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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 251 - Nr. 260 (29. Oktober - 8. November)
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od der. Raum Mmm br.) Mk.eo.—,
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V. d.Z., z. Zt. I8VWMS M. Bei W e»
derholungcn Nachlaß nach Tarif.


skEszeüung

«eschüftrftundtn»—Skthr. Sprech-
stunde« der Redaktion: tl—lSNbr.
PostsäierkkontoKarlsruheNr.LN/7.
Tel.-Adr.: Volk-zeitungHeidelber-.
Druck». Ve.l gderUn erbadische«
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berg. Geschäftsstelle: Schröderstr.S»,
Tel.: <k»pedi«ionW7o u. Redak.WTS.

r«ge5.8ektimg U die MrNikMMMrrW Ser Amlshezktte ßeiSewerß. Wiesloch, KMei«, kvvdrge», Versa-, MosSach, Jache«, NMetia, VorSerg. rMerSWsMel« a. MttSew

5. Jahrgang

Heidelberg, Mittwoch, den 31. Oktober 1923

Nr. 253

Herr Stresemann.
x-r. Heidelberg, 31. Oktober.
Die Politische Situation in Sachsen hat sich in-
sofern korrigiert, als Genosse Dr. Zeigner nicht
verhaftet wurde, wie nach den ersten Meldungen
«nzuuehmen war, sondern gleich den übrigen sächst-
, ichen Ministern „nur unter starker militärischer Be-
oleitung zunl Ausgang des Ministeriums gebracht
'vnrde, woselbst er, ebenso wie die übrigen, in
Freiheit gesetzt wurde". Damit ergibt sich
.eine beachtliche sormalrechtliche Aende-
u n g, ebenso wie auch sonst durch den Rück-
zieher des Generalleutnants Müller bezüglich
-es Verbots des Zusammentritts des
sächsischen Landtags eine Korrektur der
Wdilitärherrschaft erfolgt ist. Bestehen bleiben jedoch
die ungeheuerlichen Tatsachen der Absetzung der
sächsischen Regierung unter versuchter Ausschaltung
des verfassungsmässig zuständigen Landtags, die ge-
waltsame Entfernung der Minister von ihrem Amts-
sitz und vor allem die Mer das republikanische
Sachsen verhängte Militärherrschaft im Gegensatz
Sur scholwndon Behandlung des hochverräterischen
Bayern.
Es ist daher am Platze, sich einmal mit derjenigen
Persönlichkeit zu beschäftigen, die in ihrer bisherigen
staatsmännischen Tätigkeit das Kunststück sertigge-
bracht hat, unsere durch Euno ohnehin völlig ver-
fahrene politische Situation durch Schaffung starker
innerpolitifchsr Konflikte noch mehr zu verfahren
als zuvor, nämlich mit Herrn Reichskanzler Stre-
semann.

Als im August Herr Stvesemnnn die böse Erb-
schaft Ennos übernahm, gab es in unserer Partei
sehr viele, Ne — ungerechnet die Stellungnahme zur
grasten Koalition — große Zweifel an der Eignung
StresemannÄ für den Kanzlerposten hatten. Fest
stand, daß Stresemann ein guter Redner und
gewandter Taktiker war. Ob dies jedoch
ausreichend war für den Kanzlerposten in Deutsch-
lands schwerster Zeit? Ob nicht diejenigen recht be-
kommen würden, die hervorhoben, daß den Licht-
seiten Stresenmnns sehr große Schatten-
seiten gegenüberstanden? Ob nicht für einen
Kanzler der deutschen Republik neben politisch-strate-
gischem Begabung vor allem politische Cha-
rakterstärke unbedingtes Erfordernis war?
Und von letzterem Erfordernis, von Potttischer
Charakterstärke, hatte Herr Stresemann wahrlich
nicht allzuviel — ein Mangel, den Deutschland jetzt
bitterbezahlen mutz, indem die Reichsleitung
der klaren eindeutigen Linie mangelt, die gerade
heute oberstes Gebot sein müßte. Und woher sollte
auch bei Stresemann die eindeutige Linie kommen?
Bei einem Manne, der im Kriege durch seine ua-
lionalliberale Eroberungspropagauda und nach dem
Kriege durch seine zwiespältige Haltung zur Repu-
blik und seinen Kampf gegen die Erfüllungspolitik
jede Aufstiegmöglichkeit unterband. Wie sollte ein
Politiker eine klare Linie einschlagen, dessen Par-
kei half, den Hatz gegen Rathenau und
Wirih grostzüchten, gegen jene Männer, die durch
kine Politik der Versöhnung helfen wollten, in die
seindliche Mauer gegen Deutschland eine Bresche zu
schlagen? Soll man etwa zu Stresemann Vertrauen
bekommen, weil er — zuvor einer der eifrigsten
Phraseure vom „Schmachfrieden" — zu spät ein-
jäh, datz „der Versailler Vertrag in gewisser
Beziehung gegenüber der bisher betriebenen Ge-
waltpolitik noch ein Schutz der deutschen Inter-
essen" ist.

Die Geschicklichkeit in Politischen Wendungen hat
Herrn Stresemann zwar viele Verehrer in Deutsch-
land geschafft — im Ausland hat sie jedoch die
deutsche Situation bis jetzt nicht um ein Jota
Gebessert. Es ist Herrn Stresemann nicht gelungen,
unser Verhältnis zur Entente irgendwie
besser zu gestalten. Und von einem
wirklich brauchbaren Angebot über dte deut-
ichsn Reparationsleistungen und die ver-
wngten Sicherheiten hören wir keine Silbe.
Die deutsche Außenpolitik stockt bis auf die Sepa-
kätistenbe si rebringen, die Herr Stresemann aber Wohl
Wuin als ein Plus seiner Politik buchen Will.
Um jedoch zu zeigen, datz er — der Führer der
eutsch liberalen Volks pari et — Chef
er Reichstzogierung ist, entfaltet er in der deutschen
^> n Nenpolitik eine umso intensivere Tätigkeit,
^war nicht gegen Bayern, das durch sein hoch-
^krä^rjsch^s Treiben längst reif für eine
h eichsexekutive ist, wie Wir sie «chon lange
u,Ollsen, Wohl aber gegen das trotz der k o m in u -
tz ätschen Quertreibereien — denen man
h"^eh eine andere Politik zweckmäßiger hätte
ch^llnen können — gut republikanische und reichs-
y be Sachsen. Dein Befehl seines Fraktions-
evu bilden Dr. Scholz ausführend, der an Bay-
„H,,'^chts zu tadeln findet, dagegen im Reichstag die
(wi^^l'bersteAnng der Staatsautorität in Sachsen"
bk««? bie Deutsche Liberale Volkspartei versteht)
P H.ägte, hat Herr Stresemann die innerpolirischen
Tst? ltnisse in einer Weise zerrüttet, wie sie ein
Porzellanladen nicht schlimmer Mißgestalten
detiL? Erster Unfähigkeit in der Behandlung politisch
sgn^wr Fragen kommt nun aber noch die Ueber-
die ümg der Kompetenzen durch Herrn Stresemann,
wlt vorn Reichspräsidenten in No Hand gegeben

wurden. Ist es schon eine Ungeheuerlichkeit,
datz Herr Stresemann ausgerechnet seinem rechtsge-
richteten Parteifreund, dem ehemaligen Reichsjustiz-
minister Dr. Heintze, Generalvollmacht gegeben
hat, so war das Schalten dieses Reichs-
kommissars in Verbindung mit dem Treiben
des Generalleutnants Müller alle« Republikanern
im ganzen Reiche ein Schlag ins Gesicht, der damit
nicht repariert ist, wenn jetzt — den neuesten Nach-
richten zufolge — durch Bildung eines sozialdemo-
kratischen Minderheitskabinetts im Sachsen, die dor-
tige Situation vorerst entspannt scheint.

Wenn daher am heutigen Mittwoch Ne sozial-
demokratische Retchstagsfraktton Mer die
politische Lage berät, so wird es notwendig, datz st«
das Thema „Stresemann" in den Vordergrund
rückt. Denn es wird auf die Dauer Unerträg-
lich, daß Ne So z iald emo kr ati sche P art ei
dauernd außen- und innenpolitische Maßnahmen
eines Regierungschefs decken soll, der durch seine
frühere und jetzige Politik bewiesen hat, daß er so-
wohl in der äußeren wie in der inneren Politik
Maximen huldigt, die der Sozialdemokratie schärf-
stens entgegengesetzt find.

M KMllW l» WU
Ein sozialdemokratisches Minderheitskabinett gebildet.

Ein Rückzieher des Wehrkreis-
kommandeurs
Dresden, 3«. Okt. Die Verordnung des Ge-
neralleutnants Müller, daß der Landtag nicht zu-
sammentreten dürfe, ist auf Anordnung des Reichs-
kanzlers zurückgezogen worden.
Dresden, 30. Olt. Der sächsische Land-
t a g trat um 2 Uhr zusammen, um sich sofort wieder,
zunächst auf 6 Uhr nachmittags, zu vertagen.
Die zum zweitenmal auf 6 Uhr nachmittags
angesetzte Sitzung des sächsischen Landtags wurde
abermals verschoben.
Dresden, 30. Okt. Die Reichswrhrbesatzung
des Landtages ist heute nachmittag um 3 Uhr zurück-
gezogen worden.
Zur Besetzung der Ministerien.
Nachdem über die Besetzung der sächsischen Mi-
nisterien und Ne gewaltsame Entfernung der sächsi-
schen Minister, dte n tch t v e rh a fte t wurden, wie
es anfangs hieß, unrichtige Gerüchte umlMfen, las-
sen wir nachstehend den Bericht unseres Dresdener
Speztalkorvefpondenten über den Hergang der
Dinge folgen:
Dresden, 29. Okt. (Eig. Ber.) Retchskom-
missar Dr. Heinze hat am Montag mittag sämt-
lichen sächsischen Ministern das Absetzungs-
dekret mit der Aufforderung überreichen lassen,
bis 2 Uhr Mittags die Ministerien zu verlassen.
Pünktlich um 2 Uhr erfolgte der Anmarsch der
Reichswehr, die Befehl hatte, -Ne Ministerien zu
„säubern". In Begleitung mehrerer Musikkapellen
marschierten Ne einzelnen Kompagnien in die Alt-
stadt und besetzten die Ministerien, den
Landtag und das Hauptpostamt. Im Staats -
Ministerium wurden zunächst sämtliche
Eingänge besetzt und mit Maschinenge-
wehren gesichert; dann wurde das Treppen-
haus abgeriegelt. Unter Führung von zwei Offizie-
ren nahmen mehrere Patrouillen die Minister
fest — und führten sie unter starker Bedek -
kung --- die Mannschaften mutzten dte Gewehre
entsichern — zum Ausgang, wo sie in Frei-
heit gesetzt wurden. Niemand durfte das Haus
ohne Genehmigung des leitenden Offiziers verlassen
oder betreten. Als Genosse Zeigner aus seinem Zim-
mer geführt wurde, hatten sich auf dem Gang zahl-
reiche Ober- und Unterbeamte versammelt, von denen
sich der Ministerpräsident durch Händedruck verab-
schiedete. Ein Beamtenvertreter gelobte in
kurzer Ansprache dein Ministerpräsidenten unver-
brüchliche Treue. Genosse Zeigner erwiderte, er habe
die Hoffnung, datz jeder voll seine Pflicht tun werde.
Im Finanzministerium erklärte Böttcher dem
Roichswehrosfizder, daß er die Handlungsweise als
einen Bruch der Reichs- und Landesver-
fassung betrachte und persönlich nur der' Waffen-
gewalt weiche. Bet dev Besetzung des Landtages
drang die Reichswehr sofort in das Fraktions-
zimmer der KPD. ein. Den kommunistischen
Abgeordneten wurde erklärt, daß sie den Saal nicht
verlassen dürften. Nach erfolgloser Suche nach dem
kommunistischen Minister Heckert wurde die Maß-
nahme gegen Ne kommunistischen Abgeordneten zu-
rückgezogen, doch blieb der Landtag besetzt.
Dresden, 3V. Okt. Sämtliche Fern««,
spräche, auch die der Presse, wurden über-
wacht. Zahlreiche Verbindungen sind unterbun-
den worden, sobald über Maßnahmen der Reichs-
wehr gesprochen wurde.
Die Haltung der sächsischen
Arbeiterschaft
Dresden, 30. Okt. Die Spitzenorganisationen
des Allgemeinen deutschen Gewerkschafts-
Bundes, der Afa sowie die Parteiorganisatio-
nen der VSPD. und der KPD. für Sachsen haben
in längerer gemeinsamer Sitzung heule nacht ab
morgen früh einen dreitägigen Generalstreik für
Sachsen beschlossen.
Infolge Eingreifens des Generalkommandos ist
dte Durchführung des Generalstreiks jedoch meist
unterbunden. Sfratzenbahnen. Posi und En.,.-
bahneu arbeiten weiter. Dagegen ist es in zahlrei-
chen industriellen Belrieben heute zu Tetlaus-

ftänden gekommen. In Freital und Chem-
nitz wird gestreikt. In Bautzen haben auch die
Arbeiter der Elekirizitäts- und Wasserwerke die Ar-
beit niedergelegt.
Chemnitz, 30. Okt. Der fozialdem. Be-
zirkstag für Chemnitz hat gegen das Vorgehen
der Reichsregierung flammenden Protest erhoben
und sich rückhaltslos hinter Ne sächsische Regierung
gestellt. Er fordert den Austritt der So-
zialdemokraten aus der Reichsregierung.
Dresden, 29. Okt. Der Landesvor-
stand der V.S.P D. wendet sich in einem Aufruf
gegen das Diktat der Reichsregieruwg, warnt
jedoch gleichzeitig vorjedem unbesonnenen
Schritt und jeder Einzelaktion der werktätigen
Massen
Die Schuld der Kommunisten.
Leipzig, 30. Okt. Daß die Kommunisten
an den sächsischen Verhältnissen ein gerüttelt Matz
von Schuld haben, ergibt sich daraus, datz die
„Leipziger Volkszeitung" schreibt:
Die Gegner der sächsischen Regie-
rung werden sich freuen, daß dte Kommu-
nisten durch ihr Verhalten in den letzten Tagen
der Reichsregierung eine so billige Hand-
habe gegeben haben, die sozialisttsch-kommunisttsche
Regierung schachmatt zu setzen. Wir haben seiner-
zeit Ne Bildung der proletarischen Koalitionsregie-
rung begrüßt und Ne Erwartung ausgesprochen,
daß Ne Kommunisten ein« Realpolitik treiben
möchten. Statt dessen kam der kommunisti-
sche Ftnanzminister Böttcher nach Leipzig und
hielt eine Rede, die Herrn Getzler den Feldzug ge-
gen Dachsen rind die Unterstellung der sächsischen
Polizei unter den Dresdner Wehrkreiskommandan-
ten ermöglichte. Die Kommunisten trugen
daun durch den in dem Ultimatum der Reichsregie-
ruwg erwähnten Aufruf zur weiteren '.V e r-
schärfung der Situation und zu dem verlangten
Rücktritt der sächsischen Regierung bei. Bei den
Vereinbarungen Mer die Bildung der derzeitigen
sächsischen Regierung haben die Kommunisten er-
klärt, daß sie die Reichs- und Landesverfassung re-
spektieren würden. Sie hätten dann auch danach
ihre Reden und Handlungen richten müssen. Und
wenn jetzt dieKommunisten nach dem Vorgehen der
Reichs-regierung gegen Sachsen ein Verräter-
geschrei gegen unsre Partei ansttmmen sollten,
so muß ihnen.geantwortet werden, datz sie selbst
in Sachsen den Stotz der Retchsregierung gegen
die sächsische Arbeiterregterung ermöglicht ha-
ben. Der erste Dolchstoß gegen das soziali-
stisch-kommunistisch regierte Sachsen ist durch den
Koimnuuistenputsch in Hamburg geführt Wor-
den. Die Kommunisten' haben in Sachsen wie-
der bewiesen, datz sie Politisch höchst unzu-
verlässig sind und daß sie in ihrer politischen
Einstellung immer wieder Intrusionen folgen, die
von ihren parteiegoistischen Zielen diktiert werden.
Die Haltung der Sozialdemokratie.
Berlin. 30. Okt. Der sozialdemokratische Frak-
tionsvorstand ist heut« zweimal zu einer Sitzung zu-
fammengetreten, doch wird Ne endgültige Ent-
scheidung erst in der Fraktionssitzun g
am Mittwoch gefällt werden. Von der Entwicklung
der Vorgänge in Sachsen wird es abhLugen, ob Ne
Sozialdemokratie noch Weiler in der Großen
Koalition bleiben Wird.
Ueber Nr letzte Vorstandssitzung wird partei-
offiziös mitgelcilt:
„Angesichts der Vorgänge in Sachsen haben die
sozialdemokratischen Reichsminister dem Vorstand
der ReichstagssraWon ihre Absicht Mitgeteilt, aus
der Retchsregierung auszusKeid e n. Der Frak-
lionsvorstand hat in seiner Sitzung vom Dienstag
die Minister ermchtt Ne Entscheidung der Reichs-
tagsfraktion zu überlassen, Ne Mittwoch nachmittag
um 1.30 Uhr Zusammentritt- Für Ne Vertagung
des endgültigen Beschlusses war u. a. auch der Um-
stand von Bedeutung, daß eine Klärung der Regie-
rungsfrage in Sachsen, Mer Ne am Dienstag in
Dresden verhandelt wurde, ab gewartet werden sollte.
Eine ultimativ formuliert« Forderimg der Kom-
munistischen Partei, bis Dienstag 6 Uhr
abends ein« Antwort auf die Frage zu erteilen, ob
man bereit sei, mit ihr sofort eine Einheits-

front zu bilden, wurde in Anbetracht des Ver-
haltens der Kommunisten in Hamburg, Sach -
s e n und anderwärts abgelehnt. Zu den in dem
Schreiben der Kommunistischen Partei ausgestell-
ten Einzelforderuugen hat die sozialdemokratisch«
Reichstagsfrwktton bereits selbständig sachlich Stel-
lung genommen."
Die Versuche um eine Kabinetts«
bildurrg.
Dresden, 30. Okt. Der Reichskommissar Dr.
Heintze ist eifrig um Ne Bildung eines neuen Ka-
binetts bemüht. Vorerst erledigen Ne Ministe-
rialräte provisorisch die Geschäfte der Ministe-
rien.
Von Berlin sind Ne sozialdemokratischen Reichs-
tagsabgeordneten Wels und Dittmann einge-
troffen, um die Lage zu klären.
Verschiedenen Meldungen zufolge soll ein rein
sozialdemokratisches Kabinett gebildet
werden, wobei der ehemalige Wirischaftsmmister
Genosse Fellisch als Ministerpräsident
genannt wird.
M Milk MW WklllU
Dresden, 31. Okt., 9.30 Uhr früh. Der Land-
tag ist heute nacht halb 1 Uhr zu der geplante»
Sitzung zusammengetreten. Hierbei wurden die
Mitglieder der neuen Regierung vorgeschlagen. Die
Mitglieder der neuen Regierung gehören sämtlich
der B.S.P.D. an und waren größtenteils im Mini-
sterium Zeigner vertreten. Die Kommunisten sind
bei dem neuen Kabinett ausgeschaltet. Das sozial-
demokratische Minverhettskabinett wird durch das
Verhalten der bürgerlichen Parteien eine Mehrheit
finden.
Die Ministerliste lautet: Ministerpräsident Fel-
lisch, Inneres Lipp mann, Finanzen: Held,
Wirtschaft: noch unbestimmt, Arbeit: Graube,
Justiz:R e u, Volksbildung: Lindner.

Die Lage im Reich.
Das Zusammentreten des Reichstags
Berl t n, 30. Okt. Der Termin der Reichs-
tagssitzung ist noch unbekannt. Der Aelt« -
stenrat beschloß, daß Ne Sitzung für dm Frei-
r a g einberufen werden soll, wenn der Reichs-
kanzleran diesem Tage bereit sei, sich an einer
politischen Aussprache zu beteiligen. Falls der
Reichskanzler dies erst für den Dienstag nächster
Woche wünscht, soll dieser Termin bestimmt werden.
Jedenfalls soll in der ersten Sitzung Ne allge-
meine Politische Aussprache stattftndelß
während die Beratung des Arbeit s z e tt ge s e t-
zes einer späteren Sitzung Vorbehalten bleibt.
Berlin, 30. Okt. Der Auswärtige Ausschuß
des Reichstages wird voraussichtlich für kommenden
Montag zur Besprechung der Reparations-
frage einlbernfsn werden.
Der Aufmarsch Bayerns gegen
Mitteldeutschland.
Berlin, 31. Oktober.
Während Herr Stresemann eifrig dabei ist,
mit Hilf« Ns Militärs Sachsen zu erdrosseln, ist
N-r deutschvöirische Heerbann in Bayern
im Begriffe, die Republik überhaupt zu berennen.
Es ist kein Geheimnis mehr, datz die baye-
rische Reaktion zum Marsch gegen Ber-
lin eifrig rüstet. Fortgesetzt erfolgen durch Ne
Geheimorganisationen N e u ei n z i eh un g e u.
Neuerdings herrscht an der bayerisch-thüringischen
Grenze ein reges Leben. Die Hitler- und EHr-
harN-Organisationm haben scheinbar dm Auftrag,
sobald das Signal eintrisft, einen Vorstoß über
die thüringische Grenze hinaus nach Mtt-
tcldeutschliand zu machen. Di« bis jetzt von ihnsst
getroffenen Vorbereitungen lassen das deutlich er-
kennen. Augenblicklich ist das militärische Kräfte-
verhältnis an der baherisch-thüringischen Südgrenze
folgendes:
Der bayerische Grenzschutz wird in der Haupt-
sache durch bayerische Schutzpolizei und Aw
gehörige der Organisation „Bayernnnd Reich"
ausgellbt. Die Entwicklung der Verhältnisse in der
Woche vom 22. vis 28. Oktober 1923 Hai den Ein-
druck ergeben, daß dieser bayerifcherseits rein defen-
siver Natur ist. Bayerische Reichswehr ist
an der eigentlichen Grenzsicherung nicht betei-
ligt. Es sind im wcscnfticheW zwei Grenz-
sch u tz ab s ch n i t t e zu beobachten. Hutter diesti
Greuzschlltzpostelftefte sammeln sich seit dem 22. Ok-
tober stark« Formationen militärischer ille-
galer Kräfte: Sie stehen in wefiausoinaiided»
gezogener Tiefgliederung mit dm Köpfen in Coburg
und Kronach und der rückwärtigen Basis in Bam-
berg. Die beobachteten Formationen machen VA»
Eiridruck, daß es sich im Abschnitt Kronach-CoburA
um zwei getrennt organisierte Sturm-DivtsionÄP
handelt. In Coburg sind festgestellt: >
Der Stab der Brigade Ehrhardt, untcrgebrachi
im Hotel Reichs graf. Anwesend waren: Majos
 
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