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Woch e v. W. - 27. Ott. Mk. 8V0 0VV VM.
Anzeigentarif: Die einsp. Petitzetl»
od der. Rauni (Minin br.) Mk.öO.—,
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Grundpreis mal der Schlüsselzahl d.
V.d.Z., z. Zt. 12000000 M. Bei Wie-
derholungen Nachlaß nach Tarif.
laser-Wmi M >ie mMWe «kMlermi der AMdeme Mel«,, Merloch, öwdew. lkmlme», KerM, MsrdO, LOni. »ekiew, öordm»!mderdWMew i. MeMe»
Hk S
WW^ MM MM Gesch«ftsstunden»-SUHr. Sprech.
T Die« ME" «W MKWl MUs« stu,,den der Redaktion: II—I2Nhr'
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lk WDR WM WW «WA Druck u. Verlag der Unterbadisqen
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U Tel.: ErveditionLS7:> u. Redak LS7S-
5. Jahrgang
Heidelberg, Mittwoch, den 24. Oktober 1923
Nr. 24L-
Reichsbedrohung und
deutsche Wirtschaft.
o Berlin, 23. Oktober.
Seit Aufrichtung des Deutschen Zollver-
eins in den dreißiger Jahren des vorigen Jahr-
, Hunderts war Deutschland ein großes Wirt-
schaftsgebiet, das seine wirtschaftlichen Fragen
einheitlich regelte. Vor Een Dingen fiele« die den
wirtschaftlichen Verkehr hindernden Zollschran-
ken weg. Währung, Maß, Münz- und Handels-
recht wurden, soweit es angängig war, möglichst
Vereinheitlicht. Diese Zusammenfassung der
einzelnen Wirtschafts komplere zu einem einheitlichen
Wirtschaftsgebiet war sicherlich ein starker! Antrieb
' sür die sich rasend schnell vollziehende Entwicklung
, der deutschen Wirtschaft, die nach dem Bau der
Eisenbahnen, der Erfindung der Dampfmaschine
- und der Verwendung der Kohle zur Stahlerzeugung
eben begann. Diese Entwicklung wurde kräftig ge-
- fördert durch die politische Einigung des
deutschen Volkes, die sich nach ungefähr 40 Jahren
vollzog. In dem festgefügten einheitlichen Wirt-
schaftsgebiet entwickelte sich ein großzügiges Ver-
kehrsnetz und eine leistungsfähige Industrte,
die eine der bedeutendsten Werkstätten der Welt
wurde.
' Die Industrialisierung Deutschlands
, vollzog sich in dem Einheitsstaat mit Riesenschritten,
die Landwirtschaft versechsfachte ihre Produk-
tion. Um die Jahrhundertwende war Deutschland
eine« der ersten Industriestaaten, der in der Kohlen-
und Eisenproduktton, im Handel und Geldverkehr
nitt den alten industriellen Domänen England und
Amerika konkurrierte. Der Weltkrieg unterbrach
diese Entwicklung jäh. Die Männer, die in der
, Republik die Wiederausbauarbeit begannen, fanden
nicht nur einen amputierten Staat, sondern auch
> eine amputierte und saft tote Wirtschaft vor.
Fünf Jahre haben sich die Besten der Nation be-
' müht, dem deutschen Volke seine politischeEin-
, beit zn erhalten und mit ihr die Einheit-
§ lichkeit des gebliebenen Wirtschaftsgebietes, das
. die Möglichkeit der wirtschaftlichen Wiedergeburt bot.
Nach den Vorgängen tu Bayern scheint diese Ar-
beit v o r l ä u f t g u m s o n st gewesen zu sein. Phi-
liströser und unwirtschaftlicher Geist bemüht sich an
der Isar, das Erbe des deutschen Manchestertums,
den grandiosen Gedanken des deutschen Zollvereins,
das deutsche Wirtschaftsgebiet in Stücke zu
schlagen und damit eine der wichtigsten Voraus-
setzungen für den notwendigen wirtschastl.chen Auf-
sclnvung Deutschlands; dum ein Volk, das in die
überwundene Kleinstaaterei zurttckversällt, ist nicht
fähig, seine wirtschaftliche Kraft zu kon-
zentrieren und großzügige Wirtschaft zu treiben.
Politische Kleinstaaterei bedeutet ohne weite-
res hausbackene, durch Stadtbann und Landssgrenze
beengte Wirtschaft.
Die englische Wirtschaftsgeschichte kann ge-
rade heute für die Deutschen von heute, die leicht-
fertig mit dem Feuer spielen, lehrreich sein. Eng-
land, das mit Naturschätzen bei weitem nicht so ge-
segnet ist wie Deutschland, konnte seine Wirtschaft
gut hundert Jahre früher entwickeln als wir, und
zwar aus dem Grunde, weil es wirtschaftlich nicht
mit den Widerständen zu rechnen hatte, die die nach
1800 aufkommende deutsche Industrie in der deut-
schen Kleinstaaterei vorfand. Unserer Ansicht nach
ist, wenn Bayern mit dem Reiche bricht, die Frage
ganz nebensächlich, ob das durch engstirnige Politik
amputierte Glied wirtschaftlich leben und seine Wirt-
schaft zufammenhalten kann. Das Entscheidende
und für die Zukunft Verhängnisvolle ist, daß sie
das Fundament der.deutschen Wirtschaft, das ein-
heitliche Wirtschaftsgebiet, leichtsinnig zerschlägt.
Diese Herostratentat wäre umso betrüblicher, als sie
zu ebner Zett geschieht, in der dem Hauptindu-
strtegebiet Deutschlands, der großen Werkstücke
im Westen, neue Gefahren drohen, die, wenn
Nicht eine aktive Politik recht bald vermittelnd ein-
greift, zur Tragödie zu werden droht.
Die Bürgerlichen und die
Rebellion Bayerns.
Berlin, 23. Ott.
Nicht Abneigung gegen das Reich vermehrt das
Heer der Mitläufer im separatistischen Lager, fon-
ber,r der Drang nach Ruhe und geordneten Ver-
hältnissen, die man glaubt im Rahmen der Rhetni-
-cheu Republik erhalten zu können. Sv ist der Po-
cktik des bayerischen Geueralstaalsfommissars, die
w Wirklichkeit nur eine zielbewusste Ver-
hetzungstheorie war ein gewisser Er-
^lg beschiedeuj, der jedoch nicht ihm, sondern Herrn
-k o i n care zuteil wird.
Leider ziehen die bürgerlichen Minister
«es Retchskahrnetts aus dieser Entwicklung immer
voch nicht die notwendigen! Konsequenzen. Sie ver-
nichten selbst jetzt noch, nachdem sie eine kaum
Maubliche Demut bewiesen haben, auf Daten, ver-
'chlimmeru dadurch den gegenwärtigen Zustand der
Voffnungstosigkeit und verstärken die Möglich-
st des Reichszerfalls. Sie find zwar für
me Klarheit nach außen aber es fehlt ihnen jeder
.auch die Klarheit nach innen zu schasse», ohne
ein» Klärung unserer außenpolitischen Lage un-
«täglich ist. Erft Mitte der Woche soll die bayeri-
sche Rebellion zur ErSterung stehen. Die Reichs-
regierung aber selbst kapituliert vor Bayern,
denn sie überläßt die Entscheidung dem Reichs-
rat und verscherzt sich, damit auch noch den letzten
Rest von Autorität i m. Volk e. Bis Mittwoch
oder Donnerstag wird also die Börse den Zwitter-
zustand von heute als Spekulationsgrundlage be-
nutzen könueth sie wird die Mark berechnen und kapi-
tulieren in Anbetracht der Tatsache, daß wir heute
in Deutschland eine legale und illegale Regierung
haben, von denen sich die legale vor
der illegalen beugt. In Anbetracht dieses Durch-
einanders wundern wir uns nicht, wenn der Dol-
lar einen neuen Rutsch nach «oben macht und
die -Katastrophe in der wir bereits stehen, den Höchst-
stand erreicht. In die Praxis iw ersetzt h eißt daN:
je länger der bayrrschech Konflikt, der gleichzeitig
Erschwerung unserer außenpolitischen Lage bedeu-
tet, dauert, desto größer werden die Polonaisen vor
den Bäckereien und Lcvensmittelgeschästen, ohne daß
der Händler den Konsumenten selbst sür das we-
nige Geld, das sie noch besitzen, Mittel des tägliche«
Bedarfs veräußern kann. Hungerkrawalle
werden dann unausbleiblich fein, es beginnt der
Auszug auf das Land, trotz Reichswehr — und
dann haben wir den Zustand, gegen- dem frühzeitig
anzukämpfen wir die Regierung seit Wochen, ge-
mahnt haben.
Schon heute ist es notwendig, die Veranit
wörtlichen für die Verzögerung der Lösung des
bayerischen Konflikts festzustellen. Es find nicht die
sozialistischen Minister! Der Gedanke der Staats-
autorität steht ihnen zu hoch, als daß sie so mit sich
spielen lassen, wie es die bürgerliche Mehrheit des
Kabinetts getan hat und jetzt noch tut. Deshalb
fällt die Schuld für kommende Schwierigkeiten, de-
ren Vermeidung wir immer noch wünschen, im erster
Linie dem Reichskanzler und den Mini-
stern Dr. Brauns und Dr. Luther zu. Ins-
besondere der Reichsarbeitsmtnister scheint ein gro-
ßes Bedürfnis sür Demütigungen zu Haven. Er
hat keinen Sin« dafür, daß es mehr als kriecherhaft
wirkt, wenn ein Retchsminister trotz wochenlanger,
ergebnisloser Verhandlungen nach Bayern fährt u.
kniefällig um Vernunft fleht, nachdem sein Kollege
Geßler 24 Stunden vorher sich in Augsburg durch
seinen Untergebenen v. Lossow eine schallende
Ohrfeige geholt Hatte. Was kümmerte ihn das?
Er fährt dennoch, holt sich bei Knillimig eine Ab-
sage, läuft dann noch zum Nuntius Paccelli, klopft
später bet dem reaktionären! Erzbischof Faulha-
ber an, die er ebenfalls ohne Erfolg um Vermitt-
lung bittet und fährt dann nach Berlin zurück, ohne
kuriert zu sein. Im Reichskabtnstt setzt er seine
Bestrebungen nach wetteren Demütigungen fort u.
fand dazu die notwendige Unterstützung.
Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, daß die So-
zialdemokratie diese sonderbare Dattik der bürger-
lichen Mehrheit im Reichskabinett, die Mit den In-
teressen des Reiches unvereinbar ist, länger still-
schweigend dulden kann. So ost wir die Autorität
des Reiches in den letzten Wochen gefährdet sahen,
waren wir für eine Exekutive des Reiches in dem
notwendigen Matze. Leider aber wurde auf der
eckten Seite der Bosen überspannt, während man
gerade dort da notwendige Matz an Tatkraft ver-
mied, wo Energie unbedingt am Platze gewesen
wäre. Diesem Zustand der Ungerechtigkeit muß
schnellstens ein Ende gemacht werden.
Die bayerische Truppenvereidigung.
Keine Berliner Weisungen mehr.
Nürnberg, 22. Ott. Die Vereidigung
der hiesigen Reichswehrtruppen auf die bayerische
Regierung bezw. den Landeskommandwnten Gene-
ral v. Lossow hat heute auf Anordnung des Gene-
ralstaatskommissars früh um 7 Uhr stattgefunden.
Die Verpflichtung der hiesigen Truppen hat sich in
der für die militärische Eidesleistung üblichen For-
mel abgespielt. In der Ansprache erklärte der Oberst,
daß die bayerische Reichswehr jetzt nur noch dem Be-
fehl der bayerischen Regierung und nicht mehr ir-
gendwelchen Berliner Weisungen zu folgen habe.
v. Lossow hetzt die Reichswehr auf.
Berlin, 23. Ott. Der meuternde General
v. Lossow hat von der Funkstelle in Nürnberg
folgenden Funkspruch an die Reichswehr in Ber-
ltn,Spandau, Stettin, Hannover, Bres-
lau, Dresden, Frankfurt a. O. gerichtet:
„Der Chef der Heeresleitung hat einen Auf-
ruf an das Reichsheer erlaßen, der den Schritt
der. bayerischen Regierung als gegen die Ver-
fassung gerichtet erklärt. Die bayerische Regierung
denkt nicht daran, dem Reich die Treue zu brechen.
Niemand übertrifft uns Bayern am Reichstreue.
Was wir wollen, ist, daß der bayerischen Regie-
rung und dem bayerischen -Generalstaatskommissar
von der unter marxistischem Einfluß stehenden
Berliner Regierung nichts aufgezwungen werden
soll, was Bayern, den Hort deutscher und natio-
naler Gesinnung, unschädlich machen soll.
Wir haben die selbstverständliche Pflicht, uns
in diesen» Konflikt hinter die bayerische Negierung
und den bayerischen GenevalstaalSkommissar zu
stellen, die mit uns das bedrängte Deutschtum
schütze« wollens
Die Verpflichtung wird durchgeführt.
gez. v. .Lossow, Laudeskommandant."
Di« Funkstellen der Reichswehr in Breslau,
Stettin und Königsberg haben den Funkspruch b e -
stätigt. Stettin hat nach Nürnberg zurückge-
fragt, ob es den Funkspruch nach Königsberg
übermitteln soll. Was gedenkt der Reichswehrmt-
nister gegen diese Solidaritätserklärung
feiner Untergebenen mit einem meuternden
General, als etwas anderes können wir die Be-
stätigung des Funkspruches nicht betrachten, zu tun?
Frankfurt a. M., 23. Ott. Die „Frankfurter
Zoitg." schreibt: Es ist herrlich weit gekommen in
Deutschland. Der von der Leitung der Reichswehr
abgesetzte General von Lossow verpflichtet
unter Bruch seines auf die Reichsverfassung geleiste-
ten Treueides die bayerischen Teile der Reichswehr
der bayerischen Regierung und löst sie dadurch aus
dem Befehlsbereich des Reiches. Derselbe General
richtet jetzt einen Rundfunk an die übrige Reichs-
wehr, in dem er deutlich versucht, diese gegen die
„unter marxistischem Einfluß stehende Berliner
Regierung" zu verhetzen. Wo gab es doch kürzlich
ähnliches? General Tschang Tso - lin, der
ehemalige Räuberhauptmann und Provinzialbe-
fchlshaber von Mulden, verfuhr ebenso mit der Pe-
kinger Regierung. Damals lächelten wir und spra-
chen von dem chinesischer» Räuverlano
Aber heute, da diese Dinge in Deutschland, in dem
Deutschland der Disziplin und der Treue, vorkorn-
men, mutz jedem Deutschen die Schamröte ins Ge-
sicht steigen.
Eine Erklärung der Reichsregierung
Berlin, 22. Ott. Nach einer Kundgebung des
Generalstaatskommissars v. Kahr vom 21. Oktober
stützt sich die Anordnung des bayerischen Gesamt-
ministeriums vom 20. Oktober, durch die die Dienst-
enthebung des Generals v. Lossow sür Bayern außer
Wirksamkeit gesetzt wurde, auf Artikel 48 Abs. 4
der Reichsverfassung. Die Anordnung stelle
daher keinen Bruch der Reichsverfassung dar.
Demgegenüber erklärt die Retchsregie-
rung, daß diese Darlegung rechtlich unhaltbar
ist. Der Reichspräsident hatte die Dienstenthebung
Lossows rechtsverbindlich verfügt. Gegenüber dieser
Maßnahme der obersten Reichsstelle kam» eine lan-
desrechtliche Verfügung nicht in Betracht kommen,
die lediglich daraus abzielt, eben diese Verfügung
des Reichspräsidenten unwirksam zu machen. Eine
einstweilige Anordnung einer Landesregierung auf
Grund des Artikels 48 darf sich zu dem erklärten
Willen des Reichspräsidenten, der in erster Linie be-
rufen ist, Maßnahmen auf Grund des Artikels 48 zu
treffen, nicht in Widerspruch
Ein Rechtsgutachten.
München, 22. Ott. In einem Rechtsgut -
achten an den bayerischen Ministerpräsidenten legt
der Staatsrechiler der Universität München, Prof-
Rothenbttcher folgende Auffassung dar:
Auf Grund gewissenhafter Prüfung bin ich zu der
Rcchtsüberzeugung gelangt, daß die von den
einzelnen verantwortlichen Ministern nicht unter-
zeichnete nnd nicht gemäß 8 75 V. U ordnungsge-
inätzig verkündete Bekanntmachung des bayerischen
Gesamtministeriums vom 20. Oktober 1923, die den
bayerischen Teil der Reichswehr dem Oberbefehl des
Reichspräsidenten zu entziehen und aus dem Ver-
bände der Reichswehr zu lösen beabsichtigt, un-
gültig und rechtswidrig ist.
Die Frucht der Unterlassungssünden.
Berlin, 22. Ott. In der „Voss. Ztg." schreibt
Georg Bernhard: Was jetzt das Reich in Bayern
erntet, ist die Frucht früherer Unterlas-
sungssünden. Scho« als das erstemal der
bayerische Gesandte in» Reichstag dem Reichskanz-
ler Wirch gewissermaßen androhte, Bayern könnte
evtl, aus dem Reichsverein austteten, hätte der da-
malige Reichskanzler bajuvarischer reagie-
re« sollen, als er es getan hat. Aber leider hat
man von Jahr zu Fahr durch das wachsende Ent-
gegenkommen gegenüber bestimmten bayerischen
Kreisen geradezu die Auffassung gezüchtet, daß der
Bayer ein Sonderwesen innerhalb des Reiches
darstelle. So ist es Bayern in erster Linie gewesen,
das den Rahmest des Einheitsstaates beim Wei-
marer Versassungswmk gesprengt hat. Und dann ist
beinahe von Monat zu Monat der Weg nicht nur
zu separatistischen Zielen, sondern geradezu zur
Monarchie den Bayern geebnet worden. Iinnrer
Wieder hat man Rücksicht auf angeblich „bayerisches
Empfinden" genommen. Dabei hätte man bei eini-
ger Klarheit des Blickes doch erkennen müssen, daß
es sich hier gar nicht so sehr um bayerische Eigen-
tümlichkeiten handelt (die gewiß genau so wie die
Eigentümlichkeiten anderer deutscher Stämme inner-
halb der deutschen Reichsverfassung geschont werden
sollen und können), sondern vielmehr um bewußte
Quertreibereien von allen möglichen ganz
unbayerischen Elementen, die sich allmäh^
lich nach München zurückgezogen haben. Jin Kaiser-
reich war München demokratisch und das Asyl
all derjeittgsn im Norden als revolutionär verschrie-
enen Elemente, die der Unduldsamkeit norddeutsche»
Polizeiorgane Weichen »nutzten.
Wen« es überhaupt möglich war, daß es zu deri
artige»» Zuständen kommen konnte, so trägt daran ft
erster Linie die systematische Aufhetzung
Schuld, die von einen» Teil der bayerischen Presst,
im bayerischen Volk betrieben worden ist. Dies»
Presse ist bezahlt von demselben Hugcnberg-Konzerl
und von jenen» Teil der schwerinduskriellcn Unter»
nehmungerr, der auch in anderen Gebieten des Rei-
ches gang systematisch das Ansehen der Reichsre
gierung untergraben hat. Das viele Geld, das fist
die Presse ausgegeben ist, hat sich reichlich verzinst«
die Giftsaat geht herrlich auf.
Die Reichsregierung immer noch
untätig.
Berlin, 23. Okt. Das Reichskaüinctt ist ft
der bayrischen Frage zu neue»» Beschlüssen nichtgc-
kommen. Die Reichsregierung wird auch alle»
Voraussicht nach die Erörterung der AngelcgcnlM
im Reichsrat abwarten, ehe sie sich zu einer neue?
Stellungnahme entschließt.
Internationale Lage.
Die separatistische Aktion.
Paris, 23. Ott. Alis Koblenz wird folgende?
Situationsbericht gegeben: Die Separatisten haben
ohne Zwischenfall die öffentlichen Gebäude in R tt s>
selsheim, in Berncastel, in Saarburg,
im Bezirk von Trier und in Mayen besetzt. Dis
Sepairatisten-beivegung bat sich ausgedehnt aus EmÄ
und Prüm bet Trier, aus Linz am Rhein und
München-Gladbach. Proklamationen seiest
angeschlagen in Krefeld, Erkelenz und
Montjote. In allen diesen Orten habe die Po^
lizei keinen Widerstand geleistet. Auch das Lahn»
tal östlich Koblenz sei in den Händen der Separati-
sten.
Wiesbaden, 23. Okt. Die Aktion der Sepa-
ratisten beschränkt sich darauf, daß sie das Rathaus
und das Rcgiernugsgebäude besetzt halten.
Erkelenz, 22. Okt. Heute inorgen wurde auf
den» hiesigen Lamdratsmnt sowie auf dem Bürger-
meisteramt die Fahne der sogenannten Rheinischen
Republik durch eine etwa 15 bis 20 Mann starke be-
waffnete sonderbündlerische Grupps
gehißt. Beide Verwaltungen stehen unter sonder-
biindledischer Bewachung. In Neuß ist alles ruhig,
ebenso in Engelskirchen.
Darmstadt, 23. -Okt. Im Kreise Groß-Gerau
hat sich die Lage gebessert. Die vorübergehend von
den Separatisten besetzten öffentlichen Gebäude in
Groß-Gerau und Arheilgen sind wieder von den
Putschisten befreit.
Mainz, 23. Okt. Der Putschversuch in
Mainz hat damit geendet, daß die Empörung der
Einwohnerschaft die Franzosen veranlaßte, die Se -
paratisten zu entwaffne,» und aus der
Stadt zu entfernen. Die Franzosen erklärten
sich, als sie sahen, daß die Bevölkerung in ihrer
Mehrzahl nicht hinter den Usurpatoren steht, be-
reit, die Entwaffnung ihrerseits durchzuführen,
was sie dann im Laufe des Nachmittags getan
Haber». Allerdings verlangten sie zunächst, daß
»euch die deutsche Polizei entwaffnet werde;
inzwischen kam aber die Direktive aus Koblenz,
daß die deutsche Polizei nicht entwaffnet zu werden
brauche. Der französische General soll erklärt haben,
daß die Bewegung in Mainz für ihn erledigt
sei, da er sich davon überzeugt habe, daß die Bevölke-
rung nichts davon wissen wolle. Die Separatisten
worden schon in» Laufe des heutige»» Abends von
dei» Franzosen abgeschoben.
München-Gladbach, 23. Okt. Hier wurde
heute die einlagige Herrschaft der Sonderbündler
von der Volksmenge wieder gestürzt. Die Menge
stürmte das Rathaus, holte unter allgemeiner Be-
geisterung die rot-weiß-grüne Fahne hernnter und
hißte die Stadtflagge.
Ablehnende Auslandsstimmen.
London, 23. Ott. Die englische Meinung, wen-
det sich, soweit sie überhaupt in dieser Frage vor-
handen ist, gegen die separatistische Be-
wegung im Rheinland, wobei mftbest'nnmend ist,
daß die Berichte auch von Blättern wie „Daily Te-
legraph" aufs deutlichste den belgisch-fran-
zösischen Anteil an den Vorgängen erkcnnc«
lassen.
Newyork, 22. Ott. Anläßlich einer Gcdcnk-
eier der Landung der ersten deutschen Einwanderer
in Amerika verurteilte»» achttausend Deut-
sche aller Stämme einhellig aufs schärfste jede se-
paratistische Bewegung.
Ergebnislose Verhandlungen.
Berlin, 23. .Okt. Die Verhandlungen dei
Herren Stinnes, Klöckner und Voegler mit
der französisch-belgischen I n g e»»i e u r - K o m m t si
ion sind nach einer Meldung -er „Voss. Zig."
ergebnislos verlausen.
Man rechnet jetzt damit, d»L die gesinnte rheinisch
westfälische Industrie denEhst -ihre Werke
tillegen wird.
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WW^ MM MM Gesch«ftsstunden»-SUHr. Sprech.
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5. Jahrgang
Heidelberg, Mittwoch, den 24. Oktober 1923
Nr. 24L-
Reichsbedrohung und
deutsche Wirtschaft.
o Berlin, 23. Oktober.
Seit Aufrichtung des Deutschen Zollver-
eins in den dreißiger Jahren des vorigen Jahr-
, Hunderts war Deutschland ein großes Wirt-
schaftsgebiet, das seine wirtschaftlichen Fragen
einheitlich regelte. Vor Een Dingen fiele« die den
wirtschaftlichen Verkehr hindernden Zollschran-
ken weg. Währung, Maß, Münz- und Handels-
recht wurden, soweit es angängig war, möglichst
Vereinheitlicht. Diese Zusammenfassung der
einzelnen Wirtschafts komplere zu einem einheitlichen
Wirtschaftsgebiet war sicherlich ein starker! Antrieb
' sür die sich rasend schnell vollziehende Entwicklung
, der deutschen Wirtschaft, die nach dem Bau der
Eisenbahnen, der Erfindung der Dampfmaschine
- und der Verwendung der Kohle zur Stahlerzeugung
eben begann. Diese Entwicklung wurde kräftig ge-
- fördert durch die politische Einigung des
deutschen Volkes, die sich nach ungefähr 40 Jahren
vollzog. In dem festgefügten einheitlichen Wirt-
schaftsgebiet entwickelte sich ein großzügiges Ver-
kehrsnetz und eine leistungsfähige Industrte,
die eine der bedeutendsten Werkstätten der Welt
wurde.
' Die Industrialisierung Deutschlands
, vollzog sich in dem Einheitsstaat mit Riesenschritten,
die Landwirtschaft versechsfachte ihre Produk-
tion. Um die Jahrhundertwende war Deutschland
eine« der ersten Industriestaaten, der in der Kohlen-
und Eisenproduktton, im Handel und Geldverkehr
nitt den alten industriellen Domänen England und
Amerika konkurrierte. Der Weltkrieg unterbrach
diese Entwicklung jäh. Die Männer, die in der
, Republik die Wiederausbauarbeit begannen, fanden
nicht nur einen amputierten Staat, sondern auch
> eine amputierte und saft tote Wirtschaft vor.
Fünf Jahre haben sich die Besten der Nation be-
' müht, dem deutschen Volke seine politischeEin-
, beit zn erhalten und mit ihr die Einheit-
§ lichkeit des gebliebenen Wirtschaftsgebietes, das
. die Möglichkeit der wirtschaftlichen Wiedergeburt bot.
Nach den Vorgängen tu Bayern scheint diese Ar-
beit v o r l ä u f t g u m s o n st gewesen zu sein. Phi-
liströser und unwirtschaftlicher Geist bemüht sich an
der Isar, das Erbe des deutschen Manchestertums,
den grandiosen Gedanken des deutschen Zollvereins,
das deutsche Wirtschaftsgebiet in Stücke zu
schlagen und damit eine der wichtigsten Voraus-
setzungen für den notwendigen wirtschastl.chen Auf-
sclnvung Deutschlands; dum ein Volk, das in die
überwundene Kleinstaaterei zurttckversällt, ist nicht
fähig, seine wirtschaftliche Kraft zu kon-
zentrieren und großzügige Wirtschaft zu treiben.
Politische Kleinstaaterei bedeutet ohne weite-
res hausbackene, durch Stadtbann und Landssgrenze
beengte Wirtschaft.
Die englische Wirtschaftsgeschichte kann ge-
rade heute für die Deutschen von heute, die leicht-
fertig mit dem Feuer spielen, lehrreich sein. Eng-
land, das mit Naturschätzen bei weitem nicht so ge-
segnet ist wie Deutschland, konnte seine Wirtschaft
gut hundert Jahre früher entwickeln als wir, und
zwar aus dem Grunde, weil es wirtschaftlich nicht
mit den Widerständen zu rechnen hatte, die die nach
1800 aufkommende deutsche Industrie in der deut-
schen Kleinstaaterei vorfand. Unserer Ansicht nach
ist, wenn Bayern mit dem Reiche bricht, die Frage
ganz nebensächlich, ob das durch engstirnige Politik
amputierte Glied wirtschaftlich leben und seine Wirt-
schaft zufammenhalten kann. Das Entscheidende
und für die Zukunft Verhängnisvolle ist, daß sie
das Fundament der.deutschen Wirtschaft, das ein-
heitliche Wirtschaftsgebiet, leichtsinnig zerschlägt.
Diese Herostratentat wäre umso betrüblicher, als sie
zu ebner Zett geschieht, in der dem Hauptindu-
strtegebiet Deutschlands, der großen Werkstücke
im Westen, neue Gefahren drohen, die, wenn
Nicht eine aktive Politik recht bald vermittelnd ein-
greift, zur Tragödie zu werden droht.
Die Bürgerlichen und die
Rebellion Bayerns.
Berlin, 23. Ott.
Nicht Abneigung gegen das Reich vermehrt das
Heer der Mitläufer im separatistischen Lager, fon-
ber,r der Drang nach Ruhe und geordneten Ver-
hältnissen, die man glaubt im Rahmen der Rhetni-
-cheu Republik erhalten zu können. Sv ist der Po-
cktik des bayerischen Geueralstaalsfommissars, die
w Wirklichkeit nur eine zielbewusste Ver-
hetzungstheorie war ein gewisser Er-
^lg beschiedeuj, der jedoch nicht ihm, sondern Herrn
-k o i n care zuteil wird.
Leider ziehen die bürgerlichen Minister
«es Retchskahrnetts aus dieser Entwicklung immer
voch nicht die notwendigen! Konsequenzen. Sie ver-
nichten selbst jetzt noch, nachdem sie eine kaum
Maubliche Demut bewiesen haben, auf Daten, ver-
'chlimmeru dadurch den gegenwärtigen Zustand der
Voffnungstosigkeit und verstärken die Möglich-
st des Reichszerfalls. Sie find zwar für
me Klarheit nach außen aber es fehlt ihnen jeder
.auch die Klarheit nach innen zu schasse», ohne
ein» Klärung unserer außenpolitischen Lage un-
«täglich ist. Erft Mitte der Woche soll die bayeri-
sche Rebellion zur ErSterung stehen. Die Reichs-
regierung aber selbst kapituliert vor Bayern,
denn sie überläßt die Entscheidung dem Reichs-
rat und verscherzt sich, damit auch noch den letzten
Rest von Autorität i m. Volk e. Bis Mittwoch
oder Donnerstag wird also die Börse den Zwitter-
zustand von heute als Spekulationsgrundlage be-
nutzen könueth sie wird die Mark berechnen und kapi-
tulieren in Anbetracht der Tatsache, daß wir heute
in Deutschland eine legale und illegale Regierung
haben, von denen sich die legale vor
der illegalen beugt. In Anbetracht dieses Durch-
einanders wundern wir uns nicht, wenn der Dol-
lar einen neuen Rutsch nach «oben macht und
die -Katastrophe in der wir bereits stehen, den Höchst-
stand erreicht. In die Praxis iw ersetzt h eißt daN:
je länger der bayrrschech Konflikt, der gleichzeitig
Erschwerung unserer außenpolitischen Lage bedeu-
tet, dauert, desto größer werden die Polonaisen vor
den Bäckereien und Lcvensmittelgeschästen, ohne daß
der Händler den Konsumenten selbst sür das we-
nige Geld, das sie noch besitzen, Mittel des tägliche«
Bedarfs veräußern kann. Hungerkrawalle
werden dann unausbleiblich fein, es beginnt der
Auszug auf das Land, trotz Reichswehr — und
dann haben wir den Zustand, gegen- dem frühzeitig
anzukämpfen wir die Regierung seit Wochen, ge-
mahnt haben.
Schon heute ist es notwendig, die Veranit
wörtlichen für die Verzögerung der Lösung des
bayerischen Konflikts festzustellen. Es find nicht die
sozialistischen Minister! Der Gedanke der Staats-
autorität steht ihnen zu hoch, als daß sie so mit sich
spielen lassen, wie es die bürgerliche Mehrheit des
Kabinetts getan hat und jetzt noch tut. Deshalb
fällt die Schuld für kommende Schwierigkeiten, de-
ren Vermeidung wir immer noch wünschen, im erster
Linie dem Reichskanzler und den Mini-
stern Dr. Brauns und Dr. Luther zu. Ins-
besondere der Reichsarbeitsmtnister scheint ein gro-
ßes Bedürfnis sür Demütigungen zu Haven. Er
hat keinen Sin« dafür, daß es mehr als kriecherhaft
wirkt, wenn ein Retchsminister trotz wochenlanger,
ergebnisloser Verhandlungen nach Bayern fährt u.
kniefällig um Vernunft fleht, nachdem sein Kollege
Geßler 24 Stunden vorher sich in Augsburg durch
seinen Untergebenen v. Lossow eine schallende
Ohrfeige geholt Hatte. Was kümmerte ihn das?
Er fährt dennoch, holt sich bei Knillimig eine Ab-
sage, läuft dann noch zum Nuntius Paccelli, klopft
später bet dem reaktionären! Erzbischof Faulha-
ber an, die er ebenfalls ohne Erfolg um Vermitt-
lung bittet und fährt dann nach Berlin zurück, ohne
kuriert zu sein. Im Reichskabtnstt setzt er seine
Bestrebungen nach wetteren Demütigungen fort u.
fand dazu die notwendige Unterstützung.
Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, daß die So-
zialdemokratie diese sonderbare Dattik der bürger-
lichen Mehrheit im Reichskabinett, die Mit den In-
teressen des Reiches unvereinbar ist, länger still-
schweigend dulden kann. So ost wir die Autorität
des Reiches in den letzten Wochen gefährdet sahen,
waren wir für eine Exekutive des Reiches in dem
notwendigen Matze. Leider aber wurde auf der
eckten Seite der Bosen überspannt, während man
gerade dort da notwendige Matz an Tatkraft ver-
mied, wo Energie unbedingt am Platze gewesen
wäre. Diesem Zustand der Ungerechtigkeit muß
schnellstens ein Ende gemacht werden.
Die bayerische Truppenvereidigung.
Keine Berliner Weisungen mehr.
Nürnberg, 22. Ott. Die Vereidigung
der hiesigen Reichswehrtruppen auf die bayerische
Regierung bezw. den Landeskommandwnten Gene-
ral v. Lossow hat heute auf Anordnung des Gene-
ralstaatskommissars früh um 7 Uhr stattgefunden.
Die Verpflichtung der hiesigen Truppen hat sich in
der für die militärische Eidesleistung üblichen For-
mel abgespielt. In der Ansprache erklärte der Oberst,
daß die bayerische Reichswehr jetzt nur noch dem Be-
fehl der bayerischen Regierung und nicht mehr ir-
gendwelchen Berliner Weisungen zu folgen habe.
v. Lossow hetzt die Reichswehr auf.
Berlin, 23. Ott. Der meuternde General
v. Lossow hat von der Funkstelle in Nürnberg
folgenden Funkspruch an die Reichswehr in Ber-
ltn,Spandau, Stettin, Hannover, Bres-
lau, Dresden, Frankfurt a. O. gerichtet:
„Der Chef der Heeresleitung hat einen Auf-
ruf an das Reichsheer erlaßen, der den Schritt
der. bayerischen Regierung als gegen die Ver-
fassung gerichtet erklärt. Die bayerische Regierung
denkt nicht daran, dem Reich die Treue zu brechen.
Niemand übertrifft uns Bayern am Reichstreue.
Was wir wollen, ist, daß der bayerischen Regie-
rung und dem bayerischen -Generalstaatskommissar
von der unter marxistischem Einfluß stehenden
Berliner Regierung nichts aufgezwungen werden
soll, was Bayern, den Hort deutscher und natio-
naler Gesinnung, unschädlich machen soll.
Wir haben die selbstverständliche Pflicht, uns
in diesen» Konflikt hinter die bayerische Negierung
und den bayerischen GenevalstaalSkommissar zu
stellen, die mit uns das bedrängte Deutschtum
schütze« wollens
Die Verpflichtung wird durchgeführt.
gez. v. .Lossow, Laudeskommandant."
Di« Funkstellen der Reichswehr in Breslau,
Stettin und Königsberg haben den Funkspruch b e -
stätigt. Stettin hat nach Nürnberg zurückge-
fragt, ob es den Funkspruch nach Königsberg
übermitteln soll. Was gedenkt der Reichswehrmt-
nister gegen diese Solidaritätserklärung
feiner Untergebenen mit einem meuternden
General, als etwas anderes können wir die Be-
stätigung des Funkspruches nicht betrachten, zu tun?
Frankfurt a. M., 23. Ott. Die „Frankfurter
Zoitg." schreibt: Es ist herrlich weit gekommen in
Deutschland. Der von der Leitung der Reichswehr
abgesetzte General von Lossow verpflichtet
unter Bruch seines auf die Reichsverfassung geleiste-
ten Treueides die bayerischen Teile der Reichswehr
der bayerischen Regierung und löst sie dadurch aus
dem Befehlsbereich des Reiches. Derselbe General
richtet jetzt einen Rundfunk an die übrige Reichs-
wehr, in dem er deutlich versucht, diese gegen die
„unter marxistischem Einfluß stehende Berliner
Regierung" zu verhetzen. Wo gab es doch kürzlich
ähnliches? General Tschang Tso - lin, der
ehemalige Räuberhauptmann und Provinzialbe-
fchlshaber von Mulden, verfuhr ebenso mit der Pe-
kinger Regierung. Damals lächelten wir und spra-
chen von dem chinesischer» Räuverlano
Aber heute, da diese Dinge in Deutschland, in dem
Deutschland der Disziplin und der Treue, vorkorn-
men, mutz jedem Deutschen die Schamröte ins Ge-
sicht steigen.
Eine Erklärung der Reichsregierung
Berlin, 22. Ott. Nach einer Kundgebung des
Generalstaatskommissars v. Kahr vom 21. Oktober
stützt sich die Anordnung des bayerischen Gesamt-
ministeriums vom 20. Oktober, durch die die Dienst-
enthebung des Generals v. Lossow sür Bayern außer
Wirksamkeit gesetzt wurde, auf Artikel 48 Abs. 4
der Reichsverfassung. Die Anordnung stelle
daher keinen Bruch der Reichsverfassung dar.
Demgegenüber erklärt die Retchsregie-
rung, daß diese Darlegung rechtlich unhaltbar
ist. Der Reichspräsident hatte die Dienstenthebung
Lossows rechtsverbindlich verfügt. Gegenüber dieser
Maßnahme der obersten Reichsstelle kam» eine lan-
desrechtliche Verfügung nicht in Betracht kommen,
die lediglich daraus abzielt, eben diese Verfügung
des Reichspräsidenten unwirksam zu machen. Eine
einstweilige Anordnung einer Landesregierung auf
Grund des Artikels 48 darf sich zu dem erklärten
Willen des Reichspräsidenten, der in erster Linie be-
rufen ist, Maßnahmen auf Grund des Artikels 48 zu
treffen, nicht in Widerspruch
Ein Rechtsgutachten.
München, 22. Ott. In einem Rechtsgut -
achten an den bayerischen Ministerpräsidenten legt
der Staatsrechiler der Universität München, Prof-
Rothenbttcher folgende Auffassung dar:
Auf Grund gewissenhafter Prüfung bin ich zu der
Rcchtsüberzeugung gelangt, daß die von den
einzelnen verantwortlichen Ministern nicht unter-
zeichnete nnd nicht gemäß 8 75 V. U ordnungsge-
inätzig verkündete Bekanntmachung des bayerischen
Gesamtministeriums vom 20. Oktober 1923, die den
bayerischen Teil der Reichswehr dem Oberbefehl des
Reichspräsidenten zu entziehen und aus dem Ver-
bände der Reichswehr zu lösen beabsichtigt, un-
gültig und rechtswidrig ist.
Die Frucht der Unterlassungssünden.
Berlin, 22. Ott. In der „Voss. Ztg." schreibt
Georg Bernhard: Was jetzt das Reich in Bayern
erntet, ist die Frucht früherer Unterlas-
sungssünden. Scho« als das erstemal der
bayerische Gesandte in» Reichstag dem Reichskanz-
ler Wirch gewissermaßen androhte, Bayern könnte
evtl, aus dem Reichsverein austteten, hätte der da-
malige Reichskanzler bajuvarischer reagie-
re« sollen, als er es getan hat. Aber leider hat
man von Jahr zu Fahr durch das wachsende Ent-
gegenkommen gegenüber bestimmten bayerischen
Kreisen geradezu die Auffassung gezüchtet, daß der
Bayer ein Sonderwesen innerhalb des Reiches
darstelle. So ist es Bayern in erster Linie gewesen,
das den Rahmest des Einheitsstaates beim Wei-
marer Versassungswmk gesprengt hat. Und dann ist
beinahe von Monat zu Monat der Weg nicht nur
zu separatistischen Zielen, sondern geradezu zur
Monarchie den Bayern geebnet worden. Iinnrer
Wieder hat man Rücksicht auf angeblich „bayerisches
Empfinden" genommen. Dabei hätte man bei eini-
ger Klarheit des Blickes doch erkennen müssen, daß
es sich hier gar nicht so sehr um bayerische Eigen-
tümlichkeiten handelt (die gewiß genau so wie die
Eigentümlichkeiten anderer deutscher Stämme inner-
halb der deutschen Reichsverfassung geschont werden
sollen und können), sondern vielmehr um bewußte
Quertreibereien von allen möglichen ganz
unbayerischen Elementen, die sich allmäh^
lich nach München zurückgezogen haben. Jin Kaiser-
reich war München demokratisch und das Asyl
all derjeittgsn im Norden als revolutionär verschrie-
enen Elemente, die der Unduldsamkeit norddeutsche»
Polizeiorgane Weichen »nutzten.
Wen« es überhaupt möglich war, daß es zu deri
artige»» Zuständen kommen konnte, so trägt daran ft
erster Linie die systematische Aufhetzung
Schuld, die von einen» Teil der bayerischen Presst,
im bayerischen Volk betrieben worden ist. Dies»
Presse ist bezahlt von demselben Hugcnberg-Konzerl
und von jenen» Teil der schwerinduskriellcn Unter»
nehmungerr, der auch in anderen Gebieten des Rei-
ches gang systematisch das Ansehen der Reichsre
gierung untergraben hat. Das viele Geld, das fist
die Presse ausgegeben ist, hat sich reichlich verzinst«
die Giftsaat geht herrlich auf.
Die Reichsregierung immer noch
untätig.
Berlin, 23. Okt. Das Reichskaüinctt ist ft
der bayrischen Frage zu neue»» Beschlüssen nichtgc-
kommen. Die Reichsregierung wird auch alle»
Voraussicht nach die Erörterung der AngelcgcnlM
im Reichsrat abwarten, ehe sie sich zu einer neue?
Stellungnahme entschließt.
Internationale Lage.
Die separatistische Aktion.
Paris, 23. Ott. Alis Koblenz wird folgende?
Situationsbericht gegeben: Die Separatisten haben
ohne Zwischenfall die öffentlichen Gebäude in R tt s>
selsheim, in Berncastel, in Saarburg,
im Bezirk von Trier und in Mayen besetzt. Dis
Sepairatisten-beivegung bat sich ausgedehnt aus EmÄ
und Prüm bet Trier, aus Linz am Rhein und
München-Gladbach. Proklamationen seiest
angeschlagen in Krefeld, Erkelenz und
Montjote. In allen diesen Orten habe die Po^
lizei keinen Widerstand geleistet. Auch das Lahn»
tal östlich Koblenz sei in den Händen der Separati-
sten.
Wiesbaden, 23. Okt. Die Aktion der Sepa-
ratisten beschränkt sich darauf, daß sie das Rathaus
und das Rcgiernugsgebäude besetzt halten.
Erkelenz, 22. Okt. Heute inorgen wurde auf
den» hiesigen Lamdratsmnt sowie auf dem Bürger-
meisteramt die Fahne der sogenannten Rheinischen
Republik durch eine etwa 15 bis 20 Mann starke be-
waffnete sonderbündlerische Grupps
gehißt. Beide Verwaltungen stehen unter sonder-
biindledischer Bewachung. In Neuß ist alles ruhig,
ebenso in Engelskirchen.
Darmstadt, 23. -Okt. Im Kreise Groß-Gerau
hat sich die Lage gebessert. Die vorübergehend von
den Separatisten besetzten öffentlichen Gebäude in
Groß-Gerau und Arheilgen sind wieder von den
Putschisten befreit.
Mainz, 23. Okt. Der Putschversuch in
Mainz hat damit geendet, daß die Empörung der
Einwohnerschaft die Franzosen veranlaßte, die Se -
paratisten zu entwaffne,» und aus der
Stadt zu entfernen. Die Franzosen erklärten
sich, als sie sahen, daß die Bevölkerung in ihrer
Mehrzahl nicht hinter den Usurpatoren steht, be-
reit, die Entwaffnung ihrerseits durchzuführen,
was sie dann im Laufe des Nachmittags getan
Haber». Allerdings verlangten sie zunächst, daß
»euch die deutsche Polizei entwaffnet werde;
inzwischen kam aber die Direktive aus Koblenz,
daß die deutsche Polizei nicht entwaffnet zu werden
brauche. Der französische General soll erklärt haben,
daß die Bewegung in Mainz für ihn erledigt
sei, da er sich davon überzeugt habe, daß die Bevölke-
rung nichts davon wissen wolle. Die Separatisten
worden schon in» Laufe des heutige»» Abends von
dei» Franzosen abgeschoben.
München-Gladbach, 23. Okt. Hier wurde
heute die einlagige Herrschaft der Sonderbündler
von der Volksmenge wieder gestürzt. Die Menge
stürmte das Rathaus, holte unter allgemeiner Be-
geisterung die rot-weiß-grüne Fahne hernnter und
hißte die Stadtflagge.
Ablehnende Auslandsstimmen.
London, 23. Ott. Die englische Meinung, wen-
det sich, soweit sie überhaupt in dieser Frage vor-
handen ist, gegen die separatistische Be-
wegung im Rheinland, wobei mftbest'nnmend ist,
daß die Berichte auch von Blättern wie „Daily Te-
legraph" aufs deutlichste den belgisch-fran-
zösischen Anteil an den Vorgängen erkcnnc«
lassen.
Newyork, 22. Ott. Anläßlich einer Gcdcnk-
eier der Landung der ersten deutschen Einwanderer
in Amerika verurteilte»» achttausend Deut-
sche aller Stämme einhellig aufs schärfste jede se-
paratistische Bewegung.
Ergebnislose Verhandlungen.
Berlin, 23. .Okt. Die Verhandlungen dei
Herren Stinnes, Klöckner und Voegler mit
der französisch-belgischen I n g e»»i e u r - K o m m t si
ion sind nach einer Meldung -er „Voss. Zig."
ergebnislos verlausen.
Man rechnet jetzt damit, d»L die gesinnte rheinisch
westfälische Industrie denEhst -ihre Werke
tillegen wird.