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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 211 - Nr. 220 (12. September - 22. September)
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3. Jahrgang

Nr. 215

Heidelberg, Montag, den 17. September 1923


d SesrbäftrstundenS-S Uhr. Sprech«
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Holungen Nachlaß nach Tarif. IM V V
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Druck u. N erlag der Nnterbabttqcn

Tel..- Erped«ionL87S u. Rkdak.L87».

Der A D G-B- gegen
Stresemann.
Eine Richtigstellung.
Berlin, 15. SepteuOer.
Der A. D. G. B. versendet folgende
Erklärung:
Der Reichskanzler Dr. Stresemann hat in
seiner Rede vom 12. September vor den Vertretern
der deutschen Presse die Behauptung aufgestellt, daß
die Löhne „vielfach über den. Fried ens-
löhne n" liegen.
Diese Behauptung mutz aus irrigen Infor-
m atione n beruhen und darf nicht unwider-
sprochen bleiben. Entscheidend ist nicht der No-
minallohn, sondern die Kaufkraft des Lohnes.
Vor dem Krieg konnte sich ein Arbeiter mit einem
Stundenlohn ein Pfund Qualitätsfleisch kaufen.
Anfang -dieser Woche betrug der Tagesdurch-
' chnii 1 slohn 10 bis 12 Millionen. Ein Pfund
Blcisch kostete zur gleichen Zeit 11 Millionen. Der
Arbeiter mutzte also für die gleiche Menge Fleisch
8 Stunden arbeiten, während er es früher
wit dem Lohn einer Stunde kaufen konnte.
Tatsächlich liegen die Verhältnisse so, datz die
sorlschrEende Markentwertung und die ihr mehr
und mehr parallel laufende Steigerung derPreise
die verei nbarten Löhne ständig über-
boten, da die Arbeiter ihrs Einkäufe nicht zur
-'seit der Vereinbarung, sondern erst frühestens eine
Woche später machen können. Maßgebend kann aber
nur di« Kaufkraft des Lohnes in der VerbranchS-
woche sein.
Ein paar Beispiele: Ein Metallarbeiter
verdiente in der Woche vom 30. Juli bis 5. August
1023 58 000 Mk. Stundcnlohw. Am 6. August kostete
ein Pfund Schmalz 230 000 Mk. Er mutzte
also über 4 Stundenarbeiten, nm es lau-
sen zu können. Im Frieden kostete es 80 Pfennig.
Er erhielt damals 70 Pfennig Stundenlohn. In
kaum mehr als einer Stunde verdiente er geirng, da-
mit er es kaufen konnte. Am 3. September kostete
ein Pfund Schmalz 2400000 Mk. Der Stundenlohn
des Metallarbeiters betrug in der Woche vom 27.
Augu stbis t. September 840000 ML die Stund«.
Er mutzte alf»n«tz«»»z St und en arbeitens um
es zu kaufe«.
Vergleich« man de« Gtundenlohn des Metall-
arbeiters in der letzten Angustwoche mit der Reichs-
mdexzisfer de» Verbrauchswoche, di« 1845 261 be-
trug, so ergibt sich, in Goldman« umgerechnet, ein
Stundenlohn von 0,45,5 Gold »Mik gegenüber einem
Slundenlohn im Frieden von 0,70 und 6,80 Mk.
Dabei ist zu beachten, daß di« Reichsindexziffer die
Miete berücksichtigt. Der Lohn ist also trotz der
neddrigen Mitte auf fast die Hälfte des
Ariedenswertes gesunken. Werden jetzt
di« Mieten von Monat zu Monat erhöht, so ver-
schärft sich die Lage zuungunsten der Lebenshaltung
der Arbeiter.
In -den letzten Wochen hat sich das Verhältnis
don Kleinhandelspreis und Lohn eher verschlech-
tert, da die Markentwerinng mit Ausnahme der
atzten Tuge unabsehbare Abmessungen annahm. In
anderen Berufen ist die Lage der Arbeiter.
0 leich rrostlos. Die Beispiele würden für die
verschiedensten Waren zu demselben Ergebnis füh-
ren. Die Kaufkraft der Löhne hat sich verringert,
daß von einer Ueberschrettung des Friedensreal-
lohnes gar keim Rede sein kann.
Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund mutz
-aber entschieden Verwahrung einlögen gegen
die angeführte Behauptung, die nur den Unterneh-
mern Ansatz bieten kann, unter Berufung auf die
Aeutzemng des Reichskanzlers, die Löhne zu brül-
len.
Der Bundesvorstand
des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Internationale Lage,
Voinears weiterhin unerhitEch.
Varls, 16. Sept. Dte gestrigen Sonntags"
ndeu Polucares zeigen, datz er weiterhin auf seiner
Psänderpolitik besteht und auch in der Frag«
der Sicherheiten unnachgiebig ist. I" Dun
lur Mcuse erklärt« der französische Ministerprä-
sident: Wir haben Pfänder in der Hand, di« wir be-
bauen werden, bis wir unsere Befriedigung erzielt
haben.

Rheinuser noch nicht zu lausen begonnen
hätten, da Deutschland keine von den Vertragsbe-
stimmungen ausgeführt hat. Nichtsdestoweniger
trachtet man danach, sie abz-ukürzen. Hierzu geben
wir uns jedoch nicht her. Wir hallen an unseren
vertraglichen Sicherheiten fest. Da sie aber nicht
ewig sind und di« 1919 versprochenen nicht geltefett
wurden, so wird Frankreich zu gegebener Zett gern
mit seinen Alliierten sich bemühen, für di« Zukunft
andere ausfindig zu »rachen. Aber weder in dieser
Frage noch in der Reparationsfrage wird Frankreich
sich nrtt deut Schein begnügen.
Französische Kritik an Stresemann.
Paris, 16. Sept. Der „Temps" schreibt: Es
sei verdächtig, datz Stresemann zum Leiter der
Reichspressestelle einen ehemaligen Offizier
des Generalstabs gewählt hab« und daß er in sei-
ner letzten Rede zweimal sehr liefe Verbeugungen
vor dem'Kronprinzen Rupprecht gemacht habe.
Kein Verhandknngsabbruch.
Berlin, 18. Sept. Gegenüber den Aeußernn-
gen die inoffiziellen Besprechungen zwischen Deutsch-
land und Frankreich seien abgebrochen, «Märt der
Sozialdemokratische Parlamentdienst: Davon kann
bisher keine Rede sein. Der nach Paris abgereiste
Vorsitzende des Garan-ttekomitees Hagunin dürfte
erst anfangs der Woche aus Parts mit näheren Mit-
teilungen von seiner Regierung über di« deutschen
Pfänderangebote zurückkehren. Es hat -den Anschein,
datz alsdann der Gedankenaustausch seinen Fortgang
nehmen wird.

Die Lage im Reich.
Der Kampf gegen
den Markzusammenbruch.
B e rlin, 16. Sept. Die Rotchsregternng beab-
sichtigt eine Verordnung, in der Aufforderung zur
Steuerfabotage unter Strafe gestellt Witt».
Berlin, 16. Sept Der DeVtseukommMr
warnl bei Androhung von Strafe und Entziehung
der Deviseichaudesserlaubuis davor, datz die An-
gestellten von Banken ausländische Zah-
lungsmittel erfverben.
Berlin, 15. Sept. Das vorläufige Ergebnis
der Goldanlelhe beträgt 75 Millionen Goldmark.
Amtlicherseits wird dieses Ergebnis als befriedigend
bezeichnet. Etwa 3000 Sparkassen werden ihre Gold-
konten auf Grund der Goldanlelhe fortwährend
berichtiget»
9()o/o Reichsbankdiskont.
Berlin, 15. Sept. Die ReichsvaNk hat am
Samstag den Diskont auf SV Prozent erhöht. Zum
erstenmal tritt nach den neuen Bestimmungen eine
Teilung des Diskonts ein. Der Lombardzinsfutz ist
auf 10 Prozent herabgesetzt, da der ganze Lombard-
verkehr auf eine weribestäitdige Grundlage gestellt
wurde. Inzwischen macht sich wieder eine statte
Inanspruchnahme von Papiermarkkrediten, beson-
ders in der Provinz, bemerkbar.
Berlin, 15. Sept. Der S.P.D. schreibt uns:
Herr Have «stein geht, sobald ein Nachfolger ge-
funden ist. Das ist nicht leicht, aber immerhin glau-
ben wir, datz er bald in Urlaub döht und in seiner
Abwesenheit ein Mann, der sich während des Krie-
ges itt einer hervorragenden Stelle als Wirtschaftler
aus-gezeichnet betätigt hat, an seine Stelle tritt.
Eine Konferenz der Innenminister.
Berlin, 15. Sept. Auf Veranlassung des
Reichsministers des Innern fand am Freitag ln
Berlin eine Konferenz der Innenminister der LLre-
dder statt. Minister Soll mann entwickelte in
dieser Konferenz fein Programm, insbesondere das
von ihm beabsichtig!« Verhalten gegenüber den Län-
dern. In -der sich dieser Rede anschließenden Aus-
sprach« wurden insbesondere das Verhältnis zwi-
schen Reich und Ländern gestreift und auch Vor-
schläge zur weiteren Aufrechterhaltung von Ruhe
und Ordnung gemacht. Im Verlauf der Bespre-
chung ergab sich grundsätzliche Ueberein-
stimnlung der Landesminister nrtt den Ausfüh-
rungen des Reichsministers des Innern.

In einer Red« in Briculles für Meus
betonte Poinarcö: Sowohl in der Reparations- Wie
in der Sicherheitsfrage werden wir den Sperling n
der Hand nicht um der Taube, auf dem Dache willen
vufgeben. Ein Sonderpakt für die Rhein-
«renze würde nur Ungelege,cheiten schaffen und
den allgemeinen Pakt schwächen, denn wenn er sich
^icht aus die Greifen der Tschechoslowakei und Po-
'ens bezieh,, würde man Deutschland im Osten oder
iiu Süden Mehr Freiheit lassen als >M Westen.
Tcttrmiche französische Negierungen seit 19t9 erklär
l'!U, daß V

Die Kabinettskrise in Thüringen.
Weimar, 15. Sept. Der Landesausschuß der
thüringischen Sozialdemokratie beschloß, «ach Mög-
lichkeit auch in Zukunft die Arbeiterregierung zu
halten. Zu diesem Zweck sollen mit den Kommu-
nisten auf der Grundlage eines Mindostprogramm»
Verhandlungen aufgenommen werden.
Bayern gegen das Reich.
München, 16. Sept. Die Organisationen
„Oberland", „Reich-sslagge" und di« Sturmabteilun-
gen veröffentlichen eine programmatische Kundge-
-- - - -- Ibung, iu der sie sich als vaterländisch« Katnpfbcwe-
esatznngSfristen für das linke j gung für den künftigen Ausbau des Reichs auf föde-

ralistischer und christlicher Grundlage, gestützt auf Dte
allgemeine Wehrpflicht, bezeichnen.
München, 15. Sept? Die vaterländischen Be-
zirksvereine veranstalteten «ine Mttgliederversamm-
lung, an der eine Reihe offizieller Persönlichkeiten,
Roaierungsprästdent v. Kahr, Pöhner, Staats-
rat M ey er, Vertreter der Reichswehr und der Lan-
despoltzet tetlnahmen. Rechtsanwalt Dr. Holl
wandte sich vor allem schatt gegen Die Sozialdemo-
kratie. Der Bervandsprästdem Dr. Bauer erklärte,
das Schttngebilde Des deutschen Reiches werde in
Kürze einstürzen. Es handle sich um «in Großreine-
machen, wenn der nahe Umsturz erfolgt ist. Nach
Schluß der Versammlung kam es zu Zusammen-
stößen, in dessen Verlauf mehrere Personen erheblich
verletzt wurden.
Ein Befehl Gehlers.
Berlin, 15. Sept. Reichswehr-Minister Dr.
Geßler erläßt einen Befehl, in dein er erkläre
Häufig behaupten verfassungs fei übliche Organisatio-
nen, Verbindung mit der Reichswehr zu haben, in
der durchsichtigen Absicht, dadurch verfassungstreue
Kreise sür ihre trüben Zwecke zu gewinnen Im
Interesse des Vaterlands und der Truppe mutz ich
diesen Treibereien entgegentreteu. Von mir sind
derartig« Verbindungen längst verboten. Wo Ver-
bindungen einmal bestanden, sind sie gelöst.
Verbote.
Berlin, 15. Sept. Der Reichsmtuister des
Innern hat Die in Stuttgart erscheinende kom-
munistische „Neue Zeitung" Wege» Verstoßes gegen
die Verordnung des Reichspräsidenten vom 10. Aug.
auf acht Tage verboten.
Berlin, 15. Sept. Die bayerische Regierung
verbot das das Erscheinen des deutschvölkischen „Am-
berger Tageblattes" für acht Tage. Das Blatt hatte
in einem Vergleich zwischen dem Schicksal Raithe-
naus und dein des jetzigen Reichskanzlers zur Er-
mordung Strefemauns aufgefordert.
Königsberg, 16. Sept. Auf Grund des
Schulgesetzes wurde dl« Gchtt.movganifatiou „Tat-
bereitschaft" verboten.

DreSden, 15. Sept. Die amtliche Nachrichten-
stelle bezeichnet dte Mitteilung, datz der bayerische
sozialdemokratische Abg. Graf der sächsischen Ge-
sandtschaft als Mitarbeiter zugewiesen sei, als falsch.

Spanien als Mahnung
Unser außenpolitischer O^Mitarbeitcr schreibt
uns:
Während Moskau den Zersetzung stampf der
Arbeiterschaft allenthalben eifrig schürt und Radek
und Reventlow eifrig kokettierens setzt der Fa-
schismus seinen Siegeszng fort. Es ist Der Kampf
des poltttschenFeudalismus gegendie
Demokratie, Den Parlamentarismus und die
aufstrebende Arbeiterb-ewegnng. Nach Ungarn, Ita-
lien und Griechenland hat er nun Spanten er-
obert. Der General Primo De Rivera hat
dte spanische Aemee in -der .Hand. Wie in Italien
ging der König zu den Gewalthabern üben Der
Rücktritt des liberalen Kabinetts Garcia Prttto
wurde erzwungen. Der Außenminister Alba ist
nach Paris entkommen. Wie in Italien hat sich
der Umschwung im Verlauf von 24 Stunden unblu-
tig vollzogen. Die Arbeiterschaft war nicht
in der Lage, einzugretfen.
Es muß aus fallen, daß der Faschismus überall in
den Ländern zu Macht kommt, in denen di« Arbei-
terschaft anarchistisch-syndikalistischen und kommuni-
stischen Ideologen zuneigt. Die Weltkrise hatte Di«
wirtschaftliche Lage Spaniens ungemein verschärft.
Die Arbeitslosigkeit war chronisch gewor-
den. Die Arbeiterschaft griff zu terroristischen Mit-
teln- Sie versagte« und große Teile der gewerk-
schaftkilch Organisierten wurde dem Jndifferen-
1 tSmuS in die Arme getrieben und der Agitation
der Nationalistischen zugänglich gemacht Es Ist
bekannt, datz es dem Kommandanten der Garnison
Barcelona, de Rivera, während des letzten Streiks
gelang, einen großen Teil der Arbeiterschaft zu sich
hinübeuzuziehen. Eine Aehnllichkeit der Entwicklung
in Italien- vor und nach dem Putsch durch Mussolini
fällt auf.
Weiter beweist Der Umschwung in Spanien die
Tatsache, datz der Faschismus überall dort sieg-
reich sein konnte, wo der Parlamentaris-
mus veraltet und nicht mehr in der Lage ist,
zu neuen Reformen zu kommen und die Autorität
des Staates zu schützen. Die gestürzte Regierung in
Spanien war liberal. Der Ministerpräsident Gar-
et« Prieto, ein unentschlossener und unfähiger
Mensch, der die Dinge nicht meistern konnte. Sein«
Partei zersplitterte sich in viele Gruppen, di« sich
gegenseitig bekämpft«», so datz entschlossen« Schritte
unterblieben. Die faschistische Gefahr konnte sich so
ungestört Mlwickeln.
Seit vier Jahren führt Spanien den Krieg gegen
Vie NIffkabhl.'N in Marokko. Als dieser Kampf dnrch
etu« schwere Niederlage der spanischen Armee zu-
sammenbrach und das Kabinett versuchte, die Volks-
stimmung dadurch Rechnung zu tragen, das; es eine
Reih« militärischer Führer vor das Gericht stellt«.

wehrte sich die Militärpartei und benutzte so den
Mißgriff der unfähigen Regierung zur Vollendung
des faschistischen Sieges.
Madrid, 14. Sept. Der von der neuen Re-
gierung über ganz Spanien verhängte Belage-
rungszustand Wird st reu g d urchg eführt,
Die Presse steht überall unter Zensur. Stö-
rungen der äußerlichen Ordnung werden bisher
nicht gemeldet.

Wilhelm Pfannkuch -j-.
Berlin, 1. Sept- „Der langjährige sozialde-
mokratische Reichstagsabgeordnete und Berlin«
Stadtverordnete, sowie jetzige Sekretär des sozial-
demokratischen Parieivorstandes, Genosse Wilh.
Pfannkuch, ist im 82. Lebensjahr in Berlin ge-
storben.
*
Der Verstorbene war wohl das älteste Mit-
glied imPart-etvorstand, dedm cr >e>t 1894
angeghörte. Durch Lassalle sür den Soz.attSmus
gewonnen, har er mit Bebel, Singer, Liebknecht,
Auer usw. ein volles Menschenleben hindurch ge-
arbeitet. Seine Hauptarbeit war der Ausbau der
Organisation. Obwohl er auch als Agitator und
Parlamentarier seinen Mann stellte, so liegt seine
Bedeutung doch mehr in seiner stillen und zähen
Arbeit sür die Organisation d-r Arbei-
terbewegung, die er in mehr als Mähriger Tätig-
keit geleistet hat. In treuer Pflichterfüllung und
eifriger Arbeit war der Verstorben« ein Vorbild sük
viele.
Am 28. November 1841 in Kassel geboren, er-
lernte Wilhelm Pfannkuch nach dem Besuch der
Bürgerschule das Tischlerhandwerk. Auf einer mehr-
jährigen Wanderschaft kam er 1862 nach Berlin und
geriet hier iu die fortschrittliche Bewegung. DaS
sozialpolitische Evangelium,, das um jene Zeit
Schultze-Delitzsch verkündete, begeisterte in Berlin
auch viele Arbeiter. Das änderte sich etwas, als
Lassalle den Lehren Schultze-Delitzsch entgcgentvat
und ihnen den Sozialismus entgegensetzt«. Der
junge Pfannkuch zählte zu den ersten Anhän-
gern Lassalles, dem er sich umso entschiede-
ner ««schloß, je mehr er sich abgestoßen fühlte von
der Art, ivie Lassalle in Berlin von den ehemaligen
Fortschrittlern behandelt wurde. Sv kehrie 1866
nach seiner Vaterstadt zurück und bemühte sich, nun
hier in Kallel und Hessen-Nassau Anhänger für den
jungen Sozialismus zu finden. Ein volles Viett-css-
jahrhmiidert war Pfannkoch in der endlosen Klein-
arbeit für dte sozialdemokratische Organisation Hes-
se n-Nass au tätig. In der ersten Zeit konnte
das nur ganz im Geheimen geschehen, denn er war
in der Kasseler Königlichen Eisenbahnwerkstätte be-
schäftigt. Erst krach seinem Ausscheiden aus dieser
Stellung widmete er sich auch öffentlich der sozial-
dc-dmakratischen Agitation.
1877 leitete er kurze Zeit ein kleines sozialistisches
Bl-aft in Kassel, Das dem Sozialistengesetz im Jahr«
darauf zum Opfer fiel. 1884 wurde er zum ersten
Male in den Reichstag gewählt und zwar in
Berlin 4 an Stelle des doppelt gewählten Hasencle-
ver, der in Breslau-Ost aunahm. Er vertrat diesen
Wahlkreis bis zum Jahre 1887. Im Fahre 1892
übernahm Pfannkuch dleNedaktionderHolz-
arbeiter-Zeitung, Organ des deutschen Holz-
-arbMerberbandes, und 1894 wurde er in den Vor-
stand der Sozialdemokratischen Partei berufen!, dein
er vis zu seinem Tode angehörte.
Von 1898—1906 vertrat er den Stadtkreis Magde-
burg im Reichstag, fiel nach der Auflösung deS
Reichstages 1906 durch und gehört demselben nun
feit 1912 als Vertreter von Berlin 3 wieder an.
Seit 1899 ist er auch Mitglied des Berliner Stadt«
verordnetenkollcgiums.
Ein Leben voll Kamps und Arbeit, aber auch voll
Sieg und Erfolgen ist abgeschlossen. Wilhelm
Pfannkuch gehört zu den großen Des Sozialismus,
die nicht vergessen werden.
Möge das Vorbild Wilhelm Pfannluchs alle Ar-
beiter deutscher Gaue zur Nacheiferung an-
spornen: Zur unermüdlichen Arbeit sür die Par-
tei, Mr di« Einigung und für den Aufstieg des Pro-
letariats, Kr dessen Sache der Verstorbenne mehr
als ein Menschenalter gewirkt hat! DaS wäre im
Sinne Wilhelm Psmmkuchs ddas beste Denk-
mal, -das wir ihm setzen könnten.
Berl > n, 15. Sept. Der Reichspräsident
hat an den Vorstand per Sozialdemokrati-
schen Partei folgendes Beileidsschreiben ge-
richtet:
„Werte Freunde! Zu de»; schweren Verluste,
den Sie durch den Tod unseres verehrten und
verdienten Genossen Psmmnkuch erlitten haben,
spreche ich »kein aufrichtiges Mitgefühl aus. Mit
Pfannkuch ist wieder einer der Veteranen aus
dem Leben geschieden, welche di« deutsche Arbeiter-
schaft und di« Sozialdemokratische Pattei Deutsch-
lands aus ihren ersten Anfängen in harter und
nie verzagender Arbeit vieler Fahre zu ihrer heu-
tigen Bedeutung und Macht heraufgesühtt haben.
Mir war er ein dürch langjährige gemeinsanw
Arbeit unvergeßlicher Freund. Sein
makelloser Charakter, seine Treu« und seinen ho-
hen Verdienste sichern ihm bet unS allen ein blei-
bendes und chrenboll.es Gedächtnis.
Mil freundlichen Grüßen.
Ebert.,
 
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