine Einmischung in die inneren
Angelegenheiten Deutschlands, aber
moralische und politische Unterstützung einer Regie-
rung, welche die Ordnung im Reich wiederherstellt
und Deutschland zu» finanziellen Gesundung führt.
6. Keine Veränderung territorialer Art.
In dieser Richtung vorzugehen und sich Men in
diesem Sinne gemachten Versuchen anzuschlietzen, ist
Italien mich heute wie vor einem Jahre bereit.
Deutschland und Amerika.
Newyork, 18. Nov. Der üble Eindruck, den
die R tt ck k e h r d e s f r ii h e r e n K r o n p r i n z e n
in ganz Amerika »rächte, veranlasste eine halbamtliche
Erklärung, tu der es u. a. heißt, eine Wted-er-
aufrichtuugderMonarchie werde Amerika
und D eutschland entfremden.

Die Lage im Reich.
Die Vorgeschichte des Münchner
Putsche«.
München, 17. Nov. Zur Vorgeschichte des
Hitler-Ludottdorfs-Putsches teilt der „Bayerische Ku
rter" mit, datz sich unter den beschVagnahnsten Papie-
ren des Deutschen Kampfbundes (Nationalso-
ztaltsten) Befehle zum Angriff auf das Wehr-
kreiskommando befanden, die vom Septenlv-er
datiert und von Hauptmann Goehring unterzeichnet
sind. Der Angriff sollte -am 28. September
1 Uhr von statten gehen. Er wurde damals durch
die Ernennung des Herrn v. Kahr zum Gcncral--
staatsLommifsar vereitelt. Unter den im Bürgerb-räu-
keller, dem nationalsoziMstifchen Hauptquartier, be-
schlagnahmten Waffen waren auch DuM-Dum-
Gefchosf -e und Gumm iknüppel mit StahleiWlage.
München, 17. Nov. Der frühere Justizufinister
unter Kahrs Ministerpräfidentschaft, LandlagSabge-
ordneter CHMftian Roth, befindet sich gleichfalls
unter denver hafteten Teilnehmern am Putsche
Httler-Ludendorsf. Auch der HitlerMchänger S ch m a-
ltx wurde in Schutzhaft genommen.
Es gährl weiter.
MüNchen, 17. Nov. (Eig. Bericht.) Nach außen
bin -ist nunmehr in München völlige Ruhe eingekehrt.
Es ist aber klar, das; innerhalb der durch Ver-
bot und Auflösung tiiedergehaltenen pntschist-tscheu

Verbände die revolutionäre Gährung weiter-
g-eht. Sichere Anzeichen dafür sind die auf den
Straßen verbreiteten H and zettel, die in größten-
teils Provokatorischer- Weise gegen die „Verräter im
Bttrgerbräukeller" Stellung nehmen, um die Volks-
seele wiederum zum Kochen zu bringen.
Protest der Prssse.
München, 17. Nov. (Eig. Bericht.) Der Lan-
desverband der bayerischen Presse, in dem die Re-
dakteure und Mitarbeiter aller politischen Parteien
von den Dozialdentokraten bis ganz rechts hinüber
zusammen-gesaßt sind, haben dem Generalstaatskom-
missar tu einen; einmütig gefaßten Beschluß das
Ersuchen unterbreitet, mit Rücksicht auf die schwere
Lage der schuldlos Betroffenen das Verbot der
„Münchener P o st" so schnell wie möglich auf-
zuheben.
München, 17. Nov. Auch in Bayern wird
alsbald -die Schaffung und Ausgabe eines wert-
best ändig en Zahlungsmittels i n- d i e
Woge geleitet. Die Vorarbeiten dafür find
bereits eingeleitet. Das bayerische wertbeständige
Geld soll auch der Pfalz zugute kommen.
Die Offiziersehre.
München, 18. Nov. In einer Tagung des
Nati-onalverbandes deutscher Offiziere wurde das
„Gerücht einer denmächstigen Ausrufung einer baye-
rischen Monarchie" dementiert. Die Versammlung
befaßte sich auch mit dem nationalsozialisti-
schen Putsch. Sie war darin einig, das; das
Verhalten Lndendorffs während des Putsches
seine Offizier sehrentchtverletzt habe und
sprach deshalb Ludeudorsf das Vertrauen aus.
Eine mysteriöse Verhaftung.
Berlin, 17. Nov. Dem „Vorwärts" zufolge
erschienen heute bei dem sozialdemokratischen Stadls
rat Hirsch in Netzsckstau (Sachsen) zwei Zivilisten
und verlangten Einlaß, worauf sie zehn bis zwölf
Revowerschttsse gegen -die Wohnung von Hirsch ab-
gaben. Polizisten, die den Eindringlingen entgegen-
Waten, wurden ebenfalls von ihnen beschossen. Trotz-
dem gelang es, die beiden f-stzunehmcn. Dabei stellte
sich heraus, daß sie unter Ser Zivilkl-eiduitg Reichs-
wehruni-sorm trugen. Bald darauf traf in Netzschkau
in zwei Automobilen Reichswehr ein, nahm Absper-
rungen vor und verhaftete den Stadtrat Hirsch
und seinen Sohn.
Das Befinden Dr. Wirths.
Berlin, 17. Nov. Das Befinden des frühere»
Reichskanzlers Dr. Wirth hat sich erfreulicherweise
so gebessert, daß die unmittelbare Lebensgefahr
als beseilchgt gelten kann. Immerhin ist der Zustand
Dr. Wirths noch sehrernst.

MmKW SlttWWIKk.
Der „Soz. Parlaments-Dienst" schreibt:
Die Kommunistische Partei Deutsch-
lands führt bereits fett längerer Zeit ein illega-
les Leben, obwohl sie dazu keinen Anlaß hätte,
wenn ihre Bestrebungen mit den Gesetzen in Ein-
klang zu bringen wäre,;. Die Kommuniftische Zew-
trall-eitung hat z. B. ihve Räurnttchkei-t-en -in der
Nosentalerstraße (Berkin) restlos verlassen und eben-
so ist die Berliner Bezirksleitung aus der Münz-
straße ausgewaudert. Man vermutet sie -in der
Russischen Botschaft bzw. den Räumen der
Russischen Handelsgesellschaft, die beide exterri-
torial und deshalb der PoHzei nicht zugänglich
sind. Tatsächlich haben -die Komm-imisten allen A n -
l a tz, sich edilies derartigen Schutzes Z-u bedienen, denn
die Pläne, die sie in den letzten Wochen verfolgt
haben, richten sich ebenso gegen die Verfassung wie
die Machenschaften der Münchener- Putschiften und
ihrer Gesinniü-ngssrennde im übrigen Deutschlalw.
In diesen Tagen ist es der Berliner Poli-
zei gelungen, für die verfassungswidrigen
H andkmlgsn dar Konmm nistischon Partei zentrale
neue Beweise zu liefern. Seit ungefähr drei
Wochen hat sie einen durchaus gut organisierten und
über das ganze Reich verzweigden Kurterdie n st
unterhalten. Ihre Instruktionen an -die Politische»
Oberleitungen bzw. ihre Unterinftanzen wurden rest-
los durch Kuriere De fördert, während nur die Be-
förderung des vollkommen hannlosen Materials
durch die Post vorgeuomm-en w-mde. Bisher hat die
Polizei 14 kommunistische Kuriere fest-
gesetzt. Die Kuriere waren äußerst gut gekleidet.
Insgesamt wurden bet ihnen 140 amerikanische Dol-
lar, 195 Gotdmark in Goldanleihe und 70 Billionen
Papiermark gefunden. Das ihnen ausgehänd-igte
M aterial wurde in Rohrplatten-koffeln, die von
der Zentrale zu Dutzenden aufgekaust waren, beför-
dert, um den Eindruck harmloser Reisen-
d e n zu erwecken. In der Zeit vom 3. bis 12. No-
vember wurden ausschließlich für Len Kurierdienst
insgesamt 3 6 9 Bt l liar d en M ar k verausgabt.
Diese Dumme zeigt nicht nur das Matz der innerhalb
der Kommunistischen Partei betriebenen Ver-
schwendung, sondern bestätigt auch, daß den
KoM'.iknn-isten heute noch v o n M o s k a u e n d l o s e
Summen zur Verfügung gestellt werden.
Sie s-Äbst werden nicht behaupten wollen, daß die
in 9 Tagen allein für -den Kurierdienst Vevaus-ga-bten
Summen -durch ihre Mitglieder aufgebracht worden
sind.
Das von den Kurieren an die Organisa-tioueir in
allen Provinzteilen Deutschlands zur Uebsrmittluug
vorgesehene Material umfaßte außer Geheim-
schreiben und Agitationsftoff vorwiegend Frage-
bogen über die deutschen, .Reichswehr-
 
Annotationen