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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 261 - Nr. 270 (9. November - 20. November)
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Heidelberg, Montag, den 12. November 1923

Nr. 263




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Verugspret» einschl-Trägerlohn für
Woche v.ir.—17.Nov. IM Milliard.
Anzeigentarif: Die einsp. Pciitzeil,
vd der. Raum Muiiu br.) Mk.M.—,
k Auswärtige Mk. 8V.—, ReName-
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Grundpreis mal der Schlüsselzahl d.
W.ü.Z.ab».Nov. LM Mill. BciWic-
derholungen Nachlaß nach Tarif.
rmn-zellW liik «e MÜM« VNMNW In «Ezirle Mklbn,, Mtloch, «eil». WWa. kberSO, MrW, »Mrs, Mkvftw, AÄerii, lmiMDh-M I. Melde»
- - -—
5. Jahrgang


Ein Diktator.

Aus den Erinnerungen eines HostnarschallS.

Berlin, 11. Novernber.
In diesen Tagen, in denen das Schlagwort van
der „nationalen Diktatur" umgeht, Wird es fünf
Jahre, seit eine 30jährige nationale Diktatur elend
»gründe ging: die Regienmgszeit Wilhelms II.
Sehr zu« Zeit erscheint daher Lei der Deutschen Ver-
lagsanstalt Stuttgart ein neues Buch: „Zwölf Jahre
am deutschen Kaiserhof. Aufzeichnungen des Grasen
Robert Z e d litz-T r ü tz sch ler, ehe-maligen Hof-
marschalls Wilhelms II."
Ein Mann, der sich zwölf Jahre in der nächsten
Nähe des Allmächtigen au schielt, entwirft hier ein
Bild des letzten deutschen Kaisers, wie es wider-
wärtiger und abstoßenden kaum gedacht werden kann.
Um einen gekrönten Großsprecher, Schimpf- und
Raufbold, einen größenwahnsinnigen Verschwender
gruppiert sich in der Darstellung des Grafen Zedlitz-
Trützschler ein Hofgeschmeiß, das alle wörtlicher« und
körperlichen Beleidigungen — all Schlägen fehlte es
nicht —mit ersterbender Ergebenheit hinnimmt, allen
allerhöchst anbefohlenen Unsinn devotest weiter-
lschwätzt und sich mit Haudküssen Gunst zu erwerben
sucht. „Asiatisch!" Das Wort fällt in diesem
. ZusammeNha-ng. Es ist eine ungerechte Beleidigung
«des Aster« von heute.
' „Die Verfassung habe ich nie gelesen und
kenne sie nicht." „Steuern müssen sie zahlen, bis sie
! schwarz werden." „Zeitungen lese ich überhaupt
> nicht. Was diese Schassköpfe schreiben, ist mir gleich-
- gültig." „Ein solches Lumpenpack soll man nun
!-negieren. Sie sind absolut Nicht reif für eine Ver-
fassung." „Wenn es jetzt in den Zeitungen nicht
i-aushört, schicke ich einen Flügeladjutanten hin^ind
lasse einen Redakteur totschieße n." „Ja,
das ist cs ja, meine Untertanen sollten einfach tun,
!was ich ihnen sage: aber meine Untertanen wollen
immer selber denken, und daraus entstehen
darin alle -Schwierigkeiten." Wahrhaftig, jeder Zoll
'ein gekrönter Diktator!
Aus Anlaß des Straßsnbahnerstroiks um 1900
->'itd der mit ihm verbundenen geringfügigen Un-
! ten gelangt an das Generalkommando des Garde-
lorps folgendes Telegramm: „Ich erwarte, daß Vein«
Ein schreiten der Truppen mindestens fünf-
hundert Leute zur Strecke gebracht wer-
den." Bei der Besichtigung einer vom Hohenstcmfeiv-
laiser Friedrich II. erbauten Burg ergeht die Aeuße-
rung an die Umgebung: „Ja, wenn man denkt, was
dieser große Kaiser olles geleistet! Aber, wenn ich
euch ebenso peitschen und köpfen lassen
könnte, dann würde ich auch mehr schaffen können."
Angesichts dieser Selbstkerurzeichnung klingt das
Wort aus dem Munde der Mutter noch schonend:
„Glauben Sie nur nicht, daß mein Sohu etwas aus
irgend einem anderen Motiv als dem der Eitelkeit
tut."
Das ganze Buch ist ein ewiges Häuderingen. Der
ÄofmarschE hört die unglaublichsten Aussprüche,
l. B. wie der Kriegsminister und der Ellef des Mt-
litärkabi-netts: „Ihr alten SchafsköPfe!" an-
Sesprocheu, oder wie ein angesehener schlesischer
Magnat bet der feierlichen Begrüßung „Sie altes
Schwei n!" tituliert wird. Er sieht, wie Offiziere
a m Ohrgezoge n und aufden Rücken ge-
schlagen werden-, wie ei« älterer Herr „zum
Spaß" in den Schnee geworfen und mi! dem Kopf
Mehrmals htnoingetunkt wird. Er selber erleidet
die unglaublichsten Grobheiten und «lebt es, daß
ihn« — wegen eines auf den Teppich gestreuten
Aschenrestes — die kaiserliche Faust unter die Rase
llel,alten wird.
Der Manu, der in so blöder Weise kmstmeiert, ist
dach dem Urteil des Beobachters eigentlich „schwach
ch>d weich". Er ist ein ewiges Kind, und „wehe
dem Reich, das ein Kind regiert". Aus Anlaß der
Nopeinberkckse von 1908 vergießt er bitter« Tränen
u-Nd beauftragt den Kammerdiener Sch-uEz, dem
-Reichskanzler telephonisch mitzutetlen, daß er ab-
«anke.

Hätte es geholfen, wenn der Kammerdiener
Schulz seinen Auftrag ausgefithrt hätte? Das ist
einigermaßen zweifelhaft, denn der gleichfalls sehr
»kindliche" Kronprinz vertrat eben -damals die An-
wi, daß nur ein Krieg Deutschland aus seinen
nn-eren Verlegenheiten retten könne.

In der Kunst, auswärtige Politik zu
Leiben, war bekanntlich Wilhelm II. keiner über.
Ausländische Fürstenbesuche werden mit „spaßhaf-
k"" Handgreiflichkeiten bedacht, daß es nur so knallt.
' eine Frage, wie die englische Verstimmung zu
yj^ärEi« sei — der Kaitfe-r-in war aus London zum
Geburtstag "icht gratuliert worden und dies wurde
Anlaß einer diplomatischen Aktion genommen
17' erklärte der englisch« Botschafter lachend: Wenn
. EeL nach London berichtet hätte, was Seine Ma-
"ak über England zu ihm gesagt habe, dann hätte
wohl schon zwauzigmal Krieg gegeben.
I9a« ^"«m ParaDeexargteren in Döbevitz, Juni
^uitz-ert sich -der Kaiser vor dem russischen Gene-
kkelr^ds'cheff: „Er wisse Wohl, daß man uns ein-
foaa wolle, aber der Germane habe nie besser ge-
ll r i k-' weun er von allen Setten äuge«
b« " würde. Und sie sollten nur kom -

Eedom schweigt das Hofgeschinetß. Zu aüe-
^!e Minister: „Zu Befehl, Euer Majestät."
^te kitsseu die Hände. Dazwisihen wird ge-

tuschelt und geraunt. Staatssekretär v. Lschirsch-
k h: „Unter dem Kaiser ketden wir alle, er ist das
uns auferlegte Kreuz." Bülow stöhn«, Was er
olles wieder in Ordnung bringen müsse. Der Hof-
marschall selbst bemerkt (7. Juni 1907, also elf Jahr«
zuvor): „Man sollte meinen, eine ganze Welt müßte
binnen kurzem zugrunde gerichtet werden, wenn ihre
Geschicke so gelenkt werden."
Das alles sahen, wußten die unterrichteten Kreis«
des Auslandes.. Das deutsche Volk wußte es
nicht. Ihn« blieb die Person des Allerhöchsten durch
eine Weihra-uchwolke verborgen. Was aber mußte
die Welt von einem Volke denken, das sich so vegie-
-ven ließ? Der Fanatismus, «Nit dem sie vier Fahre
lang dagegen kämpfte, daß dieses System den
Sieg gelvann, wird einem auf einmal bis zum
Grauen verständlich. Auch der Ausspruch WM-er
Nathenaus: An den« Tag, an den« Wilhelm II. als
Sieger durch das Brandenburger Tor ritt«, hätte
die Weltgeschichte ihren Sinn verloren.
Doch ein Wort der.Gerechtigkeit! Dieser Mensch
trug ja keine Schuld daran, wie er war. Er trug
keine Schuld daran, das; ihn -der blöde Zufall der
Geburt auf einen der höchsten Throne der Welt ge-
rufen halte. Bar jeder Selbstkritik, glaubte er, sein
Volk herrlichen Zeiten entgegenführen zu können.
Ohne seinen Purpur war er ja doch nur ein a-tmer
Narr.
Verbrecher a-n den Nation waren diejenigen, di«
wußten, was war, und die es nicht rechtzeitig än-
derten. Di« diesen Mann regieren ließen, weil sie

von seinem Sturz den Vertust der eigenen Vorrecht«
«mV Privilegien fürchteten. Di« Eigensuchtder
Herreukaste und die Feigheit des Bür-
ger Iums haben Deutschland in den Abgrund
stürz«, lassen.
Diese Lewe aber sind es, Vie heute im Namen
der „nationalen Diktatur" ihre Herrschaft neu be-
festigen wollen.
„Despotismus bedeutet für ein Land früher
oder später Schwäche. So verlockend cs erscheint,
alle Fäden i-n do« Hand eines Mannes zu vereini-
gen, dessen Kopf nur gerechte, kluge und weitaus-
ichauend-e Gedanken hat, so wirksam und vorteilhaft
eine solche Regierung mich fein müßte, Ler Geschichts-
kenner weiß, daß es solche Männer nur sehr
selten gegeben hat und geben wird, und daß sich
die Mehrzahl der Menschen durch unbegrenzte Macht
zu Handlunge-n verleiten läßt, die dem Ideal nicht
entsprechen, ja ihm direkt eutge-g-eustehen. Welche
Gefahr ist es daher, wenn viele Millionen Men-
schen vertrauensvoll ihr Schicksal in eines einzelnen
Hände legen müssen. . ." so schreibt am 14. Riat
1910 der HofmarschaK Wilhelms II. in fein Tage-
buch.
Fünf Jahr« Republik haben dreißig Jahr« „na-
tionale Diktatur" und ihre grauenvollen Folgen noch
nicht ausznlöschen vermocht. Jetzt muß ein Hof-
nmrschall Seiner Majestät kommen, nm jenen Volks-
teilen die Augen zu öffnen, die am Narrenseil der
Schuldigen von einst aufs neue dem Abgrund cnt-
ge-ge »taumeln!
UW^M'UWU!

Im alten Trott.
Ludendorff wieder frei. — Rückkehr des ehemaligen
Kronprinzen.

xr. Heidelberg, 12. November.
Unerhörtes Schweineglück hatten -der deutschen
RoichSregter-ung, ohne daß sie den Finger rührt«,
wieder alle Trümpfe i-n di« Hände gespielt. Der an-
scheinend infolge eines Regiefehlers — von spricht
von zu frühem Losschlage«« infolge Geldmangels —
rasch zusammengebrochene Ludendorff-Hitler-Putsch
hätten der Reichsregicrung nochmals alle Möglich-
keiten gegeben, Republik und Retchseinhett
zu retten, wenn sie endlich WWensontschlossenheit ge-
zeigt Hütte.
Bereits ist mau jedoch Widder im Begriffe, alle
Trümpfe zu verspielen -und neues Wasser auf die
Mühlen der Reaktion zu leiten. So gehen denn die
Wirren i-n München weiter, die Deutschnwtiona-lei«
sor-zieren Wetter di« von ihnen gewünschte Rechts-
dlkiatur, und die Bauden Ehrhardts an der thürin-
gischen Grenze bl-eiben ungeschoren.
Derweil ist allerdings di« Regierung -des Herrn
Stres-omann mit einer ganz besonderen Herzensange-
legenheit beschäftigt, nämlich dem deutschen Krön-
st r i n z e n die Thür« nach Deutschland zu öffnen, di«
er denn auch inmitten der Wirren bereits passiert hat.
Während in Frankreich noch heute, mehr als 50
Jahre nach dem Sturze der letzten Dynastie, den
nach dem Hausgesetze zur Thronfolge berechtigten
Mitgliedern der ehemaligen regierenden Familie das
Befreien französischen,Bodens verboten ist, will mau
in Deutschland mit Gewalt einen Krönsträtendornten
schaffen. Innen-- und außenpolitische Schwierigkeiten
sverden folgen.
Soll es so weitergehen? Will sich das deutsche
Volk unter Een Umständen sein Grab schaufeln?
Fast sieht es so aus.
Der Kronprinz wieder in Deutschland
Berlin, 10. Nov. Auf die Not« der Bot-
schafterkonfer-enz vom 9. November, in der an ge-
s-vag t wurde, ob die deutsche Negierung dem ehe-
maligen Kronprinzen di« Ermächtigung zur
Rückkehr nach Deutschland tatsächlich erteilte, ant-
wortete die deutsche Regierung:
Der frühere Kronprinz stellte bereits vor eini-
gen Wochen bei der deutschen Regierung den An-
trag, ihm die Rückkehr nach Deutschland zu ge-
statten. Die deutsche Regierung hat bei -der
Prüfung des Antrages keinen Grund rechtlicher
oder tatsächlicher Art erkennen können« der es ge-
rechtfertigt hätte, diesem deutschen Staats-
angehörigen die Heimkehr zu seiner Familie
zu -verwehren. Sie hat daher die zuständige deut-
sche Auslandsvertretung ermächtigt, dem frü-
Heren Kronprinzen auf seinen Antrag einen Paß
für die Einreise nach Deutschland auszustellen.
Amsterdam, 10. Nov. Der ehemalige Kron-
prinz ist heute früh Uhr nach Deutschland a v -
gereist. Er richtete eine Dan-keskuudgebun« an
die Bewohner Wwringens, in der er sich für die
gastlichst AutMhme bebaust«.

Haag, 10. Nov. Das Niederländische Korre-
spondenzburo meldet: Nach einer der niederländi-
schen Regierung übermittelten Information hat der
vormalige deutsch« Kronprinz die Insel Wteringen
verlassen, um sich nach Deutschland zu begeben. Er
hat sich dazu entschlossen, nachdem die deutsche
Regierung vor einigen Wochen zu verstehen-
gegeben hat, daß sie gegen seine Rückkehr keine
Bedenke«« erhebt, und nachdem der vormalige
deutsche Kronprinz «inen vorschriftsmäßigen deut-
sche ic Paß erhalle«« hätte. Die Reife erfolgte Per
Auto. Heute vormittag hat -der Kronprinz die
Grenze passiert. Er befand sich nm in Be-
gleitung seines Adjuianteu Mildner und eines Die-
ners. Er begibt sich auf seine Besitzung Oels in
Schleste n.
Demarche der Alliierten.
London, 11. Nov. Reuter meldet aus dem
Haag, daß die Gesandtschaften der Alliierten eine
mü-ndliche Demarche tm Auswärtigen Amt gemacht
haben, um die holländischcch Regierung zu veran-
lassen, sofort eiu-rn Befehl zu erlassen, damit der
Kronprinz Holland nicht verläßt.
Der holländische An ß e nm tu i-st-er erklärte
den alliierten Diplomaten, daß seine Regierung
rechtlich gar nicht in der Lage sei, derartige Schritte
zu ergreifen und daß derartig« Schritte praktisch ge-
genstandslos geworden seien, da der Kronprinz be-
reits das holländische Gebiet verlasse«« habe.
Deutschland wird diesen neuesten Akt des Ent-
gegenkommens Stresem-anus an die Monorchie
Wohl bald zu spüre,« bekommen.
*
Ludendorff wieder frei.
München, 10. Nov. L u d e n d o r s s, der sich
ein« Zeitlang im Gelvohrsam der Polizei b-esoud, ist
gestern ausder Hastentlassen worden, nach-
dem er sein Ehrenwort gegeben Hot, sich nicht Welter
an der Sache zu beteiligen.
Hitler auf der Flucht.
München, 10. Nov. Ueber den Aufenthalt
Hitlers hört num, -daß er sich mit dem Reste seiner
Anhänger in der Richtung nachRosenhctmzu-
rückgezogen hat und dort offenbar beabsichtigt,
Getreu« aus Oberbayern und Niederbayern zusam-
menzuziehen. Ein gefährlicher Wider st and
ist aber von ihm ntchtmehrzuerwarten an-
gesichts der Haltung der Ros-enheiiMr Schutzwehr
und der mairgelhaften Bewaffnung der ihm zur Ver-
fügung sichenden Leute.
Die Tätigkeit illegaler
Organisationen.
Berlin, 10. Nov. Trotz des Scheiterns des
Münchener Pu-isches und trotz der daini-t zusarmuen-
hängenden Dämpfung der Putschgelüst« bei anderen
rechtsradikalen Gruppen im Reiche scheinen die
Heimlichkeiten der illegalen Organisationen in Nord-
dcmtfchlwnd weiter zu gehen. Noch immer werden,
wie der „Vorwärts" inttteilt, von diesen Organisa-
tionen Gestellu ngsbefehle an ihre Mitglie-
der versandt. Noch ain Freitag sollen- von Berlin
Angehörige rechtsoadikal-er Or-gau-isa-tioncn nach
Schneidemühl beordert worden sein, darunter auch
.StaatsaiWüstellte und Beamte.

Die Mitnchener Stratzenkämpfe.
München, 10. Nov. Ueber die gestrigen Vor«
gänge, die zur Niederschlagung des Putsches führten^
wird folgendes gemeldet: Hitler stand gestern
vormittag mit seinen Truppen rechts der Isar und
hielt die Js-arbrücke besetzt. Gegen 1 Uhr marschier-
ten die Httlertruppen in geschlossenen Zügen, an der
Spitze Hitler und Ludendorff, mir fliegenden
Fahrten und Hurra- u-Nd Heilrnfen über die Isar-
brücken nach der Residenz zu. Die ersten Posten der
LandeSpoüzet wurden überrarmt. An -der Residenz-
wache kam es zu einem Zusammenstoß zwischen
den Httlerleuton und der dort aufgestellten- Landes-
polizei. Es fiele«« verschiedene Gewehrschüsse, worauf
Maschinengewehrfouer eins-etzte. Die Hitler-
truppen wurden indie Flucht g eschlag e n
und verloren fünf Tote. Die Verluste der Lair-
despoli-zet stehen noch nicht genan fest.
Lude ndor s f ist gegen anders lautender Mel-
dungen nicht verwundet. Er stellte sich freiwil-
lig dein GeneralstalaiSwinrnissar v. Kahr. Die bet
der Versammlung im Bnrgerbräusaal am Abend
des 8. November festgenommenen Minister v. Knt l-
ltng, Dr. SchweYer und Wutzelhoser, die
von den Hitlerl-eutön vorgestern vormittag in einer
Villa in Bogenhausen feftgehal-ten wurden, befiitden
sich wieder in Freiheit. Ebenso auch Bürgermeister
Schmid. Der Putsch ist vollständig nieder-
geschlagen. Die Regieruntzsgewalt befindet sich
wieder fest in Händen der „rechtsmäßigen" Regie-
rung.
München, 10. Nov. Die Säubernngsakiion
von seit««« der Reichswehr und der Laicdespolizet
wurde un« 11 Uhr vormittags vorgenommen, ivo in
vollständig kriegsmäßiger Ausrüstung Truppen
in die innere Stadt vorrückteu. Um iz§ Uhr hatten
diese die Ludwigstraße erreicht. Hinter einen« Draht-
verhau hatten sich vor dem Krikgsmi-nisterium die
Truppen des Kampfbundes verschanzt.
Während an dieser Stelle von der« Offizieren gegen-
seitig vereinbart worden war nicht zu schießen,
kau« es fast zu gleicher Zeit vor der ehemaligen Resi-
denz nahe der Feldherrnhalle, zu einem blutigen
Zusamine««sto ß zwischen Nationalsozialisten
und Schutzpolizisten. Dort marschierte, geführt von
Hitler und Ludendorff, eine Grupp« Natio-
nalsozialisten heran. Eine Abfperruugslette der
Landespolizet ließ den Zug nahe heraukounilten.
Als Hitler den Schutzpolizisten zurief, sie sollte» sich
ergeben, wurde von einem Teil der Leute dieser
Aufforderung Folge geleistet, während der
Rest von Lek Schußwaffe Gebrauch «nachte. Im
Augenblick stürzte die vordere Reihe des Hitlerschcn
Znges tm Feuer zusammen. Die Verwirrung wurde
noch größer, als das hei der Feldherrnhalle stehende
Auto Maschtne -nge wehrfeuer aus die
Menge richtete. Ms die Straße leer war, sah nmn
erst, wie viele Opfer das Feuer gefordert hatte.
Ueber das Verhalten der Httlertruppen wird be-
kannt, daß sich die N atto nal s o zi alist en, so-
weit sie nicht entwaffnet sind, gegen den Osten der
Stadt z u r ü ck z t e h e n in der Richtung aus Stadel-
bei-m. In verschiedenen Vororl-en der Stadt wurden
kleinere Abteilungen von Hitlerlenien entwaff-
net.
München, 11. Nov. Wie jetzt bekamst wird,
haben sich während des Putsches die Staats-Minister
Dr. Math Dr. Meine! und Dr. Kraus neck
««ach Regensburg begeben, um zunächst von hier
die Geschäfte der Regierung weiter zu führen. Sie
hatten alsbald die Verbindung mit dem Reichsprä-
sidenten aufgenommen.
München, 10. Nov Abends wurde ein«
Proklamation des Generalstaatskom-
missars öffentlich angeschlagen, die der Bevölke-
rung von der Einsetzung von Standgerichten
Kenntnis gab. Ferner hat der Generafftaatskommis-
sar angeordnet, daß für den Bereich der Stadt Mün-
chen ab 8 Uhr abends bis 5 Uhr morgens jeder Ver-
kehr auf öffentlichen Straßen und Plätzen in der
nächsten Zeit untersagt ist. Ferner werde»« all« Lust-
barkeiten und Theateraufführuugeu sowie Konzerte
bis auf weiteres verboten.
Die Todesopfer.
München, 11. Nov. Der Zusammenstoß bet
Nationalsozialisten mit der Landespolizet for-deri«
insgesamt zwölf Tote. Darunter befindet sich
der Beauftragte des Deutschen Kampfbundes Dr. v.
Schcubner-Richter, dop Rat am Obersten
Laudesgertcht Theodor v. d. P fo r d te n, ferner ein
Unterwachtmeister der Landespolizet. AnSchwer-
be r l e tz t e n wurde«« sechzehn festgestellt, darunter
der Führer der nationalfozialtsttfchen Sturmtrupp«»,
Hauptmann Goehring und ein Hauptmann der
Landespolizet. Bet einem Zusammenstoß beim
Kriegsministertuni Wurde auch der Leutnant Ca-
sella von der n-atioualfo;ialistischei« „Reichsftagge"
schwer verletzt.
Erneuter Wirrwar.
München, 10. Nov. Unter Führung deutsch-
völktscherStudenten werden Demonstration»-
»en für Hitler und gegen Kahr borgenom-
mon. Am Samstag nachmittag hatte der Hoch«
schulrtug deutscher Art -die Studenten
ohne Erlaubnis des Rektorats ii« den Li-Kchol
 
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